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Angriff ist die beste Verteidigung

von

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Teil 1 - Kapitel 4

Say "I am wonderful"
 

by CarpeDiem
 

4
 

Etwas kitzelte Akihito an der Wange und sein Kopf ruckte ein Stück zur Seite, um dieser störenden Empfindung auszuweichen. Bis vor einem Augenblick hatte er tief und fest geschlafen, aber langsam kam sein Bewusstsein zurück an die Oberfläche. Wieder spürte er etwas; dieses Mal kitzelte es ihn an der Nase und Akihito hob eine Hand, um was auch immer ihn aufgeweckt hatte, zu verscheuchen. Im nächsten Moment war es jedoch schon wieder da und Akihito spürte eine raue, feuchte Zunge, die ihm über die Wange leckte.
 

Mit einem leisen Lachen hob Akihito wieder seine Hand und öffnete gleichzeitig die Augen. Über sich sah er eine weiße Katze, die ihn aus runden, blauen Augen heraus neugierig anblickte und dann wieder ihren Kopf senkte, um an ihm zu schnuppern. Die langen, weißen Schnurrhaare kitzelten Akihito dabei erneut auf der Haut.
 

„Das kitzelt", gluckste er leise und wollte sich aufsetzen, doch das war keine so gute Idee und er bereute es bereits im nächsten Augenblick, als ein stechender Schmerz durch seinen Kopf fuhr.
 

Akihito hob eine Hand an seine Stirn wo seine Kopfschmerzen definitiv am schlimmsten waren. Seine Finger berührten ein großes, glattes Pflaster und er zog seine Hand mit einem schmerzhaften Aufstöhnen wieder zurück. Anscheinend hatte er eine ziemlich große Beule am Kopf.
 

Erst jetzt registrierte Akihito wo er sich befand und er drehte den Kopf, um sich umzusehen. Er war in einem großzügigen, modern eingerichteten Wohnzimmer und lag auf einer breiten, schwarzen Ledercouch. Dort wo sein Kopf gelegen hatte, war ein kleines, dunkelblaues Handtuch ausgebreitet worden. Draußen vor dem Fenster, das sich auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes befand, war es bereits hell und er sah sich nach einer Uhr um. Über der Tür, die in einen kleinen Gang hinaus führte, wurde er fündig. Es war halb zehn.
 

Stirnrunzelt fragte sich Akihito wie er hier gelandet war, und wo genau hier überhaupt war. Er hatte diese Wohnung noch nie zuvor gesehen und das letzte, an das er sich erinnern konnte war, dass er eine Bierflasche auf den Kopf bekommen hatte.
 

Die weiße Katze, die ihn vorher aufgeweckt hatte, saß auf dem gläsernen Couchtisch und beobachtete jeder seiner Bewegungen. Als Akihito eine Hand nach ihr ausstreckte, schmiegte sie ihren Kopf an seine Finger und Akihito streichelte über das weiche Fell.
 

„Und wer bist du?", fragte Akihito leise und natürlich hatte er nicht mit einer Antwort gerechnet, was ihn erstaunt den Kopf drehen ließ, als er eine Antwort auf seine Frage bekam.
 

„Spot! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du auf dem Tisch nichts zu suchen hast?"
 

Im Türrahmen stand der blonde Mann, den Akihito gestern in dem Club getroffen hatte, und der genau genommen daran schuld war, dass Akihitos Kopf Bekanntschaft mit einer Bierflasche gemacht hatte. Er trug Jeans und T-Shirt und hatte eine Hand in die Hüften gestemmt, aber er wirkte eher amüsiert als sauer.
 

Mit ein paar Schritten durchquerte er das Zimmer und hob Spot mit einer Hand vom Tisch in die Luft. Einen Moment lang sah er den Kater mit schief gelegtem Kopf an und Spot gab daraufhin ein herzzerreißendes Miau von sich, was seinem Besitzer ein leises Lachen entlockte. Danach setzte er den Kater wieder auf dem Boden ab und Akihito sah ihm nach, als er aus dem Zimmer lief. Jetzt war ihm auch klar, warum der Kater Spot hieß, denn er hatte einen einzelnen, schwarzen Fleck auf dem Bauch.
 

Dann wandte sich der Mann an Akihito.
 

„Da bist du ja wieder. Wie geht's dir? Ist die schwindlig oder schlecht?"
 

Akihito schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab nur fürchterliche Kopfmerzen."
 

