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Watching your Footsteps

von

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Wonderful

Ji-Yong war verzweifelt.

Nachdem er jene Visitenkarte wiederfand, erinnerte er sich an den Tag, an welchem er sie erhalten hatte. Es war der Tag gewesen, an dem er Min-Ho kennen gelernt hatte. Dieser hatte schüchtern und freundlich gelächelt. Beinahe zu freundlich für einen Bodyguard und hatte sie ihm in die Hand gedrückt, mit den Worten, Ji-Yong könnte ihn über diese Nummer zu jeder Zeit erreichen. Allein sich an das Gesicht seine Peinigers su erinnern, in dieser harmlosen Situation, an einem Tag, der Wochen her war. An einem Tag, an dem er noch nicht geahnt hatte, welchem Unglück er entgegenlief. So schnell war die Welt um ihn herum wieder dunkel geworden und er hatte sie nicht aufhalten können, die Bilder in seinem Kopf. Als Seung-Hyun seinen Arm von hinten ergriff und ihn ansprach, war es wie damals im Krankenhaus und auch zu jedem anderen Moment, in dem er begonnen hatte verrückt zu spielen. Das Zimmer begann zu rotieren und sein Freund war für ihn nicht zu erkennen. Nur wenige Sekunden, doch sie reichten aus, um diesem etwas anzutun. Ji-Yong war mit dem Älteren zu Boden gefallen. War neben ihm aufgekommen und hatte diesen schwer atmend von der Seite her angesehen. Die Welt stand wieder still und da lag Seung-Hyun, bewusstlos und sprach nicht mehr zu ihm. Er war überhaupt nicht im Stande gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Hände hatten über dem Gesicht seines Freundes gezuckt, er wagte nicht einmal ihn anzufassen. Flüsterte nur seinen Namen, um ihn zu wecken, bis der Ältere die Augen öffnete und ihn zurückwies.

Jetzt war er allein. Allein gelassen von Seung-Hyun, der immer bei ihm gewesen war. Und es war seine eigene Schuld.
 

"Hyung!!", rief er dem Flüchtenden nach. "Hyung!!!"
 

Weiter liefen Tränen über sein Wangen. Ohne darüber nachzudenken lief er ihm nach, folgte ihm bis zum Badezimmer, doch dort schlug die Tür direkt vor seinem Gesicht zu. Erschrocken wich Ji-Yong zurück und stiess gegen die Wand hinter sich. Er wartete einige Atemzüge lang, dann klopfte er leise gegen das Holz.
 

"Hyung? Hyung, es tut mir leid. Bitte, mach doch auf.", flehte der Jüngere eingeschüchtert einige Male, doch nichts tat sich. So wich er wieder zurück und sank zu Boden, um zu warten.
 

Natürlich hatten auch die anderen Drei das Geschrei vernommen, welches in einem der beiden Schlafzimmer erklungen war. Daher waren sie alle zur Wohnzimmertür gelaufen und hatten den Flur beobachtet. Dae-Sung hatte gefragt, ob sie nicht wenigstens nachsehen sollten, doch Young-Bae hatte es verneint. Er hatte dazu gelernt und würde diesen Fehler nicht noch einmal begehen. Nicht bevor Seung-Hyun selbst um Hilfe rief.

Als es dann mit einmal sehr still war, beunruhigte sie dies allerdings noch um einiges mehr. Die Minuten waren verstrichen, ohne dass sich etwas tat und auch Young-Bae wurde zu ungeduldig.
 

"Ihr wartet hier.", hatte er ihnen befohlen und dabei den erbosten Gesichtsausdruck seiner beiden jüngeren Freunde ignoriert.
 

In dem Moment jedoch, in welchem er an der Schlafzimmertuer angelangt war und hindurchsehen konnte, war Seung-Hyun bereits wieder erwacht und erhob sich. Der Älteste stürmte an Young-Bae vorbei auf den Flur hinaus und verschwnad in Richtung Bad. Ihm nach stolperte ein weinender Ji-Yong. Beide hatten ihren Freund überhaupt nicht wargenommen. Dies war nicht, was Young-Bae erwartet hatte. Nach dem Geschrei hatte er damit gerechnet, dass es wieder Ji-Yong war, der durchdrehte. Wenn er sich daran erinnerte, wie ihr gemeinsames Zimmer ausgesehen hatte, als er einen kurzen Blick hineingeworfen hatte, war dieser Gedanke vielleicht gar nicht so abwegig. Aber nun war es Seung-Hyun gewesen, der vorangestürmt war und sich im Badezimmer verschanzt hatte, während der Jüngere zurechnungsfähig wirkte. Was war hier passiert?

Als Ji-Yong begann, gegen die Badezimmertür zu klopfen und nach seinem Freund zu rufen, wollte Young-Bae einschreiten, doch er traute sich erst, als der andere verzweifelt an der Wand zu Boden sank.
 

„Ji-Yong?“
 

Erst jetzt schien er ihn zu bemerken und da Young-Bae in seinen Augen keine Panik erkennen konnte, als er zu ihm aufblickte, kam er näher. Einen halben Schritt vor Ji-Yong hockte er sich auf den Boden um mit ihm auf gleicher Augenhöhe sprechen zu können.

