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How to save a life

... wenn du dein eigenes Leben dabei riskierst.
von

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Die kleine Kutsche ratterte gemächlich über den dreckigen, unebenen Londoner Straßenboden und Lizzy zupfte unruhig am Vorhang des Fensters, um einen kurzen Blick auf die Menschen zu erhaschen, die allesamt mit gesenktem Kopf und hochgestellten Mantelkragen in der Innenstadt ihren Beschäftigungen nachgingen.

Ein großes Ganzes, und doch ist jeder allein , dachte sie bedrückt, ließ den Vorhang aus ihren Fingern gleiten und lehnte sich leise seufzend gegen das weiche Rückenkissen ihres Sitzes zurück.

„My Lady?“, fragte ihre Zofe Paula leicht verunsichert, die ihr in diesem Augenblick gegenüber saß. „Stimmt etwas nicht?“

Lizzy atmete tief ein und ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen. Paula, die schon seit sie sich erinnern konnte an ihrer Seite stand, war immer feinfühlig gewesen, daran hatte sich auch in all den Jahren nichts geändert. Und Lizzy war unsagbar dankbar dafür, dass ihre Zofe sie auf solche Reisen wie diese begleitete.

„Ich bin nervös“, gestand sie und schloss die Augen. „Ich war lange nicht mehr im Institut. Es bestand keine Notwendigkeit. Doch scheinbar haben sie es jetzt herausgefunden.“

„Was herausgefunden?“, fragte Paula verwirrt, doch Lizzy antwortete nicht mehr.

All die Jahre hatte sie Angst vor diesem Tag gehabt und sich überlegt, was sie tun sollte, wenn die Zeit gekommen war. Doch nun, da sie handeln musste, wollte ihr partout kein Plan einfallen, mit dem sie hätte auftrumpfen können.

Er ist ohnehin nicht da , versuchte sie, sich zu beruhigen. Wenn sie ihn wollen, müssen sie ihn erst noch finden.

Doch das, was Ciel erwartete, war nur ein Teil dessen, was ihr Angst einjagte.

Auch auf sie wartete eine Bestrafung. Die ganze Zeit über hatte sie gewusst, dass es sich bei Sebastian Michaelis um einen Dämon handelte; sie hatte es gewusst und geschwiegen. Sie hatte ihre Familie angefleht, es ihr gleichzutun, ihr Wissen für sich zu behalten. Und sie hatten eingewilligt, um Ciel vor noch mehr Schmerz und Verlust in seinem Leben zu bewahren.

Um ihn zu retten hatte sie das alles auf sich genommen. Nur für ihn hatte sie sich geschworen, jede Strafe zu ertragen, die man ihr auferlegen würde, denn immerhin hätte sie Ciel, den Jungen, den sie mehr als jeden anderen liebte, an ihrer Seite gewusst.

Doch nun… war alles anders.

Die Kutsche kam abrupt zum Halt und fast augenblicklich wurde die Türe aufgerissen. Vor ihr stand ein junger Mann mit rötlich blondem Haar und einem höflichen Lächeln auf dem Gesicht.

„Miss Midford!“, begrüßte er sie herzlich, streckte ihr eine Hand entgegen und half ihr, aus der Kutsche zu steigen. „Wie schön, Sie hier begrüßen zu dürfen!“

„Mr. Branwell!“, erwiderte Lizzy ebenso freundlich, und setzte ihr strahlenstes Lächeln auf. Sie wusste, welchen Effekt es auf die Menschen um sie herum hatte: jeder sah so in ihr das kleine, begeisterte, naive Mädchen ohne jegliche Lebenserfahrung. Als sie jünger war, hatte dies ihren Charakter auch insgesamt gut widergespiegelt, doch dieses zweite Gesicht hatte sie im weiteren Laufe ihrer Jugend nur für Ciel aufrecht erhalten. Nur für Ciel, damit er etwas hatte, was er einfach nur süß und lieblich finden konnte, ohne es direkt mit Hass, Kampf und Tod in Verbindung bringen zu müssen. Dass sie ihm damit eine Lüge vorgelebt hatte, war ihr damals egal gewesen und noch heute bereute sie ihre Taten nicht. Doch diese Blendung war immer mehr ein Teil von ihrem wahren Ich geworden, und so kam es, dass auch, wenn ihr in diesem Augenblick nicht danach zumute war, sie dennoch mit der sich selten zeigenden Sonne um die Wette strahlte. „Ich freue mich, noch einmal hier sein zu können.“