Der Mann nickte und stellte ein Glas Wasser, das er in der anderen Hand gehabt hatte, auf den niedrigen Glastisch. Daneben legte einen Streifen eingeschweißter Tablette.
 

„Gut, du hast keine Gehirnerschütterung. Hier, gegen die Kopfschmerzen. In zehn Minuten sollte es besser werden."
 

Akihito schwang vorsichtig die Beine von der Couch und versuchte seinen Kopf nicht allzu sehr zu bewegen, als er sich hinsetzte. Dann griff er nach den Tabletten. Der Rückseite des Streifens zufolge, waren es Schmerztablette und Akihito drückte eine davon aus dem Plastik, bevor er nach dem Glas Wasser griff und die Tablette schluckte.
 

Der blonde Mann hatte sich währenddessen ihm gegenüber auf die andere Ledercouch an der Wand gesetzt.
 

„Wo bin ich?", fragte Akihito, nachdem er das Glas wieder abgestellt hatte und musterte den anderen neugierig. Im Gegensatz zu vergangener Nacht in dem Club hatte er seine blonden Haare mit einem Haargummi im Nacken zusammengebunden, was allerdings nicht besonders gut funktionierte, da sie nicht lang genug waren. Die Strähnen, die ihm herausgefallen waren, schob er sich mit den Fingern hinters Ohr, bevor er Akihito antwortete.
 

„In meiner Wohnung. Ich dachte mir du würdest wohl nicht sehr begeistert sein, wenn ich dich ins Krankenhaus bringe, also hab ich mich selbst um deine Verletzung gekümmert. Es hat zwar ganz schön geblutet, aber Kopfwunden bluten immer ziemlich stark. Der Schnitt war nicht tief, also sollte das Pflaster seinen Zweck ganz gut erfüllen. Dein T-Shirt kannst du allerdings vergessen."
 

Akihito hob erneut eine Hand und betastete vorsichtig seinen Kopf. Seine Haare waren noch etwas feucht, aber es war Wasser und kein Blut. Erst jetzt bemerkte er auch, dass das T-Shirt, das er anhatte, nicht ihm gehörte. Allerding ergab der Anfang dieser Erklärung keinerlei Sinn für Akihito.
 

„Warum dachtest du, dass ich nicht ins Krankenhaus will?", fragte Akihito, was den Blonden dazu brachte ihn verständnislos anzusehen und dann die Stirn zu runzeln.
 

„Das Tattoo auf deinem Handgelenk", antwortete er, als ob diese Tatsache vollkommen offensichtlich wäre und Akihitos Blick zuckte zu seiner rechten Hand.
 

Auf der Oberseite seines Handgelenkes waren immer noch die hellen Schatten des Tattoos zu sehen, mit dem Feilong ihn als sein Eigentum gekennzeichnet hatte, als er in Hong Kong gewesen war. Die gewundene Schlange war nicht mehr so dunkel, wie sie es damals gewesen war, aber sie war immer noch deutlich zu erkennen.
 

Nachdem Asami ihn zurück geholt hatte, war er mit Akihito in ein Tattoostudio gegangen, um das Tattoo entfernen zu lassen, aber solch eine Prozedur erstreckte sich über mehrere Behandlungen. Die Farbpigmente wurden mit Laserstrahlen zerstört und dann vom körpereigenen Immunsystem abgebaut. Akihito war bis jetzt drei Mal dort gewesen, aber die Baishe Schlange war immer noch auf seinem Handgelenk zu sehen. Der Kerl in dem Studio hatte gesagt, dass es bei einem frischen Tattoo länger dauerte, da noch sehr viel Farbe vorhanden war und Akihito wohl mit bis zu zehn Behandlungen rechnen musste, zwischen denen jeweils vier Wochen liegen sollten. Mit jedem Mal wurde das Tattoo heller, bis es schließlich ganz verschwunden sein würde und obwohl die Behandlung verdammt schmerzhaft war, sehnte Akihito den Tag herbei an dem er nicht länger Feilongs Zeichen auf seiner Haut tragen würde.
 

Normalerweise versuchte Akihito das Tattoo mit Fingerhandschuhen zu verstecken, aber als er vergangene Nacht in diesen Club gegangen war, hatte er gedacht, dass ein langärmliges T-Shirt die Schlange ausreichend verbergen würde.
 

