Zum Inhalt der Seite

Die große Leere

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ich, du, wir

XXVII. Ich, du, wir
 

Als Justin am nächsten Morgen aus dem Badezimmer kam, stand Brian starr neben dem Telefon, seine einzige Bewegung war das gelegentliche Drehen einer unangezündeten Zigarette zwischen seinen Fingern. Seit Gus die große Einraumwohnung mit ihnen teilte, hatte Brian sich angewöhnt, zum Rauchen hinunter auf die Straße zu gehen. Justin verfolgte, wie Brian die Zigarette an die Lippen hob und sie wieder sinken ließ, um sie weiter zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her zu rollen. Justin trat leise auf ihn zu und sah zu ihm hinauf. Brians Augen sahen müde aus, ein harscher Zug lag um seine Mundwinkel. Er sah Justin nicht an, sondern starrte unverwandt aus dem Fenster auf die nächtlichen Lichter der Stadt.
 

„Sie haben sie freigegeben. Der offizielle Bericht läuft auf technischen Versagen hinaus. Den Angehörigen wurde ein Schmerzensgeld angeboten, damit sie nicht klagen“, sagte Brian schließlich nach ein paar endlosen Momenten des Schweigens.
 

Justin nickte nur stumm.
 

Mit einer raschen Bewegung drehte sich Brian zu ihm um und sah ihn durchdringend an. „Das könntet auch ihr sein. Lindsay. Melanie. Du. Gus…“, Brians Stimme klang gequält.
 

„Ich bin hier“, sagte Justin, „und Gus ist auch hier.“ Er trat auf Brian zu und schlang seine Arme um Taille und Nacken des größeren Mannes.
 

Brian verharrte kurz, dann erwiderte er die Geste und presste Justin mit so viel Gewalt an sich, dass es diesem die Luft aus den Lungenflügeln quetsche. Justin wehrte sich nicht. Nach einigen Minuten lockerte Brian seinen Griff.
 

„Wir sind hier bei dir. Und das werden wir auch bleiben“, sagte Justin ruhig in Brians Ohr.
 

„Wie kannst du das wissen?“ fragte Brian ihn.
 

„Ich kann es nicht wissen. Dennoch weiß ich es“, antwortete Justin.
 

Brian sah ihn einfach nur an. Dann sprach er erneut: „Ich frage mich, wie viele zweite Chancen ich noch bekomme.“
 

„Du brauchst keine mehr“, erwiderte Justin nur.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
 

Der Tag der Anhörung sollte schon morgen sein. Es lag Spannung in der Luft, die auch Gus verspürte und so ungewöhnlich aufgekratzt agierte. Nach ihrem Techtelmechtel auf Brians Schreibtisch hatte es keine Gelegenheit für die beiden Männer mehr gegeben, miteinander allein zu sein. Auch heute war der Terminkalender randvoll. Kinnetic. Die Anwälte. Das Haus. Jede Minute schien ausgefüllt, voller dringender Erledigungen, während zugleich Gus umhegt sein wollte. War es Lindsay und Melanie auch jeden Tag so ergangen? Ein bisschen bestimmt, aber sie hatten ihren Alltag gelernt zu managen, sie waren nicht im dauernden Ausnahmezustand gewesen. Brian und Justin umschlichen einander wie zwei Tiger in der Brunft. Sich nahe zu sein, während Gus ständig anwesend war, bedeutete, sich einzuschränken. Nicht, dass sie auf den Gedanken verfallen wären, Gus als störend zu empfinden. Aber einmal wieder auf den Geschmack gekommen, lechzten ihre Körper nacheinander. Obwohl ihnen der Geschmack nie abhanden gekommen war. Sie hatten ihn runtergeschluckt, versucht zu betäuben – vergebens. Vor Justins Augen blitzten ständig Bilder von Brian auf, nackt, ihn stoßend niederdrückend, sich weit geöffnet unter ihm windend - und dieser unglaubliche Gesichtsausdruck, wenn er sich völlig aus dem Hier und Jetzt löste und unkontrolliert wölbend und zuckend kam. Auf ihm, in ihm kam. Und blieb. Eine Gänsehaut raste jedes Mal über Justins ganzen Körper, wenn er daran dachte, wie es gewesen war. Nur sie beide. Kein Gummi. Das Gefühl, der Geschmack, der Geruch…
 

„Justin?“ weckte ihn Brian aus seinen Tagträumen.
 

