Diplomatie im Auftrag seiner Majestät von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 1: Treffen der Mächtigen -------------------------------- Es war für diese Zeit ungewohnt windig. Ein strahlend blauer Himmel und blendendes Sonnenlicht täuschten darüber hinweg. Der Wind drang durch Ritzen und Spalten und pfiff durch die langen Gänge des Louvre. Wenn für kurze Zeit Stille in den von Menschen bevölkerten Palast einkehrte. Sich das Geschwätz und Herumhantieren im Hofstaat des Königs und den noch zahlreicheren Bediensteten legte, dann hörte man sein Lied. Rein gar nicht zu musikalischen Schwingungen aufgelegt war seine Eminenz, der Kardinal. Erster Minister des Königs und mächtigster Mann im Staat. Mächtiger als der König, den Frankreich war Richelieu. Ludwig XIII. galt lediglich auf Grund seines Blutes als offizieller Herrscher. Alles was Frankreich in dieser Zeit prägte und später seinen Platz in den Geschichtsbücher fand, war Richelieu's Wirken. Beide Männer befanden sich im Arbeitszimmer des Königs. Das Licht fiel vom Osten her durch die hohen Fenster und malte seine Lichtkringel auf des Königs Schreibtisch. "Und wenn, Sire, bitte hier und dort seine königliche Unterschrift setzen würden!" Richelieu beugte seine Habichtsnase tiefer und legte dem König einige Schriftstücke vor. Sobald der König seinen Namen unter einen der Dokumente setzte und ihm sein Siegel aufdrückte, zogen die gichtgekrümmten Finger das Papier erstaunlich schnell wieder zurück. "Was habe ich gerade unterzeichnet, Richelieu?" Fragend sah der König den schwindenden Dokument nach. "Staatsgeschäfte, Sire. Kleinigkeiten, nichts worüber sich Majestät den Kopf zerbrechen müssen." Sein Raubtierlächeln entblößte die obere Zahnreihe. Der Ziegenbart rutschte tiefer. Die Augen funkelten beunruhigend unter den dichten grauen Braunen, wie ein Raubtier auf Beutefang. "Zeigt sie mir, Richelieu!" Ärgerlich entriss ihm Ludwig das Pergament. Er stöhnte gepflegt, als er den Inhalt las. "Schon wieder eine Steuererhöhung und dann noch ausgerechnet auf das Korn?" Stirnrunzelnd erhob sich der König, schlenderte zum Fenster und sah auf das glitzernde Wasser der Seine nieder. "Wir müssen unsere Kriegsflotte aufrüsten, Sire. Sie hat vor Belle-Isls-en-Mer arge Verluste erlitten. Ihr entsinnt Euch? Die Rettung Eures Bruders?" "Natürlich entsinne ich mich," antwortete Ludwig ärgerlich. "Nun," fuhr der Kardinal fort. "Wir können es uns nicht leisten hinter Englands Armader zu liegen. Wir dürfen uns, gerade was unser militärisches Arsenal betrifft gegenüber England keine Blöße geben. Auch Spanien hat aufgerüstet." Der König wandte sich wieder vom Fenster ab und sah seinen 1. Minister an. "Um Spanien brauchen wir uns nicht zu sorgen. Wir haben Anna, als Frankreichs Königin." "Ach, Sire," der Kardinal seufzte. "Heiratsbündnisse sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren." Ludwig runzelte verärgert die Stirn. "Wollt Ihr schon wieder gegen meine Gatten intrigieren, Richelieu?" "Aber nein, nicht liegt mir ferner, Eure Majestät." Der König wanderte weiter. "Jedenfalls wird das Volk eine neue Steueranhebung nicht verstehen," fuhr er fort. "Sie werden mich hassen. Meine Informanten berichteten mir von Unruhen." Ludwig hielt vor einem Spiegel mit breitem Holzrahmen in üppiger Blattgoldverzierung inne. Geübt rückte er die gepuderte Perücke zurecht und strich den Kragen aus feinster Spitze glatt. "Nicht Euch hassen sie, Eure Majestät," wandte Richelieu ein. "Es hasst mich. Euch liebt es. Auch dafür habt Ihr einen 1. Minister." Ludwig XIII. nickte nachdenklich. Er beobachtete Richelieu durch sein Spiegelbild. Der alte Minister ließ sich ächzend auf einen der Stühle nieder. Erst vergangene Nacht hatte ihn wieder ein Gichtanfall geplagt. "Wo wir gerade bei England sind, Sire." "Setzt Euch doch, Kardinal!" Seine Eminenz geriet geringfügig ins Stolpern. "Ähm ja ...danke, Eure Majestät. Es gibt etwas, was ich noch mit Euch bereden muss!" "Ja?" "Es geht um Graf de Meyè" Der König stöhnte. "Nicht schon wieder Graf de Meyè." "Nun, die Anschuldigungen gegen ihn häufen sich. Man berichtete mir, dass de Meyé seine Stellung als Diplomat am englischen Hof missbraucht, um seine Macht zu stärken." "Richelieu, alle