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Schluss

Die Geschichte einer gescheiterten Liebe
von

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Es war ein heißer Sommertag, fast schon zu heiß für die üblichen Wetterverhältnisse und doch konnte ihre Laune nicht getrübt werden. Endlich waren die drei Wochen vorbei, in denen sie von ihrem Freund getrennt war. Gleich würde sein Zug ankommen und er erfrischt herausspringen, um von ihr in Empfang genommen zu werden. Nervös lief sie auf und ab. Ob er sich wohl verändert hatte? Vielleicht war er ja richtig braun geworden. Würde sie ihn wieder erkennen? Schnell verwarf sie den Gedanken wieder. Natürlich würde sie ihn wieder erkennen. Immerhin waren die beiden schon fast vier Monate zusammen.

Mit jeder Sekunde die verstrich wurde sie nervöser. Ob er ihr etwas mitgebracht hatte? Das wäre nicht nötig, es war schon Geschenk allein, dass er wieder da war. Und dann sah sie den Zug. Langsam rollte er in den Bahnhof ein. Ein bisschen zu langsam, denn jede Sekunde die verging kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Als er dann endlich anhielt sprang sie vor Freude auf und ab. Gleich würde er aus einem der vielen Abteils aussteigen und sie herzlich begrüßen. Die Zeit verstrich, aber keine der Türen öffnete sich auch nur einen Zentimeter. Und dann fuhr der Zug wieder ab und ließ sie allein zurück.

Panisch sah sie zur Anzeigetafel. Vielleicht hatte sie nach dem falschen Zug geschaut und ihr Freund würde erst später ankommen. Aber auch der Blick beruhigte sie nicht. Alles stimmte. Die Ankunftszeit, die Zugnummer, es war korrekt. Er hätte aus diesem Zug aussteigen müssen. Furchtbare Gedanken kamen ihr. Was wenn ihm etwas passiert war? Oder vielleicht hatte er einen Zug verpasst. In jedem Fall würde sie ihn jetzt anrufen um alles zu klären.

Sie griff zur Tasche und holte ihr Handy hervor. Es war zwar alt, tat aber immer noch seinen Dienst. Mit zitternden Fingern wählte sie seine Nummer an. Es war schier unmöglich gegen die ansteigende Panik zu kämpfen. In ihrem Kopf spuckten nur zwei Fragen: Wo war er und was war passiert?

Es klingelte erst einmal, dann zweimal. Das war untypisch für ihn. Normalerweise sprintete er sofort zum Handy, sodass es nicht einmal die Chance hatte, ein zweites Mal zu klingeln. Als sie es schon fast aufgeben wollte, ging er dann doch ans Handy. Sofort bombardierte sie ihn mit Fragen: „Wo bist du? Warum warst du nicht im Zug? Ist was passiert? Geht es dir gut?“ Er schwieg. Sie fasste es als schlechtes Zeichen auf. Etwas war passiert. Und sie hatte es im Gefühl, dass es nicht gut enden würde. Er brauchte eine Weile und sie konnte sein regelmäßiges Atmen hören.

Dann endlich begann er zu reden. Seine Stimme klang gepresst und deutete auf Probleme hin. „Ich bin schon zuhause.“ Er machte eine kurze Pause und dies war das qualvollste, was sie je erlebt hatte. Ihr war zum heulen zumute, denn dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmte, ließ sie nicht los. Es biss sich fest und ließ sich nicht abschütteln. Es war grausam und zerriss ihr Herz. Dann endlich sprach er mit seiner rauen Stimme weiter: „Ich hab einen Zug früher genommen. Aber das ist jetzt auch egal. Ich muss dir was sagen.“ Wieder eine Pause. Wenn er nur wüsste, wie sehr er ihr wehtat mit seinen Pausen und seinem Gerede um das Problem herum. Wenn er so weitermachte würde sie sterben vor Schmerz. Er unterbrach die Stille erneut: „ In den drei Wochen hatte ich viel Zeit zum nachdenken. Besonders über uns und unsere Beziehung. Es liegt nicht an dir. Ich habe mich in eine andere verliebt. Es tut mir leid.“ Geschockt ließ sie das Handy fallen. Das konnte nicht wahr sein. Er verarschte sie. Er würde doch nicht Schluss machen, sie waren doch verliebt ineinander. Leise begann sie „Nein“ vor sich herzustammeln. Dann wurde es immer lauter, bis sie schrie und es in einem Aufschrei aus Schmerz, Wut und Trauer endete. Was war er doch für ein Mensch. Kam aus dem Urlaub und riss ihr das Herz aus der Brust. Vor Schmerz warf sie sich auf den Boden und suhlte sich, schlug mit der Faust immer und immer wieder auf den harten Boden. Der Schmerz den sie empfand war nicht einmal halb so groß, wie die Gefühle in ihr, die sie zerrissen.

