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Armageddon

Auch die Hoffnung stirbt irgendwann ... [Trailer online]
von

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Ruinen eines Lebens

Sie war auf den Anblick nicht gefasst gewesen. Obwohl sie es sich den ganzen Weg lang vorgestellt hatte, hätte sie nicht erwartet, was sie sah, als die letzten Bäume vor ihnen wichen und sie und Sasuke auf die Überreste des einst so großen und lebensprühenden Dorfes hinabblickten.

Wäre der Hokage-Berg mit den verwaschenen Gesichtern nicht gewesen, hätte sie einfach nicht geglaubt, schon da zu sein. Aber die steinernen Antlitze der Hokage starrten leblos und wehmütig auf die Trümmer nieder und wirkten dabei verzerrt, verformt, zerschlagen, rissig, ebenfalls vom Sturm in Mitleid gezogen. Das neueste Gesicht, das von Tsunade, war nur noch ein runder, gewellter Auswuchs, eine riesige Pustel auf dem Berg.

Die Häuser waren zerfallen, als hätte jemand die Wände verschwinden lassen. Dachziegel lagen bunt auf den Straßen, die keine Straßen mehr waren, sondern kaum merkliche Schluchten zwischen den Ruinen. Die Farben der Plakate und Schilder waren bleich geworden, Schriftzüge fast unleserlich, als würden sie seit Jahrzehnten verwittern. Und nichts, absolut nichts war übrig geblieben! Kein Leben, kein noch so kleines, kein noch so stabiles Gebäude.

Der Himmel war grau und bedeckt, selbst die Sonne verschloss ihr feuriges Auge vor diesem Anblick. Sakura stand minutenlang da, versuchte zu begreifen, was sie sah. Sollte keiner der Ninjas überlebt haben? Traf ihr erster Eindruck von der Katastrophe tatsächlich zu? All ihre Freunde, alle, die sie liebte …? Aus den Minuten wurde eine Stunde, und immer noch konnte sie den Blick nicht von der Zerstörung lösen. In der Nähe des Dorfes waren die Bäume verdorrt und in scharfem Winkel gebogen, weiter weg hatte der Tod nicht so gründlich Einzug gehalten. „Wie kann das sein?“, flüsterte Sakura erstickt. „Wie können wir überlebt haben, wenn das alles … Wie können die Leute in ihren Minen überlebt haben, wie kann überhaupt noch irgendwas da sein, wenn Konoha jetzt so aussieht?“

Sasuke trat an ihre Seite. Er wirkte verändert, bedrückt, obwohl er die Szene bereits gesehen hatte. Steckte ihn Sakuras Stimmung an? „Ich glaube, ich weiß es“, murmelte er. „Kabuto hat einmal Andeutungen über ein Experiment gemacht, einen Ninja namens Aoka. Er besaß die einzigartige Fähigkeit, Chakra zu speichern, und er konnte es auch wieder entlassen. Kabuto sagte, wenn er das tut, ist sein Chakra aggressiv. Wenn es auf andere Lebewesen trifft, reißt es ihr komplettes eigenes Chakra aus deren Körpern und zerrt es mit sich. Darum war der Chakrasturm so vernichtend. In unserer Nähe war er im Grunde noch gar nicht so stark, aber je weiter er sich ausgebreitet hat, desto mehr Nahrung hat er gefunden. Hier, in einem Dorf, wo die meisten Leute Shinobi sind, hat ihr geballtes Chakra den Sturm so weit verstärkt, bis …“ Er sprach nicht weiter.

Jetzt, dachte Sakura. Jetzt wäre wahrlich die Zeit um zu weinen. Aber diesmal, ausgerechnet diesmal wollten keine Tränen kommen. Da sah sie plötzlich etwas, unten im Trümmerfeld war eine Bewegung, ein Schatten. Ohne weiter darüber nachzudenken stürmte Sakura los, so schnell ihre noch wackeligen Beine sie trugen. Sasuke ließ keinen Laut vernehmen, aber sie hörte, wie er sie vefolgte.

Sie stolperte über Trümmer und scharfkantige Steinbrocken, zersplittertes, morsches Holz. Nach wenigen Schritten waren ihre Waden zerschnitten und blutig, doch sie ignorierte den Schmerz. Ein Lebenszeichen, da war ein Lebenszeichen gewesen! Sie umrundete Berge von Schutt, kletterte über Häuserskelette und wich knochigen, geschmolzenen Strommasten aus, die wie die Rippen eines gewaltigen Tieres über den Boden krochen. Als sie atemlos an der Stelle stehenblieb, wo sie die Bewegung gesehen hatte, war da nichts mehr. Hatte sie sich geirrt? Hatte eine verzweifelte Hoffnung Wahnvorstellungen in ihren Kopf gepflanzt?