Brian saß an seinem Schreibtisch, Justin auf der breiten Couch des Büros von Kinnetic. Der Ältere war damit beschäftigt, die laufenden Geschäfte anzuheizen und parallel Handwerker für den Hausumbau anzuheuern, die möglichst postwendend anfangen und wirklich, so schnell es irgend ging, arbeiteten. Brian löste das Problem, in dem er ihnen einen Bonus anbot, wenn sie innerhalb einer knappen Frist alles zu ihrer Zufriedenheit erledigt hätten. Justin wühlte sich durch Farbschemata für die unterschiedlichen Räume. Brian hatte ihn bereits am Morgen kommentarlos in eine Filiale seiner Bank geschleift und eine Kreditkarte für ihn in Auftrag gegeben. Gus war mit seinem Legoset ausgestattet, das er jetzt hingebungsvoll auf dem gesamten Boden verteilte. Es klopfte kurz, dann kam Ted korrekt geschniegelt und gebügelt hinein spaziert. Er trug einen Stapel Akten auf dem Arm, den er auf Brians Schreibtisch ablud.
 

„Hier, die Motleys-Verträge. Ich habe alles überprüft, sie sind sauber. Du musst eigentlich nur noch unterschreiben.“
 

Brian nickte und zückte schicksalsergeben seinen Füller. Er überflog die Unterlagen nur noch einmal kurz und machte sich dann ans unterzeichnen. Wenn Ted sagte, die Papiere seien in Ordnung, dann waren sie es auch. Ted wandelte derweil durchs Büro und landete schließlich bei Gus, der konzentriert seine Steinchen in neuen Variationen der erlernten Tiermotive aufeinander stapelte.
 

„Hallo, Onkel Ted“, grüßte Gus noch einmal wohlerzogen.
 

„Hallo Gus“, lächelte Ted.
 

„Du hast tolle Radiergummis“, sagte Gus zu ihm.
 

Ted hatte sich in letzter Zeit in eine kleine Sammelleidenschaft hinein gesteigert, was Büroutensilien anging. Vielleicht eine harmlose Variation seiner alten Sucht-Affinität. Vielleicht auch nur eine Marotte, um seine Zufriedenheit auszudrücken und sich selbst zu belohnen, seitdem es sich zwischen ihm und Blake begann zu entwickeln.
 

„Danke Gus“, antwortete er, „willst du sie dir mal anschauen?“
 

„Oh ja, gerne!“ strahlte Gus. Die Begeisterung des Kindes für sein Hobby sollte ihm wohl zu denken geben…
 

Plötzlich spürte er, wie Justin und Brian beide mit den Augen an ihm klebten. Erst dachte er, sie wollten ihm auf die Finger hauen, Gus bloß nicht mit seinen Macken anzustecken. Dann riskierte er einen Blick und verfolgte, wie ihre Augen sich von ihm gelöst hatten. Justins vollzog diesen Zaubertrick, der Ted immer wieder in Staunen versetzte – aus seinem zuckersüßen harmlos-unschuldigem Lächeln wurde binnen Sekunden etwas derart versaut Anzügliches, dass es Ted überhaupt nicht wunderte, dass Brian bereits seit Jahren davon das Kleinhirn zerkocht wurde. Brians geschäftsmäßig-höfliches Lächeln war etwas süffisant-Eindeutigem gewichen, seine Augen tasteten gierig Justins Körper ab. Er zog eine seiner gewölbten Augenbrauen hoch und biss sich in die Unterlippe. Fast hätte Ted Gus die Hände vor die Augen gehalten, aber der war nach wie vor auf seine Steinchen konzentriert und bekam von der durch den Raum knisternden Spannung nichts mit.
 

„Gus“, sagte Brian, „schau ruhig mal im Büro von Onkel Ted nach dem Rechten. Vielleicht hat Onkel Ted ja Lust, dann mit dir kurz zur Eisdiele nebenan zu gehen und für uns alle – außer mich – ein riesiges Schokoladeneis zu holen?“
 

„Schoki?“ wurde Gus munter.
 

„Ja“, lachte Justin, während er sich in Brians Richtung ziemlich demonstrativ über die Lippen leckte und einen Schlafzimmerblick aufsetzte, der besser durch einen schwarzen Balken verdeckt werden sollte, „und bring Papa auch was mit. In Wirklichkeit mag Papa nämlich Eis sehr gerne – auch wenn er immer schrecklich kleckert…“
 

Brians Grinsen vertiefte sich, seine Augen streichelten über Justins Brust: „Nur wenn man mich mit unfairen Mitteln ablenkt… dann kann das eine schmutzige Angelegenheit werden.“
 

„Du magst es doch rum zu kleckern…“ antwortete Justin mit einem summenden Unterton und entblößte seine stahlendweißen Zähne.
 

