Diplomatie im Auftrag seiner Majestät von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 43: Verbrennt den Ketzer -------------------------------- Er lachte heiser und schnarrig. "Du Muttersöhnchen", krächzte er zwischen den faltigen Lippen, mit seinem fast zahnlosen Mund und sein Unterkiefer zitterte. "Du Sohn einer läufigen Hündin. Hat dich die Dirne nicht genommen, diese ..." Der Rest des Satzes ging in würgendem Husten unter und der zerbrechliche Körper krümmte sich. Finger wie die verknöcherten Äste einer Weide, schlossen sich um das Geländer und hielten ihn fest. Es rasselte trocken in seiner Kehle. Schwer stützte er sich auf. Die blauen Adern traten deutlicher unter der pergamentartigen Haut hervor. Sie mussten das ganze Gewicht, des schwammigen, altersgekrümmten Körpers tragen. Der Greis am oberen Ende der Treppe sah mitleiderregend gebrechlich aus. Die ganze Kraft seiner Seele ruhte in den tiefliegenden Augen, in denen ein dunkles bösartiges Feuer brannte. Körperlich war der Alte nicht in der Lage selbst einem kleinen Kind gefährlich zu werden. Bis zur Blüte seines Lebens hatte er die Hilflosigkeit, derer die ihm untertan waren ausgenutzt, mit brachialer Gewalt über sie geherrscht. Dann raubte ihm der übermäßige Genuss von Alkohol und fettgetränktem Essen die Kraft. Mit Ende fünfzig war er ein alter Mann. Nur die Schwärze seiner heimtückischen Seele blieb ihm. Spie er den Abschaum seines Geistes aus, so waren seine Worte ein verletzendes Intermezzo verbaler Boshaftigkeit, sauer durchtränkt wie Galle. Der Junge am Treppenende wollte fliehen, aber die Worte des Alten hielten ihn fest. "Nie vor dir hat eine Frau gewagt, einen de la Fere abzuweisen", bellte es vom oberen Treppenabsatz und er fuhr mit der Hand das Geländer lang, während er sich schwerfällig die Treppe hinunter bewegte. "Ein Schwachkopf bist du, eine Memme, verweichlichtes Mädchen, das sich hinter den Rockzipfel seiner Mutter versteckt. Wen wundert es, wenn sie einen anderen nimmt?" Stille legte sich über die Halle. Eine misstönende Stille, die lauter war als Worte. Der Junge konnte jetzt das Netz aus Adern unter der weißen Haut erkennen und die Weinflecken auf dem weißen Kragen. "Na, los erwiderte etwas!", befahl der Alte und verzog die fahlen Lippen zu einem höhnischen Grinsen. "Es ist das Vermögen ... Sir! Ihre Familie ist arm und unserer .... ", er stockte und presste sein Buch fester an den schlaksigen Körper. Die Augen des Alten wurden noch kälter "Hast du dir eine billige Dirne gesucht, der der Name de la Fere nicht genug ist?" Er stieß den Jungen an der Schulter an und trieb ihn vorwärts. Der Alte spie aus. "Ph, ihr die Ehe anzubieten, du Tölpel. Schlaf mit ihr, schwängere sie, aber mache sie nicht zu deiner Frau!" Wieder und wieder stieß er ihn vorwärts. An anerzogenen Respekt gekettete, ließ der Junge es willenlos mit sich geschehen, bis sein Rücken an eine Säule stieß. Seine Stimme zitterte und sein Kehlkopf hupfte wild auf und ab. "Wir haben doch nur noch den Namen." "Du bringst Schande über uns. Verbringst die meiste Zeit hinter deinen Büchern, anstatt ein richtiger Mann zu werden und willst mir sagen, ich könnte mein Land nicht richtig verwalten!?" Speichel spritzte über die Lippen des Vaters in sein Gesicht. "Nein, Vater." Der alte Graf hob die Hand. Sie war wie der knochige Ast einer Weide im Sturm. Die Weide schlug aus. Schützend stieß der Junge die Hände von sich und schloss