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Eragon - Kind des Mondes

Murtagh x OC
von

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Gebunden

Es tut mir unendlich leid, dass es verflucht nochmal so lange gedauert hat, aber leider hatte ich während meiner freien Zeit den blödesten Einfall ever: One Piece anschauen. Und das Zeug suchtet, vor allem, wenn man über 200 Folgen vor sich hat -.-

Ich konnte mich einfach nicht überwinden, damit aufzuhören und weiterzuschreiben; ich bin schrecklich, ich weiß. Vor allem, weil ich auch noch so großspurig verkündet habe, dass ich jetzt massenhaft Zeit zum Schreiben habe >///<' (nie, nie wieder!!!)

Ich hoffe, ihr verzeiht mir und lest das hier trotzdem noch weiter. Zumindest eins kann ich euch versprechen: Ich schreibe ganz bestimmt an nichts Anderem, es sei denn, ich werde durch grobe Gewalt dazu gezwungen ;D Dieses Projekt wird nämlich mit höchster Priorität beendet ^-^ *ganz überzeugt nick*

Also, nach fast drei Monaten (zum Glück; hatte schon befürchtet, ein Vierteljahr schreiben zu müssen ^-^') viel Spaß mit dem neuen Kapitel:

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Arayas Körper versteifte sich augenblicklich ohne ihr Zutun. Viel zu viele unangenehme Begegnungen und schlechte Emotionen verband sie mit diesem Mann. Es war schon eine Weile her, seit sie ihn das letzte Mal in Person gesehen hatte, doch sowohl das qualvolle Abendmahl als auch Salihas durch ihn verursachter Tod waren ihr noch allzu gut in Erinnerung geblieben. Das Lächeln, das sein Gesicht zierte und ehrlich freundlich wirkte, verstärkte in ihr den Fluchtreflex nur noch. Sie wusste, dass von diesem Menschen niemals etwas Gutes ausgehen konnte.

Wie ein Vater, der seine lange verschollen geglaubte Tochter empfing, breitete Galbatorix großzügig seine Arme aus, begrüßte sie dagegen aber mit weit weniger höflichen Worten. „Endlich! Ich dachte, man hätte bereits jeder Bauerntochter beigebracht, dass man Könige nicht warten lässt.“ Sein Blick galt besonders ihr. Araya war klar, dass er auf ihre niedrige Abstammung anspielte, doch sie wusste nicht, ob er ihr mit seinen Worten absichtlich das Inferno Cyriannas vor Augen rief. Murtagh führte sie immer weiter auf den König zu, bis sie unmittelbar vor ihm zum Stehen kamen. Kaum waren sie angekommen, wandte er seine Aufmerksamkeit dem Drachenreiter zu.

„Deine Mission wird dich nach Belatona führen. Dort sollen einige Truppen dieses Varden-Packs gesichtet worden sein und ich möchte, dass du den dortigen Fürsten die Macht eines Königs in Erinnerung rufst. Weder du noch ich wollen sie auf dumme Gedanken bringen, nicht wahr?“ Ein grausamer Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, den Araya nur dahin deuten konnte, dass die herrschende Familie nicht mehr leben würde, sollten sie tatsächlich mit den Rebellen sympathisieren. Und dass Murtagh Strafe zu erwarten hatte, sollte es ihm nicht gelingen, die Fürsten von der Kooperation mit dem König zu überzeugen. Nachdem Murtagh seine Zustimmung mit einem Nicken kundgetan hatte – soweit man von Zustimmung sprechen konnte – wandte er sich wieder Araya zu.

Ein kalter Schauder schüttelte ihren Körper, als sie in seine kalten Augen sah. In Galbatorix‘ Gesicht zeichnete sich ein Schmunzeln ab, als wüsste er darum, und dieser Eindruck verstärkte das widerwillige Gefühl in ihrer Seele nur noch. Aus den Augenwinkeln bemerkte Araya, wie Murtagh ihr einen besorgten Blick zuwarf, doch sie konnte und wollte es nicht wagen, ihn ihrerseits zu beruhigen. Dafür hätte sie dieses Ungeheuer aus den Augen lassen müssen. „Murtagh hat darum gebeten, dich mitnehmen zu dürfen. Das stellt uns vor neue Herausforderungen.“ Erst verstand sie nicht, worauf er hinauswollte, doch sie musste gar nicht darüber nachdenken. Viel zu sehr suhlte Galbatorix sich in seiner für ihn unerschütterlichen Macht. „Murtagh selbst ist nicht in der Lage, von mir zu fliehen. Ich nahm ihm den Schwur ab, es niemals zu versuchen.“

Eine Bewegung zu ihrer Linken ließ sie zu besagtem Drachenreiter sehen. Murtagh hatte den Kopf gesenkt, sodass Schatten seine Augen verbargen. Araya konnte nur vermuten, was es für ihn bedeutete, derart an diesen Mann gefesselt zu sein. Doch als sie einen Blick in sein Gesicht erhaschte, erkannte sie die Wahrheit in seinem Blick. Er hatte anscheinend gehofft, dass sie dieses Detail niemals erfahren würde, denn es zeichneten sich Verlegenheit und Hoffnungslosigkeit in seiner Mimik ab. „Mir ist klar“, fuhr Galbatorix ungeachtet des Austausches zwischen den beiden fort, „dass ich dir nicht das Gleiche aufzwingen kann. Dennoch gilt es, deine Flucht zu verhindern.“

Erstaunt sah Araya auf. Glaubte der König wirklich, sie würde Murtagh hier allein mit ihm zurücklassen? Sie hatte ihm ein Versprechen gegeben. Und selbst wenn nicht: Er war ihr ein lieber Freund geworden und sie hatte nichts zu verlieren. Selbst, wenn es ihr Leben kosten würde, sie ließe ihn hier nicht allein zurück. Doch Galbatorix selbst schien das Verständnis für solche Gefühle zu fehlen.

