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Western Spirits

von

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Living in Danger II

Tucson-C-Cemetry. Colt beschlich ein mulmiges Gefühl. Vor fünf Jahren war er einmal hier gewesen. Er hatte nicht gewollt, aber das hatte nicht gezählt. Seine Eltern waren aus ihrem Leben gerissen worden, und aus seinem. Sie hatten nie erfahren, wie Colt zu den Starsheriffs gekommen war, wie sie den Frieden wieder hergestellt hatten oder wie er Robin kennen gelernt hatte. Nie würden sie ihm am Altar sehen, oder ein Enkelkind auf dem Arm halten. Nie wieder würde sein Vater ihn für einen Fehler zurechtweisen und ihn seine Mutter so warm und tadelnd zugleich ansehen, wie es nur Mütter können. „Alle Engel kehren heim“ hatte er auf den Grabstein schreiben lassen, denn sie waren für ihn die besten Eltern, die man haben konnte. Vor fünf Jahren hatte er sich sogar gewünscht, sie hätten ihn mitgenommen. Jetzt wünschte er sich, sie wären beim ihm.
 

„Vater, warum hast du Mama geheiratet?“ – „Weil sie etwas Besonderes ist.“ – „Weil sie immer lächelt?“ – „Ja, Colt. Vor allem, weil sie mich sogar dann noch anlächelt, wenn ich es gar nicht verdiene. Sie ist ein Engel.“
 

Colt legte den Kopf in den Nacken und schaute in den Himmel. ‚Seht ihr mich? Seid ihr stolz? Wisst ihr, dass ihr mir fehlt? ‘ Er wischte sich mit dem Ärmel die Tränen fort. Verfluchtes Geheule.
 

„Ist okay zu weinen, Colt. Tränen zeigen, dass du ein Herz hast. Und ein Herz macht den Menschen aus.“
 

Der Scharfschütze hockte sich hin und legte den Blumenstrauß nieder. Er stutzte. War das nicht eine Mulde am Grabstein? Musste der Boden dort nicht eben sein? Die Vertiefung befand sich mittig direkt vor dem Granit und hatte eine rechteckige Form. Hatte da etwa jemand was vergraben? Vorsichtig fuhr er mit den Fingern in die Erde. Wieso wuchs das Gras hier so spärlich? Er begann zu buddeln. Nicht tief, gerade eine Handbreit unter der Oberfläche stieß er auf etwas Metallenes. Es durchfuhr ihn heiß und kalt. Rasch schob er die kleinen Erdklumpen fort und förderte eine kleine Metall-Kassette zu Tage. Die Initialen J A waren noch gut lesbar. Jolene Adams. Behutsam füllte er das entstandene Loch wieder und drückte die Erdboden an. Die Kassette musste er sofort Saber zeigen.

Colt fand Saber und Fireball in der Kommandozentrale von Ramrod vor. Sie standen vor dem schwarzen Monitor des Communicators, als der Scharfschütze eintrat. „Warum starrt ihr das Ding an?“ fragte er verwundert. „Genau genommen beten wir es an“, warf der Rennfahrer zurück. „Du wohl eher die Frau, die gerade mit uns gesprochen hat, “ meinte der Recke. Verständnislos blickte der Kuhhirte von einem zum andern. Wovon redeten die beiden? „April war dran“, klärte der Schotte ihn auf. „Warst du auf Schatzsuche?“ wollte Fireball wissen und deutete auf das Kästchen in Colts Händen. „Wenn du so fragst“, konterte der mit Unschuldsmiene, „bin ich Grabräuber.“ Jetzt war es an seinen Freunden verwundert aus der Wäsche zu gucken. „Ich war auf dem Friedhof und hab das, “ Er hielt das Kästchen in die Höhe. „dort gefunden. Jemand hielt das Grab meiner Eltern für ein gutes Versteck.“ Der Recke riskierte einen kurzen Blick auf den Deckel der Kassette. „J A steht wohl für Jolene Adams“, bemerkte er. Colt nickte „Ich verwette meine Seele darauf, dass die Dokumente, die wir suchen, da drin sind.“ Damit machte er kehrt und verschwand in Richtung Küche. Saber und Fireball folgten ihm. „Du willst das Ding doch nicht aufbrechen?“ rief der Blonde ihm nach. „Doch, natürlich“, warf Colt über die Schulter zurück. „Aber es gehört dir nicht. Was ist, wenn etwas anderes darin ist?“ beharrte Saber. „Ach jetzt verkommt die Mission zur Nebensache. Aber wenn ich die Mutter meines Kindes anrufen will, ist die Hölle los, “ kritisierte der Rennfahrer. „Du vergisst, dass du damit die Mutter deines Kindes in Gefahr gebracht hast,“ verteidigte der Recke diese damals getroffene Entscheidung „Ihr vergesst gerade beide, dass Gefahr in Verzug ist,“ meldete Colt, „und deshalb ist es mir auch ehrlich gesagt egal, ob ich Chilys Privatsphäre verletzte. Wenn der Spinner sie erst erwischt, hat sie keine mehr, weil sie dann höchstwahrscheinlich tot ist.“ Damit verschwand er in der Küche. Saber wandte sich noch einmal an seinen Piloten. „Hör mal, Fireball“, erklärte er. „Dass April schwanger ist, freut mich ehrlich für euch beide, aber es macht die ganze Angelegenheit auch noch komplizierter und gefährlicher, als sie ohnehin schon ist. Ihr und dem Kind zuliebe, will ich sie doch nur schützen. Kannst du das nicht verstehen?“ Der Gefragte hob die Brauen. „Also, ich sehe, wenn es darum geht, offen gesagt nur einen unterkühlten Klugscheißer, der nicht in der Lage ist eine Beziehung zu einer Frau aufzubauen und sich stattdessen in Sachen einmischt, die ihn nichts angehen,“ gab er dann rundheraus zu und hätte sich im nächsten Moment am liebsten auf die Zunge gebissen. Der Blonde setzte augenblicklich seine unbeteiligste Miene auf und jeder, der ihn kannte, wusste, dass er dies immer dann tat, wenn er sich getroffen fühlte. „Als Vorgesetzter Offizier und Freund geht es mich sehr wohl etwas an, ob es dir nun passt oder nicht“, erwiderte er nüchtern, um zu überspielen, dass ihn diese Aussage verletzt hatte. Dann wollte er Colt in die Küche folgen. Der Japaner hielt ihn jedoch am Arm fest. „Ich kann mich da aber auch verguckt haben“, gestand er und der Angesprochene begriff, was das hieß. „Tut mir leid. Das war unüberlegt und nicht so böse gemeint, wie es geklungen hat.“ Der Gesichtsausdruck des Schotten wurde weicher. „Vielleicht war es auch nicht so gut erkennbar“, meinte er, was so viel hieß wie „Schon gut, vielleicht hab ich auch falsch rübergebracht, dass ich mir Sorgen mache.“ Der Rennfahrer seufzte unterdrückt. „Naja, du weißt ja, dass ich manchmal zweimal hingucken muss“, fügte er hinzu. Auch dies verstand Saber richtig. Es bedeutete: „Es tut mir wirklich leid. Manchmal bin ich schon selten dämlich.“ Der Blonde winkte ab. „Oder von einem anderen Blickwinkel.“ Was im Klartext mit „Schon okay, lass gut sein“ zu übersetzen war. Dann er schlug er vor: „Wir sollten mal gucken, was Colt so treibt.“ Grinsend betrat der Rennfahrer die Küche, weil das mit dem Recken nun geklärt war, und meinte: „Du befürchtest, dass er sich auf die Spuren von Indianer Jones begibt und er noch einen hübschen Fluch ausgebuddelt?“ Vom Esstisch her knurrte Colt „Der Fluch musste nicht ausgebuddelt werden, der kam von alleine, “ wobei er versuchte, mit einem Messer das Schloss des Kästchens zu öffnen und scheiterte, was ihn gewaltig verstimmte. Saber folgte dem Rennfahrer. „Ich halte das immer noch für falsch“, bekundete er. Der Japaner beobachtete ein Weile Colts Aufbruchsversuche, die ungeduldiger und ungehaltener wurden. Demnächst würde die Kassette durch den Raum fliegen, das war abzusehen. „Spar dir die Mühe, Kuhtreiber, da gibt es was Besseres. Nicht, dass du uns das einzige scharfe Küchenmesser abbrichst. Dann kriegst du nämlich Ärger, das kann ich dir hellsehen.“ Grollend schob der Angesprochene das Kästchen zu ihm hinüber. „Mach es doch besser“, brummte er. „Mach ich doch, aber ohne das richtige Werkzeug geht es nicht.“ Damit verschwand Fireball endgültig wieder aus der Küche.
 

„Verfluchte Blechbox.“ Der Scharfschütze schüttelte unwillig das Objekt seiner Rastlosigkeit und ließ es scheppernd wieder auf den Tisch fallen. Saber lehnte sich an die Arbeitsplatte. „Mit Flüchen wär ich vorsichtig, Colt“, meinte er ruhig. „Ja, wie immer und mit allem“, versetzte der und rollte die Augen. „Wenn das Ding nur endlich auf wäre.“ Der Kasten bekam einen frustrierten Stoß, schoss Richtung Tischkante und fiel klappernd zu Boden. Jetzt musste er das Ding auch noch aufheben. „Ich bin immer noch nicht überzeugt davon“, erklärte der Blonde sich. „Ehrlich, wir sollten Chily vorher fragen.“ Der Cowboy kniete mit einem Bein auf der Bank, stützte sich mit dem dazu gehörigen Arm ab und angelte mit dem freien unter dem Tisch nach dem Kasten. „Wieso? Was sollte denn sonst darin sein, außer den Dokumenten?“ wollte er dabei wissen. „Vielleicht sonstige persönliche Gegenstände oder Dinge? Fotos, Briefe, Gedichte, “ erwiderte Saber. „Es ist nicht richtig, das ohne ihr Wissen zu tun.“ Mit der Blechbox in der Hand richtete er sich wieder auf. „Warum war es dann ausgerechnet im Grab meiner Eltern zu finden? Wenn so etwas drinnen wär, hätte sie es doch bei ihren Eltern mit vergraben. Was immer darin ist, muss also sie und mich betreffen, “ gab er seine recht logische Schlussfolgerung zum Besten. Sogar Saber musste sich das eingestehen, aber dennoch rollte nun er die Augen. „Sie wird schon ihre Gründe dafür gehabt haben“, meinte er und hakte nach: „Was hast du überhaupt im Grab deiner Eltern gesucht, dass du auf das Kästchen gestoßen bist?“ Dabei betonte er Im besonders. „Ich werd doch wohl mal einen Abstecher dahin machen dürfen. War schließlich ein Weilchen nicht mehr da und musste sicher gehen, dass Chily die Grabpflege nicht vernachlässigt hat, “ rechtfertigte er sich missmutig. „Sehr witzig, “ bemerkte Saber trocken. „Aber eins noch, bevor wir das hier wirklich aufbrechen. Du wirst es auf deine Kappe nehmen, wenn Chily uns dafür killt.“ Colt schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. „Du hast Nerven, also echt. Es gibt ja wohl wichtigeres als Pitität, oder nicht?“ Der Recke runzelte die Stirn. „Pitiwas?“ – „Na Pitität, eben. Du weißt schon, hat was mit Höflichkeit und Respekt zu tun, “ erklärte der Scharfschütze. Dem Blonden ging ein Licht auf. „Pietät! Mensch, du und Fremdwörter.“ Du lieber Himmel, das war wirklich ein Fall für sich. Fireball betrat die Küche mit einem Spezialwerkzeug aus seinem Werkzeugkasten und schnappte sich das Kästchen. Beiläufig meinte er. „Colt hat es schon auch mit anderen Sachen nicht so, nicht nur mit Fremdwörtern, stimmt es Kumpel?“ – „Mach einfach die Dose auf“, brummte der. Während der Rennfahrer an der Kiste hantierte, warf er Saber einen kurzen Blick zu. „Wie war das mit der Mittäterschaft gleich noch mal?“ Der verschränkte die Arme vor der Brust. „Wird nicht so hoch geahndet“, informierte er knapp.
 