Akihito ballte seine Hand zu einer Faust und versuchte das Tattoo mit seiner anderen Hand zu verdecken, was jedoch im Grunde vollkommen sinnlos war. Als er den Kopf wieder hob, sah er, dass seinem Retter dieser Versuch, das Tattoo zu verbergen, keineswegs entgangen war. Als Akihito ihn feindselig ansah, hob er abwehrend die Hände.
 

„Hey, das geht mich nicht das Geringste an und es interessiert mich auch nicht. Weder woher du es hast, noch warum du es dir entfernen lässt. Aber ich kenne mich in dieser Welt ziemlich gut aus und daher weiß ich, was das ist."
 

Akihito bedachte den Blonden mit einem misstrauischen Blick. Er sah nicht aus wie ein Yakuza und auch nicht wie ein Mitglied der chinesischen Triaden. Zumindest war er keiner von den üblichen Anzugträgern mit den Kanonen unter den Jacketts und er machte auf Akihito auch nicht den Eindruck, als wäre er Geschäftsmann, wie Asami. Allerdings hatte er dem Kerl in dem Club eine ziemliche Lektion verpasst und seine Erfahrung mit Feilong hatte Akihito gelehrt, dass man Leute niemals nach ihrem äußeren Anschein beurteilen durfte.
 

Als Akihito nicht antwortete, stand der Blonde auf und sah ihn auffordernd an.
 

„Hast du Hunger? Komm mit, ich hab gerade Frühstück gemacht", sagte er, bevor er das Wohnzimmer verließ, ohne darauf zu warten, ob Akihito ihm folgen würde oder nicht.
 

Akihito sah ihm einen Moment lang nach, entschied sich dann aber dafür nicht sofort zu verschwinden. Der Kerl schien ganz in Ordnung zu sein, auch wenn Akihito ihn nicht wirklich einordnen konnte. Immerhin hatte er ihn mitgenommen und sich um die Wunde gekümmert, obwohl er keinerlei Grund dazu gehabt hatte. Jemand, der einem anderen half, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten, konnte kein schlechter Mensch sein.
 

Akihito stand so vorsichtig er konnte auf, aber obwohl er immer noch ein dumpfes Pochen an seiner Stirn spürte, hatte die Schmerztablette seine Kopfschmerzen weitgehend verschwinden lassen. Dann verließ er das Wohnzimmer und wandte sich nach links, wo er durch die offene Tür bereits die Küche sehen konnte.
 

Die Wohnung war großzügig angelegt, aber nicht so übertrieben wie Asamis Apartment. Zumindest war sie größer, als seine eigene, aber das war auch keine große Kunst. Die Küche war ebenfalls sehr modern und westlich mit viel Glas und Metall eingerichtet worden und Akihito ließ sich auf einen der roten Hocker fallen, die als Küchenstühle dienten. Er beobachtete den Blonden dabei, wie er mit einem Pfannenwender Spiegeleier auf zwei Teller verteilte und die Pfanne anschließend in die Spüle stellte. Dann kam er mit den Tellern an den rechteckigen Tisch und stellte einen vor Akihito, während er sich ihm gegenüber setzte und zu essen begann, nachdem er reichlich Wochestersauce auf seinen Eiern verteilt hatte.
 

Akihito musste zugeben, dass die Spiegeleier wirklich gut aussahen und jetzt, da er sie vor sich stehen hatte, bekam er tatsächlich Hunger. Er aß ein paar Bissen, aber so einfach wollte er sich nicht bestechen lassen. Er hatte immer noch mehrere Fragen an seinen Retter und vor allem wollte er wissen, warum dieser Typ ihm geholfen hatte. Niemand tat irgendetwas um sonst.
 

„Warum hast du mir diesen Kerl gestern vom Leib gehalten? Nicht, dass ich nicht dankbar dafür bin - obwohl ich mit dem auch allein fertig geworden wäre - aber du hast dir damit nur Ärger gemacht."
 

Der Blonde trank einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Er verzog das Gesicht und druckste etwas herum, bevor er Akihito schließlich antwortete.
 

„Naja, weil das Ganze im Grunde meine Schuld war."
 

„Wieso das denn?", fragte Akihito verwirrt.
 

„Du bist geschubst worden, deshalb hast du diesen Kerl angerempelt, erinnerst du dich?"
 

Akihito nickte, immer noch nicht so recht wissend, was das eine mit dem anderen zu tun hatte.
 

