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Twilight in the Shadow

von

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Erstes Buch Kains

Erstes Buch Kains
 

Ich saß in einer Ecke der Schenke und beobachtete das kommen und gehen der Vampire. Vor mir stand ein Becher mit Blut, den ich bestellt, aber ganz sicher nicht trinken würde.

Eigentlich hatte ich bisher menschliche, wie auch vampirische Ansiedelungen gemieden. Je weniger ich mich zeigte, um so geringer war die Chance erkannt zu werden.

Aber nachdem wir in einem kleinen Dorf halt gemacht hatten, schwanden meine Befürchtungen schnell, denn ich bezweifelte, dass diese degenerierte Abkömmlinge von Vampiren wussten wer Raziel war.

Nach diesem ersten Ausflug zu meinem Volk hatte ich beschlossen, die Zivilisation aus einem anderen Grund zu meiden, nämlich aus dem, dass sie mir einfach zu wieder war.

Die meisten Dörfer bestanden aus Vampiren, die früher einmal menschlich gewesen wahren. Ich konnte kaum noch reinrassige Vampire spüren und die wenigen die es gab, verhielten sich nicht viel anders, als ihre fast viehischen Verwandten.

Reag hatte recht gehabt, als er behauptete Turel ließe das Land verkommen und ich fragte mich nicht zum ersten mal, warum Kain das geschehen ließ, oder auf was er wartete. Sein Handeln musste einen Grund haben, auch wenn ich es nicht verstand. Kain machte keine Fehler.

Ich warf einem Vampir einen drohenden Blick zu, als dieser Anstalten machte sich an meinen Tisch zu setzten und er verzog sich wieder. Hoffentlich war der Hufschmied bald fertig. Ich währe hier nie eingekehrt, wenn Midnight nicht ein Eisen verloren hätte.

Aber schließlich wurde mir die Luft in dieser Spelunke zu dick. Ich warf dem Wirt im hinaus gehen eine Münze zu und verließ das Haus. Auf der Straße angekommen zog ich meine Kapuze noch tiefer ins Gesicht und machte mich auf den Weg Richtung Schmiede.

Baufällige Häuser, Strassen voller Dreck und fast an jeder Ecke eine Vampirin, die mir aufreizend zulächelte. Ich beschleunigte meine Schritte und fragte mich zu welchem Clan dieses Dorf wohl gehörte, dass es so verkommen war.

Ich bog um eine weitere Ecke und stand vor der Schmiede, aus der laute Flüche an mein Ohr drangen. Midnight hatte also nicht nur eine Abneigung gegen Menschen.

Zufrieden betrat ich den Vorbau des Hauses und gelangte über eine Tür in den Hinterhof, wo Midnight gerade damit beschäftigt war den Schmied auf Abstand zu halten, der ein rotglühendes Hufeisen in der Hand hielt. Also immer noch nicht fertig.

Als ich die verrotteten Stufen hinabstieg und der Schmied das bärsten der Stufen hörte drehte er sich um und sein Gesicht erhellte sich etwas.

„Gott sei Dank ihr seid hier. Ihr habt da eine Bestie als Pferd. Ich konnte nicht mal ... .“ Weiter kam er nicht, den ich nahm ihm im vorbei gehen die Zange und den Hammer aus der Hand und ging weiter auf Midnight zu. Dieser kam mir mit einem erfreuten Schnauben entgegen. Ich sprach kurz mit ihm, hob dann seinen Huf hoch und innerhalb weniger Minuten war die Arbeit getan.

Zufrieden drehte ich mich zu dem verblüfften Vampir um und reichte ihm sein Werkzeug zurück. Dieser nahm es immer noch staunend entgegen und verstaute es an seinem Gürtel.

„Wie habt ihr es nur geschafft, diesen Teufel zu zähmen?“ Seine Frage übergehend stellte ich ihm eine.

„Zu welchem Clan gehört dieses Dorf?“ Der Schmied starrte mich irritiert an.

„Zu welchem Clan?“

„Ja,“ entgegnete ich gereizt. „Der Clan dem dieses Dorf untersteht, welcher ist es?“

„Gar keiner Herr.“ Was?

„Ihr untersteht keinem Clan?“ Wie war das möglich? Früher musste sich jedes Dorf das gegründet wurde einem Clan anschließen, diesem hatte es Steuern zu zahlen und im Gegenzug beschützte der Clan das Dorf.