Dann klackte das Schloss und der Japaner öffnete den Deckel. „Gut“, grinste er zufrieden. Sofort langte Colt in die Kassette und holte einen Packen Papiere heraus. „Siehst du, die Dokument“, triumphierte er und hielt sie Saber unter die Nase. Der nahm ihm den Stapel ab. „Na gut, du hattest ausnahmsweise Recht und ich war nicht ganz so überzeugt von dir“, gestand er. „Ich war schon immer ein verkanntes Genie“, behauptete der Scharfschütze prompt. „Das wirst du auch bleiben“, neckte Fireball. „Ich denke ja immer noch, dass auch ein blindes Huhn mal ein Korn trinkt ... äh findet natürlich, “ fügte er zwinkernd hinzu. „Dann lass mal sehen, was wir hier haben.“ Saber begann die Papier durch zusehen und legte sie auf den Tisch. „Besitzurkunde, Übertragungsurkunde, Testament … Diverse Briefe …“ – „Genau die Sachen, die wir brauchen und gesucht haben“, trumpfte Colt auf. „Da hattet ihr verdammtes Glück, dass ihr mich nicht nach Yuma geschickt habt.“ Der Schotte schüttelte den Kopf und sah seinen Piloten an. „Was hat April noch mal gesagt?“ Der nahm das Testament in die Hand. „Dass wir uns die letztwillige Verfügung ansehen sollen.“ Er setzte sich auf die Bank und überflog den Text. „Hier steht es. Der nächste Blutsverwandte erbt, wenn Chily und Jolly nicht mehr am Leben sind, “ gab er dann Auskunft. „Also keiner. Chily und ich sind die letzten in unseren Familien, “ informierte Colt darauf. „Nach der derzeitigen Lage... Unwahrscheinlich, “ wandte Saber ein. „Da ist einer, der euch beide aus dem Weg haben will und er versucht es, ich nenn es mal legal, an Pennyrile ranzukommen, “ grübelte er laut. „Hier, dass ist interessant.“ Der Japaner hielt nun die Übertragungsurkunde in den Händen. „Kurz nachdem deine Eltern in die Luft geflogen sind, haben Chilys Eltern ihr den gemeinsamen Besitz der beiden Familien übertragen haben. Ihr allein, weil du nicht da warst, Colt.“ Der fuhr ihn an. „Du fliegst auch gleich. Aber nicht nur in die Luft, das versprech ich dir, kleine Turbopfeife, wenn du dir noch mal so einen Spruch leistest.“ Dann stand er auf und meinte etwas ruhiger. „Chily gehört Pennyrile also alleine. Ich wüsste nicht, dass sie noch Blutsverwandte hat.“ Der Recke hob die Schultern. „Vielleicht weiß sie das auch nicht. Das sollten wir prüfen, “ schlug er vor. „Und wie du Schlauberger?“ hakte Colt nach. Die ganze Angelegenheit machte ihn nervöser, als er zu geben wollte. „Über den Familienstammbaum würde ich es mal versuchen. So für den Anfang. Und dann sehen wir weiter, “ antwortete Saber und ignorierte dessen Ungebührlichkeiten, da sie ja doch nur Colts Sorgen wiederspiegelten. „Vielleicht solltest du die Familie von unserem Schwerenöter auch gleich mal durchforsten, wenn du schon dabei bist, “ schlug Fireball vor und erntete einen kräftigen Seitenhieb vom Kuhhirten, der das unter diesen Umständen überhaupt nicht komisch fand. „Du fliegst wirklich gleich, “ versprach der, „die Rampe runter während wir fliegen.“ Der Schotte fuhr zwischen die beiden, schob Colt ein Stück vom Rennfahrer weg und schuf den nötigen räumlichen Abstand. „Das reicht. Alle beide. Hier helfen grad weder dumme Sprüche, noch Gewaltandrohungen, “ mahnte er sie. „Reißt euch gefälligst zusammen und überlegt, wie wir Chily und Colt noch besser schützen können.“ Recht unverblümt schlug der Japaner vor. „Wir schicken Colt heim, ganz einfach.“ Saber hob skeptisch die Brauen.
 

„Guter Witz“, kommentierte er, da er nicht glaubte, dass der Scharfschütze so einfach gehen und sich vernünftig benehmen würde. „Der beste seit fünf Minuten“, bestätigte der die Aussage des Blonden. „War kein Witz, diesmal nicht“, stellte Fireball klar. „Du glaubst doch nicht, dass ich gehe. Tickt es jetzt ganz aus? Lässt ein gewisser Druck dich nicht mehr klar denken?“ begehrte Colt auf. „Jetzt hilf mir doch mal, Boss“, beschwor der Japaner. „Colt befindet sich hier in Lebensgefahr. Der Kerl will Pennyrile. Dafür geht er über Leichen und hey, ich will nicht zusehen müssen, wie er Colt um die Ecke bringt.“Die fragwürdigen Scherze waren ihm gründlich vergangen. In seiner Stimme war ehrliche Besorgnis zu hören. „Geht mir nicht anders, “ versicherte ihm der Angesprochenen wahrheitsgemäß, „aber du hast doch selbst gesehen, was dabei rauskommt, wenn man ihn alleine lässt. Pekos schon vergessen?“ Verlegen fuhr sich der Rennfahrer durch die Haare. „Wir lassen ihn nicht alleine.“ Er räusperte sich. „Der Schwiegerpapa ist ja auch noch auf Yuma.“ Dann rechnete er schnell seine Chancen auf Deckung unter dem Esstisch aus. „Worauf willst du hinaus?“ bohrte der Schotte aufmerksam. Da hatte der Kleine offensichtlich weiter gedacht, als er selbst. „Ich bin dieses Mal so klug, dass ich April raushalten würde“, begann der Gefragte. „Eagle hat auf Yuma sowohl Personal als auch diejenigen mit Fachwissen um sich. Colt braucht Personenschutz, auch Chily.“ Er rutschte ein Stück auf der Bank von seinen Freunde fort. „Und jetzt halt ich die Klappe, sehe schon, dass meine Vorschläge heute nicht fruchten.“ Widerwillen musste der Säbelschwinger grinsten, verkniff es sich aber. „Würd ich nicht sagen“, meinte er. „Das ich daran nicht selbst gedacht habe …“ Er schüttelte den Kopf und überdachte den Vorschlag. Hinter ihm brauste Colt auf. „Schlagt euch das aus den Köpfen.“ Aber das wurde ignoriert. „Hey, wow.“ Überrascht und ermutigt rückte Fireball wieder näher. „Ich hab dem Boss mal was voraus. Das muss ich mir aufschreiben.“ War ja immerhin eine Leistung. Dann wand er sich an den Kuhhirten. „Kumpel, jetzt im Ernst. Ich, nein wir, wir wollen nicht, dass dir oder Chily was passiert, aber hier ist es viel zu gefährlich für dich. Ich will dich nicht auf dem Friedhof besuchen müssen, ehrlich nicht, “ verteidigte er sich vor dem. Doch dessen Sorge galt dabei seiner Jugendfreundin mit ihrem ausgeprägten Freiheitssinn. „Du wirst selber auf dem Friedhof landen, wenn du Chily in einen goldenen Käfig stecken willst. So hast du dir das doch gedacht. Robin bleibt bei April und Chily und ich beziehen Einzelzimmer in einem Hotel mit Wachhund vor der Tür. Da dreht sie durch, dass versprech ich dir.“ Dabei hatte er die wesentlichen Überlegungen seines kleinen Hombres zusammengefasst. „Nein, keine Einzelzimmer. Aber ja, Wachhund. Also, zumindest einen ständigen Begleiter, bis das alles hier vorbei ist, “ gab Saber seine weiteren Überlegungen kund und nahm die Hand von seinem Kinn. Der Cowboy verschränkte nun die Arme vor der Brust und betrachtete seinen Vorgesetzten skeptisch. „Und mit welchem Argument willst du sie dazu bringen, da mit zu spielen?“ wollte er wissen. „Mit der Wahrheit. Da brauch ich kein Argument, “ erwiderte der sachlich. „Wer es glaub, “ grinste Fireball. „Aber dein treudoofer Dackelblick wird es schon hinkriegen.“ Auch der Scharfschütze war nicht überzeugt. „Mit der Wahrheit? Und die wäre?“ bohrte er weiter. „Ein eiskalter Killer ist hinter euch her. Ist doch die Wahrheit, “ entgegnete der Schotte. „Das wird nicht reichen, “ versicherte Colt ihm unbeeindruckt und ergänzte. „Sie liebt ihre Freiheit und egal wie dämlich das für manche klingt, sie ist auch bereit dafür zu sterben. Also, was sagst du ihr?“ Der Blonde fühlte sich ein wenig in die Ecke gedrängt. Du liebe Güte, konnte Colt fragen. Er seufzte unterdrückt. „Ich sage ihr, dass ich sie liebe. Ich fordere nichts von ihr. Ich möchte nur möglichst viel Zeit mit ihr verbringen, “ antwortete er dann. Fassungslos ließ der Cowboy die Arme sinken. Sein Kiefer klappte schier ins Boden lose. Geplättet gestand er. „Oh man ... Scheiße, dass könnte sogar ziehen.“ Glücklicherweise lehnte er an der Arbeitsplatte, sonst wäre er wohl umgefallen. Fireball konnte nicht anders und musste das kommentieren. Colt so erstaunt zu sehen, war schließlich selten. „Und es ist nicht mal gelogen. Das ist doch schon was, nicht wahr, Kuhtreiber?“ Statt zu antworten, gab der nur einen undefinierbaren Laut von sich. „Chily wird sich in Commander Eagles Obhut begeben“, stellte der Schotte nüchtern fest und fragte. „Was ist mit dir, Colt? Welche Argumente brauch ich für dich?“ – „Nur eins. Für Robin, “ krähte der Japaner recht munter. „Ihr zwei Weisen...“ Wenigstens hatte der Scharfschütze seine Sprache wieder gefunden. „Eigentlich drei, aber April ist ja grad nicht hier“, versetzte der Rennfahrer leichthin. „Dann sind es dreieinhalb, weil du, “ setzte der Kuhhirte an, winkte dann aber ab. „Ach, was laber ich rum. Kann man nur hoffen, dass euer Kleines nach April gerät.“ Tatsächlich hatte der kleine Hombre recht. Robin würde darauf bestehen, dass Colt mitzog und war auf ihre Weise empfindlich überzeugend. Er musste nur an ihre Drohung auf der Willcox-Ranch denken. Entweder er tat es, oder sie blies die Hochzeit ab. Wie fies war das denn? „Eine Frage hab ich noch“, meldete sich der Japaner zu Wort. „Raus damit“, forderten Saber und Colt gleichzeitig. Der grinste breit. „Wer von euch beiden beichtet Chily, die Neuunterbringung mit Wachhund?“ Sofort wies der Scharfschütze auf den Recken. „Der da. Wenn ich ihr sage, dass ich sie liebe und nur das Beste für sie will, lacht sie mich aus. Bei Saber besteht die Chance, dass sie es ernst nimmt.“ Zufrieden nickte Fireball.
 

„Darf ich bei dem Gespräch dabei sein?“ wollte er dann wissen. „Du kannst dich mal deinem Schwiegervater stellen. Der wird sicherlich noch einige Fragen in Bezug auf deine Absichten haben. Das Gespräch mit Chily geht dich nichts an, “ stellte der Recke klar. „Aber bei dem Gespräch mit deinem Schwiegervater wäre ich gern dabei, “ grinste jetzt Colt. „Ich hör dauernd Schwiegervater. Könnt ihr mir mal sagen, was das soll? Könnte mich nicht erinnern, dass ich die kleinsten Fesseln um den Finger hätte.“ Irgendwie behagte dem Japaner das nicht so recht. „Kommt noch“, versprach der Kuhhirte. „Du stehst nämlich kurz davor auf den Trick "Du musst mich heiraten, weil ich von dir schwanger bin" hereinzufallen.“ Jetzt blieb dem werdenden Vater die Luft weg. „Also bitte“, keuchte er. „Kinder sind kein Grund zum Heiraten.“ Der Scharfschütze hob fies grinsend die Brauen. „Sieht das April auch so?“ fragte er mit einem nicht unwesentlichen Anflug von Gehässigkeit und revanchierte sich so für die makaberen Witze des Freundes. Der kratzte sich am Kopf. Darüber hatte er mit ihr noch nie gesprochen. Au weia. Weil Saber und Colt ihn abwartend ansahen behauptete er rasch. „Klar.“ Aber es klang nicht sehr überzeugt. „Flieg uns doch erst mal nach Yuma, bevor du anfängst dich um Kopf und Kragen zu reden, hm“, schlug Saber vor und verließ die Küche. Der Pilot folgte ihm. „Damit du dich dann um Kopf und Kragen reden kannst, was?“ Bloß schnell die Diskussion ablenken. Jeder von ihnen konnte sich grad um Kopf und Kragen reden. Also warum er? „Ja, bei mir sind die Überlebenschancen momentan noch höher, als bei einem von euch beiden“, konterte Saber über die Schulter zurück. „Das würd ich nicht unterschreiben, Boss“, ließ sich Colt vernehmen, als er aufschloss.
 

Während die drei zurück nach Yuma flogen, herrschte Schweigen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Saber grübelte, wie er das Gespräch mit Chily am Besten beginnen könnte. Fireball war geistig bei April und der Scharfschütze sinnierte darüber, was er über seine beste Freundin alles nicht wusste, was sie wahrscheinlich selbst nicht mal ahnte. Denn er war sich sicher, dass er es sonst auch wissen würde. Schließlich kannte er sie. Damals wusste er sogar ganz genau, wann ihre Mensis begann und endete und hatte ihr mehrfach schon ihre Monatshygiene mitgebracht, wenn sie vergessen hatte, welche zu kaufen und er noch auf dem Heimweg zum Einkauf kam. Nein, es gab kaum etwas, was er über Chily nicht wusste. Inzwischen hatte er auch bei Robin ein Gespür für solche Dinge bekommen. Robin. Die Zeit des Friedens hatte er vor allem an ihrer Seite sehr genossen. Doch wieder schien es, als würden seine Träume platzen, so wie damals der vom Rodeo. Na gut, der hatte sich nach hinten weg verschoben, aber egal. Und diesmal würde ihn eine bevorstehende, gravierende Veränderung nicht unvorbereitet treffen. Aber wieso immer dann, wenn er rund um glücklich war. Es kam ihm beinahe so vor, als dürfe er das nicht. Nein, das Leben war nicht fair. Das hatte er längst begriffen. Aber das es ihm innerhalb eines Jahrzehnts gleich zweimal so fies mitspielte, ging ihm an die Nieren. Besonders deshalb, weil es wieder nichts gab, was er dagegen tun konnte. Er konnte nur wieder fliehen.
 

