Diplomatie im Auftrag seiner Majestät von fastcaranbethrem ================================================================================ Kapitel 11: Tee bei Lady Cecil ------------------------------ Sophie sah Mrs. Hamilton an und versuchte, aus deren Mimik den Sinn der Wörter zu erraten. Mrs. Hamilton gehörte dem gehoberem Bürgertum an, die nicht über den Titel und einer eindrucksvollen Ahnenreihe verfügten, wie ein Adliger, aber über ebensoviel Stolz. Sie sprach ein gepflegtes Englisch in wohlformulierten Worten, die sie langsam aussprach, da nie ein Wort unbedacht ihren Mund verließ. Leider sprach sie nur Englisch. Sophie war eine Angehörige der unteren Bevölkerungsschicht. Aufgewachsen mit dem Französisch der Straße und vom Kapitän mit dem Französisch der oberen Schicht ausgestattet, verstand sie nur französisch. An diesem Punkt ihrer Unterhaltung wurde die Kommunikation holprig. Mrs. Hamilton war eine adrette 50-jährige mit gestärkter Schürze und blütendweißer Haube, - sicheres Erkennungszeichen einer Person, die den Staub auch von der Unterseite der Möbel wischte. Sie war die Ehefrau des Oberkämmers, was sie zur Wächterin der königlichen Wäsche befähigte. Da Whitehall, als Hauptsitz des Königs, nicht nur den König und seine Familie beherbergte, sondern auch zahlreiche Höflinge inklusive einen zahlenmäßig weitüberlegenden Teil an Bediensteten, war er hoffnungslos überfüllt. Gemeinhin das Problem aller königlichen Paläste. Für eine namenlose Comtesse ohne Herkunft, fanden sich nur zwei Zimmer zur Untermiete beim königlichen Oberkämmerer. Aramis neue Gemächer waren dunkel, lagen versteckt in einer Ecke des riesigen Palastes, blickten auf die Ställe und rochen nach Motten und Staub. Mrs. Hamilton war am Ende ihrer Ausführungen angelangt. Sie strich ihre Schürze glatt, dass der gestärkte Leinenstoff wegknickte und begab sich wieder an die Überwachung der königlichen Wäsche. Sophie zuckte die Schultern und begann vor Langeweile die Unterröcke ihrer Herrin neu zusammenzulegen. Gedankenverloren saß Aramis im Nachthemd am Tisch vor dem Fenster und kaute hingebungsvoll auf dem Stiel ihrer Feder. Ab und zu spie sie ein Stückchen Feder aus. Die Flamme der Kerze neben ihr flackerte unruhig und der kalte Nachtwind strich um ihre bloßen Beine. >Lieber Athos, lieber P...< Energisch strich sie die Anrede durch und nahm ein neues Blatt. Liebevolle Anreden waren echten Männern vorbehalten. Jemand der vorgab nur einer zu sein, musste sich mit einem knappen 'Salut' begnügen. Doch worüber schreiben? Ihre Zähne knirschten leise, als sie den viel zu dünnen Stiel zermalmten. Die bisherige Woche war im hauptsächlichen Nichtstun verstrichen. Nur ihre Wut auf Broussard, seine 'Diplomatie' und letztendlich dem Kardinal und seine Majestät dem König wuchsen. Als Aramis in Whitehall ankam, musste sie zur bitteren Erkenntnis gelangen, dass jemand ohne nennenswerte Verbindungen am englischen Königshof völlig verloren dastand. Der Brief des französischen Königs sicherte ihr zwar eine Unterkunft, aber keineswegs Prestige oder Privilegien. Ganz im Gegenteil, sie war genauso unsichtbar wie als Angehörige des Landadels oder der Musketiergarde. In Whitehall mangelte es nicht an Argwohn. Seine Bewohner waren Nachkommen von Menschen, für die Misstrauen und Paranoia überlebenswichtig gewesen waren. Anders ausgedrückt: Sie waren Aristokraten. Jeder kannte jeden, samt Stammbaum und der peinlichen Krankheit, an welcher der letzte Nachfahre starb. Eine unbekannte Comtesse wurde ignoriert. Mitleid oder Anteilnahme gehörten nicht zu den erforderlichen Eigenschaften, um überleben zu müssen. Um so erstaunlicher war die Einladung zum Nachmittagstee, die sie heute erhielt. >Salut, heute erhielt ich eine Einladung von Lady Cecil zum Tee in ihrem Salon. Ich wählte das dunkelrote Satinkleid, welches ...