Sasuke kam hinter ihr zum Stehen, während sie die Hand gegen eine schräg stehende Holzwand legte, dann die Stirn. Unter ihren Füßen lag ein ausgeblichenes Schild, das fröhlich verkündete, dass dies ein Restaurant war. Es wunderte sie, dass sie keine Leichen gesehen hatte, aber wahrscheinlich hatte der Chakrasturm alles Organische einfach in Rauch aufgelöst, wie er es mit Sai getan hatte.

Sie hörte ein Geräusch hinter sich und sah, wie Sasuke herumfuhr. Dort drüben hatten sich umgestürzte Wände und Dachbalken verkeilt, sodass ein Zelt aus Schutt entstanden war. Aus dem Schatten darunter stachen große, angstvolle Augen.

„Komm heraus“, befahl Sasuke.

Die schmale, ausgemergelte Gestalt, die aus ihrer Höhle kroch, hielt Sakura zunächst für jemanden aus dem Dorf, doch wenn es so war, dann kannte sie sie nicht. Es war ein junges Mädchen von vielleicht zwölf oder dreizehn Jahren und so schmutzig, dass seine Haut kaum zu sehen war. Seine Augen waren groß und geweitet. Die Kleidung war zerrissen. In der Höhle sah Sakura einen Stapel Pappkartons. Es versetzte ihr einen Stich, als sie darauf schwungvoll den Schriftzug von Ichirakus Ramen erkannte. Außerdem lagen in der armseligen Unterkunft leere Milchpackungen herum und in einer Ecke glitzerte etwas, das wie wertvoller Schmuck aussah. Zuerst wollte Sakura schon wütend werden, dass jemand so schändlich Konohas Ruinen geplündert hatte, aber dann vergegenwärtigte sie sich, dass es kaum Diebstahl war, wenn niemand mehr lebte, der es sonst nehmen könnte. Sie beugte sich vor und fragte: „Wie heißt du? Bist du aus dem Dorf?“ Ihre Stimme klang wohl doch schärfer, als sie es gewollt hatte, denn das Mädchen ignorierte die erste Frage und schüttelte nur den Kopf.

„Hast du etwas Wertvolles bei dir? Oder etwas zu essen?“, fragte Sasuke. Das Mädchen erschrak und seine Augen wurden noch größer.

„Sasuke!“, sagte Sakura scharf.

„Wir können alles brauchen“, beharrte er. „Ich habe es satt, immer nur Beeren und Fisch zu essen.“

„Aber du verängstigst sie.“ Sanft sagte sie: „Hab keine Angst. Wir wollen dir deine Sachen nicht wegnehmen. Kommst du von weit her?“ Sakura zog es vor, Sasukes abfälliges Zischen zu überhören.

Die Stimme des Mädchens war piepsig, als es antwortete. „Nein, nicht weit. Aus dem Norden. Ich bin aus Neuanfang fortgegangen.“

„Neuanfang?“, hakte Sasuke nach.

Das Mädchen nickte. „Arata na Hajimari. So heißt die Stadt im Norden.“

„Es gibt noch eine Stadt?“, fragte Sakura ungläubig.

„Sie ist neu. Wir haben sie gebaut. Wir leben jetzt dort“, erzählte das Mädchen nicht ohne Stolz.

„Wen meinst du mit wir?“, fragte Sakura.

„Überlebende“, sagte Sasuke. „Es hat wohl noch ein paar gegeben. Offenbar haben sie sich dort oben zusammengerottet und wohnen jetzt in Ruinen.“

„Aber warum bist du fort?“, wollte Sakura wissen.

Der Blick des Mädchens wurde traurig. „Sie haben mich nicht gewollt“, sagte es. „Meine Mutter ist gestorben, und jeder, der in Neuanfang wohnen will, muss hart arbeiten. Ich bin nicht so stark wie die anderen.“

„Also haben sie dich verstoßen?“ Sakura konnte darüber nur den Kopf schütteln.