Im ersten Augenblick wollten die drei Frauen freudig auf die Heimkehrer zu stürmen, doch dann machten ihnen sowohl die düsteren Gesichter, als auch der Umstand des unerwarteten Wiedersehens klar, dass kein Grund zur Freude gegeben war. Vielmehr zu Sorge. Ahnungsvoll verharrten sie in ihren Positionen und hätten dennoch beinahe über das zeitgleiche „Wir müssen reden“ der Männer lachen können, wenn der Tonfall nicht so verdammt ernst gewesen wäre. April rührte sich als erste und Fireball folgte ihr in die Küche. Chily setzte sich ebenfalls in Bewegung. Saber ging ihr auf die Dachterrasse nach. Colt und Robin blieben im Wohnzimmer zurück. Ungewohnt knapp und sachlich setzten die temperamentvolleren Herren ihre Herzdamen von dem Fund und den sich daraus ergebenden nächsten Schritten in Kenntnis. Der Recke dagegen tat sich wesentlich schwerer. Wie so oft, wenn er nicht recht wusste, wie er beginnen sollte, versuchte er es mit etwas unverfänglichem. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung sei auf Dauer wohl recht eng für drei Frauen. Doch Chily durchschaute diese Masche. Das unverhoffte Erscheinen der Drei hatte sie alarmiert und ihr untrüglich bedeutet, dass etwas vorgefallen war. Da sie jedoch nicht wusste, was und die Sehnsucht nach ihrer Ranch und dem weiten Land darum herum sehr groß war, schoss ihr eine Frage hervor, die sie eben erst gedacht hatte. „Kann ich zurück nach Hause?“ Ihre Direktheit wunderte Saber überhaupt nicht, doch er musste sie genau vom Gegenteil überzeugen und dieser Umstand trieb ihm die Verlegenheitsröte ins Gesicht. Er brachte keinen Ton hervor. Sie ahnte schlimmes. Je länger das Schweigen zwischen, ihnen herrschte, desto angespannter wurde sie und desto nervöser er. „Herrgott, Saber“, schrie sie schließlich aufgebracht. „Was immer es ist, sag es endlich. Ist was mit Patamon?“ Rasch zog der Blonde sie in seine Arme und strich ihr über den Rücken, damit sie sich wieder beruhigte. Doch das, was er ihr sagen musste, würde sie erst recht aufregen. „Patamons Zustand hat sich nicht verändert“, begann er dann, „aber wir haben die Dokumente.“ Sie sah ihn aufmerksam an. Schnell fuhr er fort. „Chily, glaub mir bitte, ich sag es dir nicht gern, aber zu deiner eigenen Sicherheit wäre es besser, wenn du in ein Hotel ziehst und dir Personenschutz geben lässt.“ Er hatte es kaum ausgesprochen, da riss sie sich heftig von ihm los. „Du willst mich einsperren?“ rief sie entsetzt und starrte ihn ungläubig an. „Nicht einsperren“, setzte er an, doch sie schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung das Wort ab. Die Gedanken in ihrem Kopf schossen wild durch einander, waren nicht greifbar, weshalb nur ihr Herz sprechen konnte. „Doch! Genau das ist es. Einsperren. In ein stinkendes, kleines Hotelzimmer mit einem Wachhund vor der Tür, der bei jedem Schritt, den ich tue, dabei sein wird. Ich werde nirgendwohin entfliehen können, wenn ich allein sein will. Ich habe keine Minute für mich. Dieser Typ wird immer an mir kleben und …“ Sie musste Luft holen. „Das ist Gefangenschaft, Saber, und das ertrag ich nicht. Wieso tust du mir das an? Wieso willst du mich so quälen?“ Bei den beiden Fragen, begann ihre Stimme zu zittern. Das Herz ist nicht logisch, es fühlt nur. Saber wusste das. „Chily, bitte“, versuchte er sie zu beschwichtigen. „Ich weiß, worum ich dich bitte und ich weiß, wie schwer es dir fällt. Aber wenn das nicht die einzige Möglichkeit wäre, dich und Colt zu schützen, würde ich es nicht von dir verlangen.“ Seine Hände, die nach ihr griffen, schlug sie noch leicht fort, aber sein eindringlicher Ton klärte das Chaos in ihrem Kopf. Es war Tatsache, was er sagte, dass spürte sie. „Gibt es wirklich keine andere Alternative?“ wollte sie zögernd wissen. Der Gedanke an den Personenschutz behagte ihr in keinster Weise. „Ich fürchte nicht“, entgegnete er bedrückt. Sie schwieg. Er nutzte ihre Zurückhaltung um sie hoffentlich endgültig zu überzeugen. Wieder griff er nach ihren Händen. Diesmal wehrte sie ihn nicht ab. Ein gutes Zeichen. „Jolene“, setzte er sanft an. „Alles, was ich will, ist so lange und so viel Zeit wie möglich mit dir zu verbringen. Ich möchte, dass es dir gut geht, dass du weiter mit deiner Leichtigkeit das Leben genießen kannst. Aber genau das ist in Gefahr, bedroht von jemanden, der keine Skrupel hat.“ Seine Finger glitten über ihre Arme zu ihren Schultern hinauf. Sie ließ es zu. Behutsam wanderten sie den Hals hinauf, umfassten ihren Hinterkopf und hoben ihn leicht, dass sie ihn ansehen musste. Ihr Sträuben schwand allmählich. „Ich liebe dich. Bitte erlaube mir, dich zu beschützen, Jolene, “ raunte er ihr liebevoll zu und schaute sie zärtlich an. Ihr wurden die Knie weich. Sie streckte die Arme nach ihm aus und umschlang seine Taille. „Versprich mir, dass es nicht für lange ist“, bat sie leise. „Versprochen“, gab er zurück, zog sie ungestüm an sich und drückte ihr einen erleichterten Kuss auf die Lippen. „Paart euch woanders.“ Die beiden fuhren bei Colts Spruch auseinander. Dreist grinsend trat er auf sie zu. „Jolly Jumper!“ Chily boxte ihm verstimmt auf den Arm. An seinem Grinsen änderte sich nichts. „Bevor hier der Zwergenaufstand ausbricht, sollten wir wesentlichere Dinge klären, Boss“, meinte er. Der Recke nickte.
 

Dass der Scharfschütze und seine Jugendfreundin in einer gemeinsamen Suite Quartier bezogen, störte die beiden mehr, als sonst irgendwen. Robin, von der Saber, Fireball und April den Protest einer Eifersüchtigen erwartet hätten, fand nur mahnende Worte für ihren Zukünftigen, deren Inhalt war, er solle auf seine Freunde und die Anweisungen der Wachposten hören. Die Hotelsuite verfügte über ein geräumiges, helles Wohnzimmer, zwei angrenzenden, kleine Schlafzimmer und einen Balkon, der einen weiten Blick über Yumas Dächer erlaubte. Doch genau dies gab Chily das Gefühl hoch oben in Rapunzels Turm gefangen zu sein. Colt lachte über diesen Vergleich nur, weil er so treffend war, was er nicht zugeben wollte. Die Posten unterwiesen ihre Schützlinge knapp und sachlich und ließen sie dann allein. Die kleine Hebamme sackte hilflos auf eines der Sofa und brach in unglückliche Tränen aus. Colt, für den dieser Ausbruch recht unvermittelt kam, war mit einem Satz bei ihr, kniete sich vor sie und zog sie tröstend an sich. „Schon okay, Crazy Chily, “ flüsterte er. „Ich halte dich.“
 

Die Berge Pennyriles waren dicht bewaldet. Schlanke, schöne Bäume umsäumten die Steppe oder kletterten die Felsen hinauf. Für kleine Abenteurer und Entdecker ein idealer Ort, aber nicht ganz ohne Risiko. Die Gefahr sich zu verirren war, angesichts der Weite und Dichte des Waldes, groß. Hatte man erst die Baumreihen durchbrochen und den, von der Sonne verführerisch beleuchteten, kristallklaren Bergsee ausfindig gemacht, konnte alles in Vergessenheit geraten. So zumindest erging es den Patenkindern des Irokesen-Stammes Pallaton und Aiyana. Die beiden umrundeten den See voll kindlicher Begeisterung. Entdeckten jenes, fanden dieses und entfernten sich immer weiter von den Langhäusern je mehr die Sonne gen Westen wanderte. Mahnend warf sie ihre inzwischen rotgoldenen Strahlen über den Bergsee und erinnerte die beiden daran, dass sie eben nicht stehen geblieben war. Nach dem ersten Schreck über die Feststellung setzte bei Aiyana Ratlosigkeit ein. Pallaton, Colt wurde nicht um sonst „Krieger“ genannt, dagegen schaltete den praktischen Verstand ein. Schnell erkannte der zehnjährige, dass es keinen Sinn hatte, den Weg um das Gewässer zurückzulaufen. Die einbrechende Dunkelheit würde die Rückkehr auf so weiten, unbekannten Pfaden erheblich erschweren. Wollten sie die Glut der untergehenden Sonne nutzen um in den ihnen vertrauten Teil des Forstes zurückzukehren, mussten sie den See an seiner schmalsten Stelle überqueren. Die verträumte Aiyana hegte keinen Zweifel an dem Gelingen dieses Planes. Sie vertraute ihrem Pallaton und tauchte mit ihm ins Wasser um durch die spärliche Kraft der kindlichen Körper das andere Ufer zu erreichen. Für einen Erwachsenen, der in kräftigen Zügen rasch vorwärtskam, war ein solches Unterfangen keine größere Schwierigkeit. Doch die kleinen Helden erreichten ihre Grenzen. Für beide, auch wenn sie es nie zugeben würden, grenzte es an ein Wunder, dass sie das andere Ufer erreichten und dem, inzwischen nachtschwarzem, Nass entstiegen. Aiyana, völlig außer Atem und am Ende ihrer Kräfte, war kaum mehr in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzten. Pallaton erging es nicht sehr viel besser, dennoch hob er seine Freundin auf den Rücken. „Wir schaffen es, Chily. Wir schaffen es, “ keuchte er. „Ich hab dich. Ich halte dich.“
 

Auf halber Strecke brach der Junge in die Knie. Aiyana erwachte nicht aus ihrem Tiefschlaf. Behutsam bettete er ihren Kopf auf ein Stück Moos, dass der Mond beschien. Gerade wollte er sich zu ihr legen, da sah er Fackeln zwischen den Bäumen, hörte er Hinuns Stimme. „Hier“, rief der Kleine matt. „Hier.“ Bald erreichten sie ihn und seine Freundin und brachten sie sicher und ohne Schimpf zu den Langhäusern.
 

In den folgenden zwei Wochen wühlte Saber sich durch die Abstammungsgeschichte der Familie Adams. Von Ramrods Board-Computer war er nur zum Schlafen weg zu bekommen. Allerdings war seine Suche erfolglos. Jolene Adams war die letzte ihrer Ahnenreihe. Wesentlich interessanter war der Stammbaum von Colts Familie. Dessen Vater Gary Willcox hatte seine Jugendliebe Magdalena ein Jahr nach der High-School geheiratet. Garys Vater, Colts Großvater, Daniel Willcox hatte in seiner Frau Mabel, die er gerade zwei Monate kannte, ehe er sie zum Altar führte, sein Glück gefunden. Der Recke schmunzelte leicht. Wenn die Willcox-Männer mal gefunden hatten, wo nach sie suchten, fackelten sie offensichtlich nicht mehr lange. Jedoch, stellte der Blonde fest, war es in Daniels Fall der zweite Anlauf in Sachen Liebe gewesen. Zuvor hatte er für eineinhalb Jahre mit einer Frau namens Hazel Maddox zusammen gelebt. Maddox. Der Name kam dem Recken irgendwoher bekannt vor. Er schloss die Augen, die ohnehin von der langen Zeit, die er schon auf den Monitor starrte, brannten und ließ den Namen durch die Hallen seiner Erinnerungen klingen. Maddox. Maddox. Maddox. Madigton Walls Bergwerke. William Maddox steht in Verdacht mit den Outridern Geschäfte zu machen. Bremer. Der Vormann Jake. „Boss? Alles klar?“ Fireballs besorgte Miene schob sich in das Blickfeld des Recken, der überrascht die Augen aufgerissen hatte. „Ich glaube, du arbeitest zu viel“, meinte der Rennfahrer sacht. „Ich glaube, ich habe die Verbindung“, erwiderte der, als hätte der Japaner danach gefragt. Der Blonde setze sich auf und tippte hastig auf der Tastatur herum. „Muss der Schlafmangel sein“, bemerkte der Pilot kopfschüttelnd. Noch eine Stunde brauchte der Schotte, dann lag das Ergebnis der Recherche endgültig vor. Perplex starrte Fireball darauf.
 

