Diplomatie im Auftrag seiner Majestät von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 6: Abschied aus Paris ----------------------------- Ihre Finger fuhren liebkosend über den Stoff. Samt, so weich wie eine zarte Berührung; glatte Seide, die sich um die Finger schmiegte; filigrane Stickarbeit mit verschlungenen Mustern; Spitze, zart als würde sie zerbrechen; schweres Brokat und schimmerndes Atlas. Vor Aramis lag ein ganzer Schatz ausgebreitet, der jedes Frauenherzen höher schlagen ließ. Kleider des derzeitigen Modediktats mit Spitzenkragen, schmalen Taillen, bauschigen Ärmeln und weiten Röcken. Der König hatte sich nicht lumpen lassen, seine vermeintliche Abgesandte auszustatten. Das Licht der zahlreichen Kerzen, brach sich schimmernd auf den edlen Stoffen, die ihr ganzes Schlafzimmer einnahmen. Fensterläden und Türen waren verschlossen. Nur das Licht der Kerzen erhellte ihr Zimmer. Niemand sollte sie stören oder dabei ertappen, wenn ihr Blick ausgehungert über die Kleider glitt, als wären sie der Körper eines lang vermissten Geliebten. Entsprechend groß war der Schrecken als es plötzlich an der Tür klopfte. Sie schloss hektisch die Schlafzimmertür und sah sich nach verräterischen Spuren um. "Ja?" "Hier ist Sophie", ertönte eine junge Frauenstimme. "Kapitän de Treville schickt mich." Vorsichtig öffnete Aramis die Tür und beide Frauen starrten sich unangenehm berührt an. Jene Art von Stille trat ein, die fast greifbar ist. Sophie war 15 Jahre alt, weder besonders hübsch, noch besonders hässlich. Sie hatte ein angenehmes Gesicht mit neugierig funkelnden grünen Augen und braunem Haar. Mit einem bedauernden Blick sah sie zu Aramis auf und maß deren Gestalt. "Es ist wirklich bedauerlich", seufzte sie, "sie geben einen so schönen Mann ab." Aramis, der die Vorsicht als ständiger Begleiter im Nacken saß, zischte erbost, sah sich panisch um und zog sie ins Haus. "Huch, na wir leiden ja unter Paranoia", sagte Sophie erschrocken und übersah die gesellschaftliche Stufe, auf der sie stand. "Ohne Paranoia, wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin", knurrte Aramis. "Ja?" Das Mädchen besann sich wieder und rief sich zur Ordnung. "Ich soll Ihnen helfe Ihre Sachen einzupacken, damit wir die Kutsche beladen ... oh warte, welch eine Pracht." Sie hatte die Kleider entdeckt und streckte ehrfürchtig die Finger aus, ohne sie jedoch zu berühren. Die jungen Augen leuchteten. "Ist das richtiges Atlas?" Aramis nickte lächelnd. "Nur zu!" Zögernd nahm Sophie eines der Kleider hoch und hielt es, wie zerbrechliches Glas vor ihrem schmalen Körper. Der Saum der Kleider bauschte sich am Boden. Aramis war um einiges größer als Sophie. Aramis überragte gemeinhin die meisten Frauen, um eine Haupteslänge. "Ich habe mich mit Adelè getroffen", erklärte sie, während sie alle Kleider begutachtete. "Sie müssen wissen, Adelè arbeitet als Zofe bei der Herzogin de la Ferre. Sie weiß alles über die neusten Frisuren ... " "Ah ha!" Aramis lauschte gleichgültig, während sie mit unterschlagenden Beinen auf dem Bett saß und ihr zusah, wie sie die Kleider sorgfältig zusammenfaltete und in die riesige Reisekiste packte. Sie selbst hätte die Kleider niemals so ordentlich zusammengelegt bekommen. " ... und