Der Schmied zuckte mit den Schultern. „Seit der Krieg gegen die Menschen zu Ende ist, kümmern sich die Statthalter nicht mehr um ihre Gebiete. Und so schließen sich die Städte auch keinem Clan mehr an, Herr. Der einzigste Clan, der sich noch um seine Länderrein kümmert ist der von Raziel. Aber dieser Clan ist dem Untergang geweiht, da sein Statthalter ein Verräter ist und so will kaum noch ein Vampir unter seiner Herrschaft leben.“ Er zuckte mit den Schultern, als würde ihn das alles nichts angehen. „Das macht dann fünf Goldstücke.“

Ich hielt in meiner Bewegung inne und drehte mich wieder zu ihm um. „Für was?“

Er sah mich an, als hätte ich eben eine dumme Frage gestellt. „Dafür das ich euer Pferd beschlagen habe.“ Ich hatte mich eben verhört.

„Dafür, das ihr mein Pferd beschlagen habt?“ Er nickte. „Erstens habe ich mein Pferd ja wohl selber beschlagen und zweitens werdet ihr nicht ein Goldstück von mir sehen.“ Ich schwang mich auf Midnights Rücken und wollte aus dem offenen Gatter der Schmiede reiten, als von draußen wildes Geschrei zu uns herein drang und ich Midnight noch mal zügelte.

„Was bedeutet das?“ Ich drehte mich im Sattel um, aber der Schmied starrte mich nur böse an.

„Warum sollte ich euch das sagen?“ Die Frage brauchte ich nicht zu beantworten, denn Midnight der diese Kerl wohl genauso wenig leiden konnte wie ich, bäumte sich auf und schlug mit seinen Hufen nach ihm. Der Schmied wich völlig verängstigt hinter einen Kistenstapel zurück und starrte mein Pferd böse an.

„Das sind herumstreichend Vampire. Sie plündern die Dörfer in der Umgebung aus und töten jeden der sich ihnen wiedersetzt. Geht nur zu ihnen, ihre Manieren habt ihr ja schon.“ Hätte ich es nicht so eilig, diese stinkende Nest zu verlassen, würde ich ihn für diese Behauptung umbringen, so aber ließ ich ihn am Leben. Warum mich mit seinem Blut beschmutzen?

Ich parierte Midnight durch und verließ die Schmiede auf die einzigste Strasse, in der sich jetzt gut zehn Pferde mit ihren Reitern aufhielten. Was kümmerten mich die Probleme dieses Dorfes? Ihre Bewohner wahren es nicht wert, dass man sie rettete und so lenkte ich Midnight zum Ausgang.

Allerdings kam ich nicht besonders weit, denn drei der fremden Reiter versperrten mir den Weg. Und einer, der in einen verrosteten Brustpanzer gekleidet war sprach mich an.

„Wohin des Weges Fremder?“ Ich hob den Kopf und schaute ihn unter meiner Kapuze heraus an, gab ihm jedoch keine Antwort.

„Ich habe dich etwas gefragt!“

„Und ich werde dir keine Antwort auf deine Frage geben. Allerdings biete ich dir die Chance dein wertloses Dasein zu retten. Gib den Weg frei!“ Forderte ich.

Der Vampir sah mich erst verärgert an, dann aber brach er in schallendes Gelächter aus. „Fremder, ich glaube du weißt nicht mit wem du es zu tun hast.“

„Mit Abschaum!“ Das Lachen machte schlagartig einem wütenden Gesicht platz.

„Du Sohn eines räudigen Hundes, ich werde ... .“ Mein Schwert glitt geräuschlos in die Scheide zurück und ich lenkte Midnight an dem Pferd des Wortführers vorbei, von dem nur noch der Torso aus seinem Pferd saß. Unbehelligt erreichte ich den Ausgang des Dorfes und ließ es hinter mir, mit der Gewissheit, dass es das letzte gewesen war.
 

Je weiter ich nach Norden kam, umso mehr Dörfern musste ich ausweichen. Jedoch nahm nicht nur die Größe sondern auch die Beschaffenheit zu und bald wahren es keine Dörfer sondern richtige Städte, denen ich auswich.

Manche Städte kannte ich, mittlerweile jedoch nur noch vom Namen. Große Trotzburgen, umgeben von einer Stadt, die wiederum von einer Mauer umschlossen wurde. Große Städte, in denen Vampire lebten. Und doch wehte über keiner die Fahne eines Statthalters und ich wendete ihr wieder den Rücken zu.

Das glorreiche Reich der Vampire war zu einem stümperhaft zusammengewürfelten Haufen von kleinen Provinzen zusammengefallen, in denen die herrschten, die das meiste Vermögen besaßen. Wir waren nur mehr Zerrbilder, der siegreichen Rasse von Früher und allmählich begann ich mich zu fragen, ob ich überhaupt zurück kehren wollte.

Fragte mich, ob ich überhaupt noch in diese Zeit passte. Das Wetter war auch von Tag zu Tag schlechter geworden, allerdings hatte es schon seit Wochen nicht mehr geregnet und nur dunkle schwere Wolken zogen über Nosgoths Himmel.