„Das ist nicht mehr die Welt, die du kennst, Sakura“, erinnerte sie Sasuke. „Und wir werden sie auch nicht mitnehmen.“ Woher hatte er gewusst, was sie als nächstes sagen wollte? Sakura sah ihn nur verärgert an, aber seine Augen waren noch ernster als sonst. „Sie findet vielleicht in den Ruinen, was sie braucht. Sie wäre uns nur ein Klotz am Bein.“

Ein Klotz am Bein. Wie ich damals. Sakura schluckte. Das Mädchen erinnerte sie an sich selbst, als Sasuke sie zurückgelassen hatte, als sie vorgeschlagen hatte, mit ihm Konoha zu verlassen. Nur dass sie Naruto und die anderen gehabt hatte, und das Mädchen war allein. Dennoch wusste Sakura, dass sie kein Recht hatte, etwas anderes von ihm zu verlangen. Es war ein Wunder, groß genug, dass er sie überhaupt mitnahm.

Das Mädchen schien auch nichts zu erwarten, denn es sah die beiden nur noch eine Weile nervös an und blickte zurück zu der Höhle. „Ist schon gut. Wir gehen wieder“, seufzte Sakura.

Die Kleine nickte und kroch in ihre Unterkunft zurück. Während Sakura und Sasuke durch die Trümmer marschierten, verspürte Sakura noch schlechtes Gewissen, dieses Kind sich selbst zu überlassen. Das Gefühl wurde jedoch alsbald von der niederschmetternden Zerstörung niedergerungen. Konoha war nichts mehr, was ein Dorf ausmachte – es wirkte wie ein Feld, auf dem statt Getreide Schutt wuchs, als hätte der Chakrasturm auch dieses Gesetz der Natur gebrochen und ins Lächerliche gezogen.

Schließlich konnte sie nicht mehr weitergehen und blieb seufzend stehen. Hier irgendwo war ihr Haus gestanden, und sie konnte nicht einmal genau sagen, wo. Ihre Eltern … Tränen schmerzten in ihrem Hals, fanden aber den Weg bis zu ihren Augen nicht mehr. Sie fühlte sich leer, als sie an den Überresten von Inos Blumenladen vorüberging, und fast war es ihr, als hörte sie die Stimme ihrer Freundin, die sie rief.

In dem Moment wusste sie nicht mehr, ob das hier einfach nur ein Albtraum war, oder ob sie gerade aus einem schönen Traum in eine schreckliche Realität aufgewacht war. „Du hast das schon mal gemacht, oder?“, murmelte sie leise.

„Was?“, fragte Sasuke. Er hielt sich hinter ihr, als wollte er das letzte Bild, das sie von Konoha sah, nicht stören.

„Dein Leben hinter dir gelassen“, sagte sie. „Du weißt, wie es geht.“ Er schwieg, also fuhr sie fort: „Nichts ist mehr so, wie es war. Als wären wir in eine völlig neue Welt geschleudert worden. Nur wir beide. Und es gibt Städte, die wir nicht kennen, und Leute, die wir nicht kennen.“

„Mach dir einfach nicht so viele Gedanken.“ Sasuke ging an ihr vorbei, trat mit dem Fuß ein paar Bretter weg, die eine Häuserruine verschlossen, die aus schwerem Backstein war. Erst, als er im Inneren verschwand, sah Sakura den abgerissenen, keilförmigen Schornstein, der sich davor in die Erde gegraben hatte. Sie versuchte sich zu erinnern. War das eine Bäckerei gewesen?

Sasuke kam mit Wasserflaschen und einem verkohlten Brotlaib zurück. Sie aßen, während sie weitergingen. Das Brot schmeckte grauenhaft bitter, aber es füllte den Magen. Das Wasser war nicht so schleimig wie das in den Minen, von dem Sakura vermutete, dass es sie krank gemacht hatte.

„Was tun wir jetzt?“, fragte sie, als sie fertig waren. Das Hokage-Gebäude war trotz seines Zustands noch gut zu erkennen und sogar noch begehbar. Die formlos gewordenen Gesichter der Hokage starrten steinern und erbärmlich auf sie herab.