die Augen. Die jungen Arme trafen auf die gebrechlichen Knochen. Sein Vater stürzte und schlug schwer auf dem Boden auf. Sprachlos und starr vor Schreck starrten Vater und Sohn sich an. Blind vor Zorn verdunkelten sich die Pupillen des Alten. Mordlust sprach aus ihnen. "Verschwinde!" Hilflos kniete der Junge sich neben ihn. "Vater?" "VERSCHWINDE." Athos schreckte auf, während die letzten Worte seines Vaters noch in seinen Erinnerungen nachhalten. Sie hinterließen einen bitteren Geschmack in seinem Mund. Es klopfte an der Tür ... Aramis zügelte ihr Pferd und sah über die Ebene. Nebelschwaden lagen über dem, in hellgrauen Dunst getauchten Land. Blas aprikofarbend begann der Tag am Horizont zu erwachen. Das Tier blies seinen schnaufenden Atem als Nebelwolke in den kalten Herbstmorgen. Der Weg gabelte sich an dieser Stelle. Eine Straße führte nach Paris zurück, zu ihrem bisherigen Leben und einer würde als Symbol zu einem neuen Lebenspfad werden, den sie beschreiten musste. Durch das Tal schlängelte sich ein Fluss breit und gemächlich durch Wiesen und Felder. Hinter den letzten Gehöften vor Paris, hatte sich das Häusermeer der Stadt, in kaum besiedeltes Land gewandelt. Weit und endlos ohne Lärm, Hektik und zu wenig Raum. Die Kirchen und Paläste der Stadt waren verschwunden. Grausilbriger Reif lag über der Erde, die weit und breit kein menschliches Leben zeigte. In allem sah und spürte Aramis Abschied und Vergänglichkeit. Sie seufzte schwer und hauchte sich warmen Atem in die kälteerstarrten Hände. Mit einem letzten Blick auf den hölzernen Wegweiser, trieb sie das Tier mit festem Schenkeldruck weiter an. Der kalte Wind strich über ihre Haut. Mit gleichmütigen Augen starrte Aramis auf den endlosen Schlängellauf der Straße. Es wurde Tag. Wälder, Seen, kleine Dörfer flogen im funkelnden Licht der Oktobersonne vorbei. Durch die noch dunkle Nacht eines ganz jungen Tages lief Athos. Es war weit über Mitternacht. Seine Schritte hallten auf dem groben Pflaster der menschenleeren Gasse wider. Wolken schoben sich vor dem Mond und verdunkelten den Weg. In der Ferne sah er das spärliche Licht der Lampe eines Nachtwächters, doch seine Füße wussten ihn auch so durch die Dunkelheit zu tragen. Natürlich schlief, abgesehen von ein paar einsamen Nachtschwärmern jeder zu dieser Stunde. Selbst die Gestalten der Nacht, waren in ihre Löcher gekrochen - die leichtlebigen Damen des horizontalen Gewerbes, die Wächter der Spelunken und Tavernen, die Taugenichtse und Tunichtgute, die das lange Tagewerk scheuten, Poeten, Studenten, Lebemänner, Gauner und Gaukler, die armen Tore, an deren heimischer Herd nur ein zänkisches Weib wartete. Auch die Bewohner des riesigen Gehöfts an der Rue de Orléans schliefen den Schlaf der Gerechten, als ein lautes Hämmern sie aus ihren Träumen riss. Mit einer Aufdringlichkeit, die gar nicht zu seinen Wesen zu passen schien, hämmerte er gegen die schwere Eichentür. Endlich erschien das verschlafene Gesicht Hiltrud Schättiger, kein Gesicht, was man zur Geisterstunde zu sehen wünschte. Mit einer Hand raffte sie ihren Morgenmantel an dem ausladenden Busen zusammen, mit der anderen hielt sie eine Lampe in sein Gesicht. "Was'n", murrte sie und sah ihn unter müden Augenlidern an. "Wer störtzusospäterstunde?" Ihre tauben Lippen waren kaum zu einer vernünftigen Artikulation fähig. "Ich muss den Kapitän sprechen!" Etwas in der Stimme, des sonst so beherrschten, ruhigen