Von Midnights freudigem Galopp war nichts zurück geblieben. Auch er schien die schwere zu spüren, die sich in mir breit machte. Und so schleppten wir uns immer weiter Richtung Norden, bis wir schließlich eine weitere Steige erklommen hatten und ich zwischen den ersten Ausläufern des Gebirges, das Dorf Uschtenheim erkennen konnte.

Ein kleines, unbedeutendes Dorf, dass sich zwischen die Felsen schmiegte und einer der wenigen Durchgänge zu den Bergen wahren, in denen sich das Herzstück unseres Reiches befand. Ich stieg von Midnight ab und gönnte ihm eine Pause, in der ich mir das Dorf näher betrachtete.

Um zu Kain zu kommen, musste ich in das Gebirge, was hieß, dass ich eine der Städte, die an den wenigen Eingängen gebaut worden wahren passieren musste. Um so erfreuter war ich, als ich ausgerechnet über Uschtenheim mein Wappen im Wind flattern sah. Ich griff nach Midnights zügeln und überquerte die enge Ebene.

Bis wir schließlich am Anfang der kurzen Schlucht hielten, die zum Eingang von Uschtenheim führte. Ich zog meinen Mantel enger und die Kapuze weiter ins Gesicht und betrat mit Midnight die Schlucht, folgte ihren Windungen, bis ich vor dem ersten Fallgitter stand.

Das Fallgitter war herunter gelassen, was mich etwas wunderte. So nah an den Säulen sollten die Städte eigentlich in Sicherheit sein. Aber in anbetracht dessen, was ich auf meinem bisherigen weg hier her erlebt hatte, war es eigentlich verständlich.

Kaum war ich mit meinen Überlegungen am Ende, da erschien auf den Zinnen über dem Gitter ein Vampir, gekleidet in den Harnisch meines Clans. „Was begehrt ihr Fremder und wohin soll die Reise gehen?“

„Zu den Säulen.“ Der Vampir sah mich noch einige Minuten misstraurig an.

„Ihr sagt ihr wollt zu den Säulen? Ist euch nicht bekannt, dass es verboten ist dort hin zu gehen, auf Geheiß des obersten Statthalters.“ Ich sah auf, ohne die Kapuze vom Kopf zu ziehen.

„Turel ist nicht der oberste Statthalter. Dieser Titel gebührt Herrn Raziel.“ Der Vampir lachte kurz auf.

„Kühn gesprochen Fremder. Wenn man bedenkt, dass Herr Raziel als Verräter gilt.“

„Und dennoch lauft ihr in seinem Wappen herum und haltet Wache in einer Stadt, die zu seinem Clan gehört?“

„Ja, das tue ich. Dies ist der einzige Clan, in dem das Wort Ehre noch etwas gilt Fremder. Ich werde euch herein lassen, aber meldet euch bei dem Verwalter. Ihr findet ihn am Ende von Uschtenheim. Man kann es nicht verfehlen. Es ist das letzte Haus hinter der Kirche.“

Kurz verschwand der Wachposten und einige Augenblicke später glitt das Gitter geräuschlos auf. Ich durchschritt den Wall, an dessen Ende wieder ein Fallgitter angebracht war und betrat das Dorf Uschtenheim.

Zu meiner linken Verkündete ein Schild, dass es sich um das Gasthaus handelte, davor war gleich hinter dem Tor ein kleiner Verschlag, aus dem ich das schnauben eines Pferdes vernehmen konnte. Ich steuerte die Scheune an und stellte Midnight ein. Dann verließ ich sie wieder und betrat das Gasthaus.

Bei meinem eintreten sahen die Vampire kurz auf, die sich darin befanden, wendete sich dann aber wieder ihren Bechern zu. Der Raum war abgedunkelt und in einer Ecke brannte ein kleines Feuer in einem schrägen Kamin. Hinter dem Tresen stand ein alter Vampir und nickte mir freundlich entgegen. Ich ging auf ihn zu.

„Mmm, hätte nicht gedacht, das sich hier noch ein Fremder her verirren würde. Aber nun gut, was darf es sein?“ Ich ließ meinen Blick über die Gestallt wandern.

„Stört euch nicht an meinem aussehen Fremder, ich war schon alt, als mich ein Vampir verwandelte. Also was darf es sein?“ Ich warf ihm eine Münze zu.

„Im Stall steht mein Pferd. Gib ihm Futter und sattle es ab.“ Damit drehte ich mich um und verließ die Schenke wieder. Mittlerweile hatte ein leichter Schneefall eingesetzt. Ich wickelte mich noch enger in meinen Mantel ein und stapfte Richtung Norden.

