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Robin Hood

Das goldene Kreuz
von

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Rückkehr in den Sherwood Forrest

Little John starrte Winnifred an. Solange hatte er sie nicht mehr gesehen, aber er sah sofort, dass sie noch schöner geworden war. Sein Herz klopfte wild und unbändig in seiner Brust. Vergebens versuchte er es wieder unter Kontrolle zu bringen. Es musste vorher bestimmt sein, sie endlich, nach all der Zeit, wieder zu sehen.

Winnifred fühlte sich von dieser Begegnung überfordert. Sie war plötzlich von Erinnerungen umgeben, die sie so erfolgreich in den letzten Jahren verdrängt hatte. Ihr Herz wurde mit einem Mal ganz schwer.

Barbara beobachtete ihre Schwester aufmerksam und vergaß dabei den Brief.

Robin hingegen bemerkte Barbaras Unaufmerksamkeit sofort und riss ihr den Brief aus der Hand. Mit ernster Stimme und sorgenvoller Mine durchbrach er die Stille. „Können wir uns in den Salon zurückziehen? Es gibt da etwas worüber wir reden sollten.“

Alle folgten ihm in den Salon. Jeder nahm Platz, wobei Winnifred darauf achtete, weit genug von Little John entfernt zu sitzen. Ihr Bruder kam ihr dabei zu Hilfe.

„Marian ist letzte Nacht verschwunden und sie hat mir diesen Brief hinterlassen“, erklärte Robin nun. Er las seinen Freunden den Brief vor: „Wenn du diese Zeilen liest, bin ich bereits fort. Wie du bereits weißt, suchen mich diese Männer, aber nicht weil ich weggelaufen bin. Das ist ihnen gleichgültig. Ihnen ist mein kostbarstes Stück wichtiger, als mein Leben. Ich wollte deine Hilfe erbeten, aber du hast eine zu wichtige Aufgabe in Nottingham. Ich bringe es nicht übers Herz mich dir anzuvertrauen. Du bist in Gefahr, wenn ich bei dir bleibe und dir die Wahrheit erzähle. Ich kann es nicht zulassen, dass sie euer Schloss, dein zu Hause zerstören. Aus diesem Grund werde ich zurückkehren und mich ihnen alleine stellen. Hab Verständnis und folge mir nicht!“

„Wieso hat sie sich uns nicht anvertraut?“, fragte Barbara besorgt nach. „Wir haben doch immer alles zusammen durch gestanden.“

Winnifred hingegen fragte: „Welch kostbares Stück besitzt Marian, dass es solch gefährliche Männer haben wollen?“

Little Johns Augen und seine ganze Aufmerksamkeit waren einzig und allein auf Winnifred gerichtet. Will suchte den Blick seines Cousins, der in Gedanken versunken auf den Brief starrte. Ben beobachtete aufmerksam die Gruppe, während Much auf seinem Platz hin und her rutschte.

Bruder Tuck, der bis jetzt seine Augen geschlossen hatte, öffnete diese jetzt und sah direkt zu Robin. „Was wirst du jetzt tun?“

Immer noch den Brief anblickend antwortete er: „Ich werde ihr folgen.“ Diese Antwort klang monoton, fast beiläufig, obwohl sie eine der wichtigsten Entscheidungen überhaupt sein würde.

„Nein, das wirst du nicht!“ Winnifred sprang auf und ballte ihre Hände zu Fäusten. Wasser füllte langsam ihre Augen. Ihr Herz pochte schmerzhaft in ihrer Brust. Zu groß war die Angst ihren Cousin verlieren zu können.

Immer noch blickte der junge Mann nicht auf. „Ich muss, verstehst du das nicht?“

„Sie werden dich hängen“, erwiderte seine Cousine aufgebracht.

Alle in diesem Raum hielten inne. Little John schaffte es seinen Blick von Winnifred auf Robin zu richten.

Much saß mit einem Mal ganz still. Ben beobachtete stumm, wie auch verwirrt die Reaktionen. Und Barbara sah, dass ihr Bruder und Bruder Tuck ebenfalls wussten, wovon hier geredet wurden. Wut breitete sich in ihrem Bauch aus. Sie war kein kleines Kind mehr. Wann würden ihre Geschwister dies endlich erkennen? Ihre Schwester riss Barbara aus ihren Gedanken.

