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Brüder

von

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Ein Funken Hoffnung

Die erste Nacht ist die schlimmste.
 

Irgendein schlauer Mensch hat mal gesagt, dass die Zeit alle Wunden heilt – völliger Bullshit, wenn ihr mich fragt. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen dass sie keine Wunden heilt, sondern lediglich dazu führt dass man sie in irgendeinen verdammt dunklen Winkel seines Gehirns verfrachtet und darauf hofft, dass sie dort einfach verrotten. So wie der Rest von Limbo City, der gerade vor mir erneut hübsch zu rauchen und zu brennen beginnt. Es ist jetzt fast 12 Stunden her, dass Mundus sein Rückticket in die Dämonenwelt spendiert bekommen hat. Und alles ist im Prinzip Wölkchen. Die Menschheit ist frei, lob preisend den Herren und so weiter, jetzt kann man einander fröhlich singend an der Hand nehmen und vergnügend durchs Leben springen. Lässt man die qualmenden Autowracks und die angesengten Betonpfeiler, die einmal Hochhäuser waren außer Acht, könnte der Gedanke sogar durchaus aufgehen.
 

„Dante, hier. Kaffee.“
 

Kaffee. Eines der wenigen Dingen, für die Menschen meiner Meinung nach tatsächlich geschaffen wurden. Neben albernen Kriegen aufgrund von irgendwelchen nicht nachweißbaren Gottheiten, aber hey - ich will mich nicht beschweren, meine Erziehung war halt nicht gerade unbedingt von weltoffener Toleranz geprägt. Eigentlich galt immer das „Friss oder Stirb“ – Prinzip, irgendwo dazwischen dass Alkohol eine verdammt gute Methode ist um sich die Welt wieder schön zu saufen wenn sie einen gerade erst so richtig angefuckt hat und dass man Nutten niemals über den Weg trauen sollte, nannten sie einen „Hübscher“ und hatten südlich der Landmasse deutlich mehr als nördlich. Ich vermisse meinen Container. Ich vermisse meinen 666er Whiskey. Und irgendwie vermisse ich sogar die Fresse von Bob Barbas, der sich jeden Morgen so schön über die Größe meines Schwanzes amüsieren konnte.
 

„Wir sollten bald fahren…ich kenne ein Haus vom Orden am Stadtrand, mit ein bisschen Glück steht das sogar noch und wir haben für die nächsten paar Tage ein Dach über dem Kopf. Dante? Hey, Dante!Hörst du mir zu?“
 

Ich weiß nicht ob ich ihr gerade zuhöre oder einfach nur auf ihre Stimme lausche. Seit vorhin redet sie ununterbrochen. Der Wiederaufbau der Welt, die Reorganisation des Ordens, die Aufklärung der Menschheit über die Dämonen – ginge es nach ihr, hätte Kat gleich die nächste Widerstandsgruppe gegründet. Sie wirkt ruhelos, irgendwie gehetzter als in all der Zeit davor und wo sonst immer ein kleines Lächeln für mich auf ihren Lippen lag, ist dort nur ein nichtssagender Strich zu finden. Sie starrt in die Ferne, hinab auf den Schutt und die Asche, die einmal ihre Heimat gewesen war. So fühlt man sich wohl, wenn man mit einem Mal nicht nur sämtliche Freunde und Ersatzfamilie verloren, sondern auch einen dicken Schlag direkt ins Gesicht kassiert hat. Eigentlich kein Problem, bin ich doch Schläge und Prügellein zu Hauf gewöhnt, aber in diesem Fall trug der Schlag den Namen Vergil. Und der war mein Bruder.
 

„Nimm du lieber den Kaffee. Ich werd fahren. Du solltest ein bisschen schlafen.“
 

Befreie die Welt, nur um sie dann selbst zu beherrschen. Oh, aber natürlich wirst du kein Diktator sein, sondern ein wirklich toller Diplomat und deine Untertanen sind ja gar keine Untertanen sondern nur besser behandelte Sklaven, denn wenn sie dich nicht anbeten und dir 'nen Schrein bauen kommst du eben vorbei und legst sie halt einfach um. Sollen sie doch was tun für den Schutz, denn du ihnen bietest! Dankbar sollen sie gefälligst auch noch sein das naive Pack, schließlich hatten sie das größte Arschloch direkt vor ihrer Nase sitzen und haben den Gestank einfach nicht gerochen. Vergil, du Scheissidiot! Dafür hab' ich dir nicht geholfen. Und auch nicht dafür, dass ich jetzt die größte Welle von Schuldgefühlen verspüre seitdem Noah damals auf seine Arche davon gesegelt ist.
 