„Kommt drauf an. Auf meinen Anzug – ungern. Auf andere Stellen… vielleicht…“
 

„Äh“, meldete sich Ted zu Wort, dem sich zwar der Inhalt ihrer Äußerungen nicht ganz erschloss aber dem die grobe Marschrichtung ganz und gar nicht entgangen war, „dann machen wir uns Mal auf den Weg. Komm Gus.“
 

Gus stand auf und legte vertrauensvoll seine Hand in Teds. Ted wurde kurz warm ums Herz. Er würde wohl nie eigene Kinder haben. Das war eine der wenigen Sachen, die er an seiner sexuellen Orientierung manchmal wirklich bedauert hatte. Sein Auftritt bei der Hochzeit von Linds Schwester hatte ihm die erschreckende Erkenntnis beschert, das er ironischer Weise einen Schlag bei der Damenwelt hatte. Leider war ihm nichts fremder als Heten-Bräute. Und leider hatte sich ihm nie eine Lesbe erbarmt. Gus sah seine beiden Erziehungsberechtigten kurz an, die beide etwas unruhig auf ihren Sitzen hin und her rutschten, aber ihre Aufmerksamkeit wieder voll dem Kleinen widmeten.
 

„Ist es okay, wenn ich euch kurz alleine lasse?“ fragte Gus rücksichtsvoll.
 

„Sicher, Sonnyboy. Pass aber gut auf Onkel Ted auf, den brauche ich noch. Und suche die besten Eisbecher aus, die du finden kannst – Justin wird bestimmt einen Riesenhunger haben, wenn du zurück kommst!“
 

„Mach ich!“ versprach Gus. „Aber werdet ihr euch nicht langweilen ohne mich?“
 

„Wir werden solange ranklotzen wie die Wilden, dann vergeht die Zeit wie im Flug!“
 

Das konnte Ted sich gut vorstellen. Er würde auf jeden Fall zunächst die Lage sondieren, bevor er Gus zurück zu seinen latent notgeilen Alten ließ. Aber wer konnte es ihnen verdenken? Gerade erst verheiratet und mit Gus und dem ganzen Trubel im Dauereinsatz. Er kannte Brian und Justin lange genug, um zu wissen, wie hoch nonverbale Kommunikation bei ihnen im Kurs stand. Da sag mal einer, alte Pärchen seien eingefahren und langweilig…
 

Er bugsierte Gus elegant aus dem Zimmer und meinte hinter sich ein Rennen, Klatschen und Zerren zu vernehmen… aber vielleicht hatte er sich das auch nur eingebildet.
 

……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
 

Als Ted eine knappe Stunde später, den Arm beladen mit mehreren üppig glänzenden Eisbechern, mit einem zufriedenen Gus im Schlepptau erneut Brians Büro betrat, nicht ohne vorher ausgiebig zu lauschen, saßen die beiden Männer genau wie zuvor auf ihren Plätzen. Mit dem Unterschied, dass Justin seinen Pullover falsch herum anhatte und an Brians Hals ein fetter Knutschfleck prangte. Und sowas schimpfte sich erwachsen… Ted konnte sich vorstellen, dass Brian durch die Decke gehen würde, sobald er bemerkte, dass sein Göttergatte ihn verschandelt hatte. Justin bemerkte Teds Blick, schenkte ihm ein einschmeichelndes Grinsen und legte den Zeigefinger auf die Lippen. Das hatte er mit Absicht getan. Irgendetwas Fieses – oder extrem Masochistisches – trieb Justin immer wieder dazu, Brian auf die Palme zu jagen. Ted würde schweigen wie ein Grab, er war schließlich nicht lebensmüde.
 

Gus krabbelte derweil auf Brians Schoß und hielt ihm mit strahlenden Augen einen Eisbecher vor die Nase. „Für dich, Papa! Den habe ich für dich ausgesucht. Für Justin war’s einfach – aber für dich musste ich mir extra Mühe geben, weil Onkel Ted immer gesagt hat, dass du dies und das gar nicht magst!“ sagte er stolz.
 