Mr. Branwell war gerade dabei, Paula aus der Kutsche zu helfen, als vom Eingangstor des Instituts her eine kleine Frau auf sie zugeeilt kam.

„Elizabeth!“ rief sie ihr schon von weitem entgegen, während sie sich hastig das braune Haar aus dem Gesicht strich, das der Wind umbarmherzig hin und her peitschte. Sie blieb schließlich knapp vor Lizzy stehen, sog kurz die Luft ein und nahm sie dann mütterlich in den Arm. „Wie schön, dich hier zu haben. Deine Familie hat sich bereits bei uns gemeldet und gefragt, ob ihr schon eingetroffen seid. Ich fürchte, sie haben sich Sorgen gemacht. Ist auf dem Weg hierher irgendetwas vorgefallen?“

Lizzy warf Paula einen kurzen Blick zu, die leicht die Stirn runzelte. „Nein, es ist nichts vorgefallen, Charlotte. Meine Mutter macht sich nur in letzter Zeit sehr schnell Sorgen, manchmal ist das nicht sonderlich zuträglich.“

„Am besten ihr kommt schnell mit ins Institut, dann kannst du ihr eine Nachricht zukommen lassen.“ Vorsichtig legte sie eine Hand auf Lizzys Rücken und schob sie sachte Richtung Eingangstüre. „Euer Gepäck wird selbstverständlich auf die Zimmer gebracht. Wir haben viel zu bereden.“
 

„Wie geht es dir eigentlich, Charlotte?“, fragte Lizzy und warf der kleinen Frau neben ihr einen verstohlenen Blick zu, als die kleine Prozession gemeinsam die Stufen im Treppenhaus des großen Instituts erklomm, das die Schattenjägergemeinschaft als Zentrale verwendete, ein Ort, an dem jeder ihrer Art Zuflucht und Obdach finden konnte. Lizzy war dennoch noch nicht häufig hier gewesen; sie lebte mit ihrer Familie auf dem Land und wenn sie nach London kamen, wohnten sie in ihrer hiesigen Sommerresidenz.

Charlottes Hand wanderte fast geistesabwesend zu der deutlichen Wölbung an ihrem Bauch und berührte sie zart. „Dem Kind geht es gut, und mir in diesem Sinne auch“, erwiderte sie schließlich und schenkte ihr ein kleines Lächeln. „Allerdings sind wir noch immer nicht im Fall Mortmain weitergekommen, was uns allen hier Sorgen bereitet.“

Lizzy runzelte die Stirn. „Ja, mein Vater hat mir davon bereits erzählt. Er musste deswegen häufiger als sonst Sitzungen des Rats beiwohnen, das sind wir daheim nicht gewöhnt.“

„Alexis hat sich nie sonderlich am Ratsgeschehen beteiligt, das stimmt wohl.“ Charlotte presste die Hände zusammen und schaute nachdenklich auf den Boden vor ihr, während sie einen langen, breiten Gang entlang gingen. „Umso erstaunlicher ist es, dass der Fall selbst Schattenjäger wie ihn dazu veranlasst, nach London zu kommen und sich zu involvieren.“

Lizzy lachte kurz. „Ich bin mir nicht sicher, ob er sich involvieren will. Ich denke vielmehr, dass meine Mutter ihm keine andere Wahl lässt!“

