Fasziniert starrte Sonea die kleine Wasserkugel in ihrer Hand an und brachte sie dazu, sich langsam um sich selbst zu drehen. Es hatte mehrerer Versuche bedurft, bis sie den Dreh raus hatte, wie man Wasser beschwor, und noch mehr Übung, bis die dieses in eine Kugel formen und halten konnte. Aber ihre Mühen wurden mit dem Anblick des in der Sonne glitzernden Wasserballs belohnt, den sie ganz alleine mithilfe ihrer Magie erschaffen hatte.
Lächelnd zog sie die Kugel in die Länge, bis das Wasser die Form eines Kegels annahm. Dann wollte sie eine Pyramide formen und glättete die Rundungen-
„Amüsierst du dich?“ Mit einem kleinen Aufschrei spritzte das Wasser in alle Richtungen, als ihre Konzentration unterbrochen wurde und sie die Kontrolle über das Element verlor. Ein leises Lachen war hinter ihr zu hören und sie drehte sich zu dem Missetäter um.
„Dorrien!“ Sie war sich nicht sicher, welches Gefühl momentan überwog: der Frust über ihre verlorene Wasserkugel und ihre nassen Roben oder die Freude, ihn nach langer Zeit wiederzusehen.
„Du scheinst das Wasser gut zu beherrschen“, lobte er sie und sie war augenblicklich besänftigt. Lächelnd beschwor sie die kleine Wasserkugel aufs neue und sagte leise, ohne die Augen davon abzuwenden:
„Es fasziniert mich. Wasser kann hübsch, aber auch furchteinflößend sein. Es kann die Rettung für einen Menschen bedeuten, oder aber seinen Tod herbeiführen. Es ist unabdingbar für jegliche Form von Leben, aber tödlich wenn es in Übermaßen kommt.“
Dorrien betrachtete die junge Frau nachdenklich. Sie erstaunte ihn immer wieder, sei es durch ihre überragenden magischen Fähigkeiten oder durch ihren scharfen Verstand. Mit keinem davon rechnete man bei einem Mädchen, das in den Hüttenvierteln geboren und aufgewachsen war. Aber vielleicht war genau ihre Herkunft die Erklärung?
Er schüttelte den Kopf, was ihm einen fragenden Blick von Sonea einheimste, den er ignorierte. Es war schwieriger, ihr Wesen und ihre Denkweise zu verstehen, als er angenommen hatte. Aber er würde es irgendwann schaffen, wenn sie ihn ließ.
Er schuf seine eigene Wasserkugel, die um einiges größer war als die von Sonea, und ließ sie auf seinem Finger kreisen wie einen Ball.
„Hast du schon einmal Wasserball gespielt?“ Sie schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. Natürlich hatte sie noch nicht, und das wusste er ganz genau. Er grinste.
„Fang!“ Damit schoss er ihr seinen Wasserball zu. Überrascht ließ sie ihre eigene Kugel fallen und griff reflexartig nach dem Ball, der daraufhin zerbarst und sie komplett durchnässte. Dieses Mal war der Blick, den sie ihm zuwarf, eindeutig verärgert. Er lachte nur und sie stemmte die Hände in die Hüften, was sicherlich bedrohlicher gewirkt hätte wenn sie nicht ausgesehen hätte, als ob sie gerade aus einem Wasserbecken geklettert wäre.
„Was soll das?!“ Er hob beruhigend die Hände und versuchte, sein Lachen zu unterdrücken. Er wollte ihren Ärger nicht auch noch schüren.
„Du musst den Ball mit deiner Magie fangen. Das ist eine gute Übung, um deine Kontrolle zu verfeinern“, erklärte er und Sonea nickte nachdenklich.
„Wenn das so ist...“ Plötzlich grinste sie. „Dann fang!“ Damit schoss sie gleich drei Bälle auf ihn, von denen er die ersten zwei noch problemlos auffing. Der letzte und größte allerdings wich zur Seite aus, als er mit seiner Magie danach greifen wollte, und knallte dann gegen seinen Kopf, wo er zerbarst. Prustend wischte er sich die tropfenden Haare aus dem Gesicht, dann bedachte er Sonea mit seinem bösesten Blick, was diese allerdings gar nicht mitbekam, da ihre größte Sorge momentan darin bestand, genug Luft zwischen ihren Lachern in die Lunge zu bekommen.