Noch immer wimmerte Ji-Yong leise vor sich hin, seine Wangen glänzten feucht.
 

„Was ist gerade passiert?“
 

Ji-Yong setzte mehrmals zu einer Antwort an, die ihm jedes Mal wie ein dicker Kloß im Hals stecken blieb. Was passiert war? Er hatte alles kaputt gemacht, das war passiert.
 

„Ich weiß es nicht mehr genau, es ist alles so…“
 

Er schluchzte laut auf.
 

„Ich habe seine Visitenkarte gefunden und dann war auf einmal wieder alles schwarz und Seung-Hyun, er wollte mir nur helfen und ich habe ihn nicht erkannt. Ich habe ihn einfach nicht erkannt. Es ist meine Schuld, dass er verletzt wurde und er ist sauer, ich weiß nicht, es ist meine Schuld. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Hilf mir, Hyung!“
 

Ji-Yong zog die Knie an, vergrub das Gesicht in den Armen und begann bitterlich zu weinen.

Er hatte also wieder einen Aussetzer gehabt und Seung-Hyun war verletzt worden, so viel konnte Young-Bae dem gestotterten Bericht seines Freundes entnehmen.
 

„Ich bringe dich in dein Zimmer, okay? Lass ihm ein bisschen Ruhe. Er muss verdauen, was gerade passiert ist. Ich werde mich darum kümmern und es wird alles wieder gut, versprochen!“
 

Young-Bae setzte sein zuversichtlichstes Lächeln auf, auch wenn er in diesem Moment keine Ahnung hatte, wie er zu dem Ältesten durchdringen konnte, wenn er sich schon von Ji-Yong abgewandt hatte. Aber er hatte immer einen guten Draht zu ihm gehabt und wahrscheinlich war ihm in so einer Situation mit Vernunft besser beizukommen als mit Tränen. Von dem Menschen, für den man so viel, nein, in den letzten Wochen sogar fast alles, geopfert hatte, verletzt zu werden, auch wenn es nicht seine Absicht gewesen war, das musste einen hart treffen. Young-Bae versuchte, sich in seinen Freund hineinzuversetzten und überlegte, wie er wohl reagiert hätte, würden er und Seung-Ri an dessen Stelle stehen. Er begann langsam zu begreifen, dass es nicht Wut auf Ji-Yong war, die den Ältesten verzweifeln ließ, sondern die Angst, alles verloren, umsonst gekämpft zu haben.
 

„Lass uns gehen!“
 

Ji-Yong nickte und erhob sich langsam, doch er starrte noch einige Sekunden auf die verschlossene Tür, ehe er sich wieder umdrehte und die Schritte zu seinem Zimmer hinter sich brachte. Erst, als er eintrat, fiel Young-Bae auf, wie lange er schon keinen Fuß mehr in sein eigenes Zimmer gesetzt hatte. Es schien nicht mehr ihm zu gehören, sondern ein Refugium zu sein, das Seung-Hyun für Ji-Yong aufrecht erhalten hatte.

Doch nun bot sich ihm ein Bild der Verwüstung. Während Ji-Yong sich auf sein Bett sinken ließ, an die Wand rutschte und wieder die Beine anzog, eine Haltung, die ihm so sehr zu eigen geworden war, als würde sie ihn vor irgendetwas beschützen können, begann Young-Bae die gröbste Unordnung zu beseitigen. Die Frage, wieso Ji-Yong alles so durchwühlt hatte, brannte ihm auf der Zunge, aber er stellte sie nicht.
 

„Hyung…?“
 

Young-Bae, der gerade die verstreuten Papiere vom Boden aufsammelte, blickte auf.
 

„Ich könnte nicht damit leben, wenn er mich hasst. Bitte…“
 

Ji-Yongs Stimme erstarb, doch seine Augen sprachen weiter. Es war die Angst vor einem nicht wieder gutzumachenden Verlust, die in ihnen hauste. Dann legte er den Kopf wieder auf seinen Armen ab und versteckte alle Gefühle vor der Welt.

Young-Bae ließ sich auf sein Bett nieder.
 

„Das wird er nicht, glaub mir. Ich spreche mit ihm. Wenn du möchtest jetzt gleich.“
 

Ji-Yong nickte leicht, ohne den Blick jedoch wieder zu heben.
 

Der Ältere seufzte schwer, als er den Raum verliess.

Ein neues Unglück, dass es zu richten galt. Ratlos kratze er sich am Kopf und wanderte hinüber zum Wohnzimmer. Er würde Seung-Hyun noch einige Minuten geben. Minuten, in welchen er sich Gedanken machen konnte, was er diesem sagen sollte. Eigentlich hatte Young-Bae gehofft, dass ihm weitere ernste und unangenehme Gesprache mit Seung-Hyun erspart bleiben würden. Er redete ihm nicht gern ins Gewissen. Vor allem dann nicht, wenn er seine Gefühle nachvollziehen konnte.

Als er das Wohnzimmer wieder betrat, kamen die Zurückgebliebenen direkt auf ihn zu. Angst lag in ihren Augen. Wie gut er sich vorstellen konnte, was sie nun erwarteten. Was für schreckliche Dinge sie sich ausmalten.
 