welches Kleid wann getragen wird und wie ..." "Ah ha!" Aramis hatte den Kopf auf die Hand gestützt. Wann hatte sie sich das letzte Mal mit solchen Dinge befasst? " ... Kapitän de Treville hat mir erlaubt einige Modezeitschriften zu besorgen ..." "Ah ha!" "... natürlich werde ich mir noch die englische Mode ansehen müssen, wobei die Französischen immer an erster Stelle stehen wird ..." "Ah ha!" Es freute Aramis, jemanden wie Sophie für ihre Reise bekommen zu haben. Das Mädchen war umgänglich, aufgeschlossen und besaß eine gehörige Portion Wortwitz. Blieb nur noch der unbekannte Sekretär als offener Faktor in ihrer Gleichung. " ... ich selbst habe auch drei neue Kleider bekommen. Freilich nicht so prächtig, wie Ihre ..." "Ah ha!" Ihre einseitige Unterhaltung wurde gestört, als jemand an den Türrahmen pochte. Nana Bernard, ihres Erachtens nach, unerreichbar am Sternenhimmel des Theaters rauschte in einer Parfümwolke herein. Während sie von Aramis einen bitterbösen Blick erntete, rutschte Sophie vor staunen die Kinnlade herunter. "Sie sind Nana Bernard, die berühmteste Schauspielerin Paris", entfuhr es Sophie bewundernd. "Ja, mein Kind, die bin ich und mach den Mund zu!" erwiderte diese hoheitsvoll und erhellte mit ihrer erhabenden Anwesenheit Aramis schlichtes Heim. "Oh mein Gott!" Selbst jemanden wie Nana Bernard verblüffte die Pracht der Kleider. "Engelchen, hab ich dir nicht gesagt, dass sich die Reise für dich lohnen wird!" "Was willst du hier Nana?" fragte Aramis abweisend und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich will dir natürlich helfen. Du sollst nicht denken, dass ich nur schlechte Seiten an mir habe." Sie lachte gekünstelt. "Mir ist folgende Idee gekommen ..." Nana setzte zur bedeutsamen Pause aus, "wir könnten deine Person Exzentrisch gestalten." "Exzentrisch?" Aramis hob fragend eine Augenbraue. "Exzentrisch!" bestätigte Nana. "Du reiste doch inkognito nach England?" "Ja, der Kardinal kam auf die umwerfende Idee, dass ich unter falschen Namen nach England reise, die Engländer aber wissen, dass ich unter falschen Namen dort bin. Dann werden sie über die geheimnisvollen Umstände meiner Reise spekulieren, aber nicht nach meiner Herkunft fragen. Somit ist der Kardinal der Sorgen entledigt, mir einen falschen Titel und Stammbaum zu besorgen." "Schlauer Richelieu ... aber du siehst, du fällst so oder so auf! Also legst du dir bestimmte Eigenheiten zu, die als exzentrisch gelten. Gib den Leuten etwas zum Tuscheln und werde auffällig, dann bist du unauffällig. Nutze deine ungewöhnliche Größe, die hochgeschlossenen Kleider, deine Geheimnisse, das wenige Gefolge ... und so weiter!" Ihre Hände unterstrichen ihre Worte. Aramis nickte. "Ich verstehe." Nana lächelte gewinnend. "Sehr schön. Das wollte ich dir nur auf den Weg mitgeben, da du morgen abreist. Ich werde wieder gehen. Diese Gegend ist nicht gut für meinen Ruf, Adieu!" "Heilige Maria", entfuhr es Sophie, als Nana und ihr Glanz davon schwebten und die Realität wieder zurückkehrte. "Fertig?" Sophie strich den Truheninhalt noch einmal glatt und begutachtete die beiden Reisetruhen. "Den Rest müssen Sie selbst einpacken. Morgen früh kommen unsere Knechte mit der Kutsche und holen die Truhen