„So willst du es also haben... Damit kann ich gerne dienen!“ Damit schickte er einen ganzen Hagel an kleinen Wasserkugeln zu ihr rüber, die sie unmöglich alle fangen konnte, selbst wenn sie nicht gerade von ihrem Lachanfall abgelenkt war. Sie kreischte, als die erste Kugel sie traf und warf sich die Arme über den Kopf, aber diese boten nur wenig Schutz vor dem Ansturm an Geschossen.
Da Verteidigung in dem Fall nutzlos war, setzte sie auf Angriff und begann nun ihrerseits Dorrien mit einer ganzen Armada an Wasserkuglen zu bombardieren. Dieser hatte nicht so früh mit einem Gegenangriff gerechnet und wurde von den ersten Kugeln voll getroffen, bis er geistesgegenwärtig einen Schild hochzog. Nicht, dass es ihm noch irgendetwas nutzte; er war ohnehin schon bis auf die Unterwäsche durchnässt, genau wie Sonea, die mittlerweile ihren eigenen Schild gebildet hatte.
Das zur Wasserschlacht ausgeartete Wasserballspiel ging so lange weiter, bis keiner von beiden mehr genug Magie besaß, um auch nur einen Tropfen Wasser heraufzubeschwören. Lachend und außer Atem setzten sich beide auf eine Bank in der Nähe, um sich kurz zu erholen.
„Ich glaube, ich mag Wasserball“, meinte Sonea grinsend und schüttelte den Kopf, so dass Dorrien mit Wasser besprinkelt wurde. Er tat es ihr gleich und sie hob protestierend die Arme.
„Ich auch.“ Eine Weile saßen sie in angenehmer Stille da, dann seufzte Sonea und stand auf.
„Ich sollte langsam zurück.“ Dorriens Miene verhärtete sich.
„Ist es dir etwa verboten, Zeit mit deinen Freunden zu verbringen?“ Sie zuckte mit den Schultern.
„Nein, aber ich muss noch Hausaufgaben erledigen.“ Das besänftigte ihn und er lächelte.
„Als ob du das nötig hättest.“ Sie lächelte und winkte ab.
„Selbst Genies wie ich müssen ab und zu an ihren Fähigkeiten feilen“, meinte sie gespielt großspurig und Dorrien schüttelte grinsend den Kopf.
„Komm, du Genie, ich bringe dich zurück.“ Er nahm sie bei der Hand und sie ließ ihn gewähren. Sie redeten über ihre Fortschritte und über Dorriens Arbeit, vermieden aber, auf den Hohen Lord zu sprechen zu kommen. Als sie bei seiner Residenz angekommen waren, drehte sich Dorrien zu Sonea und strich ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Sonea...“ Er beugte sich vor, aber sie drehte den Kopf zur Seite, so dass seine Lippen ihre Wangen streiften. Enttäuscht trat er einen Schritt zurück und sie wich seinem Blick aus.
„Tut mir Leid, aber ich kann das nicht.“ Er nickte verständnisvoll, auch wenn es ihm schwer fiel. Er konnte nicht von ihr verlangen, auf ihn zu warten, wenn sie sich vielleicht zwei Mal im Jahr sahen.
„Schon in Ordnung,“ meinte er tapfer und rang sich ein Lächeln ab. „Aber wir sehen uns doch morgen, oder?“ Sie sah auf und nickte mit einem schwachen Lächeln.
„Klar.“
„Dann bis morgen.“ Sie winkte ihm zu, als er ging. Als er aus ihrem Sichtfeld verschwand, drehte sie sich seufzend zu der Tür, die dem Eingang in die Höhle des Löwen glich, und trat ein. Um sich direkt dem Löwen gegenüber zu befinden. Sie verbeugte sich.
„Guten Abend, Hoher Lord.“ Er nickte ihr zu.
„Guten Abend, Sonea. War dein Schultag heute lehrreich?“ Sie nickte, schwieg aber ansonsten. Er musterte ihre pitschnassen Roben und hob eine Augenbraue, als er die Pfütze sah, die sich langsam unter ihr bildete.
„Du solltest dich besser umziehen, bevor du dich erkältest.“ Sie nickte wieder und machte sich auf zu ihrem Zimmer, froh, seiner Präsenz entkommen zu sein. So sah sie nicht das kleine Lächeln, das sich auf Akkarins Gesicht schlich, bei der Erinnerung, wie er in seiner Novizenzeit Wasserball mit Lorlen gespielt hatte. 'Wir waren nicht viel trockener geblieben.'
Mit einem Kopfschütteln verscheuchte er die Erinnerungen. Es gab wichtigeres zu tun, als längst vergangenen Zeiten nachzuhängen.
„Takan, bereite für heute Nacht alles vor. Es ist wieder an der Zeit.“