Musketiers ließ sie aufmerksam aufsehen. Sie hob die Lampe höher. Ein Blick in seine Augen und sie trat beiseite. Mit einer Behändigkeit, die man ihrer plumpen Gestalt nicht zugetraut hätte, eilte sie mit wehendem Morgenmantel voraus und klopfte am Schlafgemach des Kapitäns. Eilig trat sie beiseite und ließ ihren Herrn einen Blick in die Augen seines Gastes werfen. Jetzt wo Athos seinem Kapitän und Vorgesetzten gegenüberstand, stopfte sein kopfloser Auftritt. Er brauchte einen Moment, bevor er sich einen Ruck gab und das Zimmer betrat. Dort stand er nun schweigend. "Und?", peitschte die Stimme des Kapitäns durch den Raum, während er mit der rechten Hand nach hinten griff und die wollene Unterhose über den faltigen Männerhintern zog. "Aramis ist weg!" entgegnete Athos und seine Augen irrten unstet zu D'Treville. "Geht das auch etwas ausführlicher." "Eben erreichte mich ein Bote, der mir diesen Umschlag hier gab." Athos streckte ihm einen braunen Umschlag entgegen. "Und?", fragte D'Treville ohne ihn entgegenzunehmen. "Er enthält alle Dokumente, die Aramis vom König erhalten hat." "Natürlich", bestätigte D'Treville nickend, "das war zu erwarten", und lief zu einer Anrichte, um sich Wein einzuschenken. "Jetzt gehören Titel und Land wieder dir! Freu dich, Graf de la Feré!" Athos Kieferknochen mahlten. "Sie hat Paris einfach verlassen." Er musste sich beherrschen seinen Vorgesetzten nicht aus voller Kehle anzubrüllen. Der Kapitän war selbst in wadenlanger Baumwollunterhose die größere Autorität. "Auch das war zu erwarten. Sie ist kein Freund von großen Abschiedsworten oder Rührseeligkeiten." "Wo finde ich sie jetzt?", schleuderte Athos knapp zurück und seine Kiefer mahlte immer geräuschvoller. Der Kapitän begnügte sich mit einem Schulterzucken. "Woher soll ich das wissen?", sagte er lediglich und trank einen großen Schluck und schmeckte ihm, zufrieden mit dem Bouquet auf der Zunge. Die Fiedel spielte zum Tanz auf, die lederbespannte Trommel schlug dazu im Takt. Berauscht vom Wein und der allgemeinen Heiterkeit stampften die Gäste der Taverne übermütig mit den Füßen auf den Boden und schlugen die Bierhumpen auf die Tische. Über der Musik hob sich der ohrenbetäubende Lärm von lauten Stimmen, Gelächter und falschem Singen. Ein Mann mit dem Körperbau eines Bären, sprang auf den Tisch und schwang die Beine. Bestürzt schlug der Wirt die Hände über den Kopf zusammen. Das morsche Holz ächzte und knirschte. Staub rieselte von der Decke. Aber bei einem Mann mit einer Statur wie ein Riese, wagte ein Mann von durchschnittlicher Größe - aber großer Lebenserwartung - keinen Einspruch. Saint-Jean-d'Angéy lag Nahe der Atlantikküste und damit La Rochelle. Nur eine halbe Tagesstrecke trennte Saint-Jean-d'Angéy von der Hugenottenstadt und da Saint-Jean-d'Angéy an einer der Haupthandelsstraßen lag, kamen genügend Stadtmenschen an dem kleinen Städtchen vorbei. Diana war jung, hübsch und mochte das andere Geschlecht. Und das andere Geschlecht mochten sie. Sie liebte die bewundernden Blicke, mit denen die Männer ihr nachsahen und ihren biegsamen jungen Körper streichelten. Sie lechzte nach Komplimenten und Geschenke als Zeichen der Zuneigung. Ein Kuss im Dunkeln, in der Scheune, ein starker Arm beim Tanzen um ihre Taille, ein harter Körper im engen Gedränge eines Marktages, an ihren weichen Rundungen. Vor allem aber, liebte sie es zu kokettieren. Ein Wimpernaufschlag, ein helles Lachen, das Mieder