„Ich war derjenige, der dich geschubst hat", gab er etwas verlegen zu und als er Akihitos entrüsteten Gesichtsausdruck sah, redete er hastig weiter. „Das war keine Absicht - echt nicht. Und immerhin habe ich dich hinterher vor dem Typen gerettet - naja, fast."
 

Akihito glaubte sich verhört zu haben. „Dir habe ich es zu verdanken, dass dieser Kerl Kleinholz aus mir machen wollte? Na schönen Dank auch!", regte er sich auf. „Und ich hab dich auch noch aus dem Weg gezogen, als er dir die Bierflasche drüber ziehen wollte."
 

Warum musste er sich auch immer in Dinge einmischen, die ihn nichts angingen? Immer wenn er versuchte, jemandem zu helfen, fand er sich hinterher in größeren Schwierigkeiten wieder, als vorher.
 

„Ja, dafür wollte ich mich noch bei dir bedanken", entgegnete der andere. „Und das mit deinem Kopf tut mir wirklich leid."
 

Akihito bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick, antwortete aber nicht. Ärgerlich begann er weiter zu essen und sein Gegenüber dabei vollkommen zu ignorieren.
 

„Ich heiße übrigens Roy."
 

Akihito überlegte einen Moment lang, ob er antworten sollte. Aber immerhin war er ein höflicher Mensch und dazu gehörte, dass man jemandem seinen Namen sagte, wenn man danach gefragt wurde. Besonders wenn dieser jemand einem geholfen hatte, nachdem man eine Bierflasche auf den Kopf bekommen hatte. Allerdings hatte Roy ihm nur seinen Vornamen gesagt und Akihito hatte vor das gleiche zu tun.
 

„Akihito."
 

„Takaba, ich weiß", antwortete Roy daraufhin, nachdem er hinuntergeschluckt hatte.
 

Akihito sah ihn überrascht an. „Woher?"
 

„Ich hab deinen Geldbeutel durchsucht und deinen Ausweis gesehen", antwortete der andere mit einem Schulterzucken.
 

Akihito schnaubte abfällig. Das wurde ja immer besser. Damit hatte er nicht gerechnet, obwohl er es vermutlich hätte tun sollen. Er konnte sogar verstehen, warum Roy das getan hatte, aber er konnte es nicht leiden, wenn man seine Sachen durchsuchte. Roy hatte nicht einmal den Anstand schuldbewusst drein zu schauen. Außerdem wusste er jetzt alles über ihn und Akihito hatte nur einen Vornamen - wenn das überhaupt sein richtiger Vorname war.
 

„Hey, kein Grund eingeschnappt zu sein. Ich war nur neugierig, wer du bist", rechtfertigte sich Roy gelassen, bevor er seinen Kaffeebecher austrank.
 

„Ich bin nicht eingeschnappt", entgegnete Akihito scharf.
 

Roy versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen, scheiterte aber kläglich. Dann stand er auf, um seinen Teller und seine Tasse in die Spüle stellen. Anschließend drehte er den Wasserhahn auf und begann abzuspülen.
 

Akihito bedachte Roy mit einem vernichtenden Blick. Dennoch blieb er noch einen Moment lang sitzen und beobachtete ihn dabei, wie er nach einem Handtuch griff und begann seine Sachen abzutrocknen. Schließlich stand er ebenfalls auf und stellte seine Sachen neben das Spülbecken auf die Küchenzeile. Er wollte gerade verkünden, dass er jetzt nach Hause gehen würde, als Roy sein Geschirr nahm und ihm zuvorkam.
 

„Wenn du noch kurz wartest, kann ich dich nach Hause fahren."
 

„Danke, aber ich geh lieber zu Fuß."
 

„Das würde ich mir an deiner Stelle nochmal überlegen", antwortete Roy mit einem Seitenblick auf Akihito, während er die andere Tasse und den Teller abspülte. „Da ich weiß, wo du wohnst, kann ich dir sagen, dass das einige Zeit dauern könnte."
 

Akihito verzog das Gesicht und atmete geräuschvoll aus. Das hier war offiziell der schlimmste Tag seines Lebens. Das letzte was er jetzt wollte, war zurück zu seiner Wohnung durch die halbe Stadt zu laufen und Geld für ein Taxi hatte er auch nicht mehr. Vermutlich wusste Roy das und hatte ihm deshalb angeboten ihn nach Hause zu fahren. Und da er keine Lust hatte einen Fremden um Geld zu bitten, blieb ihm wohl keine andere Wahl, als Roys Angebot anzunehmen.
 