Sasuke sah in den Himmel. „Wir werden hier übernachten. Zur Not können wir uns hier gut verteidigen.“

„Das meine ich nicht. Was tun wir danach? Wohin wollen wir?“

Sasuke zuckte mit den Schultern und warf einen Blick auf die Flasche in seiner Hand. „Hier im Dorf gibt es sicher noch genug Dinge, von denen wir leben könnten, wie das Mädchen eben. Aber ich vermute, du willst nicht hierbleiben.“

Sakura schüttelte den Kopf. Sie war überrascht, dass er ihre Gefühlswelt überhaupt berücksichtigte. Vielleicht war da doch mehr als nur die Hoffnung, dass sie ihm die Kristalle öffnen würde? Nein, das wollte Sakura sicherheitshalber nicht glauben. Er hatte sie damals genug verletzt, als er einfach gegangen war, obwohl sie ihm ihre Liebe gestanden und ihn angefleht hatte, sie mitzunehmen. Außerdem ist zu viel passiert, sagte sie sich.

„Wir pflegen dich hier gesund, dann machen wir uns wieder auf den Weg“, bestimmte er. „Es bringt nichts, nur durch die Gegend zu streifen. Wir versuchen, diese Stadt zu finden, Neuanfang. Wo Menschen sind, können wir vielleicht in Erfahrung bringen, wo andere Menschen sind.“

„Andere Menschen?“, murmelte Sakura. „Was hast du jetzt eigentlich vor, nachdem die Welt untergegangen ist?“

„Für mich hat sich nichts geändert“, sagte er mit harter Stimme. „Ich werde Itachi finden und töten. Auch wenn es jetzt den Anschein hat, dass mein Training bei Orochimaru umsonst war.“

Das hatte sie befürchtet. Schweigsam half Sakura ihm, als er den Schutt vor einem Loch in der Mauer des Hokage-Gebäudes aus dem Weg schob. Sie übernachteten in der Bibliothek, was zwar schmerzte, als sie an die vielen Stunden dachte, die sie hier für ihre Medic-nin-Ausbildung gelernt hatte, aber der Raum war einer der wenigen, dessen Decke noch halbwegs intakt und nicht einsturzgefährdet war. Sie räumten die Bücher zur Seite, die aus den Regalen gefallen waren und den Fußboden wie ein Teppich bedeckten, und Sakura fand in einem der angrenzenden Räume Vorhänge und Tücher, die sie als Matratzen herrichteten. Nebeneinander schliefen sie ein, doch obwohl Sakura sich immer danach gesehnt hatte, ihn so nah bei sich zu wissen, spürte sie nichts, und das entsetzte sie vielleicht mehr als der Zustand dieses Gebäudes. Nicht nur Konoha lag in Trümmern, es konnte sein, dass es ihrem Herz ebenso ging. Was sollte sie machen, wenn sie nie wieder wirklich lieben konnte?

Die düsteren Gedanken gingen in einen düsteren Traum über. Diesmal handelte er nicht von ihr selbst, aber von dem Mädchen in den Ruinen. Es lag blutüberströmt in der Tropfsteinhöhle, während der Jashinist mit dem Reisbauernhut es mit einer Handsense aufschnitt und die ganze Gemeinschaft im Chor rief: „O Jungfrau, die dem Donner entsprang …“

Als Sakura schweißgebadet aufwachte und einen Schrei ausstieß, regte sich etwas neben ihr und plötzlich war ein Gewicht auf ihr, ein dunkler Mantel verdeckte die Schemen, die sie sah, und eine Hand presste sich auf ihren Mund. Sakura versuchte zu schreien und wehrte sich nach Kräften, schlug um sich, kratzte nach unsichtbaren Augen, versuchte zuzubeißen und sich herumzuwälzen, aber je mehr sie zappelte, desto fester wurde der Griff, der sie zu Boden zwängte. Dann schwebten zwei rote Augen vor ihr in der Dunkelheit, sahen sie zornig an, blitzten in irgendeinem Licht, das durch die Falten des Mantels kroch.

Sakuras Herz jagte. Wie hatte er sie gefunden? Itachi war nicht in ihrem Traum gewesen – hatte er einen Weg daraus in die Realität gefunden? „Sei ruhig, verdammt!“, zischte eine scharfe Stimme in ihrem Ohr.

Nein, sie würde nicht ruhig sein! Sie würde es nicht dulden, nicht noch einmal! Die Hand drückte so fest gegen ihre Zähne, dass es wehtat, und eine andere war um ihren Bauch geschlungen und presste sie zu Boden, aber ansonsten tat er nichts. Wollte er sich an ihrer Verzweiflung weiden? Erst ihren Willen brechen?