heruntergezogen und die Hüften geschwungen, dass die Unterröcke aufwirbelten. Doch die Hugenotten in ihrer steifen schwarz-grauen Kleidung, mit ihren strengen protestantischen Regeln, warfen Diana die Hurerein vor. Diana hasste die Hugenotten mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie die Männerwelt für sich einnahm. Als England La Rochelle militärische Unterstützung zusagte, legten sich die Vorboten des Krieges bleischwer über die kleine Stadt Saint-Jean-d'Angéy Seine Männer gingen bedrückt durch die Straßen, seine Frauen schwiegen. Doch heute hatten die Soldaten, die tapferen Söhne Frankreichs einen wichtigen Vorposten erobert und waren der ketzerischen Hochburg bis an die Stiefelspitze gerückt. Diana feierte den Tag genau wie alle anderen der Stadt. Mit roten Wangen und kurzem Atem kam sie zum Stehen. Der junge Luc, ein schlaksiger Bursche von 15 Jahren, wirbelte sie noch einmal herum, dann zog der Reigen weiter. Diana trank von ihrem Wein, während ihr Fuß weiterhin zum Takt der Musik auf den Boden klopfte. Ihr Blick glitt durch die Schenke. Sie kannte die meisten Gäste. Es waren Männer und Frauen aus ihrer Stadt. Grobe Bauern und Handwerker, die nicht viel mehr als ihr Tagewerk vom Leben erwarteten, bis sie mit dem Spaten in der Hand tot umfielen. In der Nähe der Tür saßen zwei fremdländische Händler und einige unbekannte Reisende. Alles ältere Männer die Diane nicht reizten. Auch der mürrische Mönch und der dürre Fremde mit dem fahlen Gesicht, waren keinen zweiten Blick wert. Ganz hinten saß, fast gänzlich im Halbdunkel verborgen ein weiterer Mann. Still und alleine über seiner Mahlzeit gebeugt. Diana ging näher heran. Obwohl der Fremde einfache Reisekleidung trug und das Gesicht unter dem Schatten des Hutes verborgen blieb, zeigten die Vornehmheit, mit der er sein Essen aß, den besseren Stand. Schlangen Menschen ihres Schlags das Essen herunter, schlürften die Suppe und wischten das Fett mit dem Ärmel vom Mund ab, so führte dieser hier langsam und bedächtig das Besteck zum Mund. Mit einem hinreißenden Lächeln auf den Lippen, setzte sich das Mädchen auf die Bank neben ihn. Verwundert sah der Fremde auf. Das fahle Licht der Öllampe erhellte die Gesichtszüge unter dem Hut. Er war jung und hübsch. In den gleichmäßigen Zügen lag etwas Feines und in den Augen große Sanftheit. Sie wollte ihn haben. Diana schob sich näher, bis ihr Oberschenkel den seinen berührte. Der junge Mann räusperte sich und rückte seitlich, so weit wie es ihm möglich war, von ihr ab. Die seitliche Kante der Bank stieß in sein Sitzfleisch. Sein Geruch nach feiner Seife, stieg ihr in die Nase und schmeichelte ihre Sinne. Kein penetranter Geruch nach Schweiß und Knoblauchatem, den sie von den heimischen Männern gewohnt war. Beharrlich rückte sie nach. "So alleine?", säuselte sie. Dem jungen Mann stand der Schweiß auf der Stirn. Seine Finger umkrallten die Tischkante, da die Bank ohne entsprechendes Gegengewicht auf der anderen Seite sich zu heben drohte. "Mademoiselle, wir kippen!", presste er gequält hervor und schob sie, mit seiner Kehrseite, Stück für Stück zurück. Sie lachte hell. Behände wie Spinnenbeine, wanderten ihre Finger flink über sein Knie in Richtung Körpermitte. Ruckartig zog er das Bein an und stieß gegen die Tischplatte. Er ächzte. Sie lachte. Die Fiedel spielte einen schnellen Reigen, die Finger auf der Trommel schlugen in immer schnelleren Takt. Ihre Lippen wanderten