"Hyung, ist etwas mit Ji-Yong? Ist er wieder..."
 

Dae-Sung wagte es kaum auszusprechen. Die Anfälle ihren Leaders hatte ihm grosse Sorgen bereitet und Furcht eingeflösst. Dass dergleichen noch einmal passiert war, wollte er nicht hören. Doch Young-Bae beschwichtigte ihn.
 

"Ja, aber er hat sich gefangen. Von allein sogar."
 

"Wirklich? Aber dann ist doch alles in Ordnung, oder?", fragte Seung-Ri mit einem Hoffnungsschimmer in den Augen.
 

"Mehr oder weniger. Seung-Hyun hat sich im Badezimmer eingeschlossen. Ich glaube, er ist sehr frustriert von der Situation. Ihr könnt es euch sicher denken..."
 

Seine beiden Freunde sahen sich an, nickten aber schweigend, als hätten sie verstanden. Dann sahen sie ihn erneut erwartungsvoll an. Er räusperte sich.
 

"Ich werde jetzt versuchen, mit ihm zu reden. Und...", unter einem kurzen Zögern wandte er sich dem Flur zu und warf daraufhin nur ein Blick zu ihnen zurück. "...ich wollte euch bitten, euch zu Ji-Yong zu setzen. Er sollte nicht ganz allein sein. Im Moment."
 

Verdutzt und mehr als überrascht von jener Bitte weiteten sich die Augen der beiden Jüngeren in Unglaube. Seung-Ri ging auf ihn zu, als sei Young-Bae nur ein Traumbild und würde verschwinden. Aber dieser blieb.

"Bist du sicher?"
 

Der Ältere nickte nur noch, dann verliess er sie, um zum Badezimmer zurückzukehren.

Die Tür war noch immer immer verschlossen und starrte abweisend. Als er seine Hand auf die Klinke legte, hoffte er nur, Seung-Hyun wuerde ihn nicht erschlagen, sobald er den Raum betrat. Trotz dieser Befürchtung aber holte er tief Luft und ging hinein. Ein Klopfen oder Fragen ersparte er sich, da sein frustrierter Freund ihn wahrscheinlich so oder so abweisen würde. Nachdem Young-Bae die Tür hinter sich geschlossen hatte, stieg ihm ein starker Geruch nach Zigarettenqualm entgegen. Sein Blich wanderte in die leere Ecke neben der Dusche. Dort hatte ihr Freund sich niedergelassen. Neben diesem lag bereits ein zerdrueckter Zigarettenstummel.

Der Jüngere schüttelte den Kopf.

"Willst du darueber reden?"
 

Als Seung-Hyun nicht antwortete, ließ Young-Bae sich auf den geschlossenen Toilettendeckel sinken, stützte den Kopf in die Hände und beobachtete seinen Freund einfach nur. Es dauerte eine Weile, bis er seinen Blick auffing und auch diese Begegnung ihrer Augen dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde.
 

„Friss es besser nicht zu lange in dich hinein, sonst bekommst du noch ein Magengeschwür.“
 

Young-Bae lächelte, als er den anderen zurecht wies, dabei war ihm überhaupt nicht nach lachen zumute. Als Seung-Hyun nur wieder nach den Zigaretten griff, nahm Young-Bae ihm die Schachtel aus der Hand, steckte sich selber eine an und gab sie ihm erst dann zurück.
 

„Wirklich, kotz dich einfach aus, das hilft!“
 

Seung-Hyun sah so aus, als hätte er ihn am liebsten mit seinen Blicken durchbohrt, aber er schickte ihn auch nicht weg und er schien sich wieder einigermaßen beruhigt zu haben. Ihm war anzusehen, dass die Wut, oder die Frustration oder was auch immer es gewesen war, noch immer in ihm brodelte, aber er wirkte nicht, als könnte sie erneut aus ihm herausbrechen.
 

„Wenn du nicht darüber reden willst, ist das auch okay, aber denk bitte auch an Ji-Yong. Ich kann nachvollziehen, dass du frustriert bist, aber lass es nicht an ihm aus. Es verletzt und verunsichert ihn, wenn du ihn so behandelst und ich kann es ihm auch nicht verübeln. Hättest du dich nur einen Moment länger unter Kontrolle gehabt, hättest du vielleicht sehen können, wie sehr es ihm Leid tut, und welche Schuldgefühle er deinetwegen hat.“
 

Seung-Hyun nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette und drehte das Gesicht unwillig in die andere Richtung, als würde er versuchen, die Badezimmertür in Grund und Boden zu starren.
 

„Denkst du, das weiß ich nicht selbst?!“, sagte er schließlich, sah dem anderen aber noch immer nichts wieder ins Gesicht.
 

„Ich weiß, dass ich es nicht an Ji-Yong auslassen sollte. Ich weiß auch, dass ich gar nicht so egoistisch sein dürfte, aber ich kann einfach nicht mehr! Vor gar nicht allzu langer Zeit warst du derjenige, der mir gesagt hat, ich solle mir meine Energie für mich selber aufheben und ja, du hattest sicher recht. Aber jetzt ist es zu spät. Ich habe alles was ich hatte in ihn gesteckt und nun brauche ich einfach ein paar Minuten, um meine Batterie wieder aufzuladen.

