Jene, die ihr Glück in der Hölle fanden von abgemeldet (-noch mal In Extremo-) ================================================================================ Kapitel 1: Von Tod und Ewigkeit ------------------------------- Der Kampf ist vorüber. Die beiden Kontrahenten liegen auf dem Boden. Der eine regt sich noch ein wenig. Rotes Blut hat den zerwühlten Schnee rosa verfärbt. Eine unnatürliche Stille liegt über dem Ort des Geschehens. Sogar die Bäume haben aufgehört zu Wispern und schweigen still. Kein Tier, nicht das allerkleinste, wagt es, sich zu regen. Es scheint, als würde sogar die Natur die Luft anhalten und darauf warten, was als nächstes geschieht. Nur in weiter Ferne hört man eine einsame Krähe auf einem Feld ihren Klageschrei ausstoßen. Langsam und bedächtig schreite ich auf dich zu. Meine nackten Füße berühren den eisigen Schnee, doch ich fühle keine Kälte. Der Blick meiner Augen hält sich auf dein Antlitz geheftet. Ich bleibe stehen und betrachte dich so, wie du vor mir liegst. Mein schöner, sterblicher Prinz! Dein Gesichtsausdruck erscheint mir fast friedlich. Kein Blut hat deine Züge besudelt. Meine Augen wandern über deinen stattlichen Körper, der sich unter der zerbeulten Lederrüstung abzeichnet. Dabei entgeht mir keinesfalls die Wunde, die dein Schicksal besiegelt hat. Hässlich nass klafft sie auf deiner Brust wie ein unausweichliches Zeichen für die Ewigkeit. Meine Gedanken schweifen zurück zu jener kurzen Zeit davor, die dich nicht hat Leben lassen... "Verräter!" Hart prallten die Schwertklingen aufeinander. Blaue Funken sprühten von dem schweren Metall weg. Ein helles Kreischen lag in der Luft, als die zwei Gegner auseinander stoben. Der eine war ein riesiger Hüne von etwa zwei Metern Größe. Ein struppiger, schwarzer Vollbart bedeckte sein Gesicht fast vollständig. Ebenso struppiges und schwarzes Haar fiel ihm lang über die Schultern. Tückisch blitzten die kleinen Augen aus dem fast unkenntlichen Gesicht hervor. Der andere war ein noch recht junger Mann. Sein Haar war ebenfalls dunkel, lang und wurde von einem Lederband zusammengehalten. Einige Strähnen hingen ihm ins Gesicht und der erhitzte Ausdruck darauf verriet, dass dieser Kampf wohl schon länger dauerte. "Du hast das Königreich verraten und meinen Vater getötet. Du hast meine Familie ins Exil getrieben und dich ihrer Ländereien bemächtigt. Und du hast mir die genommen, die mir etwas bedeutet haben!", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Nur schwerlich unterdrückte Wut glänzte in seinem Blick. Der Hüne hielt kurz inne. Dann lachte er laut auf, als er diese Worte vernahm. "Und? Was willst du nun dagegen tun, Prinz Boris? Willst du mich vielleicht töten?" Wieder schallendes Gelächter. "Du bist ein Narr, oh großer Herrscher des Spielvolkes! Was waren du und dein Clan schon? Eine Gruppe von plündernden Zigeunern, die durch das Land zogen und mit ihrer Hexenkunst die Leute um Geld und Verstand brachten." Schnee wirbelte auf, als der Prinz erneut angriff. Er war sich seiner Wut nicht mehr kontrolliert und setzte alles daran, seinen Gegner zu vernichten. So wie er es mit jenen getan hatte, die er geliebt und verehrt hatte. Sein Vater, seine Mutter, seine Geschwister - sogar seine Spielmannkameraden waren dem Schwert des grausamen Gegners zum Opfer gefallen. Jener Mann vor ihm war kein geringerer als Wargas, des Königs persönlicher Killer. Weit über die Grenzen des Landes war er bekannt als einer der grausamsten und ruchlosesten Kämpfer der Welt. Und der König hatte schon lange etwas gegen die Spielleute. Da kam ihm das Gerücht der Hexenkunst nur gelegen, um seine Hunde loszulassen. Nun war er der einzige, der diesen noch nicht zum Opfer gefallen war. Die Chancen standen nicht gut, aber er würde sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Erneut prallten die schweren Klingen aufeinander. Das unhandliche Eisenschwert in seiner Hand vibrierte und für einen Moment hatte er fast Angst, es fallen zu lassen. Doch schon war der Augenblick vorbei und sie waren wieder