zu seinem Ohr. "Gefalle ich dir nicht?", hauchte die junge Frau und wieder suchten ihre Finger den Weg über sein Bein, während sie den Oberkörper an seinen Arm presste, dass das weiche Fleisch der Brust über den Miederrand drückte. Warm streichelte ihr Atem sein Ohr. Der junge Mann schluckte schwer und lockerte sich seinen Kragen. Die wirbelnden Menschen zum schnellen Takt der Musik verschwammen vor seinen Augen, die rauchige Luft in der engen Taverne drückte ihm die Kehle zu. Ihr Lachen drang grell an sein Ohr, ihr süßlicher Geruch brannte in seiner Nase, die hämmernde Trommel dröhnte in seinen Schädel, der Hals wurde ihm trocken, während sich der Raum vor seinen Augen drehte. Dann passierte alles gleichzeitig. Ihre Hand war wieder an seinem Bein. Er fasste nach ihren Händen, sie sprang vor und als sie sich mit ihrer ganzen Körperkraft gegen ihn warf und ihn unter sich zu begraben drohte, rollte er sich seitlich und schob sie gegen die Tischkante. Der Tisch gab nach und das Mädchen fiel auf den Boden. Dort blieb sie liegen, dann schrie sie. Diana schrie. Der Musikant strich hart über die Seite, die Fiedel quiekte. Das schiefe Cis verklang, dann war es stecknadelstill in der Taverne. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Die Sekunden dehnten sich endlos, während vor Verblüffung niemand zu sprechen wagte. Das Mädchen schloss schnell den Mund, erschrocken über die eigenen Lautstärke und die allgemeine Aufmerksamkeit. Verschreckt sah sie zu dem jungen Mann hoch, der genauso bleich zu ihr herunter sah. Er hatte seinen Hut verloren und große Augen, in einem Gesicht so fein und weich wie die eines Jünglings oder gar einer Frau, starrte zurück. "Das wollte ich nicht." Er kniete sich nieder, um ihr zu helfen. "Nein!" Diane wollte gerade nach der helfenden Hand greifen, erstarrte aber mitten in ihrer Bewegung. Synchron drehten sich alle Köpfe zur anderen Seite des Schankraumes. Der unscheinbare Fremde hatte sich erhoben und die Hand mahnend dem Paar am Boden entgegengestreckt. Er ballte die Hand zur Faust. "Er ist ein Hugenotte aus La Rochelle." "Und wer bist du?" Der Fremde geriet verbal ins Stolpern und sah ratlos zu seiner verwirrten Zuhörerschaft. Dann schrie er erneut. "Er ist einer dieser verdammten Hugenotten aus La Rochelle", als hätten sie nicht richtig verstanden, dabei brannten seine Augen fanatisch ein Feuer durch die Menge, bis hin zu dem jungen Mann, der nicht zu verstehen schien und einfach nur zurückstarrte. Wie eine Sturmwelle gingen die Köpfe mit einem Ruck wieder zur anderen Seite. Verwirrung machte sich breit. Niemand kannte die beiden Männer und niemand wagte dem einen oder anderen zu glauben. Das Bild des jungen Mannes verzerrte sich vor Dianas innerem Auge. Sie glaubte Ekel und Abscheu in seinen Augen gesehen zu haben, als er sie von sich stieß. "Er ist ein Protestant. Ich weiß es!", schrie sie außer sich und sprang von ihm weg. Der Fremde fuhr fort: "Ich habe ihn draußen mit anderen Männern aus der Stadt getroffen. Erst hat der Kampf um diese teuflische Stadt, Hunderten guter französischer Soldaten das Leben gekostet. Nun gewinnen wir endlich die Oberhand, da wollen sich diese feigen Hunde aus dem Staub machen. Der Boden brennt ihnen zu heiß unter ihren ketzerischen, verräterischen Hintern." Nun begannen die Ersten doch zu murren und einzelne hasserfüllte Rufe wurden laut. Laut polternd fiel der Stuhl zu Boden, als sich der Mönch erhob. "Nur