Uschtenheim war wirklich nicht groß. Man kam an zwei Häusern vorbei, ehe sich der Weg teilte und um ein besonderst großes Haus einen Bogen zu schlagen. Ich blieb auf dem breiteren Weg, der mich unter einem Überbau und dann auf einen kleinen Platz vor einer Kirche brachte.

Links konnte ich einen weitläufigen Brunnen sehen, der von einem Wasserfall gespeist wurde. Was mich zu dem Schluss zog, das in diesem Dorf früher Menschen gelebt haben mussten. Dahinter konnte ich schon wieder die Fallgitter des Ausganges sehen. Links davon erhob sich ein großes Haus, dass sich an denn nackten Felsen anlehnte. Musste offenbar das Herrenhaus sein.

Ich überquerte den Vorplatz der Kirche und wollte darauf zugehen, als ich von einem merkwürdigen Gefühl zurück gehalten wurde. Ich drehte mich um und sah meinen Weg zurück. Wo kam es her? Ich hatte das unbestimmte Gefühl, von etwas angezogen zu werden, konnte aber nicht mir Bestimmtheit sagen, woher dieses Gefühl stammte.

Ich drehte mich wieder um. Darum konnte ich mich auch noch später kümmern. Jetzt musste ich mir erst mal den Verwalter anschauen. Ich klopfte an die Tür und kurze Zeit darauf wurde mir von einem Vampir in einem Harnisch geöffnet.

„Die Wache am Eingang sagte mir, dass ich mich hier melden soll.“ Der Soldat nickte kurz und öffnete wortlos die Tür, murmelte etwas von „Bitte warten.“ Und verschwand hinter einer angrenzenden Tür. Ich schaute mich in der Halle um.

Sie war nicht groß, spärlich eingerichtet und eine Treppe führte in die obere Etage. Es hingen einige Bilder an den Wänden, aber sonst war nichts weiter zu betrachten. Der Soldat erschien wieder in der Tür und sagte mir, dass ich eintreten könnte. Ich leistete der Aufforderung folge und betrat einen kleines Zimmer, an dessen Wänden sich Bücher stapelten.

Der Soldat zeigte auf eine weitere Tür und ging zurück in die Halle. Mit wenigen Schritten war ich durch den Raum und öffnete die Tür. Ein weiteres kleines Zimmer lag vor mir, an dessen Ende ein Schreibtisch stand. Der Verwalter stand am Fenster und sah hinaus. Bei meinem eintreten wendete er sich um.

„Nicht oft verirren sich Fremde in diese Gegend, schon gar nicht zu solchen Zeiten.“ Er zeigte auf einen Stuhl, der vor dem Schreibtisch stand und setzte sich in den Sessel dahinter. „Ihr könnt euren Umhang ruhig ablegen.“

Meine Hand glitt zur Kapuze und zog sie herunter. Während mich der Vampir beobachtete ließ ich ihn nicht aus den Augen, aber nichts verriet mir, dass er mich kannte. Umso besser.

„Also, was führt euch in diese Gegend?“

„Ich will zu den Säulen.“ Antwortete ich wahrheitsgemäß.

„Das überrascht mich. Die wenigsten Vampire interessieren sich noch dafür. Und seit unser Gebieter sich zurück gezogen hat verwahrlost das Land.“ Ich ließ mich auf dieses Gespräch ein, vielleicht konnte ich hier noch einige wichtige Dinge erfahren, die mir fremd wahren.

„Warum?“ Fragte ich.

„Der zweite Statthalter Turel nutz seine Position aus. Ihm ist es egal, was in seinem Land passiert und die anderen Statthalter folgen seinem Beispiel.“ Der Blick des Vampirs glitt wieder zum Fenster. „Wenn es doch wahr währe, was dieser Vampir sagte.“ Ich wurde hellhörig.

„Welcher Vampir?“

Der Verwalter sah mich an. „Vor einigen Tagen sind schon mal zwei Fremde hier durchgeritten. Nein, eigentlich war es nur ein Fremder. Ein Mensch, was an sich schon ungewöhnlich genug ist. Der andere war Reag. Der oberste General unseres Statthalters. Er behauptete das Raziel bald zurück kehren würde.“ Der Verwalter seufzte. „Aber daran glaube ich nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Verzeiht, ich schweife ab Fremder, was kann ich für euch tun?“

„Die Wache sagte mir ich soll mich hier melden.“

„Ach ja, dass sagen sie zu allen. Sie sind immer noch wachsam und jeden Fremden schicken sie zu mir, damit ich bestätige, dass sie niemanden falschen durchgelassen haben. Wenn das alles war, dann wünsche ich dir eine gute Reise Fremder.“ Ich erhob mich und wollte schon zur Tür gehen, als ich noch mal inne hielt.