Ich hab' mal irgendwo gelesen, dass Zwillinge eine ganz intime Verbindung zueinander haben. Dass sie spüren was der andere spürt, auch wenn sie ganz weit voneinander entfernt sind. Wenn es das wirklich geben sollte…dann ist das bei uns beiden eindeutig abhanden gekommen. Ich wollte nicht kämpfen. Er schon. Ich wollte nicht herrschen. Er schon. Ich wollte allerhöchstens meine Ruhe haben und vielleicht ein wenig mehr über Dad und Mutter heraus finden, er wollte gleich die Grundfesten der Erde einreißen und mit seinem Gesicht drauf neu in den Boden stampfen. Vielleicht hätte ich es doch einfach tun sollen. Rebellion tief in seinen Brustkorb versenken und darauf warten dass sein Herz nicht mehr schlug. Ich hätt's einfach machen sollen. Ich hätte es wirklich tun sollen. Denn ich bin mir mittlerweile sehr sicher, dass Vergil sich an meiner Stelle von keiner schmalen Hand und flehenden blauen Augen hätte aufhalten lassen. Kat neben mir bewegt sich und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie sie sich den billigen Plastikbecher aus irgendeinem Automaten an die blutverkrusteten Lippen hält. Sie trinkt. Ganz langsam, vielleicht weil der Kaffee zu heiß ist, vielleicht weil sie einfach nicht schlucken kann. Dann ginge es ihr wie mir. Ich kann’s auch nicht schlucken.
 

„….Du, Dante? Wie geht es jetzt weiter?“
 

Tolle Frage. Und ausgerechnet mich fragt sie das. Ich hab' mir bis jetzt eigentlich kaum Gedanken über die Zukunft gemacht. Ehrlich gesagt bin ich erstaunt, dass ich den ganzen Scheiß hier überlebt habe und noch nicht den Drang verspüre, mich in die Klapse einweisen zu lassen. Ich weiß die Antwort nicht, also bin ich still und schaue ebenfalls über die rauchenden Ruinen der Stadt. Allmählich geht die Sonne auf und der seltsame Druck in meiner Brust der Vergils Abgang dort hinterlassen hat, weichen dem dumpfen und nagenden Anflug von Melancholie und kalter Wut. Das da unten ist sein Werk. Nicht alle Menschen in der Stadt waren korrupt, aber das war ihm egal. Er hat einfach alles gleich platt gemacht. In einer perfekten Welt sollte es nichts unperfektes geben. Und sekundenlang weiß ich nicht, ob ich nun Vergil oder einfach mich selbst hasse. Hätte ich das alles kommen sehen müssen? Hätte ich ihn aufhalten können? Hätten wir nicht am besten die Stadt einfach sich selbst überlassen sollen und hätten uns ein neues Zuhause gesucht, aber dieses Mal zusammen? Scheisse, wir sind doch Brüder! Familie. Und Familie muss doch zusammen halten.
 

Vater hockt irgendwo in den tiefsten Tiefen der Hölle und Mutters Herz wurde von diesem Fettarsch Mundus gefressen, da kann er doch nicht einfach so auftauchen, lange Reden in seinem verfickten Mantel schwingen und sich dann als der größte Wichser von allen entpuppen - „we are family“? Am Arsch. Aber sowas von am Arsch.
 

Kat zuckt zusammen, als ich meinen Fuß mit einem wütenden Tritt in dem alten, wackligen Geländer vor mir versenke. Mit einem anklagenden Scheppern springt das rostige Teil endgültig aus seiner Verankerung und bucht den nächsten Freiflug in geschätzte 100 Meter tiefe. Große, blaue Augen die mich sekundenlang ehrlich besorgt mustern, während ich mir durch die Haare fahre und ungnädig mit den Zähnen knirsche. Fuck. Wir hatten uns doch gerade erst gefunden. Und was macht das Arschloch? Macht einen auf Welteroberer und verpisst sich! Soll er doch dort bleiben wohin auch immer er sich verkrochen hat, wer braucht den Idioten denn schon? Ich bestimmt nicht. Ich bin bis jetzt wunderbar alleine klar gekommen. Und das werde ich auch weiterhin. Er will die Welt erobern? Schön. Soll er es ruhig versuchen. Ich bin noch da. Und ich werde sie beschützen. Weil es manche Dinge gibt, die ein „beschützen“ wert sind. Und wenn diese nur aus blauen Augen und einer schmalen Hand bestehen, die sich fest um meine legt.
 