+++ XXX +++
 

Roy bremste, als die Ampel vor ihm auf Rot schaltete und der weiße BWM kam langsam zum Stehen. In der Innenstadt von Shinjuku herrschte wie immer ziemlich viel Verkehr, aber Roy hatte es nicht eilig und so saß er, im Gegensatz zu den meisten anderen Fahrern, entspannt hinter dem Steuer. Während er sich mit einem Ellbogen neben dem Fenster abstützte und darauf wartete, dass die Ampel auf Grün sprang und die Autoschlange wieder anrollte, drehte er den Kopf und sah zu dem Jungen hinüber.
 

Akihito hatte seinen Blick durch sein Fenster nach draußen gerichtet. Er war während der ganzen Fahrt schon nicht besonders gesprächig gewesen und so hatte Roy schließlich den Radio angeschaltet, in dem gerade irgendein japanischer Popsong gelaufen war, was ihn dazu gebracht hatte augenblicklich einen anderen Sender einzustellen.
 

Von Akihitos Ausweis wusste Roy, dass er 23 Jahre alt war, aber er hätte ihn eindeutig jünger geschätzt. Außerdem wusste er von einer Karte in seinem Geldbeutel, dass er Fotograf war, aber Roy konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was dieser Junge mit der chinesischen Mafia zu schaffen hatte. Er wusste, dass es nur zwei Wege gab so ein Tattoo zu bekommen. Entweder war man dumm genug diesem Club freiwillig beizutreten, oder man hatte sich gewaltigen Ärger eingehandelt. Da Akihito eindeutig zu jung dafür war, seine Mafia Karriere jetzt schon an den Nagel zu hängen, blieb wohl nur die zweite Alternative. Roy konnte sich durchaus vorstellen, dass der Kleine mit seiner vorlauten Klappe Schwierigkeiten bekommen hatte, denn er wusste aus eigener Erfahrung, dass einem eine zu scharfe Zunge verdammt schnell die eigene Kehle durchschneiden konnte. Vermutlich hatte er Fotos von den falschen Leuten gemacht und aus dieser Art von Schwierigkeiten kam man im Allgemeinen nur sehr schwer wieder heraus. Das alles war jedoch nicht Roys Problem. Er hatte ihm geholfen, weil es seine Schuld gewesen war, dass Akihito Ärger bekommen hatte, aber sobald er ihn vor seiner Haustür abgesetzt hatte, wäre die Sache damit erledigt.
 

Die Ampel schaltete wieder auf Grün und Roy trat aufs Gas. Einige Straßen weiter, bog er nach rechts in eine Seitenstraße ab, in der sich, in einem der Häuserblöcke, Akihitos Wohnung befinden musste. Er fuhr langsamer und zählte die Nummern an den Hauswänden, als sein Blick auf zwei Kerle in schwarzen Anzügen fiel, die vor der Tür von Nummer 45 standen. Das war das Haus in dem Akihito wohnte und Roy konnte ohne Schwierigkeiten erkennen, dass die beiden Männer Waffen unter ihren Anzugsjacken trugen. Der Junge schien tatsächlich Schwierigkeiten mit der Mafia zu haben.
 

Roy drehte den Kopf und sah zu Akihito. Seinem starren Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte er die beiden ebenfalls gesehen.
 

„Soll ich weiterfahren?", bot Roy an, doch zu seiner Überraschung schüttelte Akihito den Kopf.
 

„Nein, das bringt nichts", antwortete er verärgert. „Irgendwann muss ich schließlich wieder in meine Wohnung."
 

„Deine Entscheidung", entgegnete Roy mit zusammen gezogenen Brauen, während er rechts ran fuhr. Er hätte erwartet, dass Akihito angesichts seiner Besucher ängstlich oder zumindest besorgt aussehen würde, aber das war nicht der Fall. Das Ganze war anscheinend nicht so einfach, wie er gedacht hatte.
 

Akihito öffnete die Tür. „Danke fürs nach Hause fahren", sagte er und rang sich ein schmales Lächeln ab, bevor er die Tür wieder zu warf und anschließend über die Straße ging.
 

Roy sah ihm nach. Eigentlich ging es ihn nicht das Geringste an, wenn diese Typen Kleinholz aus Akihito machen würden, aber aus purer Neugier blieb er am Straßenrand stehen und beobachtete die Szene.
 