auseinander. Der Atem hing als weiße Wolke vor seinen Lippen. Aber auch der Söldner war nach den langen Kämpfen nicht mehr auf der Höhe seiner Kräfte. Seine Bewegungen waren langsamer und unkontrollierter. Vielleicht hatte er noch eine Chance, und wenn sie noch so gering war. Es war ein einziger Moment, ein winziger Augenblick der Unachtsamkeit, der schließlich die Entscheidung brachte. Es war ein Herzschlag, der alles bisher da gewesene verändern sollte. Es war der Zeitpunkt der Unachtsamkeit, der den großen Wargas das Leben kostete. Der Söldner hatte einen schweren, beidhändig geführten Hieb gegen den Spielmannsprinzen geführt, der diesem das Schwert beinahe aus der Hand geprellt hätte. Er konnte den Hieb abfangen, der seinen Hals nur um Zentimeter verfehlte, doch er hatte keine Kraft mehr, sich auf den Beinen zu halten. Seine Knie sackten unter dem Gewicht seines Körpers weg, er knickte ein. Wargas Siegesschrei hallte wie der lauteste Donner in seinen Ohren wieder, als dieser sein Schwert hob und es niederstieß. Dafür, dass der roh geschmiedete Zweihänder so plump und unhandlich wirkte, war seine Klinge erstaunlich scharf. Sie fand ihren Weg durch die zähe Lederrüstung in das weiche, verwundbare Fleisch. Er spürte das Metall kaum, als es Muskeln und Sehnen durchtrennte und sich tief in seine Brust grub. Doch dies konnte nicht das Ende sein. Es durfte nicht das Ende sein! Seine Lebenskraft flammte noch einmal empor, heller und stärker als je zuvor. Seine eigene Waffe verwandelte sich in seinen Händen zu einem Blitz, der hinaufzuckte und Wargas' Kehle durchbohrte. Augenblicklich wurde der Blick des Killers glasig. Ein gurgelnder Schrei entwich seiner Kehle, der von seinem eigenen Blut erstickt wurde, dann riss er in einem letzten Aufbäumen seine eigene Waffe aus der Brust des Gegners und brach zusammen. Schwer atmend lag der Prinz auf dem Rücken und beobachtete, wie warmes Blut aus seinem Leib rann und die Erde dunkel färbte. Wie durch einen Schleier hindurch, den jemand über seinen Blick zog, sah er die Umrisse einer Gestalt, die den Kampfplatz betrat. Obwohl sie ganz in Schwarz gekleidet war umgab sie doch eine strahlend helle Aura. Er hatte sie schon ein paar Mal gesehen - nach langen, entbehrlichen Kämpfen oder in wahnsinnigen Fieberträumen. Jedes Mal hatte sie ihm zugelächelt, den Finger auf die Lippen gelegt als wolle sie sagen "Noch nicht!" und hatte sich umgedreht. Nun aber kam sie auf ihn zu, und jeder ihrer Schritte wurden von einer lieblichen Melodei begleitet. "Bist du... der Tod?" Ich konnte deine Worte kaum noch hören, wie du sie mit dem letzten Rest deines Lebensatems ausgehaucht hast. Ich nickte nur. Es stimmte - ich war das, was man den Sensenmann nannte. Ich konnte nicht lügen. "Ich bin gekommen, um dich fort zu holen.", sagte ich. Ein friedliches Lächeln lag auf deinen schönen Lippen. "So denn. Ich folge dir. Hier gibt es nichts mehr, was mich hält." Ich streckte meine Hand aus, und du hast sie ergriffen. Einen Moment standest du noch neben deinem sterblichen Körper, ehe du dich mir endgültig zu zuwendest. "Ich werde Sorge tragen, dass dich die Wölfe verschonen. Den da allerdings", ich deutete auf Wargas, "sollen die Krähen jede Faser einzeln auspicken. Und nun komm." Ich ging auf den Rand des Schneefeldes zu. Anfangs waren deine Schritte zögerlich, doch dann liefst du immer rascher. Nun lächelte ich auch, als ich die sechs Gestalten, die dort standen und auf ihren Kameraden warteten, ansah. Die Spielmänner waren wieder vereint. Und so gingen wir davon, und auf dem ganzen Weg spielten die sieben ein Lied und sangen lauthals: "Hört, von den sieben Vaganten, die ihr Glück in der Hölle fanden! Behangen mit Fetzen und Schellen, die so laut wie Hunde bellen! Ihr Lachen wie Sturm und Gewitter, feiern und zechen bis kommt, der tödliche Schnitter! Verehrt und angespieen sind sie bekannt im ganzen Land, von allen In Extremo genannt!" Und ich selbst ging hintendrein und sang aus voller Kehle mit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)