Erst nach einer Ewigkeit des stummen Ringens merkte sie, dass sie sich irrte. Das Gesicht über ihr gehörte nicht zu Itachi, sondern zu Sasuke, und über seinen Augen hatte sich eine steile Falte gebildet. Abrupt wurde Sakura ruhig, lauschte nur ihrem hämmernden Herzen. Er lockerte den Griff ein wenig, hielt ihr aber weiterhin den Mund zu und nickte in die Dunkelheit.

Es hatte zu regnen begonnen. Sie hörte harte, schnelle Tropfenschläge auf dem Dach. Irgendwo fand das Wasser seinen Weg durch die Ruinen und die Decke, denn neben ihrer Schulter hatte sich eine Pfütze gebildet. Dann hörte sie es auch: Das Klacken wie von Hämmern oder Spitzhacken. Sakura fühlte sich unangenehm in die Minen zurückversetzt. Dann war da auch das Gemurmel, gedämpft, aber es war da. Mehrere Leute schlugen sich einen Weg in das Hokage-Gebäude frei. Konnte das ein Zufall sein? Dass jemand einen Tag, nachdem sie hier Zuflucht gefunden hatten, auf dieselbe Idee gekommen war?

Wohl eher nicht.

Sasuke schien dasselbe zu denken. Er ließ von ihr ab, bedeutete ihr leise zu sein und schlich zur Wand. Sakura folgte ihm und presste sich gegen das Regal. Jetzt waren auch Schritte zu hören; offenbar hatten die Leute einen Eingang gefunden. Flackernder Lichtschein erhellte den Gang draußen. Sakura hielt den Atem an. Das Feuer leuchtete blau.

„Das sind sie“, hauchte sie. Sasuke sagte kein Wort. Nun wurden auch die Männer sichtbar. Es waren acht, und Sakura hätte ihre schwarzweiß bemalten Gesichter gar nicht sehen müssen, um zu wissen, wer sie waren und was sie wollten. Und sie unterhielten sich soeben über das ungünstigste aller Gesprächsthemen: Über Itachi.

„Aber Fukita hat recht“, sagte soeben der, der voranging und den Gang gründlich mit seiner Laterne ausleuchtete. „Auch wenn der Hohepriester das sagt, wir können es doch nicht einfach ungesühnt lassen.“

„Der Meinung bin ich auch. Selbst wenn sie nicht die aus der Prophezeiung ist, opfern können wir sie allemal.“

„Fukita hat gesagt, wenn wir beim Plündern nochmal auf sie stoßen, sollen wir kurzen Prozess machen.“

Der erste lachte. „Da freu ich mich schon drauf, glaubt mir!“

„Aber … der Hohepriester wird wütend, wenn er das erfährt …“, murmelte ein anderer zaghaft.

„Ich spucke auf den Hohepriester!“, sagte der mit der Laterne.

Sakura war schon ganz schwindlig. Sie atmete so flach wie möglich und bemühte sich weder ein Geräusch zu machen noch sich zu bewegen. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis Itachis Name fiel … Und was Sasuke dann machen würde, wollte sie gar nicht wissen. Er hockte vor ihr, sie fixierte seine Schulterblätter im Halbdunkel, als könnte sie ihn von hinten hypnotisieren.

Die Männer waren direkt vor der Tür zur Bibliothek stehen geblieben. Die anderen waren offenbar entsetzt über die Äußerung des ersten. „Wie kannst du das sagen?“, rief einer mit zitternder Stimme. „Jashin gefällt sicher nicht, dass du das gesagt hast! Er wird dich sterben lassen und dich nicht mal als Opfer annehmen!“

Die Laterne machte einen Hüpfer, als der Mann mit den Schultern zuckte. „Wenn wir hier in dieser Ruine noch ein paar Seelen finden, opfere ich sie einfach Jashin, dann wird er sich schon beruhigen.“

„Nicht alle“, murmelte ein anderer mit monotoner, tiefer Stimme. „Wenn wir noch ein Mädchen finden, sollen wir es sofort zum Hohepriester bringen. Der Donner ist schon zu lange vorbei. Wir müssen uns beeilen, wenn die Prophezeiung nicht verfallen soll.“

Sakura wurde schlecht. Etwas zog sich in ihrem Magen zusammen, als sie an das Mädchen in den Ruinen dachte. Sie hoffte, dass die Kleine sich gut versteckte.