In der Zwischenzeit hatten Colt und Chily ihre Zeit damit totgeschlagen, dass sich erzählten, was sich in den letzten fünf Jahren in dem Leben des anderen ereignet hatte. Während der Überwachung hatte die Verbindung zu Robin und April eigentlich abgebrochen werden sollen. Dennoch hatten sie die beiden einmal besucht, weil sie schließlich Verlobter und Hebamme waren. Sonst hielten sich der Scharfschütze und seine Jugendfreundin brav an die Regel und verließen die Suite nicht. Der Cowboy erzählte ihr von den vielen Missionen, die er mit seinen Freunden und Ramrod gemeistert hatte. Sein gelegentliches Aufschneiden dabei quittierte sie mit dem, ihm wohlbekannten, geringschätzigen Blick. „Du hättest dabei sein sollen. Ehrlich, “ berichtete er begeistert. „Bei der Aktion hab ich zwanzig dieser Jumper mit meinem Bronco in die Phantomzone geschickt.“ Chilys linke Braue zuckte nach oben. Da war er wieder, ihr Mach-doch-mir-nichts-vor-Blick. „Aha. Zehn also, “ kommentierte sie trocken. „Du bist unmöglich, “ fuhr er auf. „Ob zehn oder zwanzig ist doch egal. Keine Chance hatten sie.“ Sie grinste breit. „Das glaub ich dir ausnahmsweise mal.“ Jetzt sprang er entrüstet vom Sofa. „Dein Übermut ist mit deiner Oberweite angewachsen, was?“ grollte er scherzhaft. Sie erhob sich ebenfalls und brachte das Polster als Schutzwall zwischen sich und den Kuhhirten. „Genau wie deine Angeberei im Vergleich zu deiner Hirnmasse geschwunden ist“, neckte sie ihn. „Jetzt geht es aber los“, parierte er. „Ich möchte bloß wissen, was in dich gefahren ist?“ Mit einen frechen Grinsen konterte sie. „Wenn du so fragst: Saber.“ Dann flüchtete sie vor dem Lockenkopf, der sie durch die Suite jagte und erbarmungslos durch kitzelte, als er sie zu fassen bekam. Lachend, quiekend und albern, balgten sie herum, wie die Kinder, die sie einst waren, und so laut, dass die Posten vor der Tür am Geisteszustand ihrer Schutzbefohlenen zu zweifeln begannen. Als die beiden, außer Puste gekommen, neben einander auf dem Boden lagen, wollte Chily ernsthafter wissen: „Sag mal, Bullet: Was hast du eigentlich gegen Saber.“ – „Wenn du so fragst: Noch nichts, aber ich werde mir was besorgen. Baseballschläger, Messer, eine Schrotpuste, “ grinste der Gefragte. „Jetzt mal ohne Witz, “ erinnerte sie. „Ich bin ja gewöhnt, dass dir keiner gut genug ist für mich. Aber Saber ist nun ganz sicher nicht mit denen zu vergleichen, mit denen ich sonst zu tun hatte.“ Colt richtete sich auf, drehte sich leicht zu ihr, stützte sich auf einen Arm und musterte sie. „Bist du sicher, dass er dir auf Dauer nicht zu ruhig, manierlich und brav wird?“ fragte er zurück. „Er hält viel von Disziplin und stellt seine Pflicht, seinen Dienst am Neuen Grenzland über alles“, fügte er dann ernst hinzu. „Ich meine, ich kenn dich. Dir sind deine Patientinnen auch sehr wichtig und auch du lebst für das, was du tust. Sonst würdest du es nicht tun. Aber, wenn bei zweien das Privatleben so hinten anstehen kann, wie bei euch beiden, und dann der eine seine Freizeit damit zu bringt, sich in Büchern zu vergraben, während der andere seiner Freiheitsliebe frönt, was bleibt da für einen Beziehung?“ Chilys Blick heftete sich an die Zimmerdecke. „Bist du nie darauf gekommen, dass ich gern jemanden hätte, der zu mir gehört? Einen Ruhepol, weil ich so rastlos bin.“ Der Scharfschütze lächelte zufrieden. „Dann passt es doch. Der Säbelschwinger kann im Gegenzug dazu wen gebrauchen, der ihn auf Trab bringt. Seit ich ihn wieder gesehen hab, hab ich das Gefühl, er wandelt wie ein Roboter durchs Leben.“ Ja, so gesehen konnten die beiden sich hervorragend ergänzen. „Na ja, Gegensätze ziehen sich an, “ fügte die Hebamme hinzu und lächelte munter. „Robin bringt ja auch die nötige Ruhe in das Chaos, dass du Leben nennst.“ – „Oh ja.“ Er legte den Kopf in den Nacken. „Das tut sie wohl.“ Dann sprang er auf. „Und neuerdings hab ich einen sehr ausgeprägten Ordnungssinn“, ergänzte er. „Dann bis später“, grinste sie verstehend und winkte kurz, als er schon halb zur Tür raus war.
 

Der Mann vom Zimmerservice, der ihre später das Essen brachte, war ihr unheimlich. Seine Augen waren kalt und schienen sie zu durchbohren. Sein Lächeln war nichts weiter als ausdrucklos nach oben gezogene Mundwinkel. Obgleich er akkurat seine Aufgabe erfüllte, konnte Chily den Eindruck drohender Gefahr nicht loswerden, die von ihm auszugehen schien. Vielleicht war sie aufgrund ihrer augenblicklichen Lage besonders nervös. Andererseits hatte kein anderer Kellner zuvor ihr solche Furcht eingeflößt. Angespannt wartete sie auf etwas, eine Geste, ein Wort, das ihn als Feind enttarnte, doch er ging nach getaner Pflicht wieder und hinterließ ihr das Gefühl paranoid zu werden. Sie sah ihm nach. Unter der Mütze, die zur Uniform gehörte, lugte bläulich grün schimmerndes Haar hervor.
 

Colt lag friedlich an Robin geschmiegt und ahnte nichts von der Angst, die seine Schulfreundin beschlichen hatte und die mit jeder Minute wuchs, die der Scharfschütze fortblieb. Leicht hauchte er Robin einen Kuss auf die Stirn.

Chily steckte den Kopf aus der Tür. Ihr Wächter schlenderte ihr den Rücken zugewandt den Flur hinab. Leise schlüpfte sie aus dem Zimmer zum Fahrstuhl und betete, dass der kam, ehe der Posten kehrt machte. Er hatte das Ende des Ganges erreicht, als die Lifttüren leise aufgingen. Zu leise, als das er es hätte hören können. Chily war dahinter verschwunden, die Türen wieder geschlossen, ehe sich der Bewacher umwand. Scheinbar unverändert lag der Flur vor ihm.
 

Colt fuhr in die Höhe. Robin sah ihn irritiert an, schlagartig aus dem leichten Schlummer erwacht, in den die beiden gefallen waren. Für dieses heftige Aufschrecken war kein Grund erkennbar, auch nicht für den gehetzten Gesichtsausdruck ihres Kuhhirten. „Was hast du?“ fragte sie besorgt. „Ich weiß es nicht“, gab er zur Antwort.
 

Chily durchquerte die Eingangshalle. In der Hektik, die dort herrschte, achtete zum Glück niemand auf sie und kam folglich auch keiner auf die Idee, sie womöglich aufhalten zu wollen. Ihr Essen auf dem Zimmer hatte sie nicht angerührt. Die Angst hatte ihr den Appetit verdorben. Die Enge des Zimmers war ihr immer unheilvoller erschienen und sie musste raus. Raus aus der Suite. Raus aus dem Hotel. Weg von hier. In die Helligkeit einer Großstadtnacht.
 

Verwundert blickten April und Robin Colt nach, der die Wohnung verließ, als säße ihm der Teufel im Genick. Er nahm sich nicht die Zeit, etwas zu erklären oder sein Hemd zuzuknöpfen. Die Tür schlug zu, ehe es die beiden Blondinen begriffen hatten. Über dieses seltsame Verhalten zu grübeln hatten sie jedoch keine Zeit. Der Communicator meldete sich.
 

Colt nahm keine Rücksicht darauf, ob sein Schatten Probleme hatte ihm zu folgen. Irgendetwas sagte ihm, dass seine kleine Jugendfreundin in Gefahr war. In scharfem Schritt durchquerte er den Rezeptionsbreich und schnappte sich den Aufzug, kurz bevor die Türen zu schlagen konnten. Der Posten musste den nächsten nehmen und kam gerade rechtzeitig auf der Etage an um Colt davon abzuhalten, dem Kollegen vor der Suite einen Kinnhaken zu verpassen. Daraufhin fuhr der Scharfschütze die beiden an. „Wo ist Chily? Nennt ihr das etwa Personenschutz? Wie konnte sie ungesehen verschwinden?“ Dabei deutete er auf die geöffnete Suitetür, die unschuldig Zeugnis für die Abwesenheit der Hebamme ablegte. Der Mann, der den Hitzigen begleitet hatte, sah seinen jungen Kollegen an. Der hob verlegen entschuldigend die Schultern. Bis eben hatte er nicht gemerkt, dass sein Schützling fort war. „Nur der Zimmerservice war da und hat ihr was zu essen gebracht. Da war sie ganz sicher noch da. Ich hab keine Ahnung, wann sie verschwunden ist, “ berichtete er, verschwieg aber die einzige Möglichkeit, die sie genutzt hatte, weil er fürchtete noch einmal könne sein Kollege den Tobenden nicht am Zuschlagen hindern. „Der Zimmerservice?“ wiederholte Colt schnaubend. „Ja“, bestätigte der Pechvogel. „So ein kühler. Hab mich noch gefragt, wie der den Job bekommen hat. Übermäßig freundlich sah er nicht aus.“ Bei dem Cowboy schrillten die Alarmglocken so laut, dass sie im gesamten Neuen Grenzland zu hören sein mussten. Sachlich ließ sich der ältere Wachmann eine ausführlichere Beschreibung geben. Bei der Schilderung fielen ihm und dem Scharfschützen die Kinnladen runter. Der Jüngling, der seine Aufträge gewissenhaft ausführte, war noch nicht lange genug im Dienst um mit allen Gesichtern zwielichtiger Gesellen vertraut zu sein. Deshalb hatte er keinen Verdacht geschöpft.
 

Chily suchte, wie man es von einer Frau, die weites Land um sich herum gewohnt war, nicht anders erwarten konnte, Zuflucht in einem Park nahe dem Hotel. Obgleich er nur spärlich beleuchtet war, fürchtete sie sich hier weniger. Die Wälder, durch die sie in Vollmondnächten gern ritt, waren schließlich kaum heller. Ihre hastigen Schritte wurden ruhiger und langsamer. Befreit von der Enge und der Kontrolle setzte sie sich auf eine Bank. Sie atmete einmal tief ein. Beim zweiten Mal fühlte sie etwas Weiches auf Mund und Nase. Zu verwundert um zur reagieren, atmete sie ein drittes Mal ein. Dann wurde ihr schwarz vor Augen und sie spürte nichts mehr.
 

Noch während seiner Erklärungen hatte Saber seinen Piloten in dessen Satteleinheit geschoben und ihn so zum Start genötigt. Kurz bevor sie Yuma erreichten, hatten sie sich bei April gemeldet, damit sie Colt holen sollte. Die gab über das merkwürdige Verhalten des Kuhhirten Auskunft und anschließend dem Wachschutz im Hotel Bescheid, dass sie dem Scharfschützen bei sich zurück erwartete. Nun tigerte der in seelischem Aufruhr durch das Wohnzimmer. Noch hatte er kein Wort von Chilys Verschwinden erzählt. Es widerstrebte ihm in diesem Zustand mehr als sonst, alles zweimal zu erzählen. Zudem suchten die beiden Wachposten noch die nähere Umgebung des Hotels nach der Hebamme ab. Gut möglich, dass sie noch gefunden wurde. Vorerst jedoch trieb der Kuhhirte die beiden Frauen in den Wahnsinn. Entsprechend genervt war deren Gemütsverfassung bei der Begrüßung, als Saber und Fireball eintraten. „Wir haben etwas herausgefunden“, erklärte der Recke unumwunden und drückte Colt auf die Couch um ihn zur, zum Zuhören notwendigen, Ruhe zu zwingen. „Ich auch, “ entgegnete der ungeduldig. „Aber du zu erst. Ein Teil meiner Nachrichten löst sich vielleicht in Wohlgefallen auf, “ fügte er dann hinzu. Verständnislos runzelten seine Freunde die Stirn. Saber wischte das Statement des Cowboys mit einer Handbewegung beiseite und begann: „Ich habe mir deinen und Chilys Stammbaum genau angesehen. Wie du gesagt hast, hat sie keine lebenden Verwandten mehr. Aber anders als sie, hast du noch einen. Klapp den Kiefer wieder hoch. Keine hat dir ein Kind untergeschoben. Du hast einen Onkel." – „Einen Onkel?“ – „Ja. Bevor dein Großvater deine Großmutter kennen lernte, lebte er etwas mehr als ein Jahr mit einer Hazel Maddox zusammen. Etwa ein halbes Jahr später gebar sie einen Sohn. Ob dein Großvater nichts von ihm wusste, oder ihn nicht anerkannt hat, weiß ich nicht. Das wirklich interessante daran ist, dass wir schon mal mit ihm zu tun hatten. In Madigton Walls. Er stand damals in Verdacht mit den Outridern Geschäfte zu machen. Sein Name ist, “ Die folgenden Worte sprachen Saber und Colt gemeinsam aus. „William Maddox.“ Der Scharfschütze runzelte die Stirn. Verdammt, das alles passte nur zu gut ins Bild. „Und ich weiß“, ergänzte er dann. „Wer die Drecksarbeit für ihn erledigt. Jean Claude.“ Als ob dies als Überraschung noch nicht genug war, fuhr der Scharfschütze fort. „Er war heute in Verkleidung des Zimmerservice bei Chily.“ Der Recke wurde blass. „Er weiß, wo sie ist?“ fragte er ungläubig. „Sie muss da sofort weg“, erklärte April prompt. Das Telefon klingelt. Colt nahm das Gespräch an, als wäre er zu Hause. Offensichtlich hatte er es erwartet. Sein kurzes „Verstehe“ und das missmutige Gebrumm ließen eine neue Hiobsbotschaft vermuten. Als er auflegte, hingen die Augen seiner Freunde an ihm. Einzig seine Verlobte wusste, was diese finstere Miene bedeutete. „Chily ist weg“, stellte die Lehrerin fest. „Ja“, bestätigte ihr Zukünftiger düster. „Nach dem Besuch von Jean hat sie das Hotel verlassen und ist bis jetzt nicht auffindbar.“ Saber fühlte sich auf einmal kraftlos, als hätte man ihm die Lebensgeister entzogen. „Schätze, dein treudoofer Blick war dies mal nicht treu oder nicht doof genug“, bemerkte Fireball trocken. Der Blonde antwortete nicht. Er wusste nur, dass sie versprochen hatte, sich den Personenschutz stellen, die Bewachung hinzunehmen und sich nun doch nicht daran gehalten hatte. Wie sonst, wenn es eine Entscheidung zu treffen galt, schauten alle gespannt auf den Schotten, doch der rührte sich nicht. Wutschnaubend stapfte Colt an ihm vorbei in Richtung Tür. Der Rennfahrer vertrat ihm im letzten Moment den Weg. „Mach jetzt keinen Scheiß“, beschwor er ihn. „Lieber Scheiß, als gar nicht, “ knurrte der Kuhhirte zurück und wies auf die Salzsäule hinter sich, zu der Saber erstarrt war. „Der Typ muss ihr eine Heidenangst eingejagt haben, sonst wäre sie nicht weggelaufen und ich werde sie jetzt suchen, “ erklärte Colt und lieferte die Erläuterung für die Abwesenheit der Hebamme, die der Geschockte brauchte. Kein gebrochenes Versprechen, nur Angst. Verfluchtes Misstrauen. Vielen Dank dafür, Sincia. „Wo wurde sie denn gesucht?“ Überrascht, dass der Highlander die Sprache wieder hatte, drehten Colt und Fireball sich zu ihm. „In den Parks in der Nähe des Hotels. Aber da war sie nicht, “ entgegnete der Lockenkopf. „Und am Stadtrand? Vielleicht wollte sie ganz raus aus Yuma. Sie ist schließlich kein Großstadtmensch.“ Schon ratterte es wieder im Oberstübchen des Blonden. „ Ich sag, dass sie das prüfen“, meldete sich April eilig, froh, endlich was für die liebgewonnen Hebamme tun zu können. „Wir bleiben hier“, sagte Robin, „falls sie noch hier auftaucht.“ Die Jungs nickten und verließen die Wohnung. Im Stillen dachten Colt und Fireball, dass sie auf ihre Herzdamen sehr stolz sein konnten. Dann hieß es sich auf den Fall zu konzentrieren und die Lage mit Eagle zu besprechen.
 