„Oder hast du das vergessen?“ Winnifreds Stimme brach, die ersten Tränen lösten sich aus ihren Augen.

Immer noch blickte Robin nicht auf. Dafür klang seine Stimme anders. Enttäuschung und Wut, über die falsche Anklage, schwangen in seiner Stimme mit. „Wie könnte ich das jemals vergessen.“ Endlich blickte er auf und seine blauen Augen waren einzig auf seine Cousine gerichtet. „Ich muss gehen, Winnifred. Marian ist in Gefahr und ich kann sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Dazu bedeutet sie mir zu viel.“

„Mehr als dein Leben?“, erwiderte Winnifred. „Versteh mich nicht falsch, Robin. Marian ist mir eine liebe Freundin, aber Lord Lancaster will dich hängen sehen. Zu oft hat er dich bereits aus Gnade gehen lassen.“

Diese Nachricht erschütterte Barbara. Was bedeutete das? Hatte Robin in der Vergangenheit Marian öfter aufgesucht? Sie erinnerte sich an den unschönen Moment, in dem Lord Lancaster Robin verachtete. Aber dass er ihm nach seinem Leben trachtete, hörte die Rothaarige zum ersten Mal. Aufmerksam, wie auch besorgt, beobachtete sie ihre Schwester und Robin.

„Du überreizt es, Robert!“

Robins Augen verdunkelten sich. Langsam stand er auf um mit seiner Cousine auf Augenhöhe zu stehen. „Nenn mich nicht, Robert! Du bist nicht meine Mutter, Winnifred“, erwiderte er barsch. Er atmete einmal tief durch, ehe er ihr erneut in die Augen blickte. „Ich weiß, dass du dich sorgst, aber ich sorge mich auch. Marian befindet sich in Gefahr. Ich muss gehen.“

Barbara hatte genug von allem. Sie würde ihnen zeigen wie erwachsen sie bereits war. „Ich werde dich begleiten.“

Robin sah überrascht seine kleine Cousine an. „Nein, das wirst du nicht. Es wird viel zu gefährlich werden.“

„Ich werde mit gehen“, beharrte Barbara und stand auf. Entschlossen funkelten ihre Augen.

Robin wollte erneut widersprechen, als auch Ben aufstand. „Herr, ich werde euch ebenfalls begleiten.“

Winnifred starrte hin und her gerissen den Boden an.

Auch Will schien in Gedanken versunken zu sein. Doch schon blickte er auf. „Es wird gefährlich werden, aber gemeinsam stehen wir das durch. Ich begleite dich auch.“

Robin sah zu Much und Little John. „Kommt ihr auch mit?“

Little John stand auf. „Nein, wir kehren in den Wald zurück. Irgendwann werden diese Männer verschwinden und wir können wieder in Frieden leben.“

Der junge Mann nickte zu und sah letztendlich Winnifred an. Er wusste nur zu gut, dass sie sich sorgte. „Winnifred“, sagte er so sanft, das sie aufblickte.

Ein zaghaftes Lächeln trat auf ihre Lippen. „Ich werde euch begleiten, wie früher.“

Barbara jubelte und sprang ihrer Schwester um den Hals, während Robin lächelnd zustimmte. Er wusste, dass ihre Reise gefährlich war, dennoch konnte er sich auf seine Freunde verlassen. „Wir werden noch heute Nacht aufbrechen. Ruht euch aus und bereitet euch auf die Abreise vor.“ Mit diesen Worten verließ Robin den Salon und informierte James und Betty über sein Vorhaben. Die beiden sollten sich in seiner Abwesenheit um das Anwesen kümmern. Danach betrat Robin sein Arbeitszimmer. Zielstrebig trat er an eine Wand und betrachtete den Bogen und auch den Köcher mit den Pfeilen. Lange hatte er diesen nicht mehr gebraucht, aber nun war es wieder an der Zeit. Der Frieden war vorbei.
 

„Schickt einen Boten aus. Sie sollen unverzüglich zurückkehren.“

„Sehr wohl, Sire“, ein Mann im Anzug verbeugte sich tief vor dem Prinzen. Dieser saß im Thronstuhl, ein Bein über die Armlehne baumelnd, und betrachtete seine Hände und auch den Siegelring, der an seinem Ringfinger thronte.