meine Adligen tun nichts weiter, als eigennützig ihre Macht zu stärken. Wollt Ihr sie alle deswegen verurteilen?" "Nein, Sire, aber de Meyé schadet Frankreich," sagte Richelieu langsam. "Seine Intrigen stören Karl I. und drohen ihn zu beleidigen und wenn ein Diplomat einen König beleidigt, auf wen fällt es letztendlich zurück, Sire?" "Wollt Ihr damit sagen ..." Ludwigs Stimme verklang, als sich die Ohren mit dem Mund synchronisierten. "Er würde es nicht wagen, oder?" fragte er. "Karl I. zu beleidigen und damit Frankreich zu schaden?" "Und wenn doch?" Der König zögerte. "Wir können ihn nicht absetzen und aus England zurückrufen. Seine Familie, er, ist zu mächtig." "Nein, ausgeschlossen," fügte Richelieu hinzu. "Was tun wir? Absetzen können wir ihn nicht, anklagen können wir ihn nicht ... können wir doch nicht, oder?" "Nein, Eure Majestät, können wir nicht. Unsere Vorwürfe stützen sich nur auf Gerüchte und Vermutungen." Hilflos setzte sich Ludwig wieder hinter den schweren Eichentisch und stützte den vor königlichen Kopfschmerzen und Sorgen geplagten Kopf in beide Hände. "Wenn nun, Ihre Majestät jemanden, nach England sendet, um ihn zu überwachen?" Ludwig hob neugierig den Kopf. "Ja?" "Nun, jemanden bei dem de Meyé keinen Verdacht schöpft. Der völlig unbekannt ist und dem wir unser Vertrauen schenken könnten?" "Und wisst Ihr so jemanden, Richelieu?" fragte Ludwig. "Würde de Meyé nicht bei jedem Mann, den wir nach England entsenden, misstrauisch werden?" "Ja, Eure Majestät," lenkte der Kardinal en. "Bei jedem Mann, aber bei keiner Frau." "Habt ihr eine solche Frau, Richelieu?" fragte der König mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen. "Ist Euch nicht Eure letzte Spionin abhanden gekommen, Milady? Wir haben ihre Leiche auf der Insel gefunden. Deswegen sollte ich eigentlich mit Euch hadern. Immerhin stand sie in Euren Diensten und trachtete danach, mir meinen Thron zu rauben ... Tat sie das nicht, Eure Eminenz?" >Kleiner verzogener, durch Inzucht verkommender Dummkopf. Schwefel und Fegefeuer auf dich, dass ich mich vor dir verneigen muss,< dachte Richelieu, während er sich verbeugte und mit zusammengebissenen Zähnen sein falsches Lächeln zu einem gezwungenen falschen Lächeln zwang. "Verzeiht, mein König! Sie stand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in meinem Dienst. Ich würde Euch nie Schaden zufügen." Ludwig lächelte breit und gönnerhaft. "Vergessen, mein lieber Kardinal. Vergeben und Vergesse!" >Ja, und bei Belieben erinnert Ihr Euch wieder daran,< antwortete Richelieu wortlos, während er dankbar nickte. >Und wieder, und wieder, und wieder.< "Habt Ihr nun jemanden, Richelieu?" fragte der König. "Nein, leider nicht. Kennt Ihr eine Dame, die dafür infrage kommt?" "Ah ha!" Der König lächelte falsch. "Deshalb besprecht Ihr die Sache mit mir. Hättet Ihr längst einen Mann ... Verzeihung, Frau für diese Mission, säße sie schon längst in England. Habe ich nicht Recht?" >Intriganter alter Fuchs,< dachte der König. >Eingebildeter, Affe,< widersprach der Kardinal, >Was glaubst du eigentlich, wer diesen Staat aufrecht erhält, aber ich brauche dich, du hast das Blut.< >Deine Klugheit festigt meinen Staat,< räumte selbst sein Gegenspieler ein. Peinliche Stille erfüllte den Raum und gesellte sich zu der knisternden Macht, die beide Männer umgab. Sie wurden von der schändlichen Pflicht enthoben, die unangenehme Stille zu brechen, als es an der Tür klopfte. "Herein!" Mit einem diskreten Räuspern trat der zuständige Page ein. "Monsieur Aramis," kündigte er an. "Soll hereinkommen!" Der Page trat beiseite und ließ Aramis vor. Mit einem letzten kontrollierenden Blick strich Aramis über den faltenfreien Stoff ihres Waffenrocks und rückte den blütendweißen Kragen ihres Wams zurecht. "Majestät! Eure Exzellenz!" Aramis verbeugte sich und sah ihre Staatsführer zurückhaltend an. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. Wie immer fühlte sie großes Unbehagen, wenn man sie einer Musterung unterzog. Wenn nicht schon Panik, wie in diesem Fall. Wenn diese gnadenlos war, wie bei diesen beiden Männern. "Kapitän de Trevillé schickt mich, königliche Hoheit," begann sie zögernd, besann sich aber wieder, welche Aufgabe sie hatte und welche Position sie bekleidete und fuhr mit fester Stimme fort. "Der Kapitän ist beim Reiten verunglückt und liegt mit Prellungen im Bett. Deshalb schickt er mich, um mit Euch den Ablauf des morgendlichen Almosengangs zu besprechen." "Wie bedauerlich. Wir werden unserem guten, alten Freund unsere Genesungswünsche übermitteln," erwiderte der König freundlich. "Wegen morgen, wende er sich an meinem Sekretär! Er hat die zeitlichen Abläufe." Aramis verbeugte sich, strich den tadellos sitzenden Waffenrock mit dem silbernen Emblem erneut glatt und ging zur Tür, um diese hinter sich zu schließen. "Eine Schande," murmelte Richelieu leise und ließ den Blick weiter auf die geschlossene Tür verweilen, als studiere er eingehend das Blattgold am Türrahmen. "Was meint Ihr?" interessiert beugte sich der König näher. Vergessen war das Streitgespräch vor Aramis Eintreten. "Ich sagte, es ist eine Schande ...," begann der Kardinal. "Ja?" "Solch herrliches Haar bei einem Mann, einem Musketier, einem Soldaten zu finden." "Bekommt Euch Euer Zölibat in letzter Zeit nicht, Richeulieu?" stutzte der König. Verärgert wandte Richelieu seine Raubtieraugen dem König zu. Hinter der faltenzerfurchten Stirn arbeiteten die Gedanken. "Hört mir zu, Eure Majestät, wir brauchen jemanden, den wir nach England senden können. Eine Frau sollte es sein, damit de Meyé keinen Verdacht schöpft, aber sie ist seinen Intrigen und seiner Missgunst auszusetzen, was für unsere Beobachterin gefährlich wird. Eine solche Frau haben wir nicht, aber wir haben einen Musketier ..." Richelieu ließ eine schöpferische Pause. "Musketier? Ich kann Euch nicht folgen, Richelieu?" "Seht Ihn Euch doch an, Majestät!" "Wen, Aramis?" Ludwig litt noch immer unter Verständnisproblemen. "Ja, Aramis. Mein König, selbst seine Kollegen machen sich darüber lustig, dass dieser Mann wie eine Frau aussieht. Er hat etwas weiches, feines, feminines Ansicht. Diese blonden Haare, die großen blauen Augen, dass könnt Ihr nicht abstreiten." "Ich glaube, Richelieu, Euch bekommt das Zölibat wirklich nicht." Der Kardinal zwang sich zur Ruhe. "Meinem Zölibat geht es ausgezeichnet, Sire. Glaubt mir, wenn ich Euch sage, Aramis ist die Lösung unserer Probleme!" "Aramis? Aber ich denke, wir suchen eine Frau? Richelieu, Eure Hormone treiben Euch zu zu große Gedankensprünge." Richelieu stöhnte innerlich. "Aramis," fuhr er weinerlich fort. "Wird von uns als Frau nach England geschickt." "Aber Aramis ist ein Mann." "Ja und ein Musketier, deshalb wird er den Gefahren von Graf de Meyé trotzen." "Aber er ist doch ein Mann." Richelieu begann langsam bis 10 zu zählen. 1,2, 3 ... "Sein Geschlecht will ihm ja auch keiner aberkennen, er soll sich nur für unsere Majestät verkleiden, um nach England zu gehen." "Ach ..." ...4, 5, 6 "Ja! Hört zu. Aramis ist ein Musketier Eurer Majestät, dadurch ist er uns zu Treue verpflichtet." "Mir!" "Euch!" ... 7, 8, 9, 10 "Manieren und das nötige Auftreten an einem königlichen Hof hat er, sonst hätte ihn Kapitän de Treville nicht zu Euch geschickt. Wir kleiden ihn in Frauenkleidern, geben ihm die nötige Schulung und schicken ihn nach England." Es arbeitete hörbar hinter Ludwigs Stirn. "Und Ihr glaubt das klappt und niemand merkt den Schwindel?" fragte er vorsichtig. "Es muss, Eure Majestät!" "Wird er sich einverstanden erklären?" "Er muss, Eure Majestät!" Ludwig überlegte. "Nun gut, ich werde eine Nacht darüber schlafen, dann gebe ich Euch bescheid, Richelieu. Außerdem werde ich Treville dazu befragen." "Tut, das Eure Majestät, aber bedenkt, dass ... auch im Sinne dieses jungen Mannes, sowenig Menschen wie möglich davon Kenntnis haben sollten. Der König nickte. Richelieu erhob seine Gichtgebeugten Glieder und verließ mit einer angedeuteten Verbeugung den König. Langsam wanderte er durch die Flure. Es war egal, zu welcher Erkenntnis Ludwig über Nacht gelangte. Die Sache war schon beschlossen. Der treue Musketier seiner Majestät würde zu seinem Werkzeug, Richelieus Werkzug werden und de Meyé in England überwachen. Richelieu stöhnte, als der kalte Wind um seine Glieder strich und ihm schmerzhaft in Erinnerung rief, wie begrenzt seine Zeit auf Erden doch war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)