Lass mich einfach hier sitzen, ich komme schon klar. Dann komme ich wieder raus, werde mich entschuldigen und bin wieder für Ji-Yong stark.“
 

Young-Bae hörte die Verbitterung, die in diesen Worten mitschwang und er wünschte sich, er könnte irgendwas sagen, um sie zu mildern.
 

„Du musst diese Last nicht mehr alleine tragen und das weißt du auch. Ich weiß, dass du Angst hast, uns zu vertrauen, aber ich kann dir sagen, wie ich das sehe. Ji-Yong geht es besser. Seit Herr Jang hier war, ist es mit ihm nur noch bergauf gegangen. Du hast das auch gesehen und nun hast du Angst, dass alles dahin ist. Aber nach dem letzten Ausbruch hat er sich von alleine wieder gefangen es es tut ihm Leid. Ich glaube nicht, dass du möchtest, dass Ji-Yong sich seines Zustandes wegen schuldig fühlen muss, oder?“
 

Young-Baes Worte klangen nicht vorwurfsvoll, aber sie bewirkten, dass die Vernunft in Seung-Hyuns Denken wieder die Oberhand gewann.
 

„Okay, ja, du hast recht, ich habe falsch reagiert, aber kannst du dir vorstellen, wie enttäuschend das ist, immer und immer wieder zu sehen, wie schlecht es ihm geht und absolut hilflos zu sein?“
 

Endlich sahen sie sich in die Augen.

Young-Bae beugte sich von seinem Platz aus nach vorne und legte dem anderen die Hand auf die Schulter.
 

„Seung-Hyun-Hyung! Hör auf, alles alleine schaffen zu wollen und lass dich gefälligst nicht so schnell entmutigen! Du kannst auf uns zählen, das solltest du wissen!“
 

Endlich schlich sich ein kleines Lächeln auf die Lippen des Älteren.
 

„Danke, wirklich!“
 

-
 

Unterdessen hatten sich die beiden Juengsten der Gruppe ins Schlafzimmer der Ältren gewagt und versuchten sich zu ihrem Leader zu gesellen. Nachdem sie das Chaos in Augenschein genommen hatten, welches darin zu finden war, waren sie sich nicht sicher, wie sie an ihn herantreten konnten, ohne dass sie für einen weiteren Ausbruch verantwortlich wären.

Ji-Yong war in den letzten Tagen ungewöhnlich umgänglich gewesen. In einigen Momenten hatten sie beinah ungezwungen in seiner Nähe sein können. Und nun tauschten Dae-Sung und Seung-Ri erneut ratlose Blicke. Was konnten sie tun?
 

"Hyung? W-weinst du?", flüsterte Seung-Ri ihm einfach zu, als er sich überwunden hatte ans Bett zu treten. Dae-Sung folgte ihm vorsichtig und lief auf die andere Seite, hielt jedoch einen Sicherheitsabstand. Sein letztes Erlebnis in diesem Zimmer mit Ji-Yong hatte wieder begonnen, sich in seinem Geist abzuspielen. Er war nervös. Und diese Nervosität stieg, als sich der Jüngere sanft neben Ji-Yong auf der Matratze niederliess, um ihm näher sein zu können. Er hatte dessen leise Schluchzer vernommen, die mit ihrem Eintreten in den Raum verstummten. Die Frage war, aus welchem Grund er wieder Träenen vergoss. Als sich nach weiteren Sekunden keine Reaktion abzeichnete, dachte er bereits, dass Ji-Yong ihn ignorierte, um nicht mit ihnen sprechen zu müssen oder dass dieser der Realität schon wieder entrückt war, doch er irrte sich. Sein grosser Bruder wollte nur nicht, dass er ihn so sah. Erneut.
 

"Hyung, bitte," sagte Seung-Ri flehend, denn er wollte nicht, dass der Ältere ihnen wieder entglitt. Er wollte nicht zurück in den Zustand der Vergangenheit. Dass er dies nicht müsste, zeigte sich ihm, als Ji-Yong letztlich doch seinen Kopf hob und ihn mit verweinten Augen ansah. Er löste seine Arme von den Beinen und begann sich in langsamen Bewegungen die Tränen abzuwischen. Dann wandte er sich ihm gänzlich zu.

"Seung-Riya..."
 

Seine Stimme klang rau und heiser. Beim Sprechen kratzte es unangenehm in seinem Hals. Doch es tat gut, seinen Freund vor sich zu betrachten. Dieser sah ihn weder fassungslos noch ängstlich an. Sein Gesicht drückte nur tiefste Zuneigung aus.
 

"...danke, dass du zu mir gekommen bist."
 

Auf diesen Dank hin zeichnete sich ein leichte Rotschimmer auf den Wangen de Jüngesten ab. Verlegen senkte er seinen Blick, wollte seine Überraschung und Freude über jene Worte verbergen, auf die er nie zu hoffen gewagt hätte. Für eine kurzen Augenblick schielte dieser hinüber zu Dae-Sung, welcher ihn daraufhin ermutigend anlächelte.
 