Lange lag sie da zusammengekrümmt auf dem Boden. Ihr Leben war sinnlos geworden. Da war nur noch ein schwarzes, leeres Loch, wo einst ihr Herz saß, dass so wild für ihn geschlagen hatte. Sie war leer. Nur eine Hülle. Für sie war das Leben aus ihr gewichen. Er hatte es zerstört, war darauf rumgetrampelt und hatte es liegengelassen, damit es verrottet.

Nach einer Zeit waren ihre Tränen versiegt. Egal ob sie noch weinen wollte oder nicht, es kam einfach nichts mehr. Sie hatte sich leer geweint und das Gefühl der inneren Zerrissenheit war geblieben. Vorsichtig stand sie auf. In ihren Augen war nichts. Das Leuchten war verschwunden und machte Platz für Ausdruckslosigkeit. Sie hob ihr Handy auf. Der Feigling hatte schon längst aufgelegt. Wahrscheinlich hatte er ihr Geschrei nicht vertragen. Vielleicht hatte es ihm Gewissensbisse beschert, sie wusste es nicht und es war ihr egal. Sie wollte nach Hause.

Das Gefühl in ihr wurde immer stärker und sie hatte niemanden, dem sie davon erzählen konnte. Freundinnen hatte sie nie gehabt und ihr Freund war der einzige gewesen, mit dem sie über Gefühle gesprochen hatte. Sie war allein. Ihre Eltern interessierten sich nicht für ihre Tochter und die Verwandten erst recht nicht. „Die Grausamkeit der Einsamkeit merkt man erst, wenn man von allen verlassen wird.“, ging ihr durch den Kopf. Und dann herrschte in ihrem Kopf gähnende Leere. Sie wollte an nichts denken. Es hätte alles nur viel schlimmer gemacht. Und so litt sie leise weiter, bis sie ihr Heim erreicht hatte.

Dort angekommen warf sie sich aufs Bett. Sie fühlte sich wie ein Roboter, denn alle menschlichen Emotionen wichen von ihr. Es gab nur noch sie, ihre Gedanken und das Loch in ihrer Brust. Als erstes kamen ihr die Gedanken, was jetzt passiert, wenn sie ihn in der Schule sieht. Würde er sie ignorieren? Wahrscheinlich war es ihr Schicksal allein auf dem Pausenhof zu stehen und zu denken. Wer wohl seine Neue war? Sie ohrfeigte sich selbst. Wie konnte sie nur an seine Neue denken. Immerhin hatte sie ihr den Freund ausgespannt. Kannte sie seine neue Flamme? Da waren so viele Fragen, die sie sich stellte und alle blieben ohne Antwort. Erst spät fiel sie in einen traumlosen Schlaf, immer noch geplagt von den Schmerzen.

Als sie erwachte schien schon die Sonne ins Zimmer. Alles war in ein sanftes orange getauft und doch ließ es sie kalt. Sie wirkte wie ein Zombie und fühlte sich auch so. Noch vier Tage bis zum Neubeginn der Schule. Sie schleppte sich ins Bad und machte sich fertig. Dann verzog sie sich wieder ins Zimmer und stellte leise Musik an. Der Musikstil, der lief passte eigentlich nicht zur Situation und doch beschrieb der aggressive, wütende Metal genau dass, was sie fühlte. An Essen dachte sie überhaupt nicht. Der Hunger war verflogen, wie auch die meisten anderen menschlichen Bedürfnisse. Sie schleppte sich von Tag zu Tag wie ein Roboter. Die Leere, die in ihr herrschte, spiegelte sich auch in ihrem Tagesablauf.

Die vier Tage fühlten sich für sie an, wie vier Jahrhunderte und doch kam der Tag, an dem sie wieder in die Schule musste. Benommen schleppte sie sich aus dem Bett, zog sich an, ging hinunter in die Küche und lief dann zur Schule. Ohne zu essen und ohne etwas mitzunehmen. Schon der Gedanke daran ließ in ihr die Kotze hochsteigen. Der Hunger war verflogen und sie würde nichts essen, denn das einzige was sie wollte war sterben.