Brian fing den Becher ab, bevor Gus ihm den bereits leicht schmelzenden Inhalt über den Anzug kippen konnte. Er musste Ted zugutehalten, dass er es versucht hatte – aber Gus von einem Vorhaben abzubringen, war nun mal nicht so einfach, das hatte er selbst bereits zu spüren bekommen. „Und was ist mit dir?“ fragte Brian seinen Sohn, die ihm verführerisch entgegen leuchtende Kalorienbombe beäugend, „wolltest du denn gar kein Eis?“
 

„Doch, aber Ted und ich haben es im Eiskaffee gegessen, weil Ted so gerne in Eiskaffees sitzt, seit er ein kleiner Junge war.“
 

Braver Ted. Ergeben begann Brian sein Eis zu löffeln. Seine Nase kräuselte sich, dennoch musste er grinsen. Offensichtlich war Gus Ted solange auf den Geist gegangen, bis dieser schließlich nachgegeben hatte – und zu diesem Zeitpunkt hatte Gus wohl schon alle halbwegs zivilen Geschmacksrichtungen durch gehabt. Er schmeckte etwas, das ihn entfernt an in der Sonne zerschmolzene Gummibärchen erinnerte, und etwas leicht bitter Nussiges, das ihm besser gefiel. Gus verfolgte jeden seiner Happen. Dieses Kind würde ihn in die Verfettung treiben, dachte Brian, als er das liebevoll ausgesuchte Dessert artig verdrückte. Aber andererseits hielten ihn Gus und Justin auch derart auf Trab, dass er die Kalorien wahrscheinlich locker wieder verbrannte…
 

Ted hatte sich neben Justin aufs Sofa gesetzt und plauderte ein wenig mit ihm. Ted und Justin waren sich nie sonderlich nahe gewesen, zu viel unterschied sie voneinander. Dennoch kannten sie einander seit vielen Jahren und waren vornehmlich über Brian miteinander verbunden. Ted hatte sich Justin gegenüber nie ablehnend oder übertrieben anhänglich gezeigt, so dass ihr Miteinander immer unproblematisch gewesen war. Nicht dass Justin Ted jemals auch nur mit einer Kneifzange angefasst hätte. Und Ted hatte zwar durchaus Justins Vorteile – oder aber auch sein in Pittsburgh legendäres Hinterteil – zur Kenntnis genommen, war aber nie auf die Idee verfallen, in Brians Revier wildern zu wollen. Wie gesagt, er war ja nicht lebensmüde.
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

Am frühen Nachmittag verabschiedete sich die frisch gebackene Patchwork-Familie von Kinnetic und steuerte für ein letztes klärendes Gespräch ihren Anwalt an. Mr. Harris hatte ihre kanadischen Unterlagen gesichtet und einen Packen neuer Verträge aufgesetzt, die ihre Verbindung in den gesetzlichen Möglichkeiten stützten und für Gus Vorsorge trugen. Der Anwalt erklärte ihnen weitschweifig die Inhalte, während sie schweigend lauschten.
 

Sie hatten zuvor Molly von der Schule abgeholt und sie als Babysitterin für Gus angeheuert. Die beiden saßen zusammen im Foyer. Als sie sie verlassen hatten, hatte Gus bereits begonnen, Molly Löcher in den Bauch über die Schule zu fragen, da er ja bald selbst auf eine gehen sollte. Molly war vernarrt in Gus und den Gedanken, jetzt sowas wie eine Tante zu sein. Vorsichtshalber hatten sie sie aber auch damit bestochen, ihr ein Kleid für ihren ersten Schulball auszusuchen, auch da Molly, etwas vorurteilsbehaftet oder einfach raffiniert, der Meinung war, dass die schwule Verwandtschaft für dergleichen zuständig sei.
 

Nach etwa einer Stunde waren Brian und Justin einigermaßen geplättet. Sie hatten sich durch Krankenversicherungsregelungen, Versicherungen für Gott-und-die-Welt-Was, gemeinsame und getrennte Konten, Erbschaftsregelungen und dergleichen mehr gearbeitet, die ihnen das Gefühl gaben, dass der Sensenmann gewissermaßen direkt vor der Tür stand. Brian hatte darauf geachtet, dass Justin sich nicht drohte, sich wieder in die Rolle des ausgehaltenen Toy Boys gedrängt zu fühlen. Alle Verträge beinhalteten auch Regelungen für den Fall, dass der Hauptteil des Vermögens von Justin bestritten wurde. Das Blatt konnte sich immerzu wenden, das wussten beide nur allzu gut. Auf gleicher Augenhöhe geschlossen, konnte Justin ohne Gesichtsverlust einwilligen, auch wenn die Situation aktuell anders aussah. Fast alle Verträge waren an den Bestand der kanadischen Ehe geknüpft, andernfalls würden sie hinfällig.
 