Als Ji-Yong tatsächlich auf das Bitten Seung-Ris reagiert hatte, hatte er mit Unbehagen auf die Antwort gewartet. Nun war auch er verblüfft. Also war ihre Zeit des Aufschwungs nicht nur ein schöner Traum gewesen, der nun wieder enden musste. Es war alles echt und Ji-Yong erkannte und akzeptierte sie letztlich wieder. Selbst jetzt, wo ihm anscheinend ein neues Unglück wiederfahren war. Dies mussten sie festhalten.
 

"Aber natürlich komm ich zu dir, wenn es dir schlecht geht. Ist doch selbstverstänlich.", murmelte Seung-Ri noch immer sichtlich berührt, wobei er begann, seine Hände zu kneten.
 

Ji-Yongs Gesichtsausdruck aber wurde auf diese Aussage hin sehr betrübt. Er wirkte noch bedrückter als zuvor. Was nun eintrat, hatte Young-Bae bereits vor einiger Zeit geahnt und niemand konnte es verhindern. Seung-Hyuns Verletzung und seine eigene Bestürzung darüber, welche ihn wieder zur Vernunft gebracht hatte, hatten Ji-Yong an etwas Zurückdenken lassen. An andere Augenblicke, in denen es ihm noch schlimmer ergangen war. Augenblicke, in denen er Seung-Ri schwer verletzt und auch Dae-Sung bedroht hatte. Er erinnerte sich an sie und es begann ihm Leid zu tun. Alles, was er seinen Freunden angetan hatte, tat so unendlich weh. Es bereitete ihm Schulgefühle, welche sich nicht durch einige Worte beseitigen lassen würden. Unbewusst liess er seine Hand über den Stoff der Bettdecke auf Seung-Ri zugleiten. Seine Finger schlossen sich um das Handgelenkt seines Freundes und er zog dessen Arm vorsichtig zu sich heran und drehte ihn dabei. Über dessen Innenseite zog sich eine lange rötliche Narbe, welche endlich begonnen hatte zu verblassen. Aber sie war noch immer dort, um ihn zu erinnern.
 

„Wie kannst du sagen, dass du mir noch helfen willst, wo es doch meine Schuld ist, dass du verletzt wurdest.“
 

Ji-Yongs Stimme war so leise, dass sie fast erstarb und dennoch hatte er all seine Gefühle hineingesteckt.
 

Seung-Ri brach es fast das Herz, ihn so zu sehen.
 

Ji-Yong drehte den Arm des anderen und nahm seine Hand in die eigene. Noch immer waren hauchdünne weiße Narben auf den Fingern zu erkennen. Er strich mit dem Daumen über die alten Verletzungen. Es kam ihm vor, als wären Jahre vergangen, seit Seung-Ri das erste Mal seinetwegen verwundet wurde und doch brannten die Schuldgefühle deswegen nicht weniger tief.
 

„Und du auch, wie kannst du hier bloß stehen?", wandte er sich an Dae-Sung. "Ihr alle. Ich habe euch so schlecht behandelt und ihr seid mir noch nicht einmal böse. Ich habe das nicht verdient!“
 

Ji-Yong begann wieder leise zu weinen. Noch immer hielt er die Hand des Jüngsten fest in seiner, im Moment war sie für ihn ein Anker, der ihn an die Realität kettete und verhinderte, dass diese Unzurechnungsfähigkeit wieder über ihn hereinbrach und er wieder etwas Unentschuldbares tat. Sein Griff wurde fester, er musste sich mit aller Kraft daran klammern, wenn er nicht wieder versinken wollte.
 

„Hyung, hör auf, dir solche Vorwürfe zu machen. Du bist sehr stark. Wäre ich an deiner Stelle gewesen, hätte ich nicht deine Kraft gehabt. Wir alle freuen uns so sehr, dass es dir wieder besser geht. Wir wollen dich nicht mehr traurig sehen. Wir wollen, dass du wieder lächelst. Also hör bitte auf.“
 

Seung-Ri versuchte aufmunternd zu lächeln und er hoffte, dass er es gut genug hinbekam. Die Zeit war schlimm gewesen, aber es würde nichts bringen, sich an der Vergangenheit festzuhalten.
 

Auch Dae-Sung setzte sich nun auf das Bett und lächelte das breiteste Lächeln, das er zustande bekam. Ohne es zu wissen, wählte er die gleichen Worte, die Young-Bae ihrem Ältesten mitgegeben hatte.
 

„Du kannst auf uns zählen!“
 

Die Unterstützung seiner Freunde gab Ji-Yong Kraft. Sein Verhalten war nicht zu vergeben, aber er konnte es aufwiegen, indem er dafür sorgte, dass so etwas nicht wieder vorkam.

Keine Bemühung sollte umsonst gewesen sein.

Er konnte endlich das Handgelenkt des Jüngsten loslassen. Einige Sekunden lang zeichneten sich die Abdrücke seiner Finger weiß darauf ab. Langsam blickte er von einem seiner Freunde zum anderen und schließlich zeichnete sich auch auf seinem Gesicht ein leichtes Lächeln ab. Seine Augen war noch immer von Kummer verhangen, aber dieses winzige kleine Lächeln war echt.
 