„Die beste Möglichkeit, das zu bewerkstelligen, würde wohl sein, dich daran zu hindern, Murtagh zu entkommen“, stellte er schließlich klar, dann veränderte sich plötzlich sein Blick. Araya spürte einen Ruck durch sich selbst gehen und sah verunsichert zu Murtagh, der wohl dasselbe Gefühl verspürt hatte, denn er starrte den König nahezu panisch an. Als er den Blick seines Dieners bemerkte, entrang sich Galbatorix ein kaltes Lachen. „Hast du gedacht, ich lasse dieses Mädchen ohne Vorsichtsmaßnahmen durch das Imperium streifen?“ Er hob ihr die Hand entgegen, doch bevor Araya zurückweichen konnte, hielt er bereits ihr Kinn unbarmherzig in seinem Griff und hinderte sie so daran. „Dafür ist sie viel zu kostbar“, hauchte er und sah ihr mit einer Intensität in die Augen, die sie bisher bei noch keinem Menschen erlebt hatte. Sein Blick ließ kurz von ihr ab, doch die Erleichterung, die sie dabei empfand, verschwand sofort, als sie sah, dass er Murtagh aus den Augenwinkeln fixierte. Trotzdem konnte sie sich nicht vom Gesicht des Königs abwenden. „Und dass du sie mir ja unversehrt zurückbringst!“, befahl er mit einem scharfen Ton, dann ließ er sie los.

„Ihr seid nun aneinander gebunden, solange, bis jemand den Zauber aufhebt. Es wird euch nicht möglich sein, euch allzu weit voneinander zu entfernen.“ Mit einem beklemmenden Gefühl blickte Araya zu Murtagh. Sie war noch nie verzaubert gewesen, sah man einmal von dem Vorfall mit ihrer Stimme ab. Doch der junge Drachenreiter beruhigte ihren Geist nicht, sondern schürte ihre Angst nur noch weiter. Er versuchte es zu verbergen, doch Araya sah die Bestürzung und das Entsetzen in seinen Augen. Sie konnte den Blick nicht mehr von ihm abwenden, selbst, als der König sich wieder bewegte. Doch dieses Mal näherte er sich Murtagh. „Sieh mich an!“, befahl er ihm und er hob ohne Zögern den Kopf. Araya vermutete stark, dass er gar keine andere Wahl hatte, als zu gehorchen, doch die Gefühle waren aus seinen Augen verschwunden. Stattdessen zeichnete sich in ihnen eine Leere ab, bei der ihr graute.

Der König hob beide Arme und führte sie zu Murtaghs Schläfen. Araya erkannte sofort, was er im Begriff war zu tun, und zögerte nicht, dagegenzuhalten. Gerade, als Galbatorix‘ Finger auf Murtaghs Haut trafen, war auch sie mit ihrem Geist bei ihm und bat um Einlass. Murtaghs Blick schoss zu ihr und seine Augen zeugten von Angst, doch sie wandte sich nicht von den seinen ab und sah ihm fest und entschlossen entgegen. Dann öffnete sich sein Geist. Araya erkannte einen kurzen Augenblick Überraschung in Galbatorix‘ Miene, als er Murtaghs Geist so offen vor sich liegen sah, doch der Ausdruck verschwand in dem Augenblick namenloser Wut, als Araya selbst in die Gedanken des jungen Drachenreiters eindrang und ihn mit ihrem eigenen Geist schützte.

Dem König bot sich die gleiche, undurchdringliche Mauer zur Schau, die ihn ebenfalls daran hinderte, in den Geist seiner Gefangenen Einblick zu erhalten. Rasend vor Wut ließ er von seinem Diener ab. Araya fürchtete keine allzu harte Strafe, immerhin hatte er in seiner grenzenlosen Selbstüberschätzung vor wenigen Minuten noch zugegeben, sie selbst sei äußerst wertvoll für ihn. Trotzdem breitete sich wie schon zuvor ein Schauder der Angst in ihrem Körper aus, als Galbatorix sich ihr zuwandte. Seine mächtige Präsenz allein erschien ihr wie ein kalter, schwarzer Nebel, der sie einhüllte und erstickte, und seine Wut verstärkte in ihr diesen Eindruck noch. Sie konnte sich bildlich vorstellen, wie ihr Gesicht jetzt aussah: Der Ausdruck eines verschrecktes Rehes, das gerade dem tödlichen Pfeil eines Jägers entkommen war, zierte ihre Augen.

Galbatorix baute sich in seiner vollen Größe vor ihr auf, so nah, dass sein Schatten ihre Gestalt bedeckte. Sie sah, wie er mit sich rang, um seine Wut im Zaum zu halten, und das feurige und doch eiskalte Funkeln in seinen Augen. „Du warst das also damals“, zischte seine Stimme mehr als sie sprach und erinnerte sie damit an eine Schlange kurz vor dem Angriff. Eine, die tödliches Gift mit sich trug.

„Vor fünf Tagen war Murtagh bei dir. Ich habe genau verspürt, dass ihr eure Gedanken miteinander geteilt habt, doch trotzdem konnte ich über den Geist dieses Nichtsnutzes nicht in den deinigen eindringen!“, er betonte einige Worte so eindringlich, dass er seine Wut nicht einmal mit einer erhobenen Stimme besser hätte zum Ausdruck bringen können; sie fuhren tief in ihren Körper und bildeten einen eiskalten Klumpen in ihrem Magen, der ihr Übelkeit verursachte.

Vor sechs Tagen war Saliha gestorben; vor fünf hatte sie sich wieder mit Murtagh versöhnt. Sie erinnerte sich an den kurzen Stich, den sie zwischen den sich anbahnenden Erinnerungen bemerkt hatte, und konnte ihn jetzt endlich zuordnen. Schon damals hatte sie Murtagh unwissend abgeschirmt und so verhindert, dass Galbatorix teil an diesem Ereignis hatte. Diese Erkenntnis flößte ihr etwas Mut ein, schmolz damit ein kleines Stück dieses Gefühls in ihrem Bauch und gab ihr ein wenig Kraft, sich zu behaupten. „Ich fürchte, deine sogenannte Macht ist nicht halb so groß, wie du vielleicht denkst!“

Der Ausdruck in den Augen des Königs veränderte sich ebenso schnell, wie er zuvor wütend geworden war. Mit nie gekannter Furcht wurde Araya der Mordlust gewahr, die kalt in den Augen des Mannes brannte und sich nur schwer zurückhalten konnte. Doch sie würde es sich nicht nehmen lassen, ihr wehzutun. Und obwohl sie das wusste, konnte sie nichts Anderes tun, als bewegungslos vor Galbatorix zu stehen und ihm starr in die Augen zu sehen.