Charlotte stimmte kurz in ihr Lachen mit ein, doch sie beide klangen nicht so gelöst, wie Lizzy es in Erinnerung hatte. Sie kannte Charlotte, seit sie selbst ein kleines Mädchen gewesen war; damals hatten die Fairchilds, wie es ihr Mädchenname war, die Midfords häufiger besucht und Charlotte hatte auf sie aufgepasst, wenn ihre Eltern „Erwachsenengespräche“ zu führen hatten. Dann jedoch hatte Charlotte sich irgendwann mit Henry Branwell verlobt und ihre Besuche waren weniger geworden, bis sie schließlich gänzlich ausgeblieben waren. Dennoch war die kleine, lebhafte Frau Lizzy immer als hübsch, offenherzig und zielstrebig in Erinnerung geblieben; ihr jetziges Erscheinungsbild sprach allerdings von einer strapaziösen Zeit, in der sie sich zu befinden schien und die wohl nicht einzig und allein auf die Schwangerschaft zurückzuführen war. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, um ihren Mund hatte sich ein leicht verkniffener Zug gebildet. Sie war blass und recht mager und insgesamt machte sie einen äußerst erschöpften Eindruck.

Charlotte öffnete eine große Flügeltüre, die hinein in einen wunderschönen, geräumigen Speisesaal führte. Lizzy erkannte diesen Raum wieder und er war somit einer der einzigen, der ihr im Gedächtnis geblieben war.

Am Tisch in der Mitte saßen ein Mädchen und ein Junge, die offenbar in ein Gespräch vertieft gewesen waren, jetzt aber hastig aufschauten, als hätte man sie bei einer heimlichen Beredung ertappt. Zwei identisch blaue Augenpaare hefteten sich auf die Neuankömmlinge, explizit jedoch auf Lizzy, die stehen geblieben war und nicht so recht wusste, was sie als nächstes tun sollte.

Charlotte kam ihr jedoch zu Hilfe und deutete mit dem Finger auf die beiden Jugendlichen. „Elizabeth, darf ich vorstellen? Das sind William und Cecily Herondale. Will, Cecily, das ist Lady Elizabeth Midford, sie wird uns für einige Tage mit ihrer Anwesenheit beehren.“

Lizzy fiel auf, wie ähnlich sich die beiden Herondales sahen, auch wenn William etwa so alt wie selbst zu sein schien und seine Schwester einen jüngeren Eindruck auf sie machte. Beide hatten diese blaue Augen, pechschwarze Haare und äußerst prägnante Gesichtzüge; Lizzy kam nicht umhin zu bemerken, wie gut die beiden aussahen.

Obwohl es ihren derzeitigen Gemütszustand in keinster Weise widerspiegelte, vollführte sie einen unbekümmerten Knicks und schenkte William und Cecily ein Lächeln, wie es im Buche stand. „Es freut mich, Sie beide kennenzulernen!“

Während Cecily ihr Lächeln freundlich erwiderte, wanderte Williams Blick weiter zu Charlotte und seine Augenbrauen stiegen merklich in die Höhe. „Ist das das Mädchen, von dem du gestern Abend erzählt hast?“

Als Antwort nickte Charlotte und bedeutete Lizzy, sich zu setzen, deren Magen bei Williams Worten jedoch einige Etagen tiefer gesackt war. „Es wird gleich Abendessen geben“, erklärte Charlotte, als Paula gerade neben Lizzy Platz nahm, womit sie beide genau gegenüber der Herondales saßen. „Danach wird Sophie euch eure Zimmer zeigen. Morgen früh ist die Ratssitzung. Will und Jem werden dich dorthin begleiten, Lizzy, und ich werde später dazustoßen.“ Charlotte zögerte, errötete leicht und warf Lizzy einen entschuldigenden Blick zu. „Verzeih mir. Ist es dir überhaupt recht, wenn ich dich „Lizzy“ nenne? Ich habe mich mittlerweile so daran gewöhnt, die Bewohner hier mit ihrem Spitznamen anzusprechen, dass es mir hin und wieder unfreiwillig auch bei anderen Menschen passiert.“

„Wer hier ist, muss sich unseren Gewohn- und Gepflogenheiten beugen“, kommentierte William und lehnte sich seufzend auf seinem Stuhl zurück. „Ich bin sicher, Lizzy wird nichts dagegen haben, habe ich nicht recht?“

Lizzy war über eine solche Direktheit etwas überrascht und suchte nach einer passenden Erwiderung, während Charlotte William mit einem Blick bedachte, der Milch hätte sauer werden lassen können.