Auf dem weißen, frisch bezogenen, noch gestärkten Laken eines Krankenhausbettes erwachte Patamon aus der endlos erscheinenden Finsternis. Nur langsam öffnete er die Lider, gewöhnten seine Augen sich an die Helligkeit und nahmen die scharfen Konturen der spartanischen Krankenhauseinrichtung wahr. Dämmernd, noch nicht ganz erwacht, fühlte er Schläuche in der Nase und Nadeln in den Armen. Obgleich er als Native aufgewachsen war, kannte er keine Furcht vor der Moderne. Dennoch erschrak er leicht vor dem Signalton eines Gerätes neben sich, welches er in seiner liegenden Position nicht sehen konnte. Ein Arzt und eine Schwester betraten eilends den Raum. „Wie fühlen Sie sich?“ Patamon brachte die Lippen nicht auseinander. Dick und pelzig fühlte sich sein Mund an. Vorsichtig wurde ihm von der Pflegerin Wasser eingeflößt. In der Uniform eines Starsheriffs trat ein Mann ein. Der Irokese kannte ihn nicht, wusste aber nun, dass Chily Recht behalten hatte. Dunkel, dumpf und bruchstückhaft erinnerte er sich der Ereignisse. Unterstützung zu erbitten hatte der erste Auftrag gelautet. Er war also erfolgreich ausgeführt. Der zweite Auftrag war ihm eingeprügelt worden und unbarmherzig, wie diese Handlung, war die Botschaft, die er überbringen sollte. Matt winkte er den Uniformierten zu sich. Der hatte auf das Erwachen des Irokesen-Kriegers warten und dann sofort die Ramrodcrew informieren sollen. Nun kam er näher und beugte sich zu dem Liegenden. Dem wollten die Worte noch immer nicht über die Lippen. Erneut flößte ihm die Schwester was zu trinken ein. Wieder öffnete Patamon den Mund. Kaum hörbar krächzte er: „Der Tod wird deine Erlösung sein, Willcox.“
 

Als Patamon erwacht war, hatte der Morgen gegraut. Saber, Colt und Fireball beratschlagten mit dem Commander, wie es nun weitergehen sollte, da die Jugendfreundin des Kuhhirten noch nicht wieder aufgetaucht und daher in den Händen der nun bekannten Feinde vermutet werden musste. Wenige Stunden später fand sich das Gebiet um Pennyrile in einer wüsten Schlacht wieder. Kaum war diese Meldung und auch Patamons Botschaft eingetroffen, düsten die drei so schnell sie konnten in die Gefahrenzone.
 

April brach in ihrer Wohnung in die Knie, hielt sich den Bauch, der sich langsam zu wölben begann. Ruhe sollte sie haben, hatte Chily angewiesen. Ruhe war nicht zu erwerben. Mit schmerzverzerrtem Gesicht fand Robin sie vor. Nur gut hatte die kleine Hebamme sie in allem unterwiesen, was es in einem solchen Fall zu tun galt. Robin zögerte nicht, sondern tat es. Sie half der Wimmernden auf das Sofa, lagerte deren Beine hoch und rief einen Arzt an. Der war mit Chily gut bekannt und hatte viele ihrer Fälle, die nach Yuma gezogen waren, übernommen. Die engagierte Geburtshelferin hatte sich stets nach dem Befinden ihrer Patientinnen erkundigt und umfangreiche Akten zu ihm gesandt. Meist war sie am Tag der Geburt noch dabei oder gleich darauf angereist. Diese ausgezeichnete Zusammenarbeit war der Grund, weshalb der Gynäkologe sofort einen Hausbesuch bei Miss Eagle unternahm um nach dem Rechten zu sehen. Einmal mehr konnte er die Umsichtigkeit der Hebamme nur bewundern. April und Robin waren genau über das informiert, was in diesem Stadium der Schwangerschaft zu erwarten war, welche Risiken es gab und wie sie sich dann zu verhalten hatten. Für den Notfall eines Hausbesuches war so gar ein Ultraschallgerät vorhanden. Robin hatte es bereits nach Chilys Anweisungen vorbereitet, so dass diese Untersuchung wie am Schnürchen klappte, als wäre die Hebamme persönlich zugegen. Der Arzt konnte die werdende Mutter beruhigen. Der Krampf, der sie durchfahren hatte, war ein Warnsignal mehr auf sich zu achten. Dem Wesen in ihrem Bauche gehe es gut. Allem Anschein nach erwarte April ein Mädchen, doch sicher konnte er es noch nicht sagen. Da die Navigatorin ihm erklärte, warum ihr so bald keine stressfreie Zeit vergönnt war, verordnete er ihr ein krampflösendes und nervenberuhigendes Mittel. Robin begleitete den Mann bis zur Tür und trat dann wieder ins Wohnzimmer. „Hat sie nicht gesagt, es würde ein Mädchen?“ fragte sie. April nickte. „Woher sie das nur wieder wusste?“
 

Später am Abend, als die beiden sich von diesem Schreck erholt hatten und zu Bett gehen wollten, schellte es noch einmal an der Wohnungstür. April richtete sich grade im Bad, so öffnete Robin verwundert, nachdem sie durch den Spion nichts hatte erkennen können. Im nächsten Moment schalt sie sich gedanklich naiv, dumm und unvorsichtig, als ihr der Lauf eines Blasters gegen die Stirn gedrückt wurde. Dass sich der Zutritt auch ohne ihr Zutun verschafft worden wäre, spielte für sie dabei keine Rolle. Mit kaltem Lächeln wurde ihr die Mündung fester gegen den Kopf gedrückt und hieß sie etwas zurücktreten. Der Mann mit den eiskalten Augen und dem maskenhaften, nicht wirklich existierendem Lächeln machte seinem Begleiter, einem Phantomschergen, Platz. Der positionierte sich vor der Badezimmertür, hinter der der Wasserhahn abgestellt wurde. Ahnungslos trat der weibliche Starsheriff vor ihren Gegner. April erfasste die Situation rasch. Robin stand in der Tür, wurde, wie sie selbst, mit einer Waffe bedroht. Auch, wenn sich kein komplettes Überfallkommando über ihre Wohnung verteilte, sondern nur ein Begleiter für die beiden Frauen, war es zu riskant sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen. Zu riskant für das Etwas unter ihrem Herzen. Sie mussten sich ergeben und darauf hoffen, von den Jungs befreit zu werden, oder eine Möglichkeit zur Flucht zu bekommen. Als sie Robin ansah, verstand diese sofort, was in April vorging. Leicht nickte sie ihr zu. Wortlos und stolz ließen sich die beiden Frauen von Jean Claude abführen. Ein Blick auf die Navigatorin erklärte ihm dieses Verhalten und einen weiteren Vorteil für sich.
 

Die Schlacht um Pennyrile wurde in dieser Nacht unterbrochen. Vorläufig war es dem KOK gelungen, die Outrider zu schwächen, in dem sie sie in ihre Dimension zurückschickten, wo sie sich erst wieder materialisieren mussten. Dass die Phantomwesen noch immer nicht endgültig geschlagen waren und erneute, wenn auch geschwächt, Angriffe auf das Neue Grenzland flogen, hatte die zur Sicherung des heute umkämpften Gebietes ausgesandten Starsheriffs doch gewundert. Alle hatten geglaubt und gehofft, der Friede sei endgültig. So hatte der Gegner ein Überraschungsmoment, den aber nicht gut genutzt. Die Irokesen hatten mit dem, für ihr Volk so charakteristischen, Wagemut gekämpft. Ohne Hilfe – und das zuzugeben war für sie keine Schande – hätten sie wohl den Tag schwerlich überlebt. So gab es nur Verletzte und keine Toten zu beklagen. Die Schäden an den Häusern und Feldern wogen schwer und doch lag in den Gesichtern Zuversicht und Mut.
 