Schneller als dass sie es hätte wahrnehmen können, holte er mit seiner rechten Hand aus und ließ sie mit gewaltiger Kraft auf ihre linke Wange niederfahren. Ihr Kopf wurde nach rechts geworfen, und Araya spürte, wie sie sich in die Wange biss und das Blut ihren linken Mundwinkel herunterlief. Der jähe Schmerz, der durch ihren Körper zuckte, vertrieb die vorher so lähmende Angst und weckte Instinkte in ihr, von denen sie noch nicht einmal gewusst hatte, dass sie sie besaß. Mit starren Augen und stechendem Ausdruck hob sie dem König unversehens den Blick empor. Sie vermochte nicht zu sagen, woher diese Gedanken kamen, doch plötzlich wusste sie genauso selbstverständlich, dass er kein Recht hatte, sie zu schlagen, dass sie ihm ebenbürtig und nicht unterlegen war, wie sie wusste, dass sie sich das nächste Mal wehren würde. Wenn nötig solange, bis einer von ihnen starb.

Galbatorix mochte von ihren Gedanken nichts ahnen, doch er bemerkte die Veränderung in ihr – nicht zuletzt, weil sie ihm ohne Furcht auch ihre Art die Stirn bot –, und für einen kurzen Augenblick meinte sie, Angst in seinen Augen zu sehen. Doch als nichts weiter geschah, verschwand die Ahnung wieder und ein siegessicheres Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Araya jedoch wich nicht zurück.

Murtagh beobachtete die Situation, die letztendlich nur wenige Sekunden andauerte, mit wanderndem Blick und ebenso erschrocken wie besorgt, doch schließlich blieben seine Augen an ihr haften; das spürte sie an dem Kribbeln, das durch ihren Körper zog. „Ihr verschwendet Zeit“, verkündete Galbatorix schließlich mit derselben sanften Stimme, mit der er sie begrüßt hatte, als sie diesen Raum betreten hatten. „Geht endlich!“

Murtagh kam dem Befehl sofort nach, doch Araya wusste nur zu gut, was er dem König vermutlich alles hatte schwören müssen – ein weiteres Beispiel hatte sie gerade erfahren – und das war fraglos, jedem seiner Befehle Folge zu leisten. Er ging zu Araya und ergriff ihr Handgelenk, und mit dieser Berührung waren auch diese unbekannten Gefühle verstreut und ließen sie wieder frei. Wie aus einem Traum erwachend, wandte sie Murtagh langsam ihr Gesicht zu und sah ihn an. Der Drachenreiter zog bestimmt an ihrem Arm, zog sie ein kurzes Stück hinter sich her und holte sie so wieder vollständig zu sich zurück.

Obwohl sie ihm nun selbstständig folgte, ließ er ihre Hand nicht los, selbst, als sie den Thronsaal verlassen hatten und durch die menschenleeren Gänge des Schlosses gingen. Erst durch ein Straucheln ihrerseits verlangsamte Murtagh seinen Schritt, sodass sie neben ihm laufen konnte. Vorsichtig musterte sie ihn aus den Augenwinkeln. Die Stille zwischen ihnen war ihr unbehaglich, vor allem, da ihre Gemüter zuvor noch voller Freude und Glück gewesen waren … zumindest galt das für Araya.

„Ist alles in Ordnung?“, sprach sie ihn schließlich unsicher an. Augenblicklich blieb Murtagh auf dem Gang stehen und schaute starr nach vorne. Betreten senkte Araya den Kopf. Es war also nichts in Ordnung. Noch bevor sie erneut ansetzen konnte, um die seltsame Stimmung zwischen ihnen zu brechen, spürte sie eine behandschuhte Hand an ihrem Kinn, die ihren Kopf sanft nach oben führte. Erst dachte Araya, Murtagh wolle sei dazu bringen, ihm in die Augen zu schauen, doch schließlich wandte er ihren Kopf ein Stück nach rechts, sodass er sich ihre Wange ansehen konnte.

„Das hättest du nicht tun sollen“, seufzte er schließlich und fuhr sachte mit der anderen Hand an ihrem Kinn entlang. Als er die Finger wieder fortnahm, erkannte sie ihr Blut darauf. „Du wusstest, was geschehen würde, wenn du ihn derart gegen dich aufbringst.“ Bei diesen Worten setzte sich ihr Starrsinn durch, den ihre Mutter mit allen Mitteln hatte vertreiben wollen. Natürlich hatte er auf eine gewisse Weise Recht; sie hatte gewusst, dass sie mit Folgen zu rechnen hatte, aber …

„Was redest du da? Das eben war ein Sieg“, erwiderte sie mit fast kindlich-trotziger Stimme. Es ärgerte sie ein wenig, dass Murtagh ihr Verhalten einfach als gedankenlose Dummheit abtat. Doch der bittere Zug, der um seinen Mund Gestalt annahm, besänftigte sie wieder ein wenig. „Ich sehe es nicht gerade als Sieg, geschlagen zu werden“, entgegnete er schließlich stur und wandte den Blick ab. Obwohl er die Augen abgewandt hatte, konnte sie dennoch die Niedergeschlagenheit in ihnen sehen.

Araya akzeptierte, dass er sich Sorgen um sie machte, doch sie konnte ihn nicht mit diesen Gefühlen allein lassen, die das Gespräch mit Galbatorix offensichtlich in ihm hervorgerufen hatte. „Er hat mir damit Recht gegeben. Und das bedeutet, er hat Angst.“ Ihre Worte schienen ihm klarzumachen, dass es ihm nicht gelungen war, sich zu verbergen, denn er wandte ihr schnaubend den Rücken zu. „Galbatorix ist nicht so unbezwingbar, wie du ihn immer darstellst!“, setzte sie mit Nachdruck hinterher und lief um ihn herum, sodass sie vor Murtagh stand und ihn auf eine sanftere Weise als er vorhin zwang, ihr in die Augen zu sehen.