der Geruch eines verbrannten Ketzers, ist ein Wohlgeruch in der Nase des Herrn und ein Bild, das unserem geistlichen Herrn auf Erden, dem Papst gefällt. Ich sage, verbrennt ihn!" Er trat um den Tisch herum. Wie eine Schildkröte, fuhr der kahle Kopf, mit dem faltigen Antlitz aus der groben Kapuze seiner Kutte. Speichel sammelte sich vor Aufregung auf den schmalen Lippen. "Sie verleugnen die heilige katholische Kirche, sie spucken auf den wahren Glauben. Sie die Ketzer, sie sind der Satan, sie sind das Verderben für die Christenheit. Nur das Feuer kann uns von dieser Seuche befreien!" Wie berauscht von dem Gedanken, sprang der Fremde auf dem Tisch und stampfte mit dem Fuß auf. "Kein schlechter Gedanke", er nickte anerkennend. "Ja, verbrennt ihn! Er und seine Glaubensbrüder sind ein Bündnis mit den englischen Teufeln eingegangen, dafür sollen sie brennen." Die Gäste jubelten bei seinen Worten auf. Eine Woge der Zustimmung ging durch die Taverne. "Nur ein toter Hugenotte, ist ein guter Hugenotte!" Man stampfte vor Zustimmung mit den Füßen auf den Boden. "La Rochelle wird dem Erdboden gleichgemacht werden!" "Sie werden brennen!" Begeistert stimmten alle Gäste ein. Der Wirt schob sich in die Mitte und bat um Ruhe. "Ich habe noch Holz hinten am Stall gestapelt, dass müsste genügend", warf er hilfesuchend ein und wieder stampften seine Gäste begeistert mit den Füßen auf den Boden. Zufrieden mit dem Lauf der Dinge, ließ der Fremde die Arme sinken und befahl kurz und bündig ihn festzuhalten und das Feuer zu errichten. Der Mönch als geistiger Vertreter auf irdischem Boden, zischte erbost. Sah er sich doch als kompetenten Handlanger für ein gottgefälliges Werk und musste die Läuterung für den wahren Glauben in seine Hände halten. Zwei Männer traten auf den jungen Mann zu, der immer noch wie erstarrt dazustehen schien und packten jeweils einen Oberarm. Hatte ihr Opfer bisher bewegungslos dagestanden, so schien er, angesichts der beiden Männer, endlich zum Leben zu erwachen. Wie eine Schlange wand er sich in dessen Umklammerung, die wie ein Schraubstock seine Arme festzuhalten schien. Mit sich selbst uneins, ob sie den jungen Mann brennen sehen wollte, trat Diana verhalten zurück und beobachtete die Gesichter der anderen Gäste, die sich sichtbar an dem Schauspiel weideten. Sie sah, wie ein weiterer Mann auf ihn zutrat, den Arm hob und zuschlug. Sie hörte ihn ächzen und stöhnen, als die Faust den Magen traf und sah wie er sich krümmte. Seine Peiniger zogen ihm den Kopf an den Haaren rüde zurück, dann schlugen sie ihm in das Gesicht. Blut spritze auf. Der junge Mann stöhnte und man glaubte unterdrücktes Wimmern zu hören, aber er gab ihnen aber nicht die Befriedigung zu schreien. Blut tropfte aus der Nase über das Kinn. Mühsam hielt er sich auf den Knien. Man drehte ihm die Arme auf den Rücken und zwang ihn bewegungslos am Boden zu bleiben. Es bereitete seinen Peinigern unendliches Vergnügen, die Arme fester zu verdrehen, bis sie aus den Schultergelenken zu springen drohten. Diana biss sich hilflos auf ihren Zeigefinger. Der Fremde trat zu dem jungen Mann. "So sieht man sich wieder Musketier." Hasserfüllt sah Aramis zu Broussard auf, fast besinnungslos durch die Schläge und Schmerzen. Natürlich, er musste es sein. Hier fügte sich nun alles zusammen. Der ehemalige Sekretär beugte sich herunter und hauchte ihr seinen sauren Atem ins Gesicht. "Sei nur still, du Missgeburt! Ich kenne