Der mit der Laterne brach in schallendes Gelächter aus. „Du Idiot! Als hätte eine Prophezeiung ein Verfallsdatum!“

Die anderen schienen das nicht so zu sehen, denn sofort entbrannte ein kleiner Streit zwischen ihnen, bis der mit der monotonen Stimme trocken sagte: „Wenn wir nicht bald weitersuchen, erfüllt sich die Prophezeiung noch von selbst.“

Dann geschah, wovor Sakura sich am meisten fürchtete. Einer der Männer streckte seinen grausig bemalten Kopf durch die Tür. Sakura biss sich auf den Finger, um nicht zu schreien, als sie sein Gesicht sah: Es sah nicht einfach nur aus wie ein Totenschädel, es war einer, zumindest ließ das flackernde Licht ihn so wirken. Die Haut spannte sich eng um sein Kiefer, die Augen waren nicht zu sehen und die Nase war flach und wie weggesäbelt, der Schädel haarlos.

„Komm weiter“, drängten die anderen vom Gang. „Da sind nur Bücher. Diese Konoha-Bastarde glauben nicht an Jashin, du wirst keine Bücher von ihm finden. Kein Wunder, dass die alle krepiert sind.“

„Ich weiß nicht.“ Der Totenkopfmann schnupperte mit seiner fast nicht vorhandenen Nase. „Ich glaube, hier ist was.“

„Was soll da schon sein? Hühnerkeulen zwischen Buchdeckeln?“, höhnten sie.

Unbeirrbar trat der Mann in den Raum. Der kreisrunde, leergeräumte Fleck in der Mitte musste ihm sofort auffallen. Suchend sah er sich um.

Sakura sah, wie Sasuke seinen Schwertgriff packte. „Nicht“, hauchte sie, so leise es ging. „Sie sind zu acht!“

Der Blick des Mannes wanderte in die gegenüberliegende Ecke des Raumes. Sasuke machte einen Schritt rückwärts, zog Sakura heran und breitete seinen Mantel über sie beide aus. Sakuras Kehle schnürte sich zu, als die Dunkelheit sie einhüllte und sie den schwarzen Stoff auf ihrer Haut fühlte, lichtraubend wie Rabenflügel. Ihre Augen wurden mit einem Mal so trocken, dass sie sie zusammenkneifen musste. Es ist nur Sasuke, sagte sie sich, es ist nicht Itachi, es ist Sasuke. Sie presste das Gesicht gegen seine Brust und machte sich in seiner Umarmung so klein wie möglich. Sie roch keinen Rauch, nur seinen Schweiß. Sein Herz schlug regelmäßig in seinem warmen Brustkorb. Sie konzentrierte sich nur auf dieses Geräusch, es war ungemein beruhigend.

Sie wusste, dass der Totenkopfmann den Raum weiter absuchte. Dann rief er: „Hey, Rosoku! Komm mal mit der Laterne her!“

Etwas in Sakura gefror zu Eis.

„Spinnst du?“, kam es von draußen. „Wenn mir ein Funke davonfliegt, brennt das ganze Dorf nieder! Alte Bücher sind eine Erfindung von Jashin, sag ich dir. Komm jetzt, oder wir gehen ohne dich.“

Zögerlich hörte Sakura Schritte, die über trockenes Papier raschelten. Dann atmete sie auf, als nichts mehr zu hören war und auch niemand plötzlich ihre Deckung fortriss. Sasuke und sie verharrten noch eine Weile, zu zweit unter seinem Umhang, eng aneinander gepresst. Ihr Herz begann schneller zu klopfen, als ihr bewusst war, wie nah sie ihm plötzlich war. Und ohne den Geruch von Räucherwerk in der Nase war die Nähe gar nicht mehr so schlimm. Im Gegenteil. Die Wärme einer anderen Person, einer, der sie zumindest jetzt vertrauen konnte, war etwas Unbezahlbares in dieser kalt gewordenen Welt, in der sonst nur Eigennutz und Angst regierten. Als Sasuke den Mantel schließlich lichtete, ließ sie ihn nur widerstrebend los und blieb noch eine Weile neben ihm sitzen.

„Sie könnten zurückkommen“, flüsterte Sakura. Sie wusste, dass es stimmte, als sie es sagte, aber zuvor hatte sie nur gehofft, er würde sie beide wieder in beruhigende Zweisamkeit hüllen. Vielleicht war für ihr Herz doch noch nicht alles verloren …

„Jashin“, murmelte Sasuke nur abfällig, als hätte er sie gar nicht gehört. „Sollen sie sich doch gleich alle selbst opfern.“

„Meinst du, sie sind uns gefolgt?“

„Vielleicht. Aber nach dem, was sie gesagt haben, könnten sie auch einfach hier sein um Ruinen zu plündern.“ Er sah sie an, immer noch glommen seine Augen im Rot der Sharingan.