Einen Seufzen entwich dem Drachenreiter und er hob langsam wieder den Kopf. „Ich hoffe es“, murmelte er so leise, dass sie es kaum verstand, und lief dann an ihr vorbei den Gang weiter hinunter. Araya folgte ihm, ohne zu protestieren. Dieses Treffen mit dem König hatte ihn verstört; da musste sie nur an den entsetzten Ausdruck in seinem Gesicht denken, als er eröffnet hatte, ihre Flucht verhindern zu wollen.

Sie fragte sich, was ihn an diesem Zauber so aus der Bahn geworfen hatte. War es, dass sie nun aneinander gefesselt waren und das gewiss einige Unannehmlichkeiten mit sich bringen würde, oder hatte der Drachenreiter ihr schon wieder etwas verschwiegen. Vielleicht etwas, das ihm Hoffnung gegeben hatte und nun zunichte gemacht worden war?

Araya starrte auf Murtaghs Rücken, der sich Stück für Stück weiter von ihr entfernte, während sie darüber nachdachte. Er hatte seinen Schritt wieder beschleunigt und schlug schon fast fluchtartig die richtigen Wege in den unzähligen Gängen ein. Er wollte sie wohl meiden, um weitere unangenehme Gespräche zu vermeiden; und Araya konnte sich nicht einmal selbst glaubhaft versichern, ihn nicht beständig darauf anzusprechen.

Die Entscheidung, ihm seinen Freiraum zu lassen oder zu ihm aufzuholen und ihn mit ihren Vermutungen zu konfrontieren, wurde ihr schlagartig abgenommen, als ein heftiger Ruck durch ihr Inneres ging, an ihrem Herzen zog und es so kurz ins Stolpern brachte. Sie wurde nach vorne gezogen, wodurch sie stolperte und auf den Granitboden fiel. Murtagh war sofort stehengeblieben, als ihr Körper ihr den Dienst verweigert hatte, doch Araya konnte ihn kaum beachten. Sie rang nach Luft, ihre Brust schmerzte und sie hustete, weil sie befürchtete, zu ersticken, während sie ihre Hand auf ihr Herz presste.

Erst, als Murtagh ihr behutsam eine Hand auf den gekrümmten Rücken legte, beruhigte sie sich langsam wieder. „Ganz ruhig. Das war Galbatorix‘ Zauber“, erklärte er ihr mit besänftigender Stimmlage und bewegte seine Hand dabei auf und ab. Natürlich, sie hatte immerhin gerade in diesem Augenblick darüber nachgedacht. Doch sie hatte nicht damit gerechnet, dass es solche Auswirkungen haben würde. Nur schwerfällig kam Araya wieder auf die Beine; sie spürte immer noch den Schock über ihr plötzlich stockendes Herz. Sie löste ihre Hand von ihrer Brust und sah Murtagh ins Gesicht, der versuchte, zu lächeln. Doch sie sah die Sorge in seinem Blick.

„Ein ziemlich heftiger Schlag in die Magengegend, nicht wahr?“, bemühte sich der Drachenreiter zu scherzen, und Araya konnte nur mühsam verhindern, dass das Entsetzen, das ihren Körper übernahm, sich auch in ihrer Mimik widerspiegelte. Zögerlich nickte sie, woraufhin Murtagh ihre Hand nahm und sie langsam in Richtung Hof zog. Sie erkannte jetzt, wo sie waren.

Sie hatte den Druck, den Murtagh als »Schlag« bezeichnet hatte, deutlich an ihrem Herzen verspürt – und sie war sich sicher, zwischen ihrem Brustkorb und ihrem Bauch unterscheiden zu können. Dennoch musste der Drachenreiter ihrer Meinung nach nicht wissen, dass sie anscheinend an verschiedenen Punkten ihrer Körper verbunden waren. Wie er schon sagte, verspürte der Drachenreiter den Schmerz im Magen, Araya selbst traf es wohl an einer viel unangenehmeren Stelle. Doch Murtagh schien zu glauben, dass sie denselben unerwarteten und heftigen Schmerz wie er verspürt und ihn einfach nur schlechter vertragen hatte. Und das war gut so …

„Wie genau reisen wir eigentlich nach …“, begann Araya immer noch etwas atemlos zu fragen, doch sie stockte, da ihr der Name der Stadt entfallen war. Murtagh warf ihr noch einen prüfenden Blick zu, bevor er ihr ohne Umschweife antwortete: „Wir reiten nach Belatona.“ Obwohl sie ein zustimmendes Geräusch machte, schwand doch ihre Hoffnung, sich einmal etwas weiter von Urû‘baen zu entfernen. Betrübt dachte sie an die Reittiere in Drakon-Ryuu … Belatona konnte nicht allzu weit entfernt sein.

Sie erreichten schließlich denselben Hof, den sie besucht hatten, als Araya das erste Mal Shruikan getroffen hatte. Dort wartete Dorn auf sie und begrüßte seinen Reiter mit einem tiefen Brummen, das aus seiner Kehle aufstieg und in seinem Körper vibrierte. „Auf Dorn“, setzte Murtagh schließlich nach, indem er auf den Drachen deutete. Ihre Augen weiteten sich. Das war unmöglich. Sie konnte doch nicht auf ihm reiten! Murtagh war … nun, sie wusste nicht genau, was er für Dorn war, aber immerhin war er mit ihm verbunden. Sie dagegen …

Sie wollte gerade den Mund öffnen, um zu protestieren, als er ihr unbeabsichtigt das Wort abschnitt. „Komm her, du kannst mir mit dem Sattel helfen.“ Er bewegte seine Hand in einer auffordernden Geste und sie lief zu ihm und nahm ihm das Gebilde aus Leder ab, das er unter den Arm trug. Schließlich faltete er es auseinander und warf den Sattel über Dorns Rücken, dort, wo der Hals in den Oberkörper überging und die Stacheln eine kleine Lücke bildeten. Während Murtagh mehrmals um den Drachen herumging, um verschieden lange und breite Riemen um Dorns Bauch und Brust zu binden, stand Araya erstarrt vor dem Drachen, der sie unentwegt anstarrte.

„Es wäre mir eine Ehre, mit dir fliegen zu dürfen, Drache Dorn“, brachte sie schließlich so leise heraus, dass es fast unter den metallischen Geräuschen der zusammenschlagenden Schnallen an den Gurten unterging. Der Drache hätte sie jetzt auch genauso gut in ein Häufchen Asche verbrennen können – unbedeutender konnte sie sich im Moment nicht fühlen. Doch es war nicht Dorn, der ihr schließlich antwortete.