< Sie lächelte düster, zerknüllte das Blatt und warf es in die Ecke. Der Mond stand unbedeckt am dunklen Firmament und warf sein silbriges Licht in ihr Zimmer. Sie hob den Fuß und kratzte sich kummervoll an ihrer Wade. Es scharrte leise. Ihre Finger griffen nach einen neuen Bogen Papier. >Salut, seit knapp einer Woche befinde ich mich in London, genauer gesagt in Whitehall, der Residenz des englischen Königs. Dem Königspaar bin ich noch nicht näher gekommen, somit auch nicht Graf de Meyé und letztendlich meiner Aufgabe. Wie sich dieser Zustand ändern soll, weiß ich nicht. Ich bete zu Gott, dass sich bald etwas ereignet oder der Kardinal ein Einsehen hat, damit ich bald nach Hause zurückkehren kann. Das Leben von Whitehall unterscheidet sich im Grunde nicht von dem im Louvre. Auch seine Bewohner sind im Grunde gleich. Zu meinem Leidwesen bin ich zum Nichtstun verdammt. Wenn ich das Anmerken darf, die königliche Wache befindet sich im miserablen Zustand. Man hält in England nicht an den selben Werten fest, wie ein Musketier.< Ihre Stirn lag angestrengt in Falten, als sie nach geeigneten Worten suchte, die etwas positives aussagten. Sie stützte den Kopf auf den Ellenbogen und starrte träge auf das spärlich beschriebene Blatt. Aramis seufzte. >Die Reise verlief ereignislos. Von Le Havre fuhren wir nach Brighton, um bei ruhiger See direkt nach London zu gelangen. Selbst in der Normandie sprach man über den Mord bei Saint Michel. Die Gemüter der Menschen sind erhitzt. Monsieur Broussard stieß in Le Havre zu uns. Er ist der vom Kardinal ...< Sie überlegte und tippte nachdenklich mit dem zerkauten Federstil gegen ihre Unterlippe. Wenn sie den Brief Broussard gab, damit dieser ihn absendete, war abzusehen, dass er seinen Inhalt bald kennen würde und damit auch der Kardinal. Ihr Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe warf das breite Grinsen und das boshafte Glitzern in ihren Augen zurück. >... er ist der vom Kardinal mir zur Seite gestellte Mittelsmann für England. Es überraschte mich nicht, dass sich Monsieur Broussard als der erwies, den man bei einem Gefolgsmann Richelieu's erwartet. Die Reise nach England und sein bisheriges Auftreten haben meine Vermutung bestätigt. Dieser Mann ...< Sie hoffte sogar inständig, dass der Brief in die Hände des Kardinals geriet. >... ein kompletter Idiot ist, der über die Kompetenz einer Scheißhausfliege verfügt.< Aramis fügte dem Brief noch ein paar belanglose Details hinzu und schloss mit den Fragen nach den letzten Ereignissen in Paris. Zufrieden versiegelte sie das Schreiben und blies die Kerze aus. "Noch Gebäck, Liebes?" Aramis schüttelte verneinend den Kopf und wies Lady Cecil's zuvorkommende Geste ab. Der Innenraum ihres Korsetts bot nur einer begrenzten Anzahl an Fettzellen platz. Das kleine Gesicht unter der blütendweißen Haube war ein Abbild einziger Freundlichkeit. Die kleinen Augen sahen sie interessiert an. Aramis Blick glitt zu Miss Wood. Die intelligenten, in Runzeln eingebetteten Augen erwiderten ihren Blick. Sie wanderte zu Lady Corday, der Mutter