Ihr Leben war sinnlos. Sie hatte keine Freunde für die sie leben konnte und auch ihre Eltern scherten sich einen Dreck um das, was ihr Kind tat. Wenn sie die Welt verlassen würde, wäre niemand traurig. Wahrscheinlich wären sogar alle froh, dass ein Platz in ihrer Gesellschaft wieder freigeworden war. Und so schleppte sie sich zur Schule um der Qual ins Gesicht zu sehen. Schon als sie den ersten Schritt auf den Schulhof setzte, sah sie ihn. Er stand bei ein paar Freunden am Eingang. Neben ihm, wo sonst immer sie gestanden hatte, nahm nun eine ihr bekannte Person Platz. Bei allen Menschen, die sie erwartet hätte, war es doch das schlimmste, das ausgerechnet ihre größte Feindin jetzt ihren ehemaligen Freund in Beschlag nahm. Der Schmerz wurde heftiger und doch zwang sie sich erhobenen Hauptes an den beiden vorbeizugehen. Sie würde ihm nicht den Sieg überlassen, selbst wenn es das Loch nur noch mehr weitete. Er sah sie an, das merkte sie und doch war es ihr egal. Zumindest zeigte sie nach außen keine Regung.

Es war ein widerlicher Tag. Je mehr sie die beiden sah und wie sie sich abschlabberten umso mehr tat es ihr weh. Wie konnte er ihr das nur antun? Hatte er sie denn nie geliebt? Anscheinend nicht, denn sonst hätte er sie in Ruhe gelassen, aber so kam er zu ihr herüber. Sie versuchte ihn zu ignorieren und obwohl er merkte, dass sie ihn nicht beachtete, sagte er: „Hey.“ Er ließ eine kurze Pause, als erwarte er eine Antwort. Schließlich gab er es auf und fuhr fort: „Also es tut mir Leid, das ganze hier. Aber ich finde wir sollten Freunde bleiben.“ Er streckte ihr seine Hand hin und wartete darauf, dass sie einschlug. Aber sie war nicht der Mensch, der einfach so vergessen konnte. Und was sollte dieser Mist, von wegen Freunde bleiben. Sie brauchte sein Mitleid nicht. Was dachte er sich überhaupt?

Sie stand auf und ließ ihn stehen. Alle beobachteten sie, aber es war ihr egal. Sie wollte abschließen mit ihm, mit dem Leben, mit allem. Und damit ging sie nach Hause, einfach so ohne darauf zu achten, dass die Schule noch nicht zu Ende war. An ihrem Ziel angekommen flüchtete sie sich gleich wieder in ihr Zimmer. Es war der einzige Ort, an dem sie noch klar denken konnte. Und dann war ihr Entschluss schnell gefasst.

Hier gab es kein zurück mehr. Nichts. Sie würde den Weg weitergehen und abschließen. Erleichterung erfasste sie. Es war fast so, als wäre sie zufrieden mit ihrem Leben, zufrieden mit dem Ende. Ihrer physischen Hülle ein Ende zu setzen, davor hatte sie keine Angst, immerhin war sie schon tot. Ihre Seele war an dem Tag gestorben, an dem er gegangen war. Er hatte sie ihr aus der Brust gerissen und sie dann mit sich genommen, auf dass sie zerbrach. Vielleicht wusste er nicht einmal, was er getan hatte. Und doch wie konnte er nur so naiv sein?

Es war schon wie ein Reflex, dass sie nach der Klinge griff. Sie hatte ihr schon damals über den Schmerz geholfen. Ein einziger, kalter Freund aus Eisen. Und jetzt würde er helfen um sie zu befreien. Er würde ihr den Gnadenstoß versetzen.

Sie legte sich ins Bett. Bereit ihren letzten Schlaf zu erhalten, bevor es auf immer dunkel sein würde.

Sie konnte schon spüren, wie die Probleme von ihr fielen. Immer und immer mehr, je näher die Klinge ihrem Arm kam. Doch dann zuckte sie jäh zusammen, unter den Gedanken, welcher ihr gerade gekommen war. Warum sollte sie so Abschied nehmen? Auch er sollte leiden. Es gab nur noch einen Gedanken- ihn vernichten, sein Leben zerstören.

Sie zerrte ein Blatt Papier hervor und begann zu schreiben. Erst Phrasen, dann Sätze voller blinder Wut und Verzweiflung. Nichts erschien ihr mehr real. Sie war eingetaucht in ihre Phantasie. In eine Welt, in der ihr Schmerz herrschte.

Endlich hatte sie den Brief beendet. Ein Meisterwerk an Gefühlen, an Vorwürfen, an Erklärungen. Er würde nicht mehr froh. Nie wieder. Wenn er den Brief lesen würde, hatte sie ihr Ziel erreicht. Zerstören, wie er sie zerstört hatte. Sein Leben in Scherben zerhauen und ihn unwiderruflich vernichten.