„Das geht schon in Ordnung“, rief Murtagh und veranlasste sie damit, zu ihm zu sehen. Er strich sich gerade mit einer Hand das Haar aus der Stirn, in der anderen hielt er ein kleines Bündel Kleidung. Das Geräusch von Leder auf Schuppen ließ sie schließlich wieder zu Dorn blicken, der nur schnaubte, als sein Reiter ihr die Erlaubnis gab, auf seinem Rücken zu reisen. Er streckte sich wie eine Katze, sodass die Riemen ein wenig über seine rubinroten Schuppen schabten, als würden sie so eine bequemere Position für den Drachen einnehmen. Als er anscheinend zufrieden war, blickte er Murtagh ungeduldig an.

Der Drachenreiter erwiderte den Blick seines Drachen, doch dann griff er in das Bündel und holte etwas daraus hervor. „Hier, steck dein Haar darunter. Es ist besser, wenn man nicht gleich sieht, dass du eine Frau bist.“ Er reichte ihr eine Mütze und Araya folgte, ohne nach genaueren Gründen zu fragen. Sie drehte ihr Haar mit der Hand provisorisch ein und zog die Mütze von hinten darüber. Zweifellos sah es jetzt so aus, als hätte sie kurze Haare wie ein Junge. Ohne Vorwarnung wurde ihr etwas von Murtagh über den Kopf gezogen, woraufhin sie erst verwundert erstarrte, dann jedoch mithalf. Sie packte es am Kragen und zog es sich endgültig über die Mütze auf ihren Hals. Erleichtert atmete sie aus, als ihr Gesicht nicht mehr von Stoff bedeckt wurde.

Bei einem näheren Blick auf das, was sie jetzt vor dem seichten Wind, der im Hof wehte, schützte, erkannte sie einen Mantel. Er reichte beinahe bis zum Boden und hatte eigentlich nur die Gestalt einer Decke, die man dank einer Aussparung für den Kopf besser überziehen konnte. „Oben wird es ziemlich kalt werden. Ich dachte mir, das sei besser, als uns mit einem Zauber warmhalten zu müssen“, erklärte Murtagh sein Verhalten und ging dann schließlich zurück zu Dorn.

Du machst dir vielleicht Gedanken um ihre Gesundheit!, spottete der Drache und entblößte seine scharfen Fänge. Araya blieb augenblicklich stehen, da sie es als Drohgebärde auffasste, beruhigte sich jedoch wieder, als Murtagh mürrisch etwas von Lachen murmelte. Mit viel Fantasie und gutem Willen könnte man tatsächlich ein Grinsen in dieser Gebärde erkennen, stellte sie fest und trat schließlich neben die beiden. Murtagh warf ihr noch einen kurzen Blick zu, bevor er mit viel Kraft, den letzten Gurt – es sollte wohl eine Art Halteriemen für die Beine sein – festzog und Dorn daraufhin kurz zuckte. Der Gurt baumelte jetzt genau vor seinem Vorderlauf.

„Ducke dich ein wenig, dann kann ich Araya besser auf deinen Rücken heben!“, befahl Murtagh Dorn, der dem recht widerwillig nachkam, doch sie vermutete, dass er seinen Reiter einfach nicht noch weiter reizen wollte. Die vorhergehende Aktion war eigentlich vollkommen unnötig gewesen, doch Murtagh hatte wohl ein Ventil für seine Frustration gebraucht. Und sie glaubte, dass Dorn das verstand und es deshalb hinnahm.

Verunsichert beobachtete Araya, wie Murtagh schließlich hinter sie trat und sie mit seinem Körper noch etwas enger an den Drachen trieb, wollte sie nicht mit ihm zusammenstoßen. Als er es für nah genug empfand, umfasste er ihre Taille und hob sie mit beiden Armen hoch, während er ihr befahl, die Beine anzuziehen. Ohne große Schwierigkeiten kam sie dem nach, bis ihre Waden ihre Oberschenkel berührten. Auf diese Weise waren ihre Beine jetzt beinahe über Dorn. „Halt dich am Sattel fest und schwing ein Bein darüber. Und pass auf die Stacheln auf!“, instruierte er sie weiter und Araya schloss mit zittrigen Händen ihre Finger um eine lederne Schlaufe direkt vor ihr. Dann streckte sie ihr rechtes Bein aus und führte es über Dorns Rücken. Unversehens ließ Murtagh sie los und sie saß in einem Sattel, der auf dem Rücken eines Drachen befestigt war.

Sie konnte immer noch nicht fassen, in solch eine Situation geraten zu sein. Murtagh stieg nicht, wie von ihr erwartet, unverzüglich vor oder hinter ihr auf – obwohl Araya vor ihr viel lieber gewesen wäre –, sondern platzierte ihre Füße erst links und dann rechts in am Reitsitz befestigte Steigbügel, bevor er ihre Beine zusätzlich mit den Riemen, die er vorhin noch gekürzt hatte, darin festschnallte.

„Aber … willst du nicht lieber auf dem vorderen Teil des Sattels sitzen?“, vergewisserte sie sich, als Araya begriff, was Murtagh tat. Er schnallte sie hier am Sattel fest, damit sie nicht von Dorn während des Fluges stürzen konnte. Das lederne Gebilde bot zwar genügend Platz für zwei Personen, jedoch nur eine solche Halterungsvorrichtung. „Du könntest doch fallen!“ Murtagh ließ sich nicht beirren und zog an ihrem rechten Bein die letzten Gurten fest.

„Meine Beine sind kräftig genug, um mich mit den Waden auf Dorns Rücken zu halten; selbst, wenn er kopfüber fliegen sollte. Und außerdem“, mit einem kräftigen Ruck zog er den letzten Riemen an seinen angestammten Platz und ließ von ihrem Bein ab, „würde Dorn mich notfalls auch aus der Luft auffangen. Mach dir keine Sorgen.“ Als der Drache spürte, dass sein Reiter mit den Vorbereitungen fertig war, erhob er sich aus der zu Boden geneigten Position und trat ungeduldig von einem Bein auf das andere, während Murtagh noch einige Satteltaschen an den Gurten befestigte, sodass das Gewicht gleichmäßig auf den Seiten verteilt war*. Araya war diese schaukelnden Bewegungen nicht gewohnt – die Reittiere Drakon-Ryuus hatten nicht die Angewohnheit, nur zwei Beine zu belasten – und fühlte sich etwas unwohl, als ihr Gewicht erst nach hinten verlagert wurde, dann nach vorn und schließlich wieder in die Ausgangsposition.