„Ich denke, dass es nicht in deiner Macht liegt, zu entscheiden, wie wir Lady Elizabeth Ethel Cordelia Midford adressieren, Will!“, wies sie ihn streng zurecht und wandte sich dann erneut an Lizzy, die dem Dunkelhaarigen allerdings schon stillschweigend zugestimmt hatte.

„Es ist vollkommen ausreichend, wenn ihr mich Lizzy nennt.“, gab sie hastig als Antwort. „Und das hier“ – sie deutete mit der flachen Hand kurz auf das Mädchen neben ihr – „ist meine Zofe Paula.“

„Selbstverständlich darfst du im Gegenzug unsere Bewohner ebenfalls mit ihrem Spitznamen anreden, wenn du schon so freundlich bist und uns diese Ehre erweist“, sagte Charlotte und ließ sich am Kopfende des Tisches nieder, Henry zu ihrer rechten. „Tessa und Jem müssten eigentlich gleich kommen, dann weißt du, wen ich eben gemeint habe.“

Fast auf Kommando flog die Türe des Speisesaals auf und ein junger Mann mit silberweißem Haar betrat den Raum, dicht gefolgt von einem hübschen, hochgewachsenen Mädchen, dessen dichte, hellbraune Haarpracht sanft auf ihre Schultern herabfiel. Beide nahmen neben Will und Cecily Platz, wobei sich die Jungen mit Blicken bedachten, wie sie Freunde austauschten, die sich auch ohne Worte verstanden.

„Lizzy, Paula, das sind James „Jem“ Carstairs und Theresa „Tessa“ Gray. Ihr beide, das ist Lady Elizabeth „Lizzy“ Midford und ihre Zofe Paula. Ich hatte ihr Kommen gestern Abend bereits angekündigt.“

Zwei freundliche Augenpaare richteten sich auf sie und Lizzy bemerkte, dass die beiden auf sie von vorneherein einen sympathischen Eindruck machten, auch wenn sie Jems Aussehen zugegebenermaßen etwas irritierte. Nicht nur seine Haare waren silbern, auch seine Augen leuchteten in derselben Farbe. Dennoch ging von ihm eine sonderbare Wärme aus, die man vermutlich auch auf die herzliche Ausstrahlung zurückführen konnte, die er ganz im Gegensatz zu Will verströmte.

„Guten Abend“, begrüßte er sie lächelnd, während ein Dienstmädchen hereinkam und das Essen anreichte. Tessa neben ihm nickte ihr kurz zu und richtete sich dann an Charlotte, doch Lizzy bekam nicht mit, worüber die beiden sprachen, da Jem abermals die Stimme erhob. „Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise, Lady Midford?“

Doch bevor Lizzy etwas erwidern konnte, antwortete Will: „Du darfst sie ruhig Lizzy nennen. Sie hat uns soeben die Absolution erteilt.“ Gedankenverloren spielte er mit dem Stiel seines Weinglases und fuhr mit einem langen Finger immer wieder an ihm entlang. Dann jedoch zog er abermals eine Augenbraue in die Höhe. „Oder galt dieses Zugeständnis nicht für alle, sondern nur für Menschen mit überragendem Aussehen und Charme?“

Lizzy konnte nicht anders, sie lief feuerrot an. Was erlaubte sich dieser William Herondale?