ab, bevor es losgeht." "Gut", erwiderte Aramis. "Du wirst mit der Kutsche nach Le Havre vorreisen. Ich reite wenig später alleine los, dass ich in der Nacht in Le Havre eintreffe. Die Adresse des Gasthofes und den Namen des Schiffes hast du?" Sophie nickte heftig. "Im Gasthaus wechsele ich die Kleider und am Morgen stechen wir in See", fuhr Aramis fort. "Auf den Schiff wird Monsieur Madeleine zu uns stoßen, der als mein Sekretär uns nach England begleitet. Er hat alle weiteren Anweisungen an mich!" Sophie knickste gekonnt und kicherte. "Sehr wohl, Madame?" Sie betrachtete Aramis weiterhin neugierig. Die hochgeschossene Frau in Männerkleidung strahlte nach wie vor eine ungeheure Faszination für sie aus. Woher nahm sie die Courage sich als Mann auszugeben und als ihresgleichen aufzutreten? Es sogar bis in die Garde der Musketiere zu schaffen? Was, wenn der Betrug je herauskam? Beide Frauen fuhren erschrocken auf, als sich jemand hinter ihnen räusperte. Athos stand der Tür. Lässig und gutaussehend wie immer. "Stör ich?" Sophie atmete tief durch und ein versonnenes Lächeln glättete ihre Züge. "Nein", erwiderte Aramis und schob die stierende Sophie zur Tür raus, die gerade feststellte, dass es mehr als nur einen Musketier zum Anhimmeln gab. "So", Lächelnd drehte sich Aramis ihrem Freund entgegen und zog ihren Wams, unter dem Gürtel gerade, "dass war Sophie. Hast du sie erkannt?" Athos nickte, aber sein Gesicht blieb ungewohnt ernst und nachdenklich. Das war für Athos an sich nichts ungewöhnliches. Er zog sich oft in seine Gedanken zurück und beobachtete seine Mitmenschen still. Dieser wissende Blick, der alle Geheimnisse zu sehen schien. Als Musketieranwärter hatte Athos ihr nicht nur Respekt und Bewunderung eingeflösst, sondern schlichtweg Angst. Die grauen Augen folgte ihr bis in ihre Träume, wo sie anklagend bis in ihre Seele sahen und ihre Verkleidung durchschauten. Das taten sie heute immer noch, aber mittlerweile aus einem ganz anderen Grund. Obwohl sie ihm ihren Rücken zuwandte, spürte sie seinen Blick und nicht nur seinen. Seit dem Tag, da beschlossen wurde, sie als Frau nach England zu schicken, sah sie die versteckten Blicke, spürte sie die Augen, die sie musterten. Selbst bei denen, die von ihrer wahren Identität wussten. Es war als hätte jemand die Zeit zurückgedreht, als sie noch jeden neugierigen und schärferen Blick fürchtete. Die Selbstsicherheit der letzten Jahre war wie weggewischt. Als sie sich wieder umdrehte, merkte sie jedoch nichts davon in Athos Gesicht. "Hast du gerade Schichtende? Gibt es schon genauere Informationen über den Mord bei St. Michel?" fragte sie, ohne ihn richtig zu Wort kommen zu lassen. "In letzter Zeit bin ich kaum noch im Musketierquartier. Der Kapitän hat mich von allen Schichten entbunden. Ich bekomme gar nichts mehr mit. Möchtest du Wein?" Athos lächelte. "Ja und ja, wie bedauerlich und ja." "Welches 'ja' stand für den Wein?" "Das Letzte", erwiderte er, während er sich setzte, "und um deine Neugier zu stillen. Der Täter hat an die Hauswand, vor der die Leiche lag, mit Blut verkündet: Jetzt werde die Bartholomäusnacht abgerechnet. Niemand hat das Gekritzel gesehen, weil die Bewohner im Halbdunkel dort Kisten mit fauligem Obst