„Sagt ihnen, die Prinzessin ist wohlbehalten zurückgekehrt.“

„Natürlich, Sire“, wieder verbeugte sich der Mann unterwürfig.

„Und wenn wir ihren Unterschlupf ausfindig gemacht haben, lasst Ihr diesen zerstören, haben wir uns verstanden?“

Wieder verbeugte sich der Mann, allerdings mit zusammengekniffenen Lippen. Er wollte nicht verantwortlich für den Tod vieler unschuldiger Menschen sein. Dennoch blieb ihm keine andere Wahl. Leiser antwortete er schließlich. „Ja, Sire.“

In diesem Moment schwang die Flügeltür auf und Marian betrat den Thronsaal. Wütend und feindselig ging sie erhobenen Hauptes zum Thron. Sie war in eines ihrer Kleider gehüllt. Es hatte eine samtgrüne Farbe und schmiegte sich um ihren wohlgeformten Körper.

Nach ihrer Rückkehr im Schloss bat sie um ein Gespräch mit ihren Eltern. Sie bestand darauf Prinz Jean nicht zu heiraten. Als ihre Eltern ihr den Wunsch verwehrten, würde Marian ihn eben offensichtlich anfeinden. Irgendwann müssten dann alle sehen, dass sie sich für eine andere Zukunft entschieden hatte, als ihre Eltern ihr vorgaben.

Sie blieb vor dem Thron stehen und funkelte den Prinzen wütend an. Er saß auf dem Thron, anstelle ihres Vaters. „Was bildet Ihr euch eigentlich ein?“, fauchte sie.

Der französische Thronfolger richtete sich im Thron auf und nickte seinem Berater zu. „Ihr kennt eure Aufgabe!“

„Sehr wohl, Sire“, wieder eine Verbeugung vor dem Prinzen. Er drehte sich zu der Prinzessin um und verbeugte sich vor ihr ebenfalls tief. „Lady Marian“, verabschiedete er sich und verließ den Thronsaal.

„Es ist schön euch gesund und wohlbehalten wieder zu sehen“, verkündete Prinz Jean. Dabei stand er auf, strich sich mit seiner Hand durch sein blondes Schulterlanges Haar.

„Natürlich seid Ihr nur um mein Wohl besorgt“, erwiderte Marian voller Hohn.

Er ließ sich von ihren Anfeindungen nicht aus der Ruhe bringen und trat gelassenen Schrittes auf sie zu. „Was nützt mir eine Braut, die verletzt oder gar tot ist?“

„Was nützt euch eine Braut, die euch zutiefst verachtet?“, gab sie ihm bissig zurück. Sie wich nicht vor ihm zurück, auch wenn ihr seine Nähe nicht behagte.

Er blieb ganz nah vor ihr stehen und lächelte selbstgefällig. „Ich liebe die Herausforderung, Prinzessin.“

Sie funkelte ihn an, hielt seinem höhnischen Blick stand. Doch schon spürte sie, seine Finger, die ihr Kinn umfassten und fest hielten. Was auch immer er damit bezweckte, in Marian löste es nur Ekel aus. Sie liebte Robin und nur er durfte sie anfassen, küssen und ihr nahe kommen.

„Eure Augen sind so wunderschön, wenn ihr wütend seid. Schon bald seid Ihr die meine und ich freue mich auf diesen Tag.“ Er beugte sich zu ihr hinab, legte seine Lippen auf die ihren und schloss seine Augen.

Marian hingegen riss ihre Augen weiter auf. Er wagte es sie zu küssen. Diese Unverschämtheit ließ sie nicht währen. Sie biss ihm, so fest sie konnte, auf die Unterlippe.

Mit einem Schmerzenslaut löste sich Prinz Jean von ihr, schmeckte das Blut, welches aus seiner Lippe trat und hielt sich seine Finger an seine Unterlippe. Zuerst blickte er sie für den Bruchteil eines Augenblicks wütend an, ehe sein zorniger Blick in Erheiterung umschlug.

Marian hingegen wischte sich selbst über ihre Lippen um die Schande, die er über sie gebracht hatte, fortzuwischen. Mit blitzenden Augen beobachtete sie seine Reaktion.