„Ich weiß nicht, was ich ohne euch tun würde.“
 

‚Was ich ohne Seung-Hyun tun würde‘, fügte er in Gedanken an und er hoffte, dass auch er ihn verstehen konnte und dass er ihm erneut verzeihen würde. Ji-Yong fragte sich, wie tief er inzwischen bei seinem Freund in der Schuld stand. Schon einmal hatte er sich diese Frage gestellt und schon damals keine Antwort darauf finden können. Seitdem war so unendlich viel mehr passiert, das nicht mehr gut zu machen war. Und trotzdem hatte er bis jetzt immer zu ihm gestanden.
 

„Hyung, jetzt hör schon auf, so trübsinnig zu sein!“
 

Seung-Ri legte seine Hand auf die Schulter des Freundes und war so gerührt davon, dass dieser nicht zurückzuckte, ihm stattdessen sogar in die Augen sah, dass er fast selber zu weinen angefangen hätte. Gleichzeitig wollte er ihn umarmen.
 

„Jungs, würdet ihr mich kurz mit Ji-Yong alleine lassen?“
 

Alle drei blickten erschrocken auf. Sie hatten nicht mitbekommen, dass jemand den Raum betreten hatte. Es war Seung-Hyun, der mit verschränkten Armen und gesenktem Blick neben der Tür stand.

Der Älteste hatte die herzerweichende Szene bereits seit einigen Minuten beobachtet. Sie wirkte wie ein Lichtblick für ihn. Ji-Yong dort zu sehen. Zu sehen, wie dieser arglos die Nähe seiner Freunde duldete, sogar den Körperkontakt zu ihnen suchte, vertrieb das Gefühl von Frustration aus seiner Brust. Es hatte nur einen Moment lang gewirkt, als würde es wieder abwärts gehen, doch passiert war es nicht. Als Ji-Yong Seung-Ris Hand ergriffen und sich Vorwürfe gemacht hatte, sah Seung-Hyun, dass dieser wieder bei ihnen war. Mit jeder Faser seines Körpers und mit seinem gesamten Verstand. Er hatte ihm wohl Unrecht getan.
 

Seung-Ri und Dae-Sung benötigten einen Moment, bevor sie sich von ihrem Leader lösen konnten, der von dieser Sekunden an nur noch Augen für Seung-Hyun zu besitzen schien. Sie ahnten, dass diese beiden etwas zu klären hatten und protestierten daher nicht. Stattdessen verliessen sie wortlos den Raum. Als sie den Älteren an der Tür passierten, legte sich Dae-Sungs Hand auf dessen Schulter und drückte sie leicht, woraufhin Seung-Hyun ihm zunickte. Dann ging er weiter, ohne ein Wort zu verlieren.

Unentschlossen trat der Geflüchtete nun ins Zimmer und schloss die Tür leise hinter sich. Er lief auf das Bett zu, auf welchem sein Freund ein weiteres mal Schutz gesucht hatte. Seung-Hyun hatte den Blick noch immer auf den Boden geheftet, wagte es nicht, den Jüngeren anzusehen. Während er das Gespräch der Drei beobachtete, hatte er dessen verweinte Augen gesehen. Wenn er ihn anblickte, würde dieser vielleicht wieder beginnen zu weinen. Das könnte er nicht ein weiteres Mal ertragen. So blieb Seung-Hyun einige Schritte vor dem Bett stehen. Ratlos, was er tun oder sagen könnte, um seinen Freund verstehen zu lassen, warum er ihn abgewiesen hatte.
 

Allerdings war seine Grübelei unnoetig, denn Ji-Yong verstand sehr gut. Verstand es auf seine Weise. Dass Seung-Hyun gegangen war, hatte ihn getroffen, aber nach all dieser Zeit war es ein Wunder, dass sein Freund derart lang durchgehalten hatte. Und ein fast noch grösseres, dass dieser nach wenigen Minuten schon zu ihm zurückkehrte. Ja, es war so, wie er es zu Young-Bae gesagt hatte. Er könnte nicht damit leben, dass Seung-Hyun ihn hasste. Er musste alles tun, um ihm zu beweisen, dass er ihn bei sich haben wollte.

Dass er ihn liebte. So sehr.

Noch bevor Seung-Hyun es schaffte, zu einer Erklärung anzusetzen, erhob sich Ji-Yong von der Matratze und stolperte auf ihn zu. Der Ältere realisierte in seiner Verblüffung kaum, wie sich die Arme seines Freundes fest um ihn schlangen und dieser das gerötete Gesicht in seine Brust drückte.
 

"Es tut mir leid, Hyung.", nuschelte der Jüngere in seinen Pullover, "Ich wollte dich nicht verletzen."
 

Seung-Hyun schloss die Arme fest um seinen Freund und legte sein Gesicht gegen die strubbeligen Haare. Es war so lange her, dass er ihn so hatte halten können und diese Berührung ließ allen Schmerz und alle Zweifel vergessen, die er noch eben mit sich herumgetragen hatte.

Sein Kopf hörte auf zu wummern, stattdessen schlug ihm sein Herz bis zur Kehle.
 