von Lord Charles Corday. Aramis vermutete, dass Elisabeth Corday der wahre Grund für Lady Cecil's Einladung war. Sie wollte nicht, dass Corday ihr half. Jetzt da sie eingekeilt zwischen Langeweile und der Blasiertheit saß, hasste sei ihn beinah. Lady Elisabeth's einstige Schönheit war nicht verblasst, sondern mit ihr gealtert. Ihre dunklen Augen sahen sie mit demselben amüsierten Spott an, wie ihr Sohn. Wollte Lady Corday herausfinden, was ihr Sohn nicht erfahren hatte? Es sprach für Lady Cecil's Rang, dass sie über mehrere Räumlichkeiten verfügte. Die meisten Adligen bewohnten nur kleine Zimmer und mussten sich mit bemerkenswert wenig Wohnraum begnügen. Die drei Frauen waren im hinteren Drittel ihres Lebens angelangt. Aramis sah zu den letzten zwei Gästen der Teerunde. Lady Anabelle mit ihrer Tochter Clare. Lady Anabelle tunkte gerade, mit ihren plumpen, beringten Fingern einen Keks in die Tasse und besprach Earl of Raeburn's letzte Eskapaden. Sie plapperte unaufhörlich und übersah großzügig, dass die Konversation eher auf einen Monolog hinauslief, während auf dem Teller ihrer Tochter ein Tortenstück nach dem anderen verschwand. Wieder glitt ihr Blick zu den drei älteren Damen, die bemerkenswert die Kunst des Nicht-Zuhörens beherrschten, welche die meisten Ehemänner im Laufe der Jahre vervollkommenten. Ihre Aufmerksamkeit ließ nicht einen Moment von der vermeintlichen Comtesse Inkognito, während in ihren Gesichtern die unausgesprochenen Fragen standen, die ihnen die Regeln der Höflichkeit verbot zu fragen. Gleichzeitig achteten sie darauf, was ihr Gast ihnen erzählte. Das Zuhören war wichtig, denn sie musste jeder Zeit mit der Aufforderung rechnen, den letzten Satz zu wiederholen. "Sagt doch, Lady Cecil, war es nicht offensichtlich, dass der Earl of Raeburn beim letzten Ball seine Aufmerksamkeit bedeutend mehr meiner Clare schenkte?" fragte Lady Anabelle und glühte vor Stolz. Der Earl war das begehrteste Debütantenopfer am Hofe. "Aber ja, meine Liebe", erwiderte das rosige Gesicht, ohne Aramis aus den Augen zu lassen, "und er hätte sicher noch des öfteren mit Clare getanzt, aber Ihr wisst ja, der Earl muss jede der Damen seine Aufmerksamkeit schenken." Wirklich beeindruckend. Die vollständig im automatischen Modus funktionierenden Ohren hatten den Mund veranlasst, einen kleinen aber durchaus relevanten Diskussionsbeitrag zu leisten. Nach fünf Minuten verlor Aramis den Faden, nach zehn Minuten den Überblick. Nach fünfzehn Minuten überlegte sie, wie sie unauffällig einige der zahlreichen Haarnadeln lösen konnte. Nach einer halben Stunde zog sie ihre Schuhe aus. Nach einer Stunde wünschte sie sich, man hätte nicht, aus Höflichkeit, die französische Sprache gewählt. Es hatte etwas beruhigendes, hinter der Anonymität von Sprachkenntnissen fliehen zu können. Zwei Stunden später dividierte sie die Anzahl der Blumen auf Lady Anabelle's Robe mit allen zweistelligen Nennern und zählte alle Flüsse Frankreichs auf. "Was meint Ihr, Comtesse?" "Was?" Aramis tauchte verwirrt aus ihrem mentalen Tauchgang auf. Lady Anabelle runzelte missbilligt die Stirn. "Zu dem Bettlerpack?" Aramis war kurz davor zu fragen, was mit "Bettlerpack" war, doch wahrscheinlich handelte es sich dabei um das Thema der Konversation, mit der sie Lady Anabelle seit einer Viertelstunde beglückte. Sie zuckte wage mit den Schultern. "In letzter Zeit sind sie immer unerhörter geworden. Jetzt betteln sie schon unmittelbar vor