Ramrods Crew war dabei, die Überwachungssensoren einzustellen, als sich der Communicator meldete. Gespannt richteten Colt und Fireball ihre Aufmerksamkeit auf den Monitor, während Saber die Verbindung annahm. „Hallo Colt, mein Lieber.“ Noch ehe das Bild aufflackerte, war klar, wer mit ihnen sprechen wollte. Diese herablassende Freundlichkeit war eindeutig Jean Claudes Art. Missmutig schürzte der Angesprochene die Lippen. „Wie geht es dir, Mooslöckchen?“ erwiderte er bissig den Gruß. „Ich bin zufrieden“, kam es zurück. „Wie man sieht, hast du noch immer nur große Worte. Aber die dazu passenden Taten fehlen. Da dachte ich, es sei an der Zeit, dir mal wieder einen Freundlichkeitsbesuch abzustatten.“ Zynisch-kalt lächelte er auf den Kuhhirten herab. „Freundlichkeitsbesuch.“ Angewidert verzog der das Gesicht. „So wie du Dooley einen Höflichkeitsbesucht abgestattet hast?“ hakte der Recke nach und klinkte sich in das Gespräch ein. Der Mord an Colts früherem Mentor war von solcher Grausamkeit, dass es nur zu dem Grünhaarigen passte. Das lag nun auf der Hand. Der hob die Schultern. „Hätte sein Herz halt nicht so auf der Zunge tragen dürfen. Der gute Dooley, “ war die Antwort, bei der Colt am liebsten durch den Bildschirm gesprungen wäre. Saber hielt ihn an den Schultern fest. „Aber, aber, “ ertönte es würdevoll von der anderen Seite der Verbindung. „So viel Aufregung um Dooley. Du wirst einen Herzinfarkt bekommen, wenn ich dir erst sage, dass es wichtigere gibt, als ihn. Wichtigere für dich,“ Er wies auf Fireball, der bisher recht ruhig in Mimik und Gestik, er hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt, war. „und für ihn“, ließ der Outrider-Kommandant die drei wissen „Tatsächlich?“ Es gelang dem Japaner einigermaßen unbeeindruckt die Brauen zu heben. „Oh ja.“ Damit verschwand das fies grinsende Gesicht vom Monitor. Dafür flackerten drei neue Bilder auf. April, Robin und Chily waren zu sehen. Sie saßen alle mit Augenbinden, zusammen gebundenen, angezogenen Füßen und auf den Rücken gefesselten Händen auf dem Steinboden einer dunklen Zelle. Diese Zellen mussten winzig, fenster- und lichtlos sein, denn die Mädchen reagierten auf die Helligkeit einer Lampe neben den Kameras schräg über ihnen und wandten die Köpfe instinktiv in diese Richtung. Der Bildschirm verdunkelte sich. Nur kurz hatten die Jungs sie so gesehen. Aber lange genug um geschockt zu sein. Fireballs Herzschlag hatte einen Moment lang ausgesetzt, als er seine Freundin so gesehen hatte. Sie trug offenkundiger etwas unter ihrem Herzen. Das leichte Bäuchlein war ihm aufgefallen. Aber, die Gefangenschaft, der gefesselte Zustand, die Dunkelheit, der harte Boden … womöglich war es kalt und sie stand Ängste aus … In ihrer momentanen Verfassung ganz sicher nicht gut für sie. Es bedeutete Stress … ein Risiko für das Kind. Ob es ein Junge wurde? Er wollte ihr vorschlagen ihn Race zu nennen. Vielleicht würde es auch eine Tochter. Dann würde sie vielleicht Rachel heißen, oder Charlotte. Auf jeden Fall würde jeder büßen, der dieses Kind in Gefahr brachte, wie diese Phantombirne. Beinahe stießen die Brauen des Rennfahrers zusammen und er funkelte den Boden vor seinen Schuhspitzen düster an. Die Fäuste hatte er nicht mehr in die Hüften gestemmt, er presste sie vor seinem Oberkörper so fest gegeneinander, dass die Knöchel weiß hervortraten. Dem Scharfschützen ging es kaum anders. Er presste seine Zähne so fest auf einander, dass der Unterkiefer zu schmerzen begann. Bevor er den Schwall unschöner Worte herauslassen konnte, war Jean Claude wieder zu sehen. „Die Bedingungen sind einfach. Mal wieder. Pennyrile wird an uns übertragen. Ihr verschwindet mit den Rothäuten und kriegt euer Weibervolk wieder. Bis morgen früh um sechs habt ihr hoffentlich zugestimmt, sonst Pech gehabt.“ Der Monitor verdunkelte sich endgültig. „Das hat er nicht umsonst getan.“ Colt wollte losstürmen, doch Saber hielt ihn und Fireball, der folgen wollte, an den Armen fest. „Ihr bleibt hier“, erklärte er nüchtern. Er hielt je ein Handgelenk seiner Freunde, die Arme hinter sich gestreckt, so dass sie nun nur seinen Rücken und glücklicherweise nicht sein Gesicht sehen konnten. Der Scharfschütze riss sich heftig los. „Du hast ja ein Rad ab“, fuhr er ihn an. Jetzt drehte sich der Blonde halb zu ihnen um. „Keineswegs. Ihr beide bleibt auf Ramrod …“ begann er, doch ehe er das begründen konnte, musste er der Faust des wütenden Kuhhirten ausweichen. Fireball fuhr dazwischen und hielt den Rasenden von einem weiteren Versuch ab. „Warum?“ fragte er den Recken und zwang sich selbst zur Ruhe. Sachlich bleiben war angebrachter, dass wusste er. „Er gibt uns bis sechs Uhr morgen Zeit. Das bedeutet, vorher kann er die Phantomeinheiten von heute nicht zurück erwarten. Ihr nehmt Ramrod und seht zu, dass ihr diese Versorgungslinie kappen könnt. Ich werde die Mädchen da rausholen. Claude erwartet das nämlich von euch beiden, nicht von mir, “ erläuterte der Schotte mit starrer, undurchschaubarer Miene. Der Rennfahrer nickte verstehend. Genau wie Colt wollte auch er sofort seine Freundin befreien. Doch er musste zugeben, dass er dem Grünhaarigen damit nur in die Hände spielte und sie nur noch mehr in Gefahr bringen würde. Saber war der Einzige, der in einer solchen Situation in der Lage war, Herz und Verstand zu trennen und damit für den Job besser geeignet. Die beiden Hitzköpfe verstanden es besser ihre Wut und Rachegelüste an dem Outrider-Nachschub auszulassen. Deshalb schob der Japaner den schnaubenden und knurrenden Scharfschützen nun in dessen Sattelmodul zurück. „Du hast den Boss gehört“, bemerkte er. „Auf geht es.“ Kaum hatte er den Kuhhirten losgelassen, fuhr der aus dem Sitz wieder hoch. „Dass du sie mir ja an einem Stück wiederbringst“, bellte er dem Säbelschwinger zu. Der nickte knapp. „Verlasst euch drauf“, versprach er und verließ die Brücke. Wenig später düste er mit Nova und Steed aus dem Schiff. Die beiden Hitzköpfe starten.
 

Als er das Material von Dooley gezeigt bekommen hatte, waren darunter auch Pläne über die verschiedenen Schächte gewesen. Seit in Betriebnahme der Minen war jeder noch so kleine Gang dokumentiert. Saber brauchte nicht lange, bis ihm klar wurde, dass der Unterschlupf der Schergen viel näher lag, als ihm lieb war. Es gab drei alte Bergarbeiterlager, Penny 1, Penny 2 und Penny 3, wobei Penny 1 am nächsten an dem Gebiet des Irokesen-Stammes lag und Penny 3 am weitesten weg. Die Robopferde ließ der Recke bei ersterem zurück und glitt mit dem Jetpack durch das Dickicht des nächtlichen Waldes auf das entfernteste Lager zu. Von Jean Claudes Blickpunkt aus, war es einfach perfekt, sich in diesem Quartier aufzuhalten. Er bewegte sich außerhalb der Langhäuser und war vor Entdeckung geschützt. Gleichzeitig war er nah genug an Colt und Chily dran um in ihre Häuser einzudringen, diese zu verwüsten, den Hund zu töten, Nachrichten zu hinterlassen oder Dooley im Auge zu haben um ihn zur rechten Zeit aus dem Weg zu räumen. Penny 3 war dabei die einzige Unterkunft, die über unterirdische Räumlichkeiten verfügte. Dort Licht und Kameras anzubringen und drei wehrlose Frauen einzusperren war also nicht so problematisch. Chily war nun in der Gewalt von Jean Claude. Daran durfte Saber jetzt nicht denken. Wie er vorgehen wollte, musste er überlegen, nicht darüber grübeln, ob sie wohl große Angst hatte. Verdammt, konzentrier dich. Er musste die drei schnell daraus holen. Schließlich wusste er nicht, wie es der werdenden Mutter in dieser Situation ging. Wahrscheinlich war, dass sie den Beistand ihrer Hebamme brauchte. Aber wie sollte er sich Zutritt verschaffen? Er näherte sich dem Zielort und schaltete das Licht an seinem Helm ab, damit es ihn nicht verraten konnte. Dann landete er und setzte den Weg zu Fuß fort. Chily kannte dieses Gebiet sicher wie ihre Westentasche und wusste einen Unterschlupf in dem die Frauen bleiben konnten bis Saber mit Nova und Steed zurück war. Etwas knackte hinter ihm. Er wandte sich um. Nichts. Er schritt weiter, sah noch über seine Schulter und wäre beinahe gegen einen Baum gelaufen. Noch rechtzeitig hatte er sich wieder umgedreht. Bloß gut waren die beiden Sprücheklopfer nicht hier. Reiß dich zusammen, Saber, mahnte er sich und trat an dem Baum vorbei. Die Gebäude des Bergarbeiterlagers zeichneten sich schwach im Dunkel ab. Es schien verlassen und vor allem unbewacht. Konnte das sein? Hatte der grünhaarige Outrider-Kommandant tatsächlich keine Posten hier? Rechnete er so fest damit, dass Colt mit Pauken und Trompeten hier einmarschieren würde und er ihn beim Ausmarsch stoppen konnte? Oder ging er davon aus, dass der Befreiungsversuch unterblieb um das Leben der Frauen, die sich ja nicht selbst retten konnten, nicht zu gefährden? Hatte Jean zu wenig Handlager um diesen Ort unbewacht zu lassen und verließ er sich so sehr auf seinen Bluff, dass er nicht auf Nummer sicher ging? Saber durfte sich von der Ruhe nicht täuschen lassen. Vorsichtig schlich er weiter, hielt sich im Schatten der Baracken. Laut den Plänen befand sich hinter denen das Hospital, welches über drei kleine Kellerräume verfügte. Dorthin schlich er nun und öffnete leise die Tür. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt worden. Das Zimmer war leer. Nur einige Balken, von Staub und Spinnweben überzogen, lagen in einer Ecke. Eine weitere Tür, halb aus den Angeln gehoben, lehnte an der Wand und führte in das Untergeschoss. Leise stieg er die Stufen hinab und schaltete das Licht an seinem Helm wieder ein. Einige Kabel führten an der Wand entlang. Eines ohne Staub, es war offensichtlich erst kürzlich verlegt worden und musste die Verbindung zu den Kameras in den Zellen sein. Kurz entschlossen trennte der Blonde es durch.
 

Chily hatte sich aus ihrer Ecke fortbewegt und saß, wenn ihr Orientierungssinn sie in dieser Dunkelheit nicht völlig im Stich ließ, neben der Tür und unter der Lichtquelle. Sie wollte nicht wieder geblendet werden und … Schritte von draußen. Sie horchte auf. Kam der Typ wieder? Der, der ihr erzählt hatte, dass es ihm Spaß gemacht hatte BooYeah zu töten? Sollte er nur kommen. Wenn es eine Chance gab, sich aus dieser Situation befreien, würde sie sie nutzen oder ihr Leben so teuer wie möglich verkaufen. Sie lehnte sich zurück, so dass sie sich mit ihren Händen am Boden abstützen und ihre Beine hochheben konnte. Es klappte. Sie setzte die Füße wieder ab. Da war etwas an der Tür. Die Klinke wurde hinunter gedrückt. Jemand trat ein. Stille. Aufmerksam lauschte sie in die Dunkelheit. Da war eine Bewegung. Eine Hand berührte tastend ihre Beine. Jetzt! Sie stützte sich ab und warf ihre Füße in die Luft, versuchte in die Richtung zu zielen aus der die Hand kam. Jemand wich aus und räusperte sich. „Jolene? Ich bin es, nicht treten.“ Sie erkannte die Stimmte. „Manapi?“ Seine Hand berührte sie leicht an der Schulter. „Ich hol euch hier raus“, versprach der Recke. Sie versuchte, so verschnürt wie sie war, zu ihm zu rutschen. „Wo warst du so lange?“ fragte sie, aber ihre Stimme klang erleichtert, nicht vorwurfsvoll. „Ich musste vorher noch zwei Starrköpfe zur Vernunft bringen“, entgegnete er, während er ihre Fesseln löste. „Das ist dir gelungen?“ hakte sie nach. „Klar, ich bin der Held, schon vergessen“, lächelte er leicht und nahm ihr die Augenbinde am. „Du bist mein Manapi.“ Sie fiel ihm um den Hals und schmiegte sich behaglich an ihn. „Und du bist hier.“ Er erwiderte ihre Umarmung kurz, dann besann er sich wieder auf seine Pflicht. „Wir müssen Robin und April finden“, erinnerte er sie. Auch sie mahnte sich. Das war der schlechteste Zeitpunkt für überschwängliche Begrüßungszeremonien. „Sie müssen gleich neben an sein. Ich hab da drüben was gehört.“ Damit versuchte sie aufzustehen. Saber half ihr. „Dann nichts wie los. Uns läuft die Zeit durch die Finger.“ – „Ich fürchte auch.“ Der Blonde zog sie auf den Gang und sah sich kurz um. Gleich neben dem Raum, aus dem er Chily geholt hatte, befand sich noch eine Tür. Vorsichtig öffnete er sie und sah sich um. Im Halbdunkel erkannte er Robin. „Du hast es gleich geschafft, Robin“, machte er sich sofort bemerkbar, bevor wieder nach ihm getreten werden konnte. Zu zweit befreiten sie sie. „Jetzt wird alles gut Number 1“, versicherte die Hebamme, als sie der die Augenbinde abnahm. Durchgefroren und doch ziemlich aufgeregt kam es von der Lehrerin. „Bitte sagt, dass das alles endlich vorbei ist.“ Chily nahm sie in die Arme und wiegte sie sanft tröstend. „Das schlimmste, Schatz, das schlimmste ist vorbei. Wir sind gleich in Sicherheit.“ Der Blonde war schon halb aus der Zelle draußen. Etwas an seinen Bewegungen verriet Colts Jugendfreundin, dass er beunruhigt war. Als sie der Verlobten des Scharfschützen auf die Beine half, warf sie dem Recken einen Blick zu, fragte stumm, was los sei. „Ich glaub, wir bekommen bald Besuch“, antwortete er darauf. „Lasst uns April suchen und dann endlich raus hier.“ Chily und Robin waren nun bei ihm. Sie wies auf eine Tür gegenüber „Da vielleicht?“ Dann wand sie sich an die Lehrerin. „Kannst du allein stehen, Süße?“ Tapfer lächelte diese. „Bin ja nicht aus Glas“, löste sich von der Hebamme und klopfte sich den Staub ab.
 