„Ist schon vergessen“, flüsterte er und strich sanft über den Rücken des Freundes. Sein Körper fühlte sich so zerbrechlich in seinen Armen an. Er hatte Angst, er könnte ihn verletzten, wenn er ihn so fest hielt und doch konnte er nicht lockerer lassen.

Mehrere Minuten standen sie so in der Mitte des Zimmers, fest aneinandergedrückt, jeweils auf den Herzschlag des anderen lauschend. Wie sehr hatte er das vermisst. Dies war nun also der endgültige Beweis dafür, dass es Ji-Yong besser ging und das würde ihm die Kraft geben, ihm weiterhin zur Seite zu stehen.

Ji-Yong schmiegte den Kopf an die Brust des anderen, dann löste er sich ein Stück und ihre Blicke trafen sich.
 

„Kannst du mir verzeihen?“
 

Ji-Yongs Augen waren noch immer gerötet vom Weinen, aber dieses Mal wollte er keine weitere Träne verlieren, er wollte dem anderen beweisen, dass er stärker geworden war.
 

Ein zärtliches Lächeln breitete sich auf Seung-Hyuns Lippen aus.
 

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich weiß, dass es nicht deine Absicht war. Ich bin es, der sich bei dir entschuldigen muss. Ich habe für einen kurzen Moment die Geduld verloren, dabei habe ich doch versprochen, dass ich immer für dich da bin. Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“
 

Er wollte warten, bis Ji-Yong ihm antwortete, doch er brachte es nicht über sich, er drückte ihn erneut an sich und hielt ihn so fest, als könnte er ihm wieder entgleiten.

Gemeinsam würden sie diesen Albtraum bis zum Ende durchstehen können.
 

„Hyung… ich habe Angst vor Morgen.“
 

Ji-Yong wand sich schließlich aus der Umarmung und ließ sich wieder auf sein Bett sinken.
 

„Was, wenn ich es nicht kann? Wenn ich diesem Ungeheuer nicht wieder gegenübertreten kann?“
 

„Dann werde ich da sein und dich auffangen!“
 

'So wie jedes Mal' vervollständigte er den Satz in seinem Geist und liess sich für einen Augenblick der Ruhe neben diesem nieder. Sofort lehnte sich sein Freund an ihn und seufzte leise.

Noch einmal legte sich Seung-Hyuns Arm um dessen Schultern, streichelte ihm über den Arm und versuchte ihm auf diese Weise etwas Mut zu machen. Er war froh, dass Ji-Yong diese Befürchtung aussprach. Die Angst war völlig normal und er sollte darüber sprechen. Die kalte Unberührtheit hingegen, welche der Jüngere zu Beginn vergetäuscht hatte, war beängstigend gewesen.
 

"Hyung, ich will nicht wieder so werden wie vorher.", flüsterte Ji-Yong nach einigen Sekunden, in welchen er scheinbar mit sich gerungen hatte, es auszusprechen.
 

Seung-Hyun schluckte. Es wäre diesem lieber gewesen, nicht darueber nachzudenken, was bei der Gegenüberstellung mit dem anderen geschehen würde. Was sollten sie tun, würde er wieder...durchdrehen? Was könnte er tun? Hätte er dann noch genügend Kraft, dies alles ein weiteres Mal durchzustehen?

Der Ältere schüttelte leicht den Kopf und presste den schmalen Koerper schützend an sich.
 

"Das wird nicht passieren."
 

"Wie kannst du dir so sicher sein?"
 

"Weil...du es bis hier hin geschafft hast. Es war hart, doch du bist noch hier und hast nicht einmal mehr Angst, mit den anderen zusammen zu sein. Ich habe es gesehen."
 

Erst jetzt, wo Seung-Hyun es erwähnte, wurde Ji-Yong selbst bewusst, dass dieser Recht hatte. Ihm wurde bewusst, wie nah ihre beiden Jüngsten ihm gewesen waren und tatsächlich war er nicht zurückgeschreckt, hatte sogar das Bedürfnis verspürt, sie bei sich zu behalten. Er hatte es tatsächlich geschafft. Ohne es sich bewusst zu machen.
 

"Ja...", wisperte er etwas entgeistert und drehte den Kopf langsam zur Seite, um dem Älteren in die Augen zu sehen. Doch noch bevor er es konnte, setzte dieser zu weiteren Worten an.
 

"Und ich kenne noch einen Grund...", sagte dieser etwas leiser. Seine
 

Stimme klang plötzlich tiefer, rauer.
 

"...weil ich das hier tun kann..."

Dessen Griff um seine Schultern festigte sich. Ji-Yong fühlte, wie er weiter an den aderen herangezogen wurde. Zu perplex um sich zu wehren verweilte er stumm an diesen gepresst und spürte, wie sich sanfte Lippen auf seine Wange drückten.

Die Zeit blieb stehen.
 

Seung-Hyun hatte in diesem Moment etwas Angst vor seinem eigenen Mut, doch diese schien unberechtigt. Der Kuss dauerte nur einen Herzschlag lang und als er seine Lippen langsam wieder von der heißen Haut des Jüngeren löste, kam es ihm so vor, als habe er wie im Traum gehandelt.