„Schön, schön“, sagte Mr. Harris schließlich, als die letzte Unterschrift geleistet worden war. „Sie bekommen die Originale und beglaubigte Kopien von uns. Bewahren sie sie getrennt voneinander auf, jeweils ein Exemplar lagert für den Notfall auch in unseren Magazinen. Eine Kleinigkeit gäbe es denn noch zum Schluss in Hinsicht auf die morgige Anhörung.“
 

„Was?“ fragte Brian erschöpft. Hoffentlich nicht schon wieder irgendetwas, das Tod, Krankheit oder geistigen Verfall beinhaltete…
 

„Haben Sie sich schon über ihre Namen Gedanken gemacht?“
 

„Äh, wie?“schreckte Justin hoch. Auch er wirkte blass, noch blasser als sonst.
 

„Sie heißen Taylor, Sie Kinney und Ihr Sohn Peterson – das lässt Sie nicht gerade wie eine Familie erscheinen…“
 

„Was genau schlagen Sie vor?“ kam Justin Brian zuvor.
 

„Einigen Sie sich auf einen gemeinsamen Nachnamen, meinetwegen auch einen Doppelnamen – aber nicht alle drei.“
 

„Muss das sein?“ fragte Brian stirnrunzelnd.
 

„Müssen – nein. Müssen tun sie gar nichts. Es geht mir als Ihrem Anwalt lediglich darum, Sie in ein optimales Licht zu rücken“, klärte sie Mr. Harris, wieder in das Kraulen seiner Glatze versunken, auf.
 

„Uff“, ächzte Justin.
 

„Peterson ist raus. Nicht dass ich Lindsays Andenken schmälern möchte – aber Gus lebt hier, bei uns, als unser Kind, das sollte klar werden!“ griff Brian den Gedanken auf.
 

Justin erwachte wieder etwas zum Leben: „Du willst das?“
 

„Es ist… angemessen. Aber wenn du nicht möchtest, ist das auch okay.“
 

„So meinte ich das nicht. Aber ich kann meinen Namen nicht aufgeben. Meine Karriere beruht zum Teil darauf, dass ich im Begriff bin als Justin Taylor bekannt zu werden. Wenn ich mich jetzt umbenenne, schleudert mich das ein ganzes Stück zurück, weil keine Sau mehr weiß, wer ich bin. Und bei dir ist es doch nicht anders – der Name deiner Firma wäre sonst etwas witzlos, oder?“
 

„Also ein Doppelname?“
 

„Einigen Sie sich über die Reihenfolge. Sie müssen den Namen auch im Alltag nicht führen, nur bei juristischen Dokumenten wäre er von Bedeutung.“
 

„Okay…“ murmelte Justin.
 

„Kinney-Taylor hört sich scheiße an. Die K-T-Kombination ist grausam in dieser Reihenfolge, hört sich an wie „kein Talent“ oder „kostenloser Tripper“ oder „komatöse Transe“…“, bemerkte Brian.
 

„Taylor-Kinney dann wie „total viele Kohle“ oder „tierisch geile Karre“ oder „teure Klamotten“…?“
 

„Das hört sich einleuchtend ein, du Poet… Dann Mal her mit den Unterlagen, Herr Anwalt.“
 

„Du machst das echt?“ fragte Justin verblüfft.
 

Brian verdrehte die Augen: „Ja, du Schlaumeier. Namen sind größtenteils Schall und Rauch – meine fachliche Meinung als Werbekaufmann. Wir könnten uns auch in „Impotent-Senil“ umbenennen und ich garantiere dir, dass es trotzdem einen Weg gäbe, alle glauben zu lassen, dass wir Gottes Geschenk an die Menschheit sind. Also was soll’s.“
 

Aber wenn er ehrlich war, bedeutete es durchaus etwas. Es bedeutete, dass sie ihre dank des amerikanischen Gesetzes nicht existente Ehe auf eine andere Ebene hoben. Wenn jemand ihm vor fast sechs Jahren erzählt hätte, dass er einmal den Namen dieser minderjährigen, jungfräulichen Sexbombe tragen würde, die sich wie eine Lichtgestalt unter einer Straßenlaterne geräkelt hatte und trotz der bescheuerten Schuljungen-Klamotten das Heißeste gewesen war, was Brian jemals vor die Flinte gekommen war – er hätte denjenigen für völlig bescheuert erklärt. Vielleicht war er inzwischen auch selber bescheuert geworden. Aber es war ihm scheißegal. Dann lebte er eben in seinem eigenen kleinen bescheuerten Universum – es war schließlich sein Universum, der Rest der Welt konnte ihn diesbezüglich mal kreuzweise am A… - besser nicht, das überließ er dann doch lieber Justin.
 