„Ihr werdet nur noch anziehender.“ Er lächelte sie an, ging an ihr vorbei und verließ wenig später den Thronsaal.

Marian blieb zitternd vor Wut im nun leeren Thronsaal stehen.
 

Gemeinsam brachen sie in den Sherwood Forrest auf. Bruder Tuck führte die Gruppe an und ging zielstrebig auf den Waldrand zu. Die jungen Erwachsenen folgten ihm leisen Schrittes und jeder in eigene Gedanken vertieft.

Little John versuchte sich und seine Gedanken von Winnifred abzulenken. Seit er sie wieder gesehen hatte, drehten sich seine Gedanken nur um sie und ihre Schönheit. Er hatte ganz vergessen wie wunderschön sie war. Und nichts sehnlicher wünschte er sich die alten Zeiten herbei, wo sie noch zusammen sein konnten und glücklich waren.

Much ging neben seinem Chef, war allerdings mit dessen Entscheidung nicht einverstanden. Zu gern wollte er Marian retten. Er würde mit Robin und seinen Gefährten weiterziehen, wenn Little John sich weigern würde. Er wollte mit in den Kampf ziehen, auch wenn es heißen sollte, dass er sein Leben verlor. Aber davor schreckte er nicht zurück. Er spürte den kalten Gegenstand an der Brust und wollte ihn berühren, aber er tat es nicht. Er wollte keine Aufmerksamkeit erregen.

Robin trug ein grünes Hemd und eine grüne Hose, dazu braune Stiefel und einen braunen Gürtel an dem sein Dolch hing. Auf dem Rücken trug er den Köcher und seinen Bogen. Inständig betete er darum, dass Marian nichts zugestoßen war. Auch wenn er aus dem Brief ihre Beweggründe entnehmen konnte, so verstand er ihr Misstrauen nicht. Wieso vertraute sie sich ihm nicht an?

Will trug eine dunkelblaue Hose und dazu ein hellblaues Hemd. Er trug einen braunen Gürtel an dem ein Jagdmesser hing. Er hoffte wirklich, dass er es niemals im Kampf einsetzen musste, aber die Waffe diente zu seiner Sicherheit, wie auch zur Sicherheit seiner Schwestern. Er musste sie beschützen, er war verantwortlich für sie.

Barbara war ihrem ehemaligen Kleid lange schon entwachsen, dennoch hatte sie sich für ein farbenähnliches Kleid entschieden. Sie trug ein hellbraunes Kleid, mit langen Ärmeln, dennoch nicht bodenlang, sondern nur bis zu den Knöcheln. Ihre braunen Stiefel waren deutlich zu erkennen. Sie trug einen braunen Gürtel an dem ein Dolch befestigt war. Auch wenn ihr mit dieser Waffe unbehaglich zumute war, so wusste sie sich damit zu wehren. Sie blickte zu Ben, der neben ihr lief und ebenfalls einen Dolch an seiner Kleidung trug. Sie war ihm dankbar, dass er solche Gefahren auf sich nahm um ihrer Familie beizustehen.

Ben bemerkte ihren Blick und erwiderte diesen mit einem sanften Lächeln.

Auch Winnifred trug ein Kleid. Es war dunkelgrün und bodenlang mit langen Ärmeln, welche sie auch vor der Kälte der Nacht schützten. An ihrem braunen Gürtel hing ein Dolch. Da Little John direkt vor ihr lief, blieb ihr keine andere Wahl als auf den Boden zu blicken. Sie hatte ihn so lange nicht gesehen und war gerade dabei ihn zu vergessen, als er wieder in ihr Leben treten musste.

Sie gingen eine Weile schweigend durch den Wald, als sie Pferde traben hörten. Wer auch immer das war, sie kamen schnell auf die Gruppe zu.

Barbara, Ben, Much und Will sprangen hinter die seitlich gelegenen Büsche.

Bruder Tuck versteckte sich hinter einem Strauch. Robin suchte Deckung hinter einem Baum.

Ehe Winnifred entscheiden konnte wo sie sich verstecken sollte, fasste Little John sie an ihrer Hand und zog sie mit sich. Er hatte vor wenigen Metern einen Fels gesehen, in dem sie Schutz suchen konnten. Gerade noch rechtzeitig rutschten die beiden in die Mulde unter dem Fels, der ein Eingang zu einer Höhle war.