„Eine Frage hätte ich noch. Warum haltet ihr dem Statthalter Raziel die treue, wenn es doch heißt er sei ein Verräter?“ Der Vampir sah mich an.

„Ich kenne die Gerüchte, aber ich schenke ihnen kein Gehör, niemand in Uschtenheim tut das. Wir sind seine Abkömmlinge und egal was geschehen mag. Unsere treue gilt Raziel!“ Damit stand er auf und das Gespräch schien für ihn beendet.

„Und eure Treue soll belohnt werden. Raziel wird zurück kehren.“ In dem Moment, wo sich der Verwalter umdrehte, schloss ich die Tür hinter mir. Es wurde Zeit, Zeit sich für einen Weg zu entscheiden. Und ich wusste, wohin der meinige mich führte.

Ich überquerte den Vorplatz der Kirche und blieb plötzlich stehen. Da war es wieder dieses Gefühl, dass mich anzog. Ich wendet meinen Kopf und sah auf die verschlossenen Torflügel der Kirche. Kam es etwa aus ihr?

Langsam überschritt ich den Platz und meine Augen ruhten lange auf den geschlossenen Türen. Ja, das Gefühl, dass mich anzog kam von hier. Ich packte die Flügel und schob sie auf. Düsternis und eine stickige Luft schlug mir entgegen. Staub wirbelte auf und verdunkelte mir die Sicht. Aber als sich meine Augen daran gewöhnt hatten, konnte ich erkennen, was sich innerhalb des Gebäudes befand.

Es war keine Kirche, wie ich angenommen hatte. Der ganze Raum wurde von einem großen Altar eingenommen, zu dem ein paar Stufen hinunter führten. Ich ging sie entlang und blieb stehen. Je näher ich dem Altar kam, um so schwieriger war es ihm fern zu bleiben.

Er wurde von vier bläulich weiß schimmernden Kristallen flankiert und an seinem Ende ragte ein weiterer schmal über die anderen hinaus. Er war in geschwungene Bahnen geschliffen, so das ich fast glaubte die Klinge des Soul Reavers vor mir zu sehen. Und in der Mitte dieses Kristalls, ungefähr auf Brusthöhe erblickte ich einen runden Kreis, in den drei Vertiefungen eingelassen wahren.

Langsam kam ich näher und sobald ich meinen Fuß auf die unterste Stufe der Plattform setzte, war mir, als würde mich dieser Altar festhalten wollen, als söge er einen Teil von mir in sich auf, aber das war blanker Unsinn. Und doch wurde ich von dem Symbol auf dem Kristall magisch angezogen und als ich näher kam erkannte ich die Einbuchtungen.

Sie bildeten die drei großen Klauen einer rechten Hand und obwohl sich fast alles in mir dagegen sträubte hob ich meine Hand und legte sie über die Klauen. Im ersten Moment geschah nichts und ich wollte sie schon wieder sinken lassen, da begannen die Kristalle um mich herum zu leuchten und auch das Symbol unter meiner Hand glomm auf.

Mit einer fast panischen Geste versuchte ich meine Hand weg zu ziehen, aber es ging nicht, ich bekam sie nicht los. Das leuchten der Kristalle wurde heller und ich hatte das Gefühl, als zögen sie etwas von mir hinein, wollten es festhalten. Aber bevor ich diesen Teil endgültig verlor flackerten die Kristalle erneut und ich wurde von der Ebene herunter geschleudert.

Völlig erschöpft und mir die schmerzende Hand haltend blieb ich vor dem Altar liegen. Was nur eben mit mir geschehen? Fast glaubte ich, einen Teil meiner Selbst an den Altar verloren zu haben. Ich schüttelte den Kopf um wieder klar sehen zu können und stand auf. Kurz wankte ich, dann drehte ich mich um und konnte in das Gesicht des alten Vampirs aus der Schenke blicken, der oben im Eingang stand und auf mich herab blickte. Etwas in seinen Augen kam mir seltsam vor.

Ich richtete mich schließlich ganz auf und ging ohne ein Wort zu verlieren an ihm vorbei, als plötzlich seine Stimme ertönte, dunkler, wissender als noch vorhin im Gasthaus.

„Der Pfad auf dem du wandelst steht nur einem Wesen offen. Und das bist du nicht, noch.“ Ich drehte mich um. Was hatte der Alte da eben gesagt?

„Diese Altäre wurden vor Jahrtausenden errichtet, für den Einen, der kommen muss. Für den Erlöser oder den Zerstörer. Es steht dir nicht zu sie zu benutzen. Auch wenn ich zugeben muss, dass es mich überrascht hat, sie reagieren zu sehen.“ Er wand sich zu mir um und ich konnte zwei kreisrunde Symbole auf seiner Stirn erkennen. „Wir werden sehen, was dein Schicksal für dich bereit hält, Raziel.“ Irrte ich mich oder hatten sich seine Züge eben für den Bruchteil einer Sekunde verändert? Wahren sie nicht eben noch älter, wissender gewesen, als vorhin in der Schenke?