Dorn wandte seinen Kopf ein wenig zu ihr, sodass sie in eines seiner vor Schalk blitzenden Augen sehen konnte. Manchmal hasste sie den guten Geruchssinn vieler Tieren, der ihnen erlaubte, menschliche Stimmungen untrüglich zu erkennen. Im Gegensatz zu dir. Kein Drache mit Verstand und Stolz würde ein Weib wie dich aus der Luft fangen!, ergänzte er Murtaghs Satz in seiner gewohnten, fast unausstehlichen Art und spreizte die Flügel weit aus, nachdem Murtagh hinter ihr aufgesessen hatte.

„Na, wenn ich dir nicht irgendwann einmal das Gegenteil beweise!“, murmelte sie fast lautlos in ihrem Verdruss, dass Dorn sie wohl noch immer nicht recht leiden konnte und sich nach wie vor einen Spaß daraus machte, sie zu verunsichern und sich über sie lustig zu machen. Ihre Worte verhallten jedoch in dem Getöse, das um sie herum losbrach, als Dorn sich unversehens vom Boden abstieß und begann, mit seinen Flügeln zu schlagen. Der dabei entstehende Wind wirbelte beinahe ihre Mütze hinfort, doch Araya wollte die am Sattel befestigte Schlaufe vor ihr nicht loslassen. Immerhin wäre es sicher gefährlicher, gegen einen von Dorns Stacheln zu fallen als offen als Mädchen erkannt zu werden.

Schließlich hielt Murtagh sie mit einer Hand fest, während er mit der anderen um sie herumgriff und sich ebenfalls am Sattel festhielt. Obwohl er sich notfalls wohl nur mit seinen Beinen auf Dorns Rücken halten konnte, wollte er das Schicksal anscheinend nicht herausfordern. Der Drache stieg mit kreisenden Bewegungen immer weiter in den Himmel. Das Geräusch der Flügel, die die Luft zerschnitten, drückte in Arayas Ohren, ebenso wie der schnelle Höhenanstieg.

Angespannt schluckte sie, um den Schmerz zu vertreiben und warf einen prüfenden Blick nach unten. Urû‘baen wirkte immer noch majestätisch groß, obwohl sie schon eine beachtliche Höhe erreicht hatten. Gleichermaßen wunderte sich Araya, wie hoch Dorn noch steigen wollte, denn er flog immer noch in einer aufwärtsgerichteten Spirale um den Palast, sodass er sich wie in einem Strudel drehte. Sie konnte der Göttin im Moment nur dafür danken, dass sie sich nicht vor großen Höhen fürchtete. Sonst wäre sie hier oben verrückt geworden vor Angst.

Schließlich riss Araya ihren Blick vom Boden los und sah stattdessen in den Himmel. Als sie gerade glaubte, die Wolken tatsächlich berühren zu können, drehte Dorn ab und verlagerte sein Gewicht in einen Gleitflug. Mit weit ausgebreiteten Flügeln, die ein flaches V bildeten, verharrte er beinahe an Ort und Stelle. Sie hob eine Hand, um in die weich anmutenden Massen über ihr einzutauchen, da bewegte Dorn sich plötzlich abermals und flog eine enge Linkskurve, die ihr einen schnellen Schrei entlockte.

Obwohl sie am Sattel festgebunden war, schlang sich auf einmal Murtaghs Arm – der, der die Mütze gehalten hatte – um ihre Mitte und hielt sie beruhigend fest an Ort und Stelle. Der Drache unter ihnen schlug einige Male mit den Flügeln und setzte dann dazu an, über die Landschaft zu gleiten. Dorn kam unter ihr beinahe völlig zum Stillstand, nur einige Male schlug er mit seinen Schwingen, um keine Höhe zu verlieren und die Geschwindigkeit, mit der sie flogen, zu halten*2.

„Geht es wieder?“, fragte Murtagh hinter ihr. Araya drehte sich, so gut es ging, zu ihm um und nickte. Langsam ließen ihre verkrampften Finger die Schlaufe des Sattels los. „Ja“, antwortete sie etwas verspätet. „Das schlimmste hast du hinter dir. Wir bleiben jetzt hier oben bis zur Landung. Du kannst dich also ruhig etwas entspannen und den Flug genießen.“ Murtagh nahm den Arm von ihrer Taille, was in Araya wieder einen Anflug von Angst weckte. Sofort schloss sie zumindest eine Hand wieder um den sicheren Griff.

Sie beschloss, Murtaghs Rat zu befolgen, und sah sich von Dorns Rücken aus um. Sie flogen immer noch über Urû‘baen hinweg, und das erste Mal sah sie das ganze Ausmaß der Stadt. Auf einem etwas höhergelegenen Hügel thronte geradezu das alte, aber ehrwürdige Schloss Galbatorix‘ und zeugte von dem Reichtum, der hier möglich war. Darum aufgereiht, den abschüssigen Berghang bedeckend und durch eine niedrige, blendend weiße Mauer vom Bürgertum abgeschirmt, drängten sich Villen dicht an dicht, sodass man das Gefühl hatte, auf ein riesiges zusammensetzbares Bild zu schauen – die Zäune um die meist seltsam geformten Grundstücke sahen aus wie gezahnte Ränder.

Das Bürgerviertel reichte bis zur hohen, von der Witterung beschädigten und ergrauten Stadtmauer. Die Dächer waren zwar nicht so eben bedeckt wie im offensichtlichem Adelsviertel, doch man sah einigen von ihnen den Wohlstand an, den ihnen ihr Handwerk einbrachte. Eng an den Außenrand des Schutzwalles gedrängt, wohnten die Armen, die sich nur ein Haus aus verwittertem Holz aufbauen konnten, weil ihnen entweder die Mittel oder das Können gefehlt hatten, um sich feste Behausungen zu schaffen oder sogar in der Stadt selbst Fuß zu fassen.