Schon trabten Pferde im Galopp vorbei. Der Boden bebte. Die aufschlagenden Hufe wirbelten Staub und Steine auf.

Winnifred hielt sich ihre Hände vors Gesicht, dennoch atmete sie den Staub ein und konnte sich nur mühsam einen Hustenreiz verkneifen.

Little John reagierte sofort, zog ihren Kopf fest an seine Brust um Winnifreds Atemwege zu schützen.

Die Reitergruppe zog vorüber, der Boden bebte nach. Die Gegend war mit Staub aufgewirbelt, aber die Klänge verstummten. Jemand trat auf den Felsen zu und kniete sich hin. „Seid ihr in Ordnung?“ Es war Will.

Winnifred löste sich von Little Johns drückender Umklammerung und nickte Will zu. Sie reichte ihm ihre zitternden Hände und er zog sie aus der Mulde.

Little John kletterte selbst hinaus.

Endlich konnte Winnifred laut husten. Der Staub hatte ihre Lungen extrem gereizt.

Robin und Bruder Tuck blickten sich ernst an. Langsam sammelten sich alle wieder zusammen. „Das waren sie. Sie suchen immer noch den Wald ab“, erklärte Robin.

„Wir müssen immer wieder damit rechnen, dass wir ihnen begegnen“, stimmte Bruder Tuck zu.

Alle nickten. Gemeinsam gingen sie weiter, jederzeit mit einer weiteren Begegnung rechnend.

Langsam stieg die Sonne auf und erhellte mit den ersten Strahlen ein Teil des Waldes. Mehr und mehr vertrieb sie die Finsternis.

Robins Gedanken kreisten um Marian und ihren Brief. Er konnte ihr Handeln nachvollziehen. Marian wusste um seine verantwortungsvolle Aufgabe. Es würde leicht sein, die Bürger von Nottingham gegen ihn aufzuhetzen, damit wäre seine Familie, seine Angestellten, sein Schloss in Gefahr. Andererseits hatte er ihr versprochen sie immer zu beschützen. Wieder mal hatte er versagt. Er dachte an die letzte Nacht zurück. Marian lag in seinen Armen, alles schien als würde es sich endlich zum Guten wenden. Nur dann ergriff sie die Flucht.

Inzwischen stand die Sonne schon über dem Horizont und ihre Strahlen begannen das Land zu erwärmen.

„Lasst uns einen Moment rasten und etwas essen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, verkündete Bruder Tuck und ließ sich auf die grüne Wiese nieder.

Barbara setzte sich zu dem Mönch und auch Winnifred war dankbar um eine kleine Rast. Will und Much setzten sich ebenso und streckten ihre Beine aus.

Robin, Little John und Ben blieben stehen.

„Setzt euch. Ein Päuschen wird euch ebenso gut tun“, bat Barbara und blickte dabei besorgt ihren treuen Freund an. Ben trat auf Barbara zu und setzte sich neben sie.

Robin war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkt hatte, wie er auf diese kleine Lichtung kam. Bruder Tuck war vorausgegangen und hatte die Gruppe zielstrebig angeführt. Er setzte sich zu seinen Freunden, während Bruder Tuck einen Teil des Proviants verteilte. Er zog den Brief aus seiner Hosentasche hervor und faltete ihn auf.
 

Geliebter,

wenn du diese Zeilen liest, bin ich bereits fort. Wie du bereits weißt, suchen mich diese Männer, aber nicht weil ich weggelaufen bin. Das ist ihnen gleichgültig. Ihnen ist mein kostbarstes Stück wichtiger, als mein Leben. Ich wollte deine Hilfe erbeten, aber du hast eine zu wichtige Aufgabe in Nottingham. Ich bringe es nicht übers Herz mich dir anzuvertrauen. Du bist in Gefahr, wenn ich bei dir bleibe und dir die Wahrheit erzähle. Ich kann es nicht zulassen, dass sie euer Schloss, dein zu Hause zerstören. Aus diesem Grund werde ich zurückkehren und mich ihnen alleine stellen. Hab Verständnis und folge mir nicht!