Aber egal was es gewesen war, es war verschwunden und der Alte drehte sich zu mir um und sah mich verwundert an, so als hätte das eben gesagte gar nicht statt gefunden.

„Und Fremder, werdet ihr für diese Nacht in Uschtenheim bleiben?“ Immer noch verwirrt nickte ich. „Dann kommt in mein Gasthaus, euer Pferd habe ich versorg.“ Er ging vor mir her die Strasse hinunter und ich warf noch einmal einen Blick zurück in das Gebäude mit dem Altar. Dann zog ich entschlossen die Pforten zu.

‚Der Pfad auf dem du wandelst steht nur einem Wesen offen.` Laut halten die Worte in meinem Geist wieder. Was hatten sie zu bedeuten? Ich schüttelte den kalten Schauer ab, der mir den Rücken herunter lief und folgte dem Vampir in die Gaststube.
 

Der nächste Morgen brach an und ich warf dem Vampir hinter der Schenke eine weitere Goldmünze für die Nacht zu. Dann verließ ich das Gasthaus. Der Schnee der im Verlauf der Dunkelheit herunter gekommen war, war wieder geschmolzen und so schritt ich einige Minuten später mit Midnight am Zügel durch Uschtenheim.

Wir durchquerten wieder ein doppeltes Fallgitter und dahinter saß ich auf und trieb Midnight aus der Schlucht. Wenn wir uns etwas beeilten und nicht unvorhergesehenes geschah, dann konnten wir am späten Nachmittag bereits in meinem Clangebiet sein und mich zog es nach Hause.

Auch Midnight schien zu spüren, dass unser Ziel nicht mehr fern war und beschleunigte ganz von alleine seine Schritte und als wir über einige weitere Hochebenen galoppierten, konnte ich in der Ferne das donnern von Wasserfällen hören, die sich über die Bergkuppen in ein Tal ergossen, in dem sich der See der Toten bildete. Ein unaufhörlicher Strudel gigantischer Wassermassen, der sich in die Erde fraß. Und dort im Westen einige Meilen entfernt lag mein Schloss.

Kurz parierte ich Midnight durch und ließ meine Augen über die mir bekannten Gebirgszüge wandern. Aber so nah es auch aussah, wenn ich es heute noch erreichen wollte, dann musste ich mich beeilen.

Und so trieb ich Midnight die Fersen in die Flanken und wir galoppierten über die spärlich bewachsenen Ebenen.

Nachmittag war schon lange vorüber gezogen, als ich die ersten Ausläufer des Gebirgszugs erreichte und durch eine mir wohlbekannte Schlucht ritt.

Über mir flatterten die ersten Banner unseres Heiligtums im Wind und das ferne rauschen war mittlerweile zu einem fast ohrenbetäubenden Donnern angeschwollen. Langsam ließ ich Midnight sich seinen Weg durch die Schlucht suchen und aufmerksam wanderten meine Augen umher.

Aber es blieb bei dem, was mir meine Sinne sagten. Keine Vampire. Seltsam, früher hätte man noch nicht mal an die ersten Ausläufer herankommen können, ohne angehalten zu werden, und jetzt stand ich mit einem Fuß fast schon bei den Säulen und hatte noch nicht einmal eine Wache zu Gesicht bekommen.

Nach einigen weiteren Biegungen öffneten sich plötzlich die Felsen und Midnight blieb mit einem verängstigten Wiehern stehen. Unter uns breitete sich das Tal des Sees der Toten aus. Ein feiner Gichthauch schlug mir entgegen und ich vergewisserte mich, dass mein Mantel auch fest um meine Schultern lag. Einen Sturz in diese tobenden Wassermassen würde Niemand überleben.

Einige Minuten blieb ich noch auf meinem Beobachtungsposten und sah zu, wie die Wassermassen, rot gefärbt von der untergehenden Sonne sich über die Kuppen der Berge schoben und unter mir verschwanden, dann stieg ich ab und begann den Abstieg.

Midnight folgte mir unruhig, das laute Poltern machte ihn nervös, was ich nur zu gut verstand. Als wir am ersten Brückenbogen angekommen wahren, der zu einer kleinen Insel in mitten der wogenden Massen führten, blieb er erneut stehen. Ich ließ ihm die Zeit, die er brauchte, um sich zu entscheiden, auch wenn es mich immer stärker Richtung Westen zog.