den Parkanlagen von Whitehall und wir sind genötigt diesen Abschaum in Sack und Lumpen zu sehen." Sie rümpfte die Nase in ihrem Truthahngesicht. "Was Ihr nicht sagt!" sagte Aramis ohne die Ironie aus ihren Worten zu verbannen. "Man sollte dafür sorgen, dass sie dem Adel nicht unter die Augen treten! Was fällt ihnen nur ein, arm zu sein?!" sagte sie mehr oder weniger zu sich selbst. In den verwinkelten Gassen von Paris hockte soviel Elend. Hoffnungslose Augen in ausgezehrten Gesichtern. Was wusste eine Lady Anabelle mit ihrer gemästeten Tochter davon. "Ganz recht, man sollt ...", Ihre Ladyschaft sah den spöttischen Zug um die Mundwinkel der vermeintlichen Comtesse und schob ihren Stuhl so, dass sie Aramis nicht mehr ansehen musste, um zu schmollen. Verschämt biss sich Aramis auf ihre Unterlippe. Es stand ihr nicht zu, so mit Lady Anabelle zu reden, nicht wenn sie Fuß in Whitehall fassen wollte. Unter ihren halbgesenkten Lidern begegnete sie dem spöttischen Blick von Lady Elisabeth. "Meine Liebe, findet Ihr nicht, dass der Kleidersaum Eurer Tochter schlecht verarbeitet ist?" half ihr Lady Cecil über die peinliche Pause hinweg. "Wo? Seid Ihr sicher?" Und das Truthahngesicht verschwand unter dem Tisch. "Dort, seht Ihr das nicht?" "Nein, wo denn?" Das arme Mädchen wand sich verzweifelt unter den prüfenden Blick ihrer Mutter und der Gastgeberin. Verschämt verschwand das letzte Kuchenstück hinter ihrem Rücken. Sie kicherte nervös. "Die Naht ist dort viel gröber vernäht!" Sobald Mutter und Tochter beschäftigt waren, zog Miss Wood eine unauffällige Flasche ohne Etikett unter ihrem Rock hervor und gab davon reichlich in die Teetassen der drei älteren Damen, ohne eine Miene zu verziehen. Der starke Geruch von hochprozentigem Rum wehte Aramis entgegen. "Das ist doch Spitze aus New Hamton!" Lady Anabelle kreischte entsetzt unter dem Tisch auf. "Seid Ihr sicher? Man versicherte mir, dass sie aus Flandern stammt." Über dem Tisch sahen beide Frauen misstrauisch zu Aramis. Vielleicht musste eine Lady, um in dieser Gesellschaft zu überleben, abstumpfen oder zu Alkohol greifen. Wortlos schob ihr Aramis ihre Tasse entgegen. "Seht Ihr die Stickerei dort und dort? Ein sicheres Zeichen, dass ..." Lady Cecil war eine vollendete Schauspielerin. Die dunkelbraune Flüssigkeit landete in ihrer Tasse. "Tee?" Aramis schüttelte den Kopf und stürzte den Inhalt der Tasse mit einem Schluck hinunter. Miss Wood setzte ihre Teetasse vor Verblüffung mit einem lauten Klirren ab. Drei Köpfe tauchten wieder über der Tischoberkante auf. "Wonach riecht es hier?" Lady Anabelle rümpfte ihre Nase und schnupperte. "Ist Euch nicht gut, Comtesse? Ihr seid ganz rot und Eure Augen tränen." Aramis nickte gequält. Das Zeug brannte wie Essig in ihrer Speiseröhre. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Ohne ihre Heiterkeit zu verbergen, beugte sich Lord Corday's Mutter näher. "Miss Wood braut in ihrer Freizeit den Rum selbst. Wir hätten Euch darauf hinweisen sollen. Der Prozentanteil beträgt fast 60 %." Wieder nickte Aramis gequält. Zu spät! Miss Woods Freizeitbeschäftigung hatte ihr die Stimmbänder verätzt. Bis Lady Anabelle und Tochter sich verabschiedet hatten, mussten die Damen dreimal nachschenken. Lady Corday blinzelte vergnügt. "Und Comtesse, wie war Euer erster Eindruck von Lady Anabelle? >Nicht die Wahrheit sagen, Renée! Eine Adlige gibt niemals ihre wahre Meinung preis< "Sehr ähm interessant." >Sehr schön, Renée. Das war diplomatisch.