In Liebe Marian
 

Um welches kostbarste Stück ging es? Er überlegte. Konnte sie damit das goldene Kreuz meinen? Zu gut erinnerte er sich noch, welche Macht es besaß. Lord Alwine hatte mit seiner Hilfe fast Sherwood Forrest zerstört. Aber es war sicher versteckt. Er und Marian hatten es dem Wald geschenkt mit dem Versprechen immer für den Wald einzutreten. Schon stellte sich ihm die nächste Frage. Warum suchten die Kopfgeldjäger nach dem Kreuz? Woher wussten sie von seiner Existenz? Woher wussten sie, dass Marian wusste wo sich das Kreuz befand? War es überhaupt noch an seinem Ort?

Einem plötzlichen flauen Gefühl im Bauch folgend, sprang Robin auf. „Wir müssen sofort weiter!“ Schon lief er voraus.

Überrascht hielten alle inne, doch schnell war wieder alles verpackt und sie folgten Robin.

Bald hatten sie ihn eingeholt. Will fragte: „Wohin gehen wir?“ Er merkte sofort, dass sie vom Weg abkamen. Und er erkannte die Gegend wieder.

„Wir müssen nach dem Kreuz sehen“, erklärte Robin.

„Dem Kreuz? Du meinst, Marians goldenes Kreuz?“, hakte Winnifred verwirrt nach.

„Ja.“

Much zuckte zusammen. Instinktiv fasste er sich an die Brust. Dort spürte er den kalten Gegenstand auf seiner Haut.

„Aber es hat Marian. Nachdem wir Lord Alwine besiegt haben, hat sie es wieder an sich genommen“, behauptete Winnifred.

„Nein“, entgegnete Robin. Niemand wusste von Marians und Robins Versprechen. Niemand wusste, wo sie es versteckt hatten. „Wir haben es dem Wald überlassen.“ Zielstrebig folgte er dem Pfad.

Es dauerte nicht lange, dann trat er auf die Lichtung zu. Alle blieben stehen. Langsam trat Robin auf einen großen Baum zu. Er stellte sich vor ihn und legte seine Hand sanft auf die Rinde. Kurz schloss er die Augen, ehe er sie öffnete und die Baummulde erblickte. Er griff hinein, führte seine Finger immer tiefer hinein, aber das Kreuz konnte er nicht erfühlen. Er ertastete die Mulde aber sie war und blieb leer. Marian hatte das Kreuz entnommen, oder aber die Männer haben das Kreuz bereits in ihren Besitz.

Robin zog seine Hand zurück und blickte seine Freunde an. „Es ist nicht mehr da. Es ist weg!“

Stille.

„Wenn das Kreuz in die falschen Hände kommt, ist der Wald in Gefahr. Die Tragödie würde sich wiederholen“, rief Barbara verzweifelt aus. „Wir müssen es verhindern, Robin. Wir müssen das Kreuz finden!“

„Vielleicht hat Marian es bei sich. Es kann doch sein, dass sie es wieder um ihren Hals trägt“, vermutete Winnifred.

Robin wusste, dass dem nicht so war. Es wäre ihm aufgefallen, wenn sie das Kreuz um ihren Hals getragen hätte.

„Wenn die Kopfgeldjäger das Kreuz in ihrem Besitz haben“, mutmaßte Will, wurde von Barbara aber unterbrochen. „Woher sollten sie wissen, welche Macht es hat. Und was würden sie mit dem Kreuz wollen?“

„Das gilt es herauszufinden“, mischte sich Robin wieder ein. „Wir müssen Marian finden. Nur sie kann uns alles erklären.“

„Lasst uns sofort aufbrechen.“

„Ohne uns“, verkündete Little John, als die Gruppe aufbrechen wollte. „Much und ich kehren zur Sherwood-Bande zurück.“

Winnifred konnte diese Entscheidung nur recht sein. Bisher hatte sie Little John zu ignorieren versucht. Ob sie dies noch länger schaffen konnte, dem war sie sich absolut nicht sicher.

Much blickte seinen Chef an. „Ich werde sie begleiten!“

Wütend fixierte Little John seinen Kumpanen. „Wenn du unbedingt willst“, fauchte er und ging allein seines Weges.