Er erkannte, wie sich ein leichtes Lächeln auf den Lippen des anderen ausbreitete. Ji-Yong legte den Kopf an Seung-Huns Schulter und kuschelte sich eng an ihn. Dabei hob er langsam die Hand und berührte die Stelle, die er geküsst hatte.
 

„Du hast recht, ich kann es bestimmt schaffen. Ich danke dir für alles, Hyung!“
 

Sie blieben noch eine Weile so aneinander gelehnt sitzen, die Nähe des anderen spürend und genießend.
 

Es kam Seung-Hyun wie ein Wunder vor, dass er sich seinem Freund endlich wieder nähern konnte und er wusste, dass diese kurzen Momente der Zweisamkeit sein würden, die auch ihm die Kraft geben würden, das alles bis zum Ende durchzustehen. Dies und die Unterstützung seiner Freunde, auf die er nun endlich zählen wollte.

Wieviel Zeit vergangen war, konnte Seung-Hyun nicht sagen. Er hatte irgendwann die Augen geschlossen und sich nur noch auf die Wärme des dünnen Körpers neben sich konzentriert, hatte auf seine Atemzüge gelauscht und den leichten Duft, der von ihm ausging in sich eingesogen. Doch schließlich brach Ji-Yong das Schweigen.
 

„Hyung…“, begann er.
 

Seung-Hyun öffnete langsam die Augen und blickte den anderen an.
 

„Ich möchte, dass wir immer beisammen bleiben.“
 

Beide lächelten sich einen Moment lang an, dann hob Seung-Hyun seine Hand und streckte dem Freund seinen kleinen Finger hin. Einen Moment lang betrachtete dieser ihn verwundert, doch dann schlich sich Begreifen in seine Gesichtszüge. Er hakte seinen eigenen kleinen Finger ein.
 

„Ich verspreche es dir, Ji-Yong!“
 

Dieser sah so glücklich aus, dass Seung-Hyun ihn am liebsten erneut geküsst hätte, aber er wollte es langsam angehen, nichts überstürzen und seinen Freund nicht unter Druck setzen. Sie mussten nur noch die nächsten zwei Tage überstehen, dann hatten sie alle Zeit der Welt das Verlorengeglaubte wieder aufleben zu lassen.
 

Doch dies war nicht das einzige unglaubliche Ereignis an diesem Tag.

Sie gingen alle früh ins Bett, da es ein aufreibender und anstrengender Tag gewesen war, doch obwohl Seung-Hyun hundemüde war, lag er noch eine Weile wach und ließ die letzten Geschehnisse Revue passieren.

Als er schließlich doch fast eingeschlafen war, nahm er auf einmal Bewegung im Bett gegenüber wahr. Er hatte vermutet, dass Ji-Yong sofort eingeschlafen war, doch scheinbar hatte er sich geirrt. Durch die Dunkelheit sah er ihn nur schemenhaft, doch Ji-Yong war aufgestanden und tapste leisen Schrittes auf ihn, im Arm hatte er seine eigene Decke zusammengerafft. Vor seinem Bett blieb er kurz stehen, als würde er an seinem Vorhaben zweifeln, doch dann fühlte Seung-Hyun eine Hand, die sacht nach seinen Beinen tastete und als sie sie gefunden hatte, stieg Ji-Yong in sein Bett. Er legte sich nicht neben ihn unter seine eigene Decke, wie er es früher immer gemacht hatte, sondern suchte sich einen kleinen Fleck am Fußende des Bettes, auf dem er sich klein machte. Doch Seung-Hyun war von diesem Schritt noch mehr gerührt als von der Tatsache, dass Ji-Yong vor seinem Kuss nicht zurückgeschreckt war.

Er hatte ihn endlich wieder, den Menschen, den er liebte.
 

Und ein aehnlicher Gedanke hatte sich auch in dem Jüngeren geregt, als er sich dazu entschieden hatte, sein Bett zu verlassen. Das Gefühl von Seung-Hyjns Lippen, das Gefühl, diesem wieder nah sein zu können, hatte ihn überwältigt. Nachdem sie sich voneinander getrennt hatten, um endlich Ordnung zu schaffen, vermisste er es bereits und mit jeder Sekunde war seine Sehnsucht gewachsen. Bis er sie in diesem Augenblick nicht mehr irgnorieren konnte. Vielleicht war sein Mut noch nicht gross genug, sich dem anderen wieder völlig zu übergeben, aber er wollte bei ihm sein. Er wollte seinen Atem hören, spueren, wie dieser sich neben ihm bewegte. Sich für einen Moment vormachen, alles Unglück wäre nie geschehen. Und so an dessen Bettende zu liegen, den Kopf auf dem Oberschenkel seines Freundes gebettet, vollbrachte er es tatsächlich, sich zu taeuschen und zum ersten Mal seit langem wieder angenehm zu träumen.
 

Dass die Bewegungsfreiheit des Älten auf diese Weise eingeschränkt wurde, störte diesen nicht im Geringsten. Ein glückliches Lächeln schlich sich auch in sein Gesicht, als er die Hand unter der Decke hervorhob und zärtlich damit durch das Haar Ji-Yongs fuhr, welcher schon längst eingeschlafen war.
 

"Schlaf schön..."



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