„Wie kommt es, dass du das Sharingan einsetzen kannst?“, fragte Sakura verwundert. „Ich dachte, du hättest auch kein Chakra mehr?“

„Ein wenig davon habe ich noch übrig. Ich habe Glück im Sturm gehabt“, sagte er. „Ich kann noch ein paar schwache Genjutsus erzeugen, viel mehr nicht. Es wäre also besser, wenn du deine Albträume in den Griff bekommst.“

Sakura sah peinlich berührt zur Seite. Erst nach und nach erkannte sie, was seine Worte bedeuteten. Er hatte sein wertvolles Chakra dafür verwendet, um ihr ruhigen Schlaf zu ermöglichen. Gut, vielleicht war auch das nur wegen der Aussicht auf mehr Chakra geschehen.

„Sie hören also auf einen Hohepriester“, murmelte Sasuke nach einer Weile. „Hast du ihn getroffen?“

Es war keine Frage, erkannte Sakura. Sie nickte schluckend. „Er führt ihre Rituale durch. Jeden Abend spießt sich einer von ihnen selbst auf. Ich weiß nicht, ob diese Leute überleben.“ Sie versuchte Sasukes Aufmerksamkeit mit dieser grausigen Vorstellung von Itachis Alter Ego fortzulenken. Es wirkte.

„Idioten“, murmelte er kopfschüttelnd. Sakura nickte.

Eine Weile blieben sie, wo sie waren. Sakura ertappte sich dabei, ihren Kopf gegen seine Schulter zu lehnen. Er ließ es ohne ein Wort geschehen. Sie lauschten dem Regen, schweigend, hingen ihren Gedanken nach. Sakura wurde wieder müde. Seine Nähe gab ihr das Gefühl, in Sicherheit zu sein, doch sie fürchtete, mit einem neuen, verräterischen Schrei aus einem Albtraum aufwachen zu müssen. Eine Ewigkeit verging, als sie Männer wiederkamen. Sakura musste sich eingestehen, dass sie sich sogar darauf gefreut hatte. Sie schlüpfte wieder unter Sasukes Mantel, der sein Schwert nun gezogen hatte, doch das Licht und die Schritte gingen an der Bibliothek vorbei.

Dann hörten sie plötzlich das Platschen von schnellen Schritten in Regenpfützen. „Rosoku! Hey, Leute!“, hörte Sakura eine weitere, atemlose Stimme.

„Wir sind hier!“ Das Licht, das unter dem Saum des Mantels hindurch gesickert war, verschwand, als die Männer eilig das Hokage-Gebäude verließen. „Was ist los?“

Die Stimme war nur schwer zu verstehen, aber Sakura hörte jedes Wort mit kristallklarer, klirrender und schneidend schmerzlicher Deutlichkeit. „Fukita und ich haben jemanden gefunden! Ein junges Mädchen, in den Trümmern, keine dreizehn Jahre alt!“

In der Ferne grollte ein Gewitter. Die Männer riefen Worte des Erstaunens aus. „Die Jungfrau, die dem Donner entsprang!“, jubelte Rosoku.
 

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Konoha musste einfach auch noch einmal vorkommen, genauso wie die Gewissheit, dass es zerstört ist. Und die Jashinisten lassen natürlich ebenfalls nicht locker.

Ich kann gar nicht richtig beurteilen, ob der zweite Teil des Kapitels spannend war^^ Ich wollte wieder eher die Atmosphäre erzeugen bzw. beschreiben. Hoffe, dass mir das gelungen ist.