„Jetzt ist Little John sauer“, stellte Barbara fest, aber Much zuckte nur mit seinen Schultern. „Der fängt sich schon wieder.“

Gemeinsam gingen sie ihren Weg.
 

Marian betrat den Thronsaal. Skeptisch trat sie zu ihren Eltern, bei denen auch Prinz Jean stand. Sie verbeugte sich vor ihren Eltern. „Ihr habt nach mir rufen lassen?“

Lord Lancaster stand auf. „Marian, mein Kind, es fällt mir schwer dich gehen zu lassen. Aber bei Sonnenaufgang wirst du mit Prinz Jean nach Frankreich reisen. Beim nächsten Vollmond findet die Hochzeit statt, der wir auch beiwohnen werden.“

Marians Augen wurden größer und größer. „Nein, Vater! Schick mich nicht fort. Ich werde ihn nicht ehelichen.“

Prinz Jean trat auf Marian zu. „Ihr werdet meine Gemahlin werden, mir Kinder schenken und in Frankreich leben.“

„Ich werde euch nicht ehelichen. Lieber sterbe ich, als die eurige zu werden!“

„Marian, schweig!“ Lord Lancaster stand auf. „Keine Widerworte. Bei Sonnenaufgang reist du ab.“

Marian funkelte Prinz Jean an. „Aber euer Hoheit, was ist mit dem Kreuz? Habt ihr vergessen, dass ihr das Kreuz sehen wolltet?“

Prinz Jean kniff seine Augen zusammen. „Ich weiß nicht, wovon ihr sprecht.“

„Ihr habt vergessen, wovon ich spreche? Ihr habt mich Tagelang bedrängt, es euch zu zeigen“, erwiderte Marian zuckersüß.

Lord Lancaster folgte der Unterhaltung mit Misstrauen. Mit einem Mal fiel ihm die Begegnung in der Bibliothek ein. Prinz Jean hatte Marian wirklich bedrängt. „Wozu wollt ihr das Kreuz sehen?“

Prinz Jean blickte den Lord an. „My Lord. Das Kreuz symbolisiert eure Familie.“

„Ich kenne die Sagen und Legenden um das Kreuz, Prinz Jean. Marian, warum zeigst du es ihm nicht?“

Marian ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ich habe es verloren. Auf meiner Flucht vor den Kopfgeldjägern.“

„Kopfgeldjägern?“ Lady Lancaster sprang auf.

Prinz Jean schritt ein. „Marian meinte meine Leibwache, Sire. Sie sind keine Kopfgeldjäger. Ich habe meine Wachen auf die Suche nach der Prinzessin geschickt.“

„Mit dem Auftrag mich zu töten“, keifte Marian.

„Natürlich nicht“, tat Prinz Jean entsetzt. „Wieso sollte ich euch töten lassen?“

„Das frage ich mich auch“, mischte sich Lord Lancaster ein. „Und du sagst, du hast das Kreuz verloren? Marian, wie konntest du nur so unachtsam sein. Prinz Jean, es ist mir unangenehm, wie meine Tochter euch behandelt.“

Prinz Jean lächelte. „Es muss euch nicht unangenehm sein. Sie ist ein Wildfang aber ich werde sie zähmen.“

Marian funkelte ihn bitterböse an.

Lord Lancaster nickte dem Prinzen zu. „Bereitet euch auf eure Abreise vor.

„Vater, nicht, bitte“, erwiderte Marian schockiert.

„Es ist alles gesagt“, erwiderte Lord Lancaster. Zwei Hofdamen traten ein und führten Marian in ihr Gemach.

Prinz Jean verneigte sich vor dem Lord und der Lady und zog sich ebenfalls zurück.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Traumschreiberin
2013-01-27T15:28:39+00:00 27.01.2013 16:28
Hi sunshine,

ich habe mich riesig gefreut, dass du nach so langer Zeit wieder ein neues Kapitel hochgeladen hast, da die Fanfic viel zu klasse finde, um sie unvollendet zu lassen, aber ich kenne das Problem mit der Schreibblockade auch nur zu gut. Jedenfalls fand ich das neue Kapitel wieder super und freue mich, hoffentlich bald die Fortsetzung zu lesen^^^

LG
Gwyn

PS: Ganz lieben Dank für deinen Kommentar zu meiner FF "Nur dem Herzen verpflichtet" ^^


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