………………………………………………………………………………………………………………………………………………………..
 

Sie bedankten sich bei Molly und luden sie zu Hause ab, nicht ohne ihr hoch und heilig einen Einkaufstrip zu versprechen, sobald sich das Chaos um sie etwas gelegt hatte.
 

„Ich freu mich schon ihr beiden, vielen Dank! Aber nicht dass ihr denkt, ich hüte Gus nur gegen Bares oder fette Geschenke – nicht das letztere ungern gesehen würden – ich mache das wirklich gern. Er ist ja jetzt sowas wie mein Neffe, oder? Also meldet euch ruhig, wenn ich ihn wieder einmal hüten soll, auch wenn ihr ausgehen wollt oder so… ich wühl dann eure Schubladen durch und fresse euren Kühlschrank leer“, grinste Molly. Ihr Lächeln ähnelte Justins sehr. Da kamen harte Zeiten auf Jennifer zu… „Unser Kühlschrank? Du glaubst doch nicht im Ernst, dass da noch etwas Brauchbares drin zu finden wäre, wenn dein Bruder mit ihm fertig ist. Die Fresserei scheint bei euch ja irgendwie erblich bedingt zu sein“, stichelte Brian. „Erblich? Nicht doch, die ist ansteckend, also pass bloß auf, du spindeldürrer Lulatsch! Und außerdem würde Justin es nie übers Herz bringen, einen Kühlschrank allzu lang leer stehen zu lassen, das hält er für unnötige Möbelquälerei. Ich bin da sehr optimistisch“, lachte Molly, als sie, Gus ein letztes Mal umarmend und dann erst Justin dann dem verblüfften Brian einen Schmatzer aufdrückend, ausstieg.
 

„Himmel, deine Schwester ist ja rasend schnell erwachsen geworden!“ entfuhr es Brian. Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen. Super, jetzt hörte er sich schon an wie ein Opa…
 

Justin schenkte ihm ein Lächeln und sagte: „Da ist sie nicht die Einzige.“
 

…………………………………………………………………………………………………………………………………………………….
 

Justin war an diesem Abend dran, Gus‘ Abendtoilette zu betreuen und ihn ins Bett zu bringen. Ab und zu hörte Brian die klare Stimme seines Sohnes bestimmt ein „Das kann ich alleine!“ erschallen lassen, während Justin ihn behutsam anleitete. Ohne langwierige Absprachen begannen sie gewisse Routinen im Alltag zu entwickeln: heute bringe ich Gus ins Bett, morgen du… Aber es war nichts Beängstigendes. Es erschien Brian wie ein ersehntes Fragment Ordnung, das zeigte, dass das Leben langsam wieder zusammen wuchs. Etwas Beruhigendes. Etwas Vertrautes. Etwas, das Stabilität im Chaos schenkte. Nichts, das ihm gegen seinen Willen aufgezwungen wurde, ihn erstickte. Sondern etwas, das er wollte, das ihm Freiheit in einer Form schenkte, die er zuvor nie wirklich gekannt hatte. Die Freiheit zu lieben. Die Freiheit zu geben statt zu opfern. Und zu nehmen. Die Freiheit, vollständig zu sein, solange das Schicksal es ihm gewähren mochte.
 

Da fiel ihm etwas ein. Wenn schon, denn schon. Kurzentschlossen schlug er die Telefonnummer nach und wählte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  brandzess
2011-08-16T20:54:27+00:00 16.08.2011 22:54
was hat denn jetzt vor?
Von:  chaos-kao
2011-08-11T15:54:01+00:00 11.08.2011 17:54
Hui, ich bin ja schon gespannt, wen er anruft! ^^ Ich weiß überigens etwas, das gegen Taylor-Kinney spricht: Total Kacke xDDDDD Sorry, musste sein ;) Und für Kinney-Taylor: Kein Tabu ^^


Zurück