Tja ... und ich habe meine selbst gesetzte Mindestlänge schon wieder nicht erreicht :/ Das ist das Problem, wenn man mit einem Cliffhanger aufhören will^^ Das nächste wird definitiv wieder ein 5000-Wörter-Kapitel sein, mein Wort darauf ;)

Freue mich wie immer auf euer Feedback :)



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Kommentare zu diesem Kapitel (15)
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Von:  Cosmoschoco1209
2019-02-23T12:59:17+00:00 23.02.2019 13:59
Deine Fanfic beschert mir eine unheimliche Gänsehaut, vorallem die letzten Zeilen lassen mich echt schwer schlucken. Ich bin gerade hin und hergerissen, denn einerseits möchte ich wissen wie es weitergeht und hoffen das die beiden die Kleine vor denen retten und anderseits habe ich Respekt davor, wenn dies nicht geschieht und was dann passieren wird. Ich werde wohl erstmal ein paar Stunden eine Pause einlegen und mein Herz selbst beruhigen müssen, bevor es mir komplett das Herz zerbricht, wenn ich jetzt weiterlese.
Von:  L-San
2013-04-15T12:40:16+00:00 15.04.2013 14:40
Normalerweise habe ich immer viel zu sagen oder etwas zu meckern.
Aber das fällt mir bei dir sehr schwer. Nahezu perfekt.
Die FF hat Action, Spannung, ein bisschen Romantik, ein bisschen Humor und und und ...
Ich würde da glatt 15 von 15 Punkten geben.

;D
Von:  halo277
2012-12-28T12:39:24+00:00 28.12.2012 13:39
es ist schrecklich, was mit konoha passiert ist.
ich glaube sasuke wollte auch nicht, dass sakura das sieht.
das kleine mädchen tut mit leid.

lg
Von:  bombenmeister
2012-12-21T23:08:39+00:00 22.12.2012 00:08
Echt gutes Kapitel. Konoha hats ja echt erwischt. Und dass dieses andere Mädchen jetzt diesen Monstern in die Hände gefallen ist, ist auch bitter. Mal sehen, was Sasuke tut, wenn er erfährt, wer der Hohepriester ist.
Von:  bombenmeister
2012-12-21T23:08:39+00:00 22.12.2012 00:08
Echt gutes Kapitel. Konoha hats ja echt erwischt. Und dass dieses andere Mädchen jetzt diesen Monstern in die Hände gefallen ist, ist auch bitter. Mal sehen, was Sasuke tut, wenn er erfährt, wer der Hohepriester ist.
Von:  Dark-san
2012-12-19T20:53:51+00:00 19.12.2012 21:53
Hallo!
Ich habe nun bis hierher gelesen und ich muss sagen, ich finde deine Geschichte toll!
Bei dem Titel war ich etwas skeptisch und dachte, es wäre eine Art Parodie, aber der Inhalt hat mich dann doch überrascht, wobei die Story etwas dem ganzen apokalyptischen Zombie-Kram ähnelt, den man in letzter Zeit immer wieder so mitkriegt ;)
Dennoch finde ich die Einleitung zum ganzen "Drama" wirklich gelungen und dass Orochimaru dahintersteckt, find ich auch eine gute Idee. Also es ist für das Naruto-Universum realistisch sage ich jetzt mal, mal abgesehen davon, dass Naruto vermutlich hier tot ist. (Ich denke nicht, dass DER totzukriegen ist ;D )
Auf jeden Fall muss ich dir sagen, dass deine FF mich wirklich gepackt hat. Ich kann mit SAkura mitfühlen und die Charas sind gut dargestellt.

Es ist eine tolle Arbeit und es ist eine Freude, dies lesen zu dürfen, also schreib bitte bitte weiter! :)

LG
Dark-san
Von:  Kaede7
2012-12-18T20:04:10+00:00 18.12.2012 21:04
Trauriges aber tolles Kapi^^.
Bin mal gespannt wie es in der neuen Welt der beiden so weiter geht, nachdem sie sich so langsam annähern. Und wie die Leute in der anderen Stadt so leben.:)






Von:  Kleines-Engelschen
2012-12-18T15:49:07+00:00 18.12.2012 16:49
die arme kleine. bin gespannt ob sasuke und sakura was unternehmen werden!
ein echt gelungenes kapitel, ich freue mich schon auf das nächste.
mach weiter so!

greetz
Von:  fahnm
2012-12-18T00:36:38+00:00 18.12.2012 01:36
Oh Mist jetzt haben sie das Mädchen.
WIe geht es wohl jetzt weiter.
Freue mich schon aufs nächste kapi^^
Von:  MiezMiez
2012-12-17T22:55:14+00:00 17.12.2012 23:55
Deine Fanfiction ist so richtig fesselnd. Ich würde auch gern so schreiben können-.-....mach weiter so!!! Bin ganz gespannt ob die Beiden zusammen was unternehmen, Sakura alleine oder keiner was tut....Es bleibt spannend ;).. übliche Frage meinerseits:ENS? Wäre super:)
glG Miez Miez


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