abstellten. Erst als sich jemand über den penetranten Geruch beschwerten und sie weggeräumte wurden, sah man die Schrift." Aramis stellte Weinkrug und Becher auf den Tisch und sah ihn nachdenklich an. "Es soll den Protestanten in die Schuhe geschoben werden. Da nutzt jemand das Misstrauen und den Hass gegen sie, um die Situation explodieren zu lassen!" Athos zuckte die Schultern und seufzte. "Oder es handelt sich wirklich um einen fanatischen Rächer. Jedenfalls hat man schlauerweise versucht, die ganze Sache zu vertuschen, aber die Gerüchte sickern überall durch. Noch ein Mord von dieser Handschrift und die Bevölkerung schreit nach Blut." "Das wäre nichts Neues. Es wird in den nächsten Wochen viel Arbeit auf uns zukommen", erwiderte Aramis. "Falsch!" ertönte es hinter ihnen. "Auf uns wird viel Arbeit zukommen. Du setzt dich schließlich nach England ab." "Salut Porthos." Lächelnd begrüßten sie ihren riesigen Freund. Dieser schlug sich auf den grün gekleideten Bauch und lachte breit. "Lass diesen billigen Fussel, den du Wein schimpfst verschwinden, Aramis und wir gehen aus! Ich habe einen Mordshunger. Im "Grand Cochons" könnt ihr euch in Ruhe weiter über Leichen und Religion unterhalten. D'Artagnan kommt noch nach. Er will erst Constance zu ihrem Vater begleiten!" "Von wegen ,billiger Fussel'", murmelte Aramis kaum hörbar, räumte aber die Flasche Wein weg. Sie drehte sich wieder ihren Freunden zu und bemerkte deren Blicke. "Hört auf mich so anzusehen!" Sie explodierte. Schwer atmend, die Hände zu Fäusten geballt, die Augenbraue finster zusammengezogen, starrte sie die beiden finster an. "Ich weiß ganz genau, was ihr denkt und ich sage AUFHÖREN!" Schuldbewusst senkten beide den Blick. Porthos haute ihr kameradschaftlich auf die Schulter, das sie zwei Schritte vorwärts taumelte. "Sehr, heißblütig heute, was? Dann habe ich eine viel bessere Idee für heute Abend. Lass uns zu Madam Bofrait's Mädchen gehen!" Aramis sah noch immer schlecht gelaunt zu ihm auf. "Du weißt ganz genau, dass ich von käuflicher Liebe nichts halte!" Porthos grunzte. "Käuflicher Liebe? Das hast du sehr schön gesagt, aber ich rede eigentlich von einem Bordellbesuch." "Und ich von Syphilis und dem Ungeziefer anderen", blaffte sie zurück und gab damit dem eigentlich harmlosen Streitgespräch, welches schon immer Bestandteil ihrer Freundschaft war, einen scharfe Beigeschmack. Sobald die Rede auf Bordelle oder einen anderen Beweis männlicher Liebeskraft kam, reagierte sie nicht mehr ruhig und beherrscht. "Wer denkt denn schon bei einer schönen Hure an Syphilis und Madam Bofrait achtet darauf, dass ihre Mädchen immer sauber sind", warf Porthos sichtlich säuerlich ein und verzog das Gesicht beleidigt. "Lass, Porthos!" erwiderte Athos mit ruhiger Stimme. Es war nicht das erste Mal, der er Zeuge dieses Streitthemas wurde. "Warum sollte Aramis für einen Bordellbesuch zahlen, wenn sich ihm genügend Pariserinnen zum Vergnügen hingeben würden?" "Ich werde nie verstehen, was die Weiber an deinem Milchgesicht finden", brummte Porthos, ohne es erst zu meinen. Aramis entspannte sich und zuckte die Achseln. "Animalische Anziehungskraft! Gehen wir nun ins ,Grand Cochons'?" Ihre beiden Freunde nickten. Porthos Mundwinkel zuckten, als