< "Eure Auffassung von dem Elend in unserem gelobten Land ist nicht dieselbe, wie die von ihrer Ladyschaft", erklärte Lady Corday. "Lady Anabelle würde das Elend nicht erkennen, wenn es sie verfolgen würde. Sie würde immer schneller sein. Warum sollte sie sich den Problemen der Armen widmen, wenn der nächste Ball beim Earl of Raeburn ihre Aufmerksamkeit beansprucht? Sie muss eine Tochter auf den Heiratsmarkt werfen." >Mist< Miss Wood lachte leise. "Ladys, das Alter der Comtesse kann höchstens Mitte 20 sein. Ihr Alter in Zynismus und gemeiner Bosheit liegt bei 100. Zu Königin Elisabeth's Zeiten trug ein Teil der Gemeinschaft die Kosten für Obdach, Kleidung und Ernährung für die Armen der Ärmsten. Heute ist dem leider nicht mehr so. In Frankreich sieht es nicht besser aus?" "Nein, das tut es leider nicht", bestätigte Aramis. "Eine Baronette Leighton kann man nicht ausladen, Comtesse. Die Courtoisie und die Rangfolge am Hof verbieten es", sagte Lady Corday, als wolle sie sich entschuldigen. "Ich wusste nicht, dass sie eine Baronette ist." Miss Wood lächelte süffisant. "Sie wird von allen nur Lady Anabelle genannt, da sie in den letzten Jahren ihre Männer wie Gewänder wechselte." "Ihr seid noch neu in England. Wir werden Euch schon mit der Rangfolge vertraut machen", versprach Lady Cecil. "Und nun, Comtesse, warum verbergt Ihr Eure Vergangenheit?" mischte sich Miss Wood ein. "Ich sah in Ägypten Frauen bis auf die Augen verhüllt, schwarze Frauen mit gar nichts als einem Lendenschurz am Leib, exotische Inderinnen und Spanierinnen mit gigantischen Halskrausen, aber noch nie eine Französin, mit solch einem Ungetüm unter ihrem Mieder. Versteckt Ihr das Flaggschiff der französischen Armada?" Miss Woods offenherzige Reden brachten Lady Cecil an den Rande der Ohnmacht. "Aber Mary, das ist indiskret. Die Comtesse wird schon ihre Gründe haben. Liebes, beachtet Miss Woods Frage nicht weiter. Ihre Neugier überwiegt manchmal ihr Feingefühl." Aramis lachte leise. Die drei älteren Damen begannen sich in ihr Herz zu schleichen. Sie kehrte reichlich spät zurück. Miss Woods Reiseberichte und die angenehme Gesellschaft der beiden Lady's hatte die Zeit im Flug vergehen lassen. Der Rum war ihr zu Kopf gestiegen und ihr Körper lechzte nach der Freiheit aus ihrer Korsage. Aramis Gesichtszüge verfinsterten sich, wie eine aufkommende Gewitterwolke, als sie Monsieur Broussard erblickte. Das Gewitter wurde zum Orkan, als sie sah, wo Broussard seine Hände hat. "Hände weg von meiner Zofe!" knurrte sie im tiefsten Bariton. Die wässrigen Augen sahen sie hämisch an. "Sie wollen wohl ihr Liebchen nicht mit mir teilen? Wollen die kleine Hure ganz für sich allein?" "Nein, das will ich nicht Broussard. Wenn Sie Sophie noch einmal als Hure bezeichnen, spüren sie meine Degenspitze. Kommen Sie ihr zu nahe, kastriere ich Sie, das schwöre ich Ihnen bei meinem Blut!" Hasserfüllt strich Broussard hyänengleich um sie herum. "So wie Sie, Kastrat? Der Kardinal wird davon erfahren. Wo waren Sie überhaupt?" "Das geht Sie gar nichts an!" Sorgsam entfernte Sophie die zahlreichen Haarnadeln aus den blonden Locken. Aramis schüttelte den Kopf und die letzten Nadeln fielen zu Boden. "Ihre Arroganz wird Ihnen Ihr Genick brechen. Sie haben sich be...." Broussard war verstummt und starrte sie verblüfft an. Seit zwei Monaten hatte Aramis ihre Haare nicht mehr geschnitten. Die honigblonde Haarpracht fiel ihr über die