Mit einem kurzen Nicken fand sich Chily neben dem Schotten an der Tür wieder. „Mach schon auf“, drängte sie besorgt um den Gesundheitszustand der werdenden Mutter. „Drängel nicht so, hab es ja gleich, “ gab der zurück. Hatte aber Unrecht, das Schloss gab nicht nach. „Für sie ist das alles am schlimmsten“, informierte die Geburtshelferin und zog ihre Strickjacke aus. Sie war nicht wie Robin oder April in Schlafkleidung entführt worden, sondern hatte sich aus dem Hotel geschlichen und somit Zeit gehabt sich für wärmendere Kleidung gegen nächtliche Kühle zu entscheiden. „Fireball befördert mich unter die Erde, wenn April was passiert“, stellte der Recke fest und wand sich unsicher an die Kleine neben ihm. „Wie schlimm kann es sein, Chily?“ Die wog schnell ab. Es war kühl hier unten, aber nicht kalt. Auf die Dauer von vierundzwanzig Stunden fror man jedoch dennoch durch, was besonders für Schwangere zur Gefahr werden konnte. „Wir können Glück haben und sie ist noch im Abwehrstadium einer Unterkühlung. Ich muss zu ihr, wenn die Erschöpfung eintritt, verliert sie das Kind, “ entgegnete sie dann und wurde zur Seite geschoben. „Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Saber schoss das Schloss auf. Sofort stürmte Chily hinein und tastet April ab. Deren Haut war kalt, sie zittere, ihr Atem ging schnell und der Puls war beschleunigt. Also noch die erste Stufe der Unterkühlung. „Saber, wie kommen wir hier am schnellsten weg?“ – „Steed und Nova, aber die hab ich geparkt.“ Wieso eigentlich? Das Pro und Kontra darauf abzuwiegen ließ ihm die Hebamme keine Zeit. „Hol sie her. Am besten schon gestern. Robin hilf mir. Wir müssen sie wärmen.“ Die Angesprochene war gleich zur Stelle und tat, wie ihr geheißen. Nur der Recke blieb unschlüssig stehen. „Wir sollten zuerst zusehen, dass ihr hier rauskommt. Chily, du kennst die Umgebung hier doch gut. Wo könntet ihr drei euch verstecken, bis ich mit den Pferden wieder da bin?“ wand er ein. Die zögerte nur kurz. Er hatte Recht. Sie mussten hier weg. Wenn die Outrider zurückkämen, säßen sie in der Falle. April würde das Erschöpfungsstadium erreichen und durch die zunehmende Muskelstarre das Kind ganz sicher verlieren. Also antwortete die Hebamme. „Sie sollte jetzt noch nicht aufstehen. Du musst sie tragen.“ Dabei wickelte sie die wimmernde Patientin fester in ihre Strickjacke. „Es wird alles gut, April“, flüsterte der Schotte ihr zu, als er sie vorsichtig auf die Arme hob. „Wir bringen dich und das Kleine heil zu Fireball zurück, versprochen.“ Sie schien es kaum wahrzunehmen, schlug zitternd die Zähne aufeinander. Chily schob Saber aus dem Zimmer, griff nach Robins Hand und drängte ins Freie. „War da oben noch irgendwo ein Sanitätskasten?“ Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Hab keinen gesehen?“ Herzhaft fluchte die Kleine. „Scheiße“ und trieb die Freunde weiter. „Ich hab eine Idee, wohin wir können.“ Hinter ihr meldete die Lehrerin nüchtern. „In manchen Momenten kommen ziemlich viele Ähnlichkeiten zwischen dir und Colt auf.“ Doch sie drückt die Hand der Freundin fester. „Ich bin so froh, dich hier zu haben.“ Kurz wandte sich Chily zu ihr um und grinste ihr aufmunternd zu. „Erzähl mir nix. Colt wär dir lieber.“
 

Sie hasteten die Treppen hinauf und fanden sich gleich darauf auf dem nächtlich dunklen Hof des Lagers wieder. „Eine Erleuchtung wäre klasse“, bemerkte Chily. „Links am Helm,“ informierte Saber. Sie tastet aufgeregt danach, fand den Knopf nicht gleich und klopfte mit steigender Nervosität auf dem Helm herum. „Da ist noch ein Kopf drin“, erinnerte der Recke sie. Endlich fand sie den Schalter und es ward Licht. „Wohin jetzt?“ Saber war spürte, wie Aprils Zittern immer heftiger wurde. Das Wimmern wuchs zu Stöhnen an. Eile war geboten. Chily sah sich um, prüfte dabei den Pults der Navigatorin und entschied. „Da lang. Schnell.“ Sie rannte voraus, durchs Dickicht, suchte nach der Höhle in der sie und Colt schon genächtigt hatten, die mit dem bemoosten Boden. Das würde wärmer und weicher sein. „Schneller ist nur der New Santa Fe Express, Jolene“, kommentierte der Recke, hielt aber Schritt und achtete darauf, dass April keine Äste ins Gesicht bekam. „Robin, bist du noch da?“ rief die Führerin zurück. „Bei der nächsten Entführung zieh ich mir vorher anderes Schuhwerk an“, keuchte die. Sie hatten den Unterschlupf erreicht. „Weiber“, schimpfte die Hebamme kurz und wies dann sachlich an. „Hilf mir mit April. Nimm ihre Füße.“ Rasch und sanft hoben die beiden Frauen die werdenden Mutter aus den Armen des Blonden und betteten sie auf das Moos. Chily warf ihm noch einen kurzen Blick zu. „Wenn es geht, schau das du irgendwo noch eine Decke oder so was auftreibst.“ – „Gib mir fünf Minuten, und ich bin wieder bei euch.“ Damit verschwand er. „Mach schnell, Saber“, rief Robin ihm nach, sah aber schon kaum noch die Düsen des Jetpacks.
 

Dann richtete sich ihr besorgter Blick auf April. Hoffentlich ging das noch gut. „Bleib hier und reib sie warm. Ich bin auch gleich wieder zurück.“ Die Hebamme erhob sich. „Wo willst du hin?“ fragte die Lehrerin und begann, den Auftrag auszuführen. „Kräuter holen“, erwiderte sie. „Mach dir keine Sorgen“, fügte sie hinzu. Ihre Stimme klang, als gäbe es tatsächlich keinen Grund etwas Schlimmes zu befürchten, als sei das übelste bereits überstanden. Robin glaubte es ihr. Dass in der Hebamme beinahe Panik herrschte, spürte sie nicht und das war gut so. Eine unerfahrene Assistentin, die in Aufregung geriet, war keine Hilfe für Chily. Eilends durchstreifte diese nun den finsteren Wald und rief hastig ihre Erinnerungen ab. Es gab eine Stelle, an der ein süßschmeckendes Kraut wuchs. Zucker war nun wichtig für April. Und etwas Wärmendes. Als sie zurück war, massierte Robin noch immer behutsam Aprils Glieder. Chily fühlte nach dem Puls. „Ruhig atmen, April“, raunte sie ihr zu und biss die Blüten der Pflanze ab, die sie mitgebracht hatte. Dann kaute sie sie vor, öffnete die Lippen ihrer Patientin und flößte ihr den Brei ein. „Ich weiß, es ist eklig, aber runter damit.“ Ein leichter Handgriff löste den Schluckreflex aus. Erstaunt hielt Robin inne und beobachtete, wie Chily über den Bauch der Navigatorin strich und diese sich entspannte. Die psychische Erregung, unter der April litt, ging zurück. Chily war da, strahlte Ruhe aus und wusste, was zu tun war, also würde alles gut. Dann kehrte auch Saber zurück und half der werdenden Mutter auf Novas Rücken. Die Hebamme wich nicht von deren Seite. Der Recke setzte das Frauentrio am Krankenhaus ab. Er wollte noch etwas sagen, aber Chily schüttelte den Kopf. „Mach dir keine Sorgen. Hilf Colt und Fireball. Wir kommen zurecht.“
 

Die beiden ahnten überhaupt nichts von den Vorfällen. Dass Saber grad nicht an Board war, nutzte Colt um seine Aufruhr durch Sprüche abzubauen. Das war für ihn die wirkungsvollste Methode und brachte ihn stets auf bessere Gedanke. Mit niemandem ließ sich das besser machen, als mit Fireball. Die Wortgefechte mit ihm, liebte der Cowboy schlichtweg. „Sag mal hast du neuerdings eigentlich Sonderrechte?“ begann er deshalb. „Sonderrechte in Bezug auf was?“ fragte der Rennfahrer zurück. „In Bezug darauf, dem Superschwert eine vor den Latz zu knallen. Du darfst das und mich hältst du davon ab, “ erläuterte der Kuhhirte. Sein kleiner Hombre tat unschuldig. „Tu ich doch gar nicht!“ Der Lockenkopf bedachte ihn mit einem Blick, der verriet, dass er kein Wort glaubte. „Du wolltest ihn nur umbringen.“ – „Nein, das hätte anders ausgesehen“, grinste der Pilot. „Ich wollt ihm nur den Verstand einprügeln.“ Colt verzog amüsiert den Mund. „Und du meinst das kannst du besser als ich?“ Überzeugt nickte der Gefragte. „Du bist immer noch eine degenerierte Großstadtschnauze“, fiel dem Scharfschützen auf. „Besser als ein abgehalfterter Viehhirte ist das allemal“, seufzte der. „Ehrlich Partner, ich würd dem Säbelschwinger in der Beziehung vertrauen.“ Erstaunt hob der jetzt die Brauen. Fireballs Zweifel an dem Recken war noch gar nicht so lange her. „Ach ja. Jetzt doch wieder?“ Unwirsch kam es zurück. „Lass mich halt auch mal einen Ticken reifer werden. Kann ja nicht immer jugendliche achtzehn bleiben.“ – „Stimmt, Daddy.“ – „ Okay, jetzt fühl ich mich steinalt, danke.“ Der Rennfahrer rollte die Augen. „Avec plaisir“, grinste Colt schief. „Ich kann es kaum erwarten, bis diese Mission endlich ein Ende hat“, verkündete der Japaner nach kurzer Stille. „Ich hab das hier auch nicht gewollt“, gab Colt zu. „Aber eins würde mich doch interessieren. Warum hast du dem Oberhelden nicht widersprochen?“ Einsicht war schließlich nicht ihrer beider Stärke. „Vielleicht weil er Recht hat?“ Ein bisschen verständnislos blinzelte der Gefragte zum Scharfschützen rüber. „Ich für meinen Teil wär nicht grade leise in das Versteck der Outrider eingefallen. Wohl eher mit einem Messer zwischen den Zähnen. Und du auch.“ Das stritt der Kuhhirte nicht ab. Die Frage hatte für ihn im Wesentlichen nur einen Sinn gehabt: Wie groß oder klein der Ticken war, um den der werdende Vater gereift war. Colt war zufrieden, jetzt konnte er sticheln. „So wie er an meiner Chily-Schote zu hängen scheint, glaub ich nicht, dass er so sachlich wie sonst daran geht, “ begann er unverfänglich. „Der edle Recke hat sich und seine Emotionen wesentlich besser unter Kontrolle als du oder ich, das ist Mal klar, “ antwortete der Pilot. „Das glaubst du doch wohl selber nicht. Ich wette, ich kann es dir sogar beweisen.“ Dabei musterte er seinen Gesprächspartner aus dem Augenwinkel. „Das will ich sehen. Den Beweis darfst du gerne antreten.“ – „Als er und Chily Patamon gefunden haben, wo war das?“ Der Rennfahrer runzelte die Stirn. „In der Nähe der Scheune?“ Worauf wollte Colt hinaus? „Dann ist der Säbelschwinger doch zu dir gekommen. Sani-Kasten holen, Krankenhaus anrufen. Wie sah er denn da aus? Was hatte er an?“ fuhr der mit seinem Verhör fort. „Auch nicht recht viel anders als sonst. Blaue Hose, weißes Hemd. Keine Jacke allerdings.“ Grüblerisch zerzauste er sich dabei seinen Wuschelkopf nur noch mehr. Trotzdem, Fireball kam nicht darauf, wo der Kuhhirte mit ihm hinwollte. So genau hatte er sich Saber an dem Tag auch nicht an gesehen. Warum auch? „Keine Jacke, he. Und das Hemd? War das zugeknöpft?“ In Colts Gesicht begann sich ein vielsagendes Grinsen abzuzeichnen. „Woher soll ich das wissen? Geht mich ja nix an, was der gute Säbelschwinger in seiner Freizeit so treibt, “ kam es mürrisch zurück, dann hielt der Japaner inne und überdachte seine eigenen Worte. Es dämmerte ihm. „Du meinst...?“ – „Ja, ich meine. Denkst du jetzt immer noch, dass er sich und seine Emotionen wesentlich besser unter Kontrolle hat, als wir, “ erklärte Colt mit dreister werdendem Grinsen. „Zugegeben, das ist mir bisher nicht in den Sinn gekommen. Aber: Säbelschwinger ist der Held, der wird schon keinen Quatsch machen, sonst hätt er sich längst gemeldet, “ zerstreute Fireball das Gesagte.
 