„Komm. Gehen wir.“
 

Perfekte Idee. Und mein erstes Extra des Tages. Ich gebe ein unwilliges Schnauben von mir und bemerke, dass Kat darauf unweigerlich wieder zu lächeln begonnen hat. Limbo City unter uns brennt und qualmt immer noch und ich höre die Sirenen der Feuerwehr und Polizei. Scheinbar gibt es im Chaos noch ein Funken Ruhe, vielleicht sogar auch ein Funken Hoffnung. Das ist nicht gerade viel – aber in meiner verrückten Welt wesentlich mehr, als ich jemals besessen hab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (10)

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Von:  Vergil-Redgrave
2015-09-16T13:01:57+00:00 16.09.2015 15:01
ich kann mich nur der meinung der anderen anschließen, dantes stiel ist hier perfekt getroffen aber auch seine gefühle stechen deutlich heraus. umso trauriger macht es mich, das hierzu warhscheinlich nie eine fortsetzung von dir geschrieben wird...
dabei ist sie wirklich gut und zieht den leser richtig auf seine seite. man fragt sich wie es weiter geht und ob dante vergil noch einmal begegnet, was dann passiert und so weiter.
also bitte, schreib an dieser ff weiter, lass und hungrigen leser nicht warten.
rückendeckung bekommst du auch von meiner seite aus
Von:  Earu
2015-08-16T13:51:13+00:00 16.08.2015 15:51
Letzte Aktivität 2013 - mein Herz weint gerade. Ich hab gestern ein Let's Play zum Rebbot der Serie zu Ende geschaut und bin seitdem so geflasht davon, dass ich mich sogar wieder an FFs rantraue, die nicht über reale Personen sind. Und das hier ist mit Abstand das Beste, was ich auf Mexx finden konnte. Dein Stil trifft genau Dantes große Fresse, seinen Charakter, seine "Beziehung" zu Kat. Leider sind einige Orthografiefehler drin, aber die Story hätte echt das Potential, eine wunderbare, witzige, derbe Fortsetzung zum Spiel zu werden, wie ich es so gern lesen würde. Sehr schade ;/
Von:  Hamsteru
2015-01-09T21:06:17+00:00 09.01.2015 22:06
je öfter ich das lese desto mehr möchte ich weinen, dass du diese FF wahrscheinlich niemals weiter bearbeiten wirst, oder?
Was ich persönlich verdammt schade find. Weil dein Stil Dante so unglaublich gut widerspiegelt, dass ich diese Fanfiction in Buchformat sogar kaufen würde ;3; der Einstieg ist dir halt endsgeil gelungen.
Also. ...Wenn du irgendwas dazu hochladen WILLST noch, dann bin ich vollkommen auf deiner Seite. Ich würds sehr gern lesen. Sehr, sehr gern. -3-
Gruß <3
Hamster.
Von:  ZigZag
2013-08-22T19:48:34+00:00 22.08.2013 21:48
Ich bin begeistert!
Dante's Sprache ist ja ohnehin lustig aber wie du sie hier zum Schreiben nutzt ist toll! Du hast es sehr emotional geschrieben, so, dass das Kapitel richtig mitreißend wird! Ich freue mich auf die nächsten Kapitel! =)
Von:  Loomis
2013-06-14T14:58:23+00:00 14.06.2013 16:58
Unglaublich. Wirklich unglaublich!
Ich hab die Fanfic gelesen und dachte mir, dass ich ein wahnsinnig gutes Buch aufgeklappt habe, das auch noch von Devil May Cry ist. Ich beneide dich wirklich für deinen Schreibstil und wie du Dante hin bekommen hast. Es ist sicherlich nicht leicht, sich so dermaßen in Dante hinein zu versetzen, es sei denn man mag irgendwo Arschlöcher mit weichem Kern 8'D

Dein Schreibstil ist abartig gut. Da hat man absolut nichts zu meckern. Man kann sich alles so bildlich vorstellen und so sollte es auch bei Fanfictions sein.
Und wenn das nur ein Prolog war... kann ich es kaum erwarten, weiter zu lesen.

xoxo. Coby
Von:  Etaine
2013-04-01T00:56:54+00:00 01.04.2013 02:56
Wirklich gut.Verdammt gut.Nein besser.
Ich mag es,wie du Dante verkörperst.Wie du seine Wortwahl übernimmst,seine Gedanken und Ansichten ausdrückst.Wirklich klasse geschrieben!
Hoffentlich kommt da noch mehr!
Von:  Leaf-Phantomhive
2013-03-26T02:05:33+00:00 26.03.2013 03:05
Hammer find ich gut.
Und dein Schreibstyle Einzigartig
freu mich auf mehr
Von:  Jin-half-devil
2013-02-26T21:03:55+00:00 26.02.2013 22:03
Mir gefällt das richtig gut ^-^
Von:  sniper2931
2013-02-26T20:43:54+00:00 26.02.2013 21:43
Hi :)
erstmal muss ich sagen, dein Schreibstil ist sehr gut und der Text lässt sich flüssig zu lesen.
Mir gefällt er und man kann sich gut in Dante hinein versetzen.
Ich freu mich auf weitere Kapitel und bin gespannt, wie sich die Fanfic entwickelt.

(und ja, der Hut ist wirklich furchtbar XD)
Antwort von:  sniper2931
26.02.2013 21:45
*"lässt sich flüssig lesen"...nicht "zu lesen" >.>


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