Als Dorn Urû‘baen mit ein paar Flügelschlägen hinter sich ließ, konnte sie das weite, grüne Land vor sich sehen, durchzogen von einem Fluss, an dem sich kleine Dörfer scharten – einfache Bauern und Viehzüchter; und es erinnerte sie fast schmerzhaft an Cyrianna und ihr Zuhause. Murtagh schien ihrem Blick gefolgt zu sein, denn als ihre Augen an dem glitzerndem Wasser hängen blieben, erklärte er: „Das ist der letzte Ausläufer des Ramr.“

Araya riss ihren Blick von den träge dahinfließenden Massen los und wandte sich wieder zu Murtagh um. „Er sieht friedlich aus. Genauso wie die Dörfer.“ Sein Gesicht verfinsterte sich unvorhergesehen und er schaute ebenfalls auf die kleinen Dörfer nieder. „Das täuscht. Zu dieser Jahreszeit fließt der Fluss recht träge dahin, doch im Sommer und Herbst, wenn die Schmelzen richtig einsetzen, ist er ein reißendes Ungeheuer und ohne Brücken kaum zu überqueren.“

„Klingt, als hättest du Erfahrung darin“, erwiderte sie unbekümmert, doch sie fragte sich, ob ihn die Erinnerung an den Fluss so verbittert stimmte, oder ob er damit auf etwas Anderes anspielte. Vielleicht meinte er ebenfalls die Dörfer, die ruhig an dem unbeständigen Fluss lagen. Wenn Murtagh und ihr eigenes Volk so unter Galbatorix‘ Gewalt zu leiden hatten, wie fühlten sich dann die Bürger mit solch einem König? Es herrschte Krieg; das war immer auch eine Zerreißprobe für die Bevölkerung und deren Glauben in die Macht ihres Staates. Und oftmals litten die zurückgebliebenen Familien mehr, als die an der Front kämpfenden Soldaten. Für Araya war Galbatorix ein Tyrann, doch sie wusste nicht, wie es in den Köpfen der Menschen Alagaësias aussah.

Murtagh berührte sie behutsam am Arm, als sie eine Weile nachdenklich auf die vorbeiziehende Landschaft vor sich gestarrt hatte. „Ich wollte dich nicht bekümmern“, setzte er bedauernd nach und sah sie zurückhaltend an. Allein um seinetwillen brachte sie ein Lächeln zustande. „Das hast du nicht“, besänftigte sie ihn; und gleich darauf konnte sie dabei zusehen, wie Erleichterung in Murtaghs Gesicht trat. Das war ihr die kleine Unwahrheit wert. Auch er sollte einmal das kleine Bisschen Freiheit genießen, dass sie im Moment teilten.

„Aber …“, setzte sie schließlich doch nach und sah unsicher aus den Augenwinkeln auf Dorns Hinterkopf. Murtagh machte ein fragendes Geräusch, anscheinend, um sie nicht unnötig zu unterbrechen, doch sie zögerte trotzdem noch eine Weile. Letztendlich brachte sie es mit einem Seufzen hinter sich. „Wir fliegen zwar noch nicht lange, doch … Wann werden wir in Belatona ankommen?“, beendete sie ihre begonnene Frage. Ihr war nicht besonders wohl so hoch über dem Boden. Die Höhe selbst bereitete ihr zwar keine Angst, allerdings stellte sie es sich nicht allzu angenehm vor, einige Tage auf Dorn zu bleiben.

Murtagh schien zu wissen, woran sie dabei dachte, denn er sah sie einigermaßen mitleidsvoll an. „Wir werden erst am späten Abend dort ankommen“, erwiderte er, wollte sie aber sogleich ablenken, indem er in eine der Satteltaschen griff und etwas hervorholte. „Ist zwar nicht die beste Lösung, aber du könntest dir die Zeit mit essen vertreiben.“ Kaum hatte er die Lebensmittel, die er mitgenommen hatte, ausgepackt – etwas Gebäck wie Kekse und kleine Törtchen, außerdem einiges Obst, das sicher verdürbe, wenn es nicht gegessen würde, und tatsächlich auch ein paar Fladen –, begann ihr Magen unmissverständlich klarzumachen, dass er Essen für eine hervorragende Idee hielt.

Als Murtagh begann zu lachen, wurde Arayas Gesicht brennend heiß. „Ich dachte mir schon, dass du Hunger bekommen würdest, als du heute Morgen kein richtiges Morgenmahl zu dir nahmst. Außerdem müssen wir ja auch einigermaßen bei Kräften bleiben.“ Mit diesen Worten griff er nochmals in eine der Taschen, nachdem er ihr den hölzernen Behälter gegeben hatte, der in ein wunderschönes Tischtuch eingewickelt und in unterschiedlich große Fächer unterteilt war.

Unbewusst folgte ihr Blick seiner Hand, um zu sehen, was er noch so hervorzauberte, als ihr ein Glanz unter der Satteltasche auffiel. Murtagh holte zwei Wasserschläuche hervor, doch ihr Blick war von dem Edelstein gefesselt, der an einer Art Griff befestigt unter dem Leder hervorschaute. „Was ist das?“, fragte sie, noch bevor Murtagh auch nur versuchen konnte, ihr den Schlauch zu übergeben, und deutete so gut es ihr möglich war auf die Satteltasche hinter Murtagh. Leider saßen sie ziemlich dicht beieinander, sodass sie sie zwar sehr gut sehen, aber nur schwer ihren Arm weit genug drehen konnte, um eindeutig eine Richtung zu bestimmen und dabei nicht gleichzeitig Murtagh zu treffen.