„Wie bist du denn drauf. Das ist dir nicht in den Sinn gekommen? Bist du sicher, dass du April den Bauch dick gemacht hast? Vielleicht war es ja doch ein anderer?“ Die Naivität zu der der Kleine neigen konnte, war doch immer wieder ein Highlight. „Sonst noch Beschwerden im Oberstübchen, oder war das alles?!“ Beinahe konnte Colt im Kreis lachen. „Na hör mal Kleiner, dass ist ja wohl nicht verwunderlich, das ich da Zweifel bekommen, wenn du dir nicht mal denken kannst, was zwischen Mann und Frau so alles laufen kann, “ konterte er munter und freute sich diebisch, dass der Japaner rote Ohren bekam. „Stell dir vor, das weiß ich sogar, “ schnappte der zurück. Prompt stichelte der Kuhhirte. „Kannst du es auch anwenden?“ Das trieb dem erst recht die Schamesröte ins Gesicht. „Was geht dich das jetzt an? Außerdem: Mann und Frau können auch Freunde sein.“ Jetzt lachte Colt laut heraus. „Also doch ein Kuckuckskind.“ – „Wenn du dich noch ein paar Wochen geduldest, kannst du das Gegenteil bestaunen“, parierte Fireball sofort. „Geduld war noch nie meine Stärke“, gestand der Scharfschütze noch immer glucksend. „Spekulier von mir aus was du willst. Du wirst schon sehen, was du davon hast, Kumpel.“ Langsam fand der Hombre das nicht mehr ganz so lustig. „Na das mach ich doch glatt. Ich spekulier mal munter drauf los, dass das Kind von Saber ist, “ krähte der Cowboy heiter. „Wieso nicht gleich von dir? Hast deine Griffel schließlich überall, wie ein Oktopus, “ versetzte der Rennfahrer weiter errötend. „Nein, ich bin ein glücklicher Mann, aber du hast ja selbst festgestellt, dass der Säbelschwinger der einsame Wolf ist. Hat er sich halt seine Beute im falschen Revier geschnappt. Soll vorkommen.“ Lachend schlug sich Colt auf die Schenkel. Es war doch zu herrlich, wie er seinen Freund aufziehen konnte. „Du erwartest doch nicht ernsthaft, dass ich dir das abkaufe?“ Eine wirklich fiese Vorstellung, dass seine April nicht treu war. „Gott, du bist echt grausam, weißt du das?“ – „Nur eine kleine Retourkutsche, Matchbox. Jetzt weißt du, wie ich mich gefühlt hab, als du mich mit Chily aufgezogen hast, “ erklärte der Gefragte munter. Tatsächlich verdunkelte sich die Farbe in dem Gesicht des Piloten noch ein wenig. „Wart nur, bis das alles hier vorbei ist“, warnte der. „Dann wird es dich treffen, aus heiterem Himmel, ohne Vorwarnung. Armleuchter.“ Aber diese Drohung löste nur ein noch lauteres Lachen aus. „Was willst du tun? Dich mit ihr ins Heu verkrümeln? Ich weiß nicht, wer dich dann zu erst killt. Deine April, oder der zu Leben erwachte Boss?“ Jetzt reichte es dem Gepisaktem und er drehte den Spieß kurzerhand um. „Ich dachte eher an Robin als an Chily.“ Colt blieb das Lachen im Halse stecken. „Wohl lebensmüde, was?“ Zufrieden mit dieser Reaktion grinste der Japaner fies. „Ach, ich denke, sie wird mir sehr dankbar sein.“ – „Für die Lachnummer?“ – „Warte, bis sie dir von ihrer Schwangerschaft erzählt“, kam es trocken von dem Zauskopf. Jetzt fiel der Lockige fast aus dem Sitz. „Schwanger? Von so einem Fiasko weiß ich ja gar nichts.“ Das war ja ein ganz übler Scherz. „Naja, “ quälte Fireball weiter, „während deiner Abwesenheit hat sich einiges getan, Viehtreiber.“ Der Kuhhirte sah ihn mit sehr vielen Fragezeichen im Gesicht an. Wollte er sich wirklich vorstellen, dass das wahr war? „Nana, armer, kleiner Viehtreiber. Hättest nicht gedacht, dass du ersetzbar bist, was?“ neckte der Rennfahrer weiter. Das klappte ja noch besser, als er gedacht hatte. Fassungslos wollte Colt wissen. „Ersetzbar? Wer wollte mich denn bitte ersetzen?“ – „Nicht wollte. Du musst fragen, wer dich ersetzt hat, “ stellte der kleine Hombre richtig. Tatsächlich tappte der Cowboy in die Falle. „Wer?“ Fireball konnte sich nur mühsam das Lachen verkneifen, aber den Schlag musste er dem Kameraden einfach rein würgen. „Ach“, meinte er einigermaßen unschuldig. „Du kennst ihn.“ Ungehalten rief der Scharfschütze. „WER?“ – „Der einsame Wolf. Immerhin ist er der Beschützer der Schwachen und im Stich gelassenen.“ Colts Reaktion übertraf noch die kühnsten Erwartungen des Piloten. Er riss die Augen auf, bekam den Mund nicht mehr zu und gab etwas von sich, das wie „Urgs“ klang. Fireball brüllte vor Lachen. „Zu herrlich einfach“, jubelte er. „Ich hätt es für die Nachwelt festhalten sollen.“ Warum war nie ein Fotoapparat da, wenn man einen brauchte?
 

Dem Geschockten fiel wieder ein, dass er atme sollte. „Meine Chily UND meine Robin?“ murmelte er perplex. Ein paar Atemzüge weiter begriff er, dass er gewaltig veralbert worden war. „Fireball, du Luftpumpe, “ knurrte er. „Ich kann nix dafür, dass du auf dem Schlauch stehst, “ lachte der. „Du wärst ja froh, wenn dein Schlauch so lang wär, “ konterte der Kuhhirte. „Dann wär ich genauso ein Rindvieh wie du. Also, nein danke, “ lehnte der Japaner heiter ab. „Auf die Evutionsstufe kommst du eh nie, “ garantierte Colt, meinte allerdings die Evolutionsstufe. „Solche Rückschritte will ich auch nicht machen.“ Mit dem Ergebnis seiner Neckerei war der werdende Vater mehr als zufrieden. „Schalt lieber ein Gang runter, bevor jemand zu einem Tritt an setzt. Dann bleibt euer Spross nämlich ein Einzelkind, “ drohte der Reingefallene nun und irritierte den Freund wieder. „Wer sagt, dass es mehr werden sollten?“ Colts Mundwinkel verzogen sich belustigt. „April vielleicht? Aber wenn du nicht willst, ich übernehm den Job auch gern.“ Wie schnell sich das Blatt doch wenden konnte. „Jetzt mach aber mal halblang. An April legst du deine Grabscherchen ganz bestimmt nicht, solange ich ein Wörtchen mitzureden hab, “ erklärte Fireball kategorisch. In dem Schlagabtausch hatten die beiden nicht bemerkt, dass Saber sie wieder erreicht und sich in den Funkkanal eingeschaltet hatte. Jetzt meldete der sich zu Wort. „Wollt ihr Munition sparen und den Feind zu Tode quatschen?“ – „Tu mir den Gefallen und bring Klebeband mit an Board, Boss, “ bat der Pilot. „Ja, Boss, bring mit. Der Kleine wird unverschämt, “ verlangte auch der Scharfschütze. „Ich tret dich da gleich raus, “ schnappte der augenblicklich. „Aber ohne Schutzanzug!“ Der Recke räusperte sich. „Werd ich mal rein gelassen?“ fragte er. „Oh, ich dachte, dass hätte ich schon.“ Schnell wurde die Rampe geöffnet. „Weil der Komiker mich immer aus dem Konzept bringt.“ Der Blonde kam an Board und nahm schnell in seinem Sattelmodul Platz. „Ja, wie immer sagt der eine Hase zu dem andern: Hast du aber lange Ohren.“ Die beiden mussten sich einfach ständig aufziehen. „Hast du meinen beiden Schönen sicher zuhause abgesetzt?“ wollte Colt wissen. „Sie sind in Sicherheit“, informierte Saber. Es war eine recht diplomatische Antwort, die zumindest auf Robin und Chily zutraf. Über Aprils kritische Situation wollte der Recke lieber noch nichts sagen, um Fireball nicht zu beunruhigen. „Siehst du, Colt. Ich hab dir doch gesagt, auf ihn ist noch immer Verlass, “ ließ der sich vernehmen. „Hast du einmal halt einen Glückstreffer gelandet.“ Der Angesprochene hob die Schultern. „Haha. Wenn Saber sagt, sie sind in Sicherheit, muss ich mir auch keine Sorgen um April und das Baby machen. Nicht wahr, Boss?“ Der Rennfahrer drehte sich zu dem Schotten um, der innerlich auf das Schicksal fluchte. Kurz und schweigend erwiderte er den Blick, sah dann aber auf die Sensoranzeige. „Nein, du musst dir keine Sorgen um April machen, Fire.“ Das war nicht mal gelogen. April war, begleitet von Robin und der Hebamme, im Krankenhaus und damit dort, wo sie im Moment am besten aufgehoben war. Allerdings hatte seine Antwort etwas zu lange gedauert und den Freund der Blondine stutzig werden lassen. „Ähm, bist du sicher?“ – „Ja, keine Angst“, versicherte er hastig. Sogar Colt wunderte sich nun. „Boss, wenn ich es nicht besser wüsste, würd ich sagen, du lügst uns an“, bemerkte er. Ein kurzer Blick des Recken von dem Scharfschützen zum Rennfahrer und wieder zurück genügte, das der begriff, dass leider nicht alles in Ordnung war, aber Fireball nicht aufgeregt werden sollte. „Aber du weißt es besser“, entgegnete der Blonde. „Klar. Bin ja nicht auf den Kopf gefallen, bin ich ja nicht, “ nickte Colt. „Lasst uns zu Ende bringen, was die Outrider und Jean-Claude angefangen haben. Dann sind wir eher wieder bei unseren Frauen,“ schlug Saber vor um das Thema rasch auf die Aufgabe zu lenken, bevor unangenehme Fragen kommen konnten
 

„Ich wart nur noch auf deinen Befehl, Boss,“ sagte Fireball. Der Schotte prüfte die Daten. „Noch warten. Ich hab sie auf den Tastern, aber sie haben noch nicht zum Dimensionssprung angesetzt.“ Leidig verzog der Japaner das Gesicht. „Dann muss ich mir sein Gerede noch länger anhören? Das ist Folter. Unmenschliche Arbeitsbedingungen sind das, “ klagte er. „Das tut mir leid für dich, “ gab Saber zurück. „Mir nicht, “ krähte Colt. „Der wollte mir doch glatt weiß machen, dass du meine Zukünftige vernascht hättest, Boss.“ – „Wer sagt denn, dass ich es nicht getan hätte?“ flachste der Angesprochene um ja nicht wieder auf das vorhergehende Gespräch zu kommen. Dem Kuhhirten entglitten glatt die Gesichtszüge. Wieder riss er die Augen auf, konnte den Mund nicht schließen und weiteratmen. Nur der Laut, den er von sich gab, klang mehr nach einem „Iks“. „Jetzt weiß wenigstens Saber, wovon ich rede, wenn ich jemanden deinen Gesichtsausdruck schilder“, lachte Fireball und zwinkerte dem Recken zu. „Das ist göttlich anzusehen, nicht wahr?“ Der nickte schmunzelnd. „Ja, fast so gut wie meine Zeit mit Robin.“ Tatsächlich öffnete sich Colts Mund noch ein wenig. Er kippte leicht über den Rand Sattelmoduls, schnappte kurz nach Luft und ließ ein „Hijs“ hören. „Wollen wir ihn jetzt noch wissen lassen, wie unsere Zeit mit Chily war?“ fragte der Pilot und die Schadenfreude stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Klar, dass wird er nicht überleben und wir haben noch eine sehr lange, gemeinsame Zukunft vor uns, “ schlug sich Saber endgültig auf dessen Seite. Die beiden Spottdrosseln bedauerten jedoch ernsthaft, keine Kamera dabei zu haben, denn jetzt plumpste der Cowboy auf den Boden neben seinem Sitz. „Jirks“, dass war alles, was von ihm kam. „Hm. Könnte das ein Problem werden, Boss?“ wollte der Japaner wissen und wies auf den Scharfschützen. Der Gefragte wiegte grüblerisch den Kopf. „Wenn wir ihn gemeinsam wieder in seine Satteleinheit wuchten und ihn anschnallen, nicht. Ansonsten könnte er im Falle eines Gefechts ein ziemlich schweres Wurfgeschoss darstellen.“ Er erhob sich und ging zu dem Liegenden. „Setzen wir ihn lieber rein. Ich häng an meinem Genick.“ Auch der Zauskopf stand auf. „Da hast du Recht“, stimmte er zu. „Wiegen tut er ja so einiges. Wo kriegen wir jetzt einen Kran her?“ Ungläubig schüttelte der Blonde den Kopf. „Der hat doch nicht schon wieder zugelegt, oder etwa doch?“ Er musterte Colt. „Robin füttert ihn zu gut und trainieren tut er viel zu wenig. Soviel Hüftgold, “ stellte er trocken fest. „Ja, das Faultier treibt nicht mal Matratzensport. Labert nur drüber, “ tadelte auch Fireball. Endlich brachte Colt den Mund zu. Aber nur kurz, dann ließ sich ein Gegenkonter vernehmen. „Wenigstens weiß ich, wie es gemacht wird. Nicht wie du, Spätzünder!“ Bevor irgendwer noch antworten konnte, hupte der Taster aus Sabers Satteleinheit. Sofort waren sie alle wieder dort, wo sie hingehörten. Aus Spaß wird Ernst und Ernst lernt irgendwann laufen. In dem Fall: Angreifen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Turbofreak
2009-09-02T21:33:18+00:00 02.09.2009 23:33
Was macht man, wenn man von der Sister nichts hört? Genau, man sucht nach Abwechslung und liest...

Wie ich gesehen hab, hab ich das Kapitel schon einmal kommentiert, aber hey, was soll ich sagen. Es liest sich immer noch 1A. Die drei Männer sind schon so eine Kategorie für sich. Ich mag sie, jeder, wie er ist ^^

*knuddel*
Morgen wird der Rest fertig gelesen
Von:  Turbofreak
2008-08-26T21:55:48+00:00 26.08.2008 23:55
Hi, Süße!

Das ist eins meiner Lieblingskapitel und rate mal wieso... ich amüsier mich jedes Mal wieder köstlich, wenn Fire seine kindlich naive Art auspackt. Das ist einfach zu köstlich. das ist, um Colt zu zitieren "immer wieder ein Highlight"... ansonsten einfach nur supertoll, alles fügt sich schön zusammen...

Und um wie vieles du seit der ersten Story besser geworden bist, weißt du... das hab ich dir persönlich schon gesagt...

Knuddels
Niki


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