Schultern. "Was?" Die blauen Augen sahen ihn unwillig an. "... be-bereit ... Sie haben sich bereitzuhalten, wenn ich Sie brauche. Sie müssen meinen Anweisungen folgen!" "Ihren Anweisungen?" ereiferte sich Aramis. "Den Teufel werde ich tun." "Ich werde den Kardinal ..." "... den Kardinal informieren", äffte seine Kontrahentin ihm nach. "Dann informieren Sie Ihren Kardinal und ich kann nach Hause. Soll ich Ihnen Papier und Feder bringen?" Broussard begriff, dass er die Kontrolle verlor. Er versuchte es mit schmeichlerischer Diplomatie. "Hören Sie! Ich stelle für Sie die entsprechenden Kontakte her, mit meiner Hilfe ..." Aramis atmete tief durch. Ihre Brust hob sich unter dem fischbeingestärkten Panzer und stieß an ihre Grenzen. "SIE", unterbrach sie ihn. Ihr Finger landete hart auf seiner Brust, "finden nicht einmal Ihren eigenen Hintern mit Hilfe eines Atlanten." Sophie hatte mittlerweile hinzugelernt. Sie hielt sich nicht mehr mit diskreten Räuspern auf, sondern zog gleich am Rocksaum ihrer Herrin. Aramis wirbelte herum und erblasste. "Lord Corday?!" Sie schluckte schwer und versuchte zu lächeln. Es funktionierte nicht. "Ihr Diener, Comtesse!" Corday's Miene blieb unbeteiligt, als er sich kurz verbeugte. Es folgte eine kurze Pause, in der alle Anwesenden ihre Gesichter neu programmierten. "Bevor Ihr Euren Sekretär einen Kopf kürzt, solltet Ihr mich auf einen Ausritt begleiten." "Vielen Dank, Mylord, aber ich reite schon am Morgen aus", entgegnete Aramis reserviert. "Ich weiß, Madam und Ihr sitzt wunderbar im Sattel, gute Haltung und Führung. Auch sonst scheint Ihr die Führung übernehmen zu wollen." Wieder dieses spöttisch-amüsierte Lächeln auf den jugendlichen Zügen des Lords. "Sie sollten der Comtesse nicht so häufig widersprechen, Monsieur Broussard!" "Ich habe Euch auch gesehen, Lord Corday. Ihr führt EUCH spazieren. Ihr reitet nicht, Ihr stolziert. Ich ziehe es vor alleine auszureiten", grollte Aramis verärgert. Warum musste dieser Mann immer zur falschen Zeit aufkreuzen? Der Lord verbeugte sich erneut. Sein Lächeln blieb. "Dann Madam, werde ich wieder bei Euch vorsprechen, wenn meine Reitkenntnisse Euren Anforderungen genügen. Ich wünsche Euch einen angenehmen Abend", sagte er und verschwand. Mit einem verärgerten Fauchen stürzte sich Broussard auf sie. "Sind Sie von Sinnen, den Lord zu verärgern? Wissen Sie nicht, wie hoch die Corday's in der Gunst des Königspaars stehen? Charles Corday ist mit dem König befreundet. Soweit sich ein König herablassen kann, mit einem Höfling Freundschaft zu schließen." Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss. Aramis saugte an ihren Fingerknöcheln. "Was hat er mitbekommen?" "Keine Angst, Madam. Nur den letzten Satz", erklärte Sophie gleichmütig und begann die Bänder des Mieders in Aramis Rücken zu öffnen. "Ich fürchte, ich habe einen Fehler begangen. Bald können wir unsere Sachen wieder packen und nach Hause reisen. Corday hätte für seine Arroganz noch viel schlimmeres verdient, aber es war unklug. Das er auch immer so zuvorkommend sein muss. Ich fühle mich am ersticken." "Das ist das Korsette, Madam. Gleich sind Sie befreit!" >Wie Broussard, bin ich ein Sklave von Richelieus Plänen. Ein privilegierter Sklave, aber dennoch ein Sklave<, dachte Aramis missmutig. Sie hatte das untrügliche Gefühl, keineswegs den Erfordernissen leichter Artillerie im Krieg der Geschlechter gerecht zu werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)