„Lizzy“ Sie sog zitternd die Luft ein. „Nennen Sie mich ruhig Lizzy. Die Bevollmächtigung galt für alle, Mr. Herondale, keine Sorge.“

Wills Lippen verzogen sich zu einem überraschten Lächeln. „Dann bitte ich dich, Lizzy: nenn mich ruhig Will.“

„Und mich Jem“, beeilte sich der andere Junge hinzuzufügen, der dem Gespräch mit zusammengezogenen Augenbrauen gelauscht hatte. „Höflichkeitsfloskeln finden hier in diesem Haus generell nicht so viel Beachtung wie an anderen Orten. Das mag für dich vermutlich eine neue Erfahrung sein, nicht wahr? Ich kann mir vorstellen, dass man als „Lady“ durchaus wert auf Anstand legen muss. Was nicht heißen soll, dass wir hier ein Haufen blamabler Brüllaffen sind.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen und Lizzy viel auf, dass Tessa neben ihm, die ihr Gespräch mit Charlotte beendet hatte, Jem mit einem liebevollen Blick bedachte.

Unwillkürlich schweiften Lizzys Augen zu Will, der zu ihrer Überraschung die Augenbrauen leicht zusammengezogen hatte und Tessa für wenige Augenblicke mit einem Ausdruck auf dem Gesicht musterte, den Lizzy nicht deuten konnte.

„Nun denn, guten Appetit!“, verkündete Henry und piekste eine Kartoffel mit der Gabel auf.

„Wo ist Gideon?“, fragte Tessa, nachdem sie ihren ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte. „Und Sophie habe ich heute auch noch nicht gesehen.“

Charlotte schluckte, griff nach der Serviette und tupfte sich den Mund ab. „Nun“, begann sie und legte das Tuch zur Seite, „ich habe sie heute morgen mit dem Auftrag betraut, den Lightwoods noch einmal einen Besuch abzustatten. So, wie die Dinge stehen, halte ich es für sinnvoller, in unserer momentanen Situation ein Auge auf diese Familie zu halten, bevor es wieder zur Eskalation kommt.“

Tessa nickte, und auch von Henry, Jem und Will kam zustimmendes Gemurmel. Cecily hingegen schaute ähnlich verwirrt drein, wie Lizzy sich fühlte, sagte jedoch nichts. Lizzy beschloss, dass es wohl das Beste war, es ihr gleichzutun und schob sich die nächste Kartoffel in den Mund. Schon die Kartoffeln schienen bei ihr zu Hause anders zubereitet zu werden, denn die typische Geschmacksentfaltung, die Lizzy gewohnt war, blieb aus. Nichtsdestotrotz schmeckte ihr das Essen und erst jetzt bemerkte sie, wie hungrig sie eigentlich gewesen war.

Paula neben ihr schien es ähnlich zu gehen, denn auch sie hatte mehr Aufmerksamkeit für ihren Teller als für die Menschen um sie herum übrig.

Als Lizzy von ihrem Teller hochblickte, bemerkte sie, dass Cecily sie interessiert und mit einem verschmitzten Grinsen auf dem Gesicht beobachtete.

„Schmeckt es dir?“, fragte sie und sie unterdrückte merklich ein Lachen.

Lizzy konnte nicht anders: sie erwiderte das Lächeln und nickte zur Bestätigung. „Ich habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen, weil Paula den Korb zu Hause vergessen hat.“ Das Mädchen neben ihr schrumpfte schuldbewusst eine Zentimeter zusammen und senkte den Kopf. „Aber das Warten hat sich gelohnt.“

„Und anders als sonst werden wir heute glücklicherweise auch nicht gesanglich begleitet“, entgegnete Will, der sich gerade eine neue Ladung Essen auf die Gabel häufte.

„Unsere Köchin… singt sehr gerne“, erklärte Jem auf Lizzys fragenden Blick hin und Tessa neben ihm lachte kurz.

„Und was für schaurig traurige Lieder!“, fügte sie hinzu und legte ihre Gabel neben den Teller, von dem sie bisher nur die Hälfte ihres Essens verzehrt hatte.