Schließlich entschloss er sich mir zu vertrauen und setzte zögernd seinen Huf auf die Brücke. Wir überquerten sie und ich ließ meinen Blick erneut in die Runde schweifen. Im Norden konnte ich die Banner meines Bruders Dumah im Wind wehen sehen und wenn ich mich zu meiner linken wendete meine Eigenen.

Ich umgriff die Zügel fester und führte Midnight über die zweite Brücke, und endlich, nach über einhundert Jahren berührten meine Füße den Boden, der mir gehörte. Mein Clangebiet. Mein Reich. Ein Stück führte ich Midnight noch am Zügel, bis wir durch einen höhlenartigen Gang hindurch wahren und ich wieder aufsitzen konnte.

Weiter ging es die breite Schlucht entlang, in der mein Banner im Wind wehte und immer weiter, bis sie sich plötzlich zu beiden Seiten in einen riesigen Talkessel erweiterte. Ich hielt Midnight an und genoss diesen Anblick.

Rechts von mir schmiegten sich die Ställe an den Felsen, aus denen mir der Geruch vieler Pferde entgegenschlug. Zu meiner linken erstreckten sich Häuser, in denen die Quartiere der einzelnen Soldaten lagen und dort, hoch aufragend, so das die Zinnen beinah die Wolken berührten, lag mein Schloss!

Die Sonne senkte sich gerade über einen weiteren Berggipfel und ihre Strahlen tauchten alles in ein rötliches Gold und ließen mein Banner wie geronnenes Blut im Wind wehen. Ich spürte die vertrauten strahlen und fühlte den Wind, wie er vertraut durch die Risse in den Felsen heulte und hörte das dröhnen der Wasserfälle hinter mir. Und das alles vermischte sich zu einem vergessenen Gefühl der Geborgenheit.

Meine Hand wanderte wie von selbst zu der Kapuze meines Mantels und zog sie herunter. Jetzt brauchte ich mich nicht mehr zu verstecken, ich brauchte keine falschen Spiele mehr zu spielen. Denn hier gehörte ich hin. Hier war mein Platz und hier würde ich wieder sein. Raziel, oberster Statthalter der Vampire.

Langsam setzte sich Midnight wieder in Bewegung und ich ließ mich einfach von ihm tragen. Vertraute darauf, dass er den Weg von ganz alleine finden würde. er trug mich vorbei an den Ställen, vorbei an den Behausungen der Soldaten weiter zu den Übungsplätzen, an denen er wieder anhielt und den Kopf in den Nacken warf.

Ja, so war ich es gewöhnt, bei Sonnenuntergang versammelten sich die Soldaten und trainierten. Und so glitten meine Augen über ein Heer von hundert Vampiren, die fast in vollkommener Lautlosigkeit übten. Man hörte das Schwerterklirren und das schnellen der Bogensehnen. Hin und wieder ein Befehl oder ein Kommando, aber ansonsten herrschte Ruhe und ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit, in der ich hier meine ersten Soldaten ausbildete.

Mein Heer war nie groß gewesen, so wie die meiner Geschwister, dafür jedoch waren meine Soldaten die absolute Elite. Es gab niemanden der sie schlagen konnte. Niemanden der sich mit ihnen messen konnte.

Erneut trieb ich Midnight weiter und als wir uns der Gruppe der Soldaten näherten blickten einige von ihnen auf. Einer der Vampire, der am äußersten Rand stand, flankiert von zwei Wachen sah zu mir herüber und zog die Stirn in Falten.

Unbeirrt lenkte ich Midnight an den Soldaten vorbei, die mittlerweile aufgehört hatten zu trainieren und fast feindselig den Fremden anstarrten, der es sich erdreistete so unverfroren in ihr Mitte einzudringen. Einer der unteren Generäle trat auf mich zu und packte Midnight am Zügel. Dieser warf den Kopf zurück und bäumte sich auf, so das der Soldat gezwungen war los zu lassen.

Seine Hand fuhr zu seinem Schwert und er sah mich drohend an. „Was wollt ihr hier? Wir schätzen keine Fremden!“ Ich sah ihn nur von oben herab an und erwiderte:

„Erstens, bin ich kein Fremder, zweitens werde ich erwartet und drittens Soldat solltet ihr das Schwert nicht leichtfertig ziehen! Sonst könnte es sehr schnell geschehen, dass ihr euer Leben verliert.“ Damit ritt ich an ihm vorüber und er sah mir fast entrüstet hinter her.

Ich warf ihm nichts vor, er war jung und kannte mich nicht, wie wahrscheinlich die meisten hier draußen. Das würde sich jedoch bald ändern. Als ich an besagtem Vampir vorüber ritt, der auf einem kleinen Hügel stand und über das Training wachte, blickte ich ihm in die Augen.