sie die Tür hinter sich schlossen. "Animalisch? Das ich nicht lache. Von einem Welpe, höchstens!" Sichtlich angeheitert kehrten sie lange nach Mitternacht zurück Noch ein Weinkrug mehr und der jüngste unter ihnen, hätte nicht mehr aufrecht stehen können. Lediglich der Respekt vor seinen älteren Kollegen, hielt D'Artagnan davon ab, in sich zusammen zu sacken. Porthos hatte sich schon längst über den Punkt hinaus getrunken, an dem die letzte Barrikade fiel, um unflätige Lieder zu singen. Gegenteilig zu ihrem sonstigen Trinkverhalten, schwankte auch Aramis. Eigentlich trank sie nie zu viel Alkohol, da sie alle ihre Sinne benötigte, aber diesmal hatte sie beide Augen zugedrückt. Sie fand alles unglaublich witzig. Ihr würden nur noch wenige Stunden Schlaf bleiben, bis sie ihr Pferd satteln und los reiten musste, um Frankreich vorerst den Rücken zu kehren. Athos war der einzige unter ihnen, auf dem Wein keine Wirkung zeigte. Vielleicht war der Gleichmut, mit dem er den fallenden Intellekt seiner Begleiter akzeptierte, ein Anzeichen dafür, wie viel Alkohol durch seine Blutbahn schwamm. Sie kamen durch die Rue de Revolin. Vor ihnen erstreckte sich ein kleiner Platz, an deren Ende eine schmucklose Kirche im romanischen Stil über das Seelenheil der umliegenden Gassen und Straßen wachte. Auf der Mitte des Platzes hielt Porthos plötzlich inne und stützte seinen schwankenden Körper am Brunnenrand ab. Helles Mondlicht tauchte sie ein. "Wartet hier!" lallte Porthos mit alkoholschwerer Zunge. "Aramis, ich habe ein Geschenk für dich." "Ein Geschenk? Für mich?" erwiderte sie überrascht. Er nickte heftig. "Ja, für dich. Ein Abschiedsgeschenk, ABER ..." Er hielt ihr mahnend seinen Zeigefinger vor das Gesicht und betrachtete diesen eine zeitlang fasziniert, bis er sich auf sein Präsent besann. "...aber du musst hier warten. Ich lauf nur schnell nach Hause und hole es. Warte hier!" "Ich warte hier!" Wie ein schwankender Bulle setzte Porthos seinen Körper in Bewegung. Aramis griff mühsam Athos Arm und klammerte daran fest. Sie grinste dümmlich. "Ist er nicht gerade in die falsche Richtung gelaufen, wenn er nach Hause wollte?" "Sieh da, wenn das nicht unsere Freunde die Musketiere sind!" Rochfort's Stimme hallte durch die nächtliche Stille und hinterließ den nervenaufreibenden Beiklang, den nur Feinde mit sich bringen konnten. "Was macht ihr hier?" fragte er, während er näher kam. Sein Adjutant Jussace folgte ihm kriecherisch. Der verständnislose Ausdruck auf seinem Gesicht ähnelte dem von Aramis, ohne das bei ihm Alkohol ins Spiel kommen musste. "Das ist ein öffentlicher Platz, Rochfort. Wir haben jedes Recht hier zu sein", erwiderte Athos ruhig und bedachte seine glucksenden Begleiter mit einem mahnenden Blick. Es war nicht gut Rochfort in ihrem Zustand zu reizen. "Wohl zu viel über dem Durst getrunken, was?" hackte Richelieus rechte Hand nach. "Auch das ist unser gutes Recht", erwiderte Athos etwas schärfer. "Ihr solltet euch lieber um den Mord bei St. Michel kümmern, bevor der Nächste passiert." Jussace lief, im Dunkel der Nacht verborgen, rot an. "Ihr aufgeblasenen Musketiere ..." "Na Jussace", unterbrach ihn Aramis und grinste provozierend. Nicht ganz abschätzend, welche Reaktion sie