Jem bedachte sie mit einem sorgenvollen Blick. „Hast du keinen Hunger mehr?“

Scheinbar selbst überrascht, dass es ihm aufgefallen war und dass es ihm etwas ausmachte, schaute Tessa ihn an. „Nein, habe ich nicht“, sagte sie schließlich und legte sich eine Hand auf den Bauch. „Ich glaube, ich habe eben zu viel Kuchen gegessen.“

„Du hast Kuchen bekommen?“

„Will hat mir welchen mitgebracht.“ Lizzy war sich nicht sicher, aber sie meinte, dass Tessas Blick fast schon vorwurfsvoll war, als er zu dem Schwarzhaarigen schoss, der jedoch seine Augen auf Jem gerichtet hatte.

„Dein Stück steht noch in meinem Zimmer“, erklärte er Jem. „Ich habe dich eben nicht gefunden und mir dann gedacht, dass ich es einfach dort aufbewahre, bevor Henry auf die Idee kommt, noch ein zweites zu verdrücken.“

„Wer hätte gedacht, dass irgendwann einmal die Zeit kommen würde, in der uns William Herondale Kuchen mitbringt“, kommentierte Jem mit einer fast schon liebevollen Note in der Stimme und legte seine Gabel auf den leergegessenen Teller. Lizzy tat es ihm gleich und lehnte sich satt und zufrieden gegen die Rückenlehne ihres Stuhles.

„Ach herrje!“, rief Charlotte in diesem Moment und sprang auf. „Lizzy, wir haben deiner Mutter noch keine Nachricht zukommen lassen! Beim Erzengel, sie wird denken, dir sei sonst etwas zugestoßen!“

Lizzy durchzuckte augenblicklich das schlechte Gewissen. Sie stahl sich oft heimlich von Zuhause fort; damals hatte sie es meist getan, um Ciel zu besuchen, der nach ihrem Eintreffen dann meist ohne ihr Wissen ihre Mutter von ihrer Anwesenheit in Kenntnis gesetzt hatte, damit sie sich keine Sorgen machte. Demnach war sie es nicht gewohnt, an die Sorgen ihrer Mutter auch nur einen weiteren Gedanken zu verschwenden. Doch Charlotte hatte Recht.

Umgehend erhob sie sich. „Eine Feuerbotschaft wird wohl Abhilfe schaffen, nicht wahr?“, sagte sie vergnügt und versuchte, sich ihre Schuldgefühle nicht anmerken zu lassen. „Ihr entschuldigt mich bitte. Wir sehen uns dann morgen.“

Mit einem Winken verabschiedete sie sich von der versammelten Tischgemeinschaft und verließ zusammen mit Paula hinter Charlotte den Speisesaal.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2014-06-26T11:32:08+00:00 26.06.2014 13:32
Es klingt sehr interessant und ich hoffe es kommen noch weitere Kapitel.
Antwort von:  AkiProductions
26.06.2014 23:05
Hallo Tristimonia! :)

Oh Gott, ich habe überhaupt nicht mehr damit gerechnet, zu dieser FF jemals einen Kommentar zu erhalten - ich bin fest davon ausgegangen , dass sie in den endlosen Weiten der Animexx-FF-Seite untergegangen ist.
Umso mehr freut mich, dass Du das Kapitel nicht nur gelesen, sondern auch noch einen Kommentar dagelassen hast! :) Tausend Dank dafür.

Vielleicht komme ich bei Zeiten dazu, das nächste Kapitel hochzuladen. Ich habe tatsächlich vor geraumer Zeit weitergeschrieben, allerdings mehr für mich selbst als für irgendeine FF-Page. Wenn sich aber jemand hierfür interessiert, möchte ich ihm/ihr den Fortschritt natürlich nicht vorenthalten. :)

Dankeschön! :)

Liebe Grüße
AkiPro
Von:  Nightalp
2013-01-10T21:26:07+00:00 10.01.2013 22:26
Habs noch nicht gelesen, aber: es GIBT Leute, die sich für beides interessieren ;)
und werde ersteres natürlich sofort korrigieren


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