Der Drachenreiter schien jedoch sofort zu wissen, was ihre Aufmerksamkeit gefangen hatte. Er griff hinter sich und zog ein Schwert in einer blutroten Scheide unter den Taschen hervor. Der Glanz entpuppte sich als ebenfalls roter Edelstein. Sie musste nicht erst fragen, um zu wissen, dass es Murtagh gehörte. Diese Scheide hatte beinahe die gleiche Farbe wie Dorns Schuppen. Sie war nur um einige Nuancen heller. „Das ist Zar’roc.“ Sie erinnerte sich daran, dass er ihr gegenüber von dem Schwert seines Vaters erzählt hatte. Das erst sein Bruder besaß und welches er ihm nach einen Kampf abnahm. Dem er die Narbe auf seinem Rücken verdankte.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du es nach allem, was damit verbunden sein muss, nutzt“, gestand sie und musterte das Schwert nun mit anderen Augen. Daran klebte Blut; doch auch, wenn man das von den meisten behaupten konnte … An diesem Schwert klebte auch Murtaghs Blut – das Blut seines Besitzers. Auf seinem Gesicht breitete sich ein höhnisches Lächeln aus. „In Ermangelung anderer Alternativen: Ja.“

Araya gab ein nachdenkliches Geräusch von sich, dann griff sie mit einer Hand nach der Scheide des Schwertes und nahm es zu sich nach vorne auf den Schoß. Murtaghs Hand folgte der Klinge ein Stück weit, doch dann ließ er sie gewähren und sah ihr über die Schulter. Doch als sie es zwei Handbreit aus der Scheide zog und die Klinge, die tiefrot – beinahe wie angetrocknetes Blut – schimmerte, berühren wollte, langte er um sie herum und hielt ihre Hand fest. „Nicht! Zar’roc bringt den Menschen nichts als Kummer.“ Mit diesen Worten löste er ihre Finger sanft von dem Schwert, schob die Klinge zurück und nahm es ihr ab. Beinahe hastig verstaute er es außerhalb ihrer Reichweite. Als hätte er Angst davor, ihr könnte allein durch die Berührung mit diesem unheilversprechenden Schwert etwas zustoßen.

Seine Verhalten als nicht änderbar hinnehmend – vielleicht war es sogar Aberglaube, obwohl dieser Gedanke Murtagh sicher nicht gefallen würde –, widmete sie sich wieder den Köstlichkeiten, die er in weiser Voraussicht mitgenommen hatte. Sie flogen mittlerweile sicher schon eine Stunde, wenn nicht mehr, und das karge Mahl am Morgen machte sich langsam aber sicher bemerkbar. Obwohl Murtagh im Gegensatz zu ihr einiges mehr gegessen hatte, aß auch er. Sie musste lächeln, als sie an seine stoische Ruhe dachte, obwohl sie im Drachenhort wie auf heißen Kohlen gesessen hatte.

Nachdem beide gesättigt waren, war kaum noch etwas von dem Essen übrig. Der Drachenreiter bemerkte das mit einigem Erstaunen, doch die frische Luft weckte in Araya Lebensgeister, die in den geschlossenen Räumen des Schlosses geschlafen hatten; und diese weckten ihren Appetit. Schließlich ging sie dazu über, sich die Zeit zu vertreiben, indem sie sich mit dem Terrain Alagaësias vertraut machte. Mit großem Interesse musterte sie den Boden, die Flüsse, Seen und Berge.

Als Murtagh auch langweilig zu werden schien, begann er, ihr über besondere Orte des Kontinents zu erzählen, sobald sie in Sicht kamen. Dorn flog weiterhin gemächlich dahin und unterbrach sie nicht ein einziges Mal. Die Ruhe von dem Drachen verwunderte Araya zwar, aber vielleicht war er ebenfalls glücklich über diesen Ausflug und hielt seine ironische Natur deswegen zurück. Nachdem sie Murtagh eine Weile gelauscht hatte, wandte sie ihren Blick wieder in die Richtung, in die sie flogen und sah ein langes, glitzerndes Band am Horizont. Sie erkannte sofort, dass es Wasser war, doch sie erwartete einen Fluss oder ähnliches zu sehen. Als sie zwei Stunden später noch näher kamen, erkannte sie schließlich, was es war.

„Ein See! Ein riesiger See!“, rief sie aus. Das Wasser bedeckte den gesamten Horizont und funkelte einladend im hellen Sonnenlicht. Es war ein wunderbarer Anblick von so hoch oben und er entlockte Araya ein fröhliches Lachen. Murtagh sah ebenfalls nach vorn und erkannte, was sie gesichtet hatte. „Das ist der Leona-See. Er ist mit Abstand der größte in ganz Alagaësia“, erklärte er in gewohnter Manier wie auch die anderen Auffälligkeiten der Landschaft. „Er ist wunderschön“, hauchte Araya und konnte ihre Augen nicht davon losreißen. Das Wasser war sicher von der Sonne erwärmt, und es war Ewigkeiten her, dass sie an einem See gewesen war.

Ein Seufzen hinter ihr ließ sie aufhorchen, und dann änderte Dorn plötzlich seinen Kurs. Anstatt ein einem sehr flachen Winkel auf den See zuzufliegen, sodass sie erst sehr weit im Süden tatsächlich über ihm sein würden, hielt der Drache nun auf direktem Wege darauf zu. „Dann können wir uns auch gleich neuen Proviant in Dras-Leona besorgen, während du dir den See ansiehst“, sagte Murtagh resigniert, doch das konnte Arayas Freude nicht trüben.
 


 

*Eine kleine Anmerkung: Man denkt sich ja, so ein Drachenreiter würde sein Haus (oder Schloss) niemals ohne sein Schwert verlassen … Denkste -.-

Mitten im Schreiben vom Start fällt mir mal so auf: Ups, Araya ist das Schwert an Murtaghs Hüfte gar nicht aufgefallen … also ist da auch keins o.O

Naja, denke ich mir, dann hat er es eben unter die Satteltaschen gepackt, da fällt’s halt nicht so auf …

Jaaaa, wenn man Satteltaschen am Sattel mitgenommen hätte xD
 

*2Stellt euch Dorn mal vor: Meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir haben nun unsere Reiseflughöhe von 1000 Metern erreicht und begeben uns in Richtung unseres Reiseziels Belatona mit einem kleinen Zwischenstopp in Dras-Leona, um Proviant aufzutanken. Wir reisen mit einer Geschwindigkeit von circa fünfzig Kilometern pro Stunde. Es weht ein stetiger Wind von Südosten her und die Temperaturen betragen um die fünf Grad Celsius. Es ist Ihnen nun gestattet, mitgebrachte Speisen zu verzehren und die Aussicht zu genießen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt und würden es begrüßen, wenn Sie auch das nächste Mal wieder mit Air Dorn fliegen würden. Guten Tag.

Ich hab schon verrückte Ideen, oder? xD



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