Es war geschafft. Sie konnte es beenden. Ihr Leben an den Haken hängen und endlich Ruhe finden. Ruhe vor einer Welt, die ihr nicht passte, die sie verletzte und tötete. Eine Welt, die ihr fremd war und immer fremder wurde, je mehr sie lebte. Jetzt war Schluss damit. Sie würde es beenden. Schnell, präzise und gut. Kein großes Drama daraus machen, einfach schneiden.

Es war erst ein kleiner Schnitt, der an ihrem Handgelenk sichtbar war. Nicht bedeutendes und auch nichts tödliches, aber ein Anfang dem Leben zu entrinnen. Ein Schnitt, der die Hemmschwelle senkte. Ein Schnitt, der alles ermöglichte und ihr das Tor zum Himmel öffnete, zu ihrem Paradies, wo sie glücklich werden konnte. Der zweite Schnitt saß besser, präziser. Es quoll hervor und verströmte einen metallischen Duft. „ Wie schön“, dachte sie sich. Es war bald vorbei. Ein dritter Schnitt sollte alles besiegeln. Sie würde sich selbst auslöschen. Alle sollten wissen, was sie getan hatten. Alle sollten merken, wie sie jemanden zu Grunde gerichtet hatten. Ihr Ziel war Rache, blinde Zerstörung.

Das rote Blut rann gleichmäßig an ihrem Arm herunter. Es war warm und fühlte sich unheimlich gut auf ihrer Haut an. Sie wusste, dass es dauerte, bis sie wirklich verblutet war. Und niemand sollte sie zurückholen in diese Hölle. Sie schwankte zur Tür und schloss diese ab. Niemand sollte sie bekommen. Das war ihr Triumph, niemand konnte ihr das zerstören. Sie dachte nicht an ihre Familie, wahrscheinlich hätte sie es dann bereut. Aber so war sie bereit zu sterben und alles hinter sich zu lassen.

Es dauerte zumindest für sie eine Ewigkeit, bis sie bemerkte, dass ihr Blut überhaupt verschwand, aber allmählich wurde ihr doch bewusst, dass sie immer mehr verlor. Anzeichen dafür waren Schwindel und dieses schummrige Gefühl, wenn man langsam einnickt. Es war bald geschafft. Noch ein paar Minuten, und sie würde in ein Koma fallen. Ab da würde nichts mehr passieren. Ihr Herz würde aufhören zu schlagen und sie würde sterben, im Koma, nicht bewusst, ohne Schmerz.

Und dann war es soweit. Ihr Kopf knickte weg und landete unweich auf dem Boden. Das bekam sie aber nicht mit. Es war zu spät. Koma, Tod.
 

Erst viel später fand man das Mädchen in einer Blutlache. Es gab keine Anzeichen auf Gewalteinwirkung. Alle wussten es, sie hatte Selbstmord begangen. Warum, das war ihnen ein Rätsel. Ihre Eltern waren geschockt, ratlos, nicht bereit zu akzeptieren. Als die Ärzte sie wegbringen wollten, fiel der Brief aus ihrer Hand. Ein Wink des Schicksal, der ihre Rache vollziehen würde. Die Polizisten begutachteten den Zettel und fanden einen Namen darauf. Sie luden den Jungen vor, und lasen ihm den Brief vor.

Es stand Wort für Wort geschrieben:
 

„Hallo,
 

Ich weiß nicht, wie ich diesen Brief beginnen soll. Wie ich dich anreden soll. Ich hasse dich. Du hast mein Leben zerstört. Hast mich eingetauscht und verarscht. DU hast mir was von Liebe vorgetextet und ewigen Zusammensein. Hier ist was du verdienst! DU hast mich getötet. GETÖTET hast du mich. Hast mir das Herz aus der Brust gerissen und bist dann mit deinen dreckigen Füßen darauf herumgetrampelt. DU bist das letzte und ein Mörder. DU VERDAMMTER MÖRDER. Hast mich getötet. Mit deinen Worten. Heb dir deine scheiß Freundlichkeit auf für die Nächste, die du so verarscht. Ich wünsche dir ein schönes Leben. MÖRDER!!!“
 

Er war geschockt. War er wirklich Schuld an dieser Misere? War er Schuld an ihrem Tod? Was hatte er getan? Er war ein Mörder. Er hatte sie auf dem Gewissen.
 

Der Junge kam in psychiatrische Behandlung und war unfähig je wieder eine Beziehung zu führen. Das Mädchen hatte es geschafft und sein Leben zerstört. Ruhe sie in Frieden…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mali
2009-12-27T21:28:47+00:00 27.12.2009 22:28
mein gott, das ist ja wahnsinn..
ich hätte fast losgeheult!!
wortgewalt sag ich da nur!
lg, mali =D


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