Ja, ich kannte ihn. Ich hatte ihn schon mal gesehen. Er war einer der unteren Generäle unter meinem Kommando vor hundert Jahren gewesen. Und noch während ich an ihm vorüber ritt, konnte ich ein aufflackern in seinen Augen sehen, dass sich von einem kleinen Funke, in ein Feuer verwandelte. Er hatte mich erkannt, senkte den Kopf und wendete sich wieder zu den Soldaten um. Mit einem lauten Kommando brachte er sie wieder dazu fortzufahren.

Und schließlich, im letzten rot der Abendsonne stand ich vor den Toren meines Schlosses, dessen Mauern hoch über mir aufragten. Ich lenkte Midnighs Schritte an den ersten Wachen vorbei, die mich erstaunt musterten und durch das erste Tor in einen kleinen Vorhof, auf dem einige Soldaten standen und sich unterhielten, bei meinem Einritt jedoch verstummten die Gespräche und sämtliche Köpfe wanden sich in meine Richtung. Ich ignorierte sie, mein Blick galt einzig und allein meinem Schloss.

Die hohen Türme, die Mauern, in denen in den Stein gemeißelt, mein Wappen prangte und die verzierten Gitter, die den Weg in den zweiten Innenhof wiesen. Ich stieg von Midnight ab und schritt durch die Reihen der Vampire, die mich ungläubig musterten, die erste Treppe hinauf und unter den Toren durch und betrat den Säulenhof.

Hier liefen geschäftig viele Vampire umher, Hauptsächlich Diener, aber auch einige Generäle hielten sich hier auf, und am Ende des Hofes, oberhalb einer weiteren Treppenflucht standen sie, neun von zehn. Der einzigste der fehlte war Reag, aber ich konnte mir denken, wo er war, zumindest hoffte ich für ihn, das er dort war.

Niemand beachtete mich oder nahm Notiz von mir und ich genoss das Gefühl einfach am Rand zu stehen und dem bunten treiben zuzusehen. Nichts hatte sich geändert, ich fühlte mich, als währe ich nicht von einer hundertjährigen Abwesenheit zurück gekommen, sondern von einem kurzen Ritt in die Wälder Nosgoths.

Midnight schubste mich mit der Schnauze an und ich drehte mich zu dem treuen Tier um, als plötzlich eine Stimme laut über den Hof schallte und alle anderen Geräusche schlagartig auslöschte.

„Raziel!“ Ich drehte mich um und starrte in sämtliche Gesichter der eben noch so beschäftigt hin und her rennenden Vampire. Für einen Augenblick schienen sie alle still zu stehen, selbst die Zeit schien den Atem angehalten zu haben und so konnte ich die Gestallt, die durch die Menge auf mich zulief sehr schnell ausmachen.

„Raziel!“ Erklang seine Stimme noch mal, als er vor mir stehen blieb. „Ich bin froh dich wieder zu sehen mein Freund.“ Er streckte mir seine Hand hin und ich ergriff sie.

„Das bin ich auch Atrieleges und ich freue mich, dass es dir gut geht.“ Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. Ich sah es ihm an, dass er viele Fragen hatte, aber schnell gab ich ihm zu verstehen, dass wir das auf später verschieben mussten. Er nickte und trat zur Seite.

Mittlerweile war Leben in die Vampire gekommen und an vielen Stellen steckten sie die Köpfe zusammen, aber der erste Vampir der mich willkommen hieß war Reag.

Er trat an der Spitze meiner Generäle vor mich und ließ sich auf die Knie sinken, die anderen taten es ihm gleich. „Willkommen zu Hause mein Statthalter, möge das göttliche Licht Kains über euch leuchten und euren Weg erhellen.“ Bei diesen Worten beugten auch die anderen Vampire ihre Knie und ich ließ meinen Blick erneut über sie schweifen.

Die Sonne war unter gegangen und nun tauchten nur noch die bereites angezündeten Fackeln den Hof in ein ungenaues Licht und doch wusste ich wo jede einzelne Treppe anfing. Wusste, wo die Türen zu welchen Abschnitten des Schlosses wahren, wusste wo jede einzelne Säule stand.

Der Wind frischte auf und wehte mir meine Haare um den Kopf, so als wollte er mich willkommen heißen. Und ich fühlte, wie ich wieder eins mit meiner Welt wurde. Ja, alle Zweifel wahren verflogen. Alle Ungewissheiten fortgewischt. Hier war mein Platz und hier gehörte ich hin und Morgen würde ich zu ihm zurück kehren, von jetzt ab würde ich nie mehr zweifeln!



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2010-07-16T19:11:30+00:00 16.07.2010 21:11
oh gott das ist so schön geschrieben ;O;
danke das du so fleißig weiterschreibst ***Q***
ich gucke schon jeden tag nach ob ein neues kapitel da ist und schwupp wieda eins *****Q******
*freufreufreufreu*


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