+++ XXX +++
 

Während Akihito über die Straße ging, fragte er sich, warum Asami seine beiden Gorillas geschickt hatte. Es machte garantiert keinen guten Eindruck, wenn solche Typen ständig vor seiner Tür standen. Vermutlich hielten ihn seine Nachbarn schon für einen Kriminellen. Außerdem war es keine zwölf Stunden her, dass er in Asamis Wohnung gewesen war und seit er aus Hong Kong zurück war, hatte Asami niemanden mehr geschickt, um ihn holen zu lassen. Das war auch gar nicht nötig gewesen; Akihito war von selbst zu ihm gekommen.
 

Einen der beiden Männer hatte Akihito sofort erkannt. Es war der Kerl, der auf Feilongs Yacht angeschossen worden war, als er versucht hatte Akihito zu beschützen. Im ersten Moment hatte Akihito geglaubt, er wäre tot, aber später hatte sich glücklicherweise herausgestellt, dass nur ohnmächtig gewesen war. Mittlerweile wusste er, dass der Typ mit den braunen Haaren und der Brille Kirishima hieß und wohl so etwas wie Asamis rechte Hand war. Den anderen mit den schwarzen Haaren hatte er jedoch noch nie zuvor bewusst gesehen.
 

Akihito hatte seinen Schlüssel bereits in der Hand, als er die beiden erreichte. Er wollte nichts weiter als seine Ruhe, denn seine Kopfschmerzen machten sich trotz der Tablette langsam wieder bemerkbar, doch da die beiden wie Schrankwände vor der Tür standen und nicht im Mindesten daran dachten ihn vorbei zu lassen, musste er notgedrungen stehen bleiben.
 

„Was wollt ihr von mir?", fragte Akihito genervt.
 

„Wo bist du gestern Abend gewesen?", fragte der Mann mit den schwarzen Haaren und es klang, als würde er einen Straßenköter zu Recht weisen.
 

„Das geht euch einen feuchten Dreck an!", schnappte Akihito und versuchte sich an dem Kerl vorbei zu schieben, um zur Tür zu kommen, doch der Typ packte ihn grob am Kragen und drückte ihn gegen die Hauswand.
 

„Ich habe dich etwas gefragt, Kleiner! Der Boss will wissen, wo du letzte Nacht gewesen bist! Also antworte gefälligst."
 

Akihito funkelten den Kerl wütend an, ohne eine Miene zu verziehen. „Lass mich sofort los oder du wirst es bereuen, wenn Asami dir deine Finger dafür abhackt!", zischte er.
 

Für einen Moment sah es so aus, als würde der Typ ihm eine reinhauen, doch er kam nicht dazu, denn Kirishima legte ihm eine Hand auf die Schulter und zog ihn von Akihito weg. Er sah den anderen streng an, denn obwohl Asami im Allgemeinen zuerst auf seine Leute und dann auf Akihito hörte, war diese Drohung durchaus ernst zu nehmen. Asami würde sich allerdings nicht mit ein paar Fingern aufhalten, sondern ihm gleich eine Kugel in den Kopf jagen, wenn er erfuhr, dass er seinen Liebhaber angerührt hatte. Der andere senkte nach einem Moment seinen Blick und trat zurück.
 

Dann wandte sich Kirishima an Akihito und legt den Kopf schief, während er Akihito nachsichtig ansah und einen höflicheren Ton anschlug. „Wo bist du gewesen?"
 

Akihito überlegte einen Moment ob er antworten sollte, aber wenn er es nicht tat, würden sie ihn vermutlich zu Asami schleifen und darauf hatte er nun wirklich keine Lust.
 

„Der Typ, der mich hergefahren hat, hat mich gestern Nacht mitgenommen, nachdem mir so ein Kerl in einem Club eine Bierflasche über den Kopf gezogen hat. Ich habe sogar Beweise", antwortete Akihito spitz und zeigte Kirishima das Pflaster an seinem Kopf. „Kann ich jetzt gehen? Ich hab Kopfschmerzen und möchte ins Bett."
 

Kirishima warf ihm einen prüfenden Blick zu, doch dann nickte er. „In Ordnung."
 

Akihito wartete nicht, ob Kirishima noch etwas sagen würde, sondern drängte sich an ihm vorbei zur Tür. Er schloss auf und verschwand im Gang ohne Asamis Gorillas weiter Beachtung zu schenken. Er wollte jetzt nur noch seine Ruhe.
 

tbc.



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