dein kleines schmutziges Geheimnis." Es war zu laut, als das ein Anderer, als sie ihn hörte. Die groben Hände die sie auf den Boden pressten, nahmen ihr die Luft zum Antworten. Sie wusste was er meinte. Ihre letzte Begegnung und das offene Korsette fielen ihr ein. "Oh, ja", säuselte er weiter. "Und wenn du nicht brav den Mund hältst, wird jeder es hier erfahren!" Und Aramis schwieg. Wollte sie geschändet werden, bevor sie in den Flammen starb? "Du gehörst wahrlich in die Flammen!" spie er aus. "Du bist kein Weib und kein Mann, du bist eine Missgeburt!" Aramis kämpfte mit Magenkrämpfen und Übelkeit. Ihr Gesicht schmerzte. Sie fühlte sich elendig und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Tränen stiegen in ihr auf und der Kloß in ihrem Halt schwoll auf eine Größe an, die ihr die Luft nahm. Ihr Herz hämmerte sich schier durch ihre Brust, so hart und schnell schlug es. Für Broussard waren es Worte der Beleidigung genug. Er trat zurück und weidete sich sichtbar an der Angst, die Aramis auf dem Gesicht geschrieben stand. Aramis sah wie mehrere Männer nach draußen liefen und vermutete, dass man sich um ihren Scheiterhaufen kümmerte. Erneut griffen die rohen Hände nach ihr und zerrten sie ins Freie. Widerstand war zwecklos, es waren harte Männer. Dabei zischten sie ihr bösartige Worte ins Ohr und stießen sie noch fester vorwärts. Jedes Detail um sie herum, prägte sich ihr ein. Die blauen Adern an den Schläfen ihrer Peiniger, Speichelfesten auf ihren Lippen, der zerschlissene Stoff an den Ärmelenden. Klarer und eindringlicher hatte sie nie vorher empfunden. Der Himmel war dunkel und klar. Der Atem bildete Rauchwolken in der Abendkälte. Überall zeichneten sich die Umrisse von Menschen ab. Wie Tiere waren sie. Tobende Furien, samt und sonders. Hände zerrten an ihr, schlugen sie, rissen an ihren Kleidern, zogen an ihren Haaren, bei ihrem Spießrutenlauf durch das menschliche Spalier. Einige spuckten ihr ins Gesicht. Da hatte sie sieben verdammte Jahre als Mann verkleidet durchgehalten. Sieben Jahre, in denen sie ihr Leben und ihre Ehre riskierte hatte, nur um von einem Haufen dummer und schmutziger Bauern aufgegriffen und verbrannt zu werden. Sie wollte ihnen sagen, dass sie keine Protestantin war, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Es kam nur ein heiseres Krächzen, wo sie glaubte brüllen zu müssen. Die ganzen Jahre hätte man ihren Schwindel aufdecken und sie anklagen können. Jetzt drohte ihr die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Ihr Geheimnis würde mit ihr brennen. Ein elendiger, schändlicher Tot. Aber sie würde nicht flehen, nicht vor diesem Pack. Außerdem würde sie keine Gnade bekommen. Das Reisig knirschte unter ihren Füßen, als man sie an den Pfahl band, den mehrere Steine aufrecht halten mussten. Der Mönch hob die Fackel. Er wurde rüde von Broussard beiseite gestoßen, der das Zündholz an sich nahm. Ein Lächeln perverser Befriedigung lag auf seinen Zügen. Man hätte es wölfisch nennen können, wenn Tiere zu so kalkulierter, ausgesuchter Grausamkeit fähig gewesen wären, wie sie in seiner faulig, schwärenden Seele wohnte. Die Hose spannte sich sichtbar um die Lendenmitte. Broussard erregte das ganze Schauspiel. Er füllte seinen ganzen Körper prickeln und das köstliche Gefühl sexueller Lust im Unterleib. Das tanzende, zuckende Rot der Flammen zeichnete sich in der Dunkelheit ab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)