damit auslöste, "trittst du aus dem Schatten von deinem Herrchen und stehst deinen Mann oder versteckst du dich gleich wieder hinter seinem Rücken?" Die Farbe in Jussace's Gesicht verfärbte sich dunkelrot. Er griff nach seinem Degen. Das Geräusch von blankem Stahl, der aus der Lederschneide glitt, durchschnitt die Stille. "Ihr Musketiere habt doch nur eine großes Mundwerk, sonst nichts, ihr Schaumschläger. Wir können das gerne austragen. Jetzt und hier!" schrie er und trat näher. Aramis vergaß jede Vorsicht und zog gleichzeitig mit D'Artagnan ihren Degen. Athos hielt seinen Freunde am Arm fest. Beide hätte er nicht halten können und es hätten sich früher oder später die Degen beider Partein gekreuzt, wenn nicht in diesem Augenblick eine undefinierbare Gestalt, lachend und schwankend, aus der Dunkelheit erschien wäre. Rochfort quollen vor Entsetzen die Augen aus den Höhlen. "Ist das Porthos?" Ungläubig suchte er die Bestätigung in Athos Gesicht. "Trägt er ein Kleid?" Drei Gesichter nickten bestätigend mit fassungslos entglittenen Gesichtszügen. Wenn Mondlicht der Gestalt einer Frau schmeichelte, so tat sie es bei Porthos nicht. Das kalte Licht der Nacht enthüllte gerade soviel, dass man der Nacht dankte, weil sie kein helles Licht warf. Sein üppiger Leib war in ein übergroßes Kleid gehüllt. Sein Gesicht strahlte vor vergnügter Vorfreude. "Wenn das nicht Rochfort und sein stinkender Schatten sind", dröhnte er, durch die nächtliche Stille. Sein Körper bebte vor Lachen. Mit Beginn des neuen Tages und den ersten Nachwirkungen einer durchzechten Nacht, würde er sich für das, was er hier tat hasse, aber gerade amüsierte sich Porthos königlich. Seine Freunde rangen vor lauter Lachen mühsam nach Luft. "Ihr Musketiere seid alle Irre, Wahnsinnige, die nicht frei herumlaufen dürften." Entgeistert machte Rochfort kehrt und verschwand kopfschüttelnd vom Platz, seinen erstarrten Gefolgsmann hinter sich her ziehend. Das gerade erlebte, würde morgen die Runde durch die gesamte Stadt machen, dafür würde er schon sorgen. "Porthos, was soll das?" fragte Aramis mit erstickter Stimme. "Das", er klimperte kokett mit den Augen, "ist mein Abschiedsgeschenk an dich. Gefall ich dir?" "Sehr!" Athos schüttelt lächelnd den Kopf. "Kommt, lasst und nach Hause gehen, bevor Porthos nüchtern wird und sich vor Scharm in die Seine wirft!" Porthos drehte sich, ellenlange Rockbahnen folgte und er setzte sich schwankend in Bewegung. "Sie sollten dich nach England schicken, nicht Aramis", rief D'Artagnan, dem merkwürdig gewandeten Koloss hinterher. "Auf jeden Fall abe ich mehr Dekollete vorzuweisen, als Aramis mit seiner Hühnerbrust", grinste er und strich sich über den dunklen Flaum, der aus dem tiefen Ausschnitt spross. "Ich glaube, darauf ist er auch noch stolz", erwiderte Aramis spöttisch. Athos nickte. "Auf jeden Fall wäre er die Dame mit dem behaartesten Dekollete von allen englischen Lady's." "Und die hässlichste." Jodelnd traten sie den Heimweg an. Der Mond verschwand hinter den Wolken und verbarg für einige Minuten gnädig einen hüfteschwingenden, alkoholbenebelten Musketier, der mit seinen Freunden, laut die Nachtruhe störend, durch die Straßen zog. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)