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Magical Lies

~~ Originalspeedwichtelff für Plueschninja
von

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Das Erbe der Magical Girls

1. Tag Nachmittag Bahnstation Downtown
 

Vorsichtig stieg Lyra aus dem Zug aus, der sie in ihre neue Heimat gefahren hatte. Eigentlich wollte sie schon viel früher hier ankommen, aber die Umstände in ihrer alten Heimat hatten sich dem in den Weg gestellt.

Stumm sah sich die schwarzhaarige Schülerin um, wobei der Blick ihrer braunen Augen auf dem Schild hängen blieb, das den Namen der Haltestelle “Downtown” in weißen Lettern zeigte. Seufzend zog Lyra einen Zettel aus der Tasche ihrer gelben Jacke und entfaltete es behände. Nachdenklich sah sie auf das weiße Blatt, dass ihr den Weg zum Wohnheim beschrieb. Es war ein kleinerer Fußmarsch und mit Sicherheit musste sie noch die ein oder andere Pause machen, da der schwarze Koffer in ihrer Hand alles andere als leicht war. Er war schon alt und lädiert genug, sodass die Rollen, die ihr das Tragen erleichtern sollten, nicht mehr funktionierten.

Langsam lief das Mädchen durch die Menschenmassen, durch die sie blind den Ausgang der Bahnstation gefunden hätte. Manchmal fragte sich das junge Mädchen, wie Japan so überbevölkert sein konnte, sodass die Rush Hour schon fast stündlich ablief. Es war zwar am Feierabend am allerschlimmsten, aber schon zur Mittagszeit war das Treiben für ihren Geschmack zu geschäftig. Doch da musste sie durch, wenn sie zum Wohnheim kommen wollte. Vielleicht traf sie ja auch eine Schülerin oder einen Schüler ihrer neuen Schule. Er oder sie konnte ihr dann vielleicht eine bessere Beschreibung als die von Google Maps geben.
 

1. Tag Nachmittag Wohnheim Mahou Shoujo
 

Als die Tür klingelte, zuckte Plüschi zusammen, denn bis eben hatte sie gedankenverloren auf ein Bild ihrer Mutter gestarrt. Kurz dachte das Mädchen mit dem nussbraunen Haar nach, wer das wohl sein konnte. Konzentriert schloss sie ihre grünblauen Augen und legte ihre Hände auf den schwarzen Faltenrock ihrer Schuluniform. Irgendwo in ihrem Oberstübchen fand sie schließlich die Antwort. Die Erinnerung, dass Lilim von einer neuen Wohnheimbewohnerin gesprochen hatte, keimte wieder auf. Entweder waren das nun ihre Sachen, was wahrscheinlicher war, oder die Neue, die aber einen Schlüssel erhalten hatte.

Langsam erhob sich Plüschi und verließ ihr Zimmer, denn erneut klingelte es an der Tür. Außer ihr würde auch niemand sonst diese öffnen, denn ihre Senpais waren unterwegs und suchten nach Mädchen, die ebenfalls für das Mahou Shoujo geeignet waren. Genau so hatten die beiden sie gefunden.

Ein drittes Mal klingelte es an der Tür, weswegen Plüschi sich nun doch beeilte.

“Ich komme schon!”, rief sie, als sie im Wohnbereich war und sich langsam der Haustür näherte.

‘Okay, nur noch wenige Schritte.’ Vorsichtig näherte sich Plüschi der Tür und griff nach der Klinke. Doch ohne ihr Zutun ging diese nach unten und die Tür schwang auf.

“Plüschi, ich hab dir doch gesagt, dass die Neue heute kommt. Du musst also keine Angst haben. Die Bösen würden sowieso nicht klingeln.” Erleichtert atmete sie auf, als sie die ihr vertraute Stimme vernahm.
 

1. Tag später Nachmittag Mahou Shoujo
 

Nachdenklich sah sich Lyra das Bild des Wohnheimes auf ihrem Zettel an. Ein Blick von dem Papier weg auf das dreistöckige Gebäude verriet ihr, dass sie angekommen war, denn das Bild entsprach dem was sie vor sich stehen sah. Hier würde sie also in nächster Zeit wohnen.

Ohne dem Papier weiterhin Beachtung zu schenken, steckte Lyra dieses weg und zog stattdessen einen Schlüssel raus.

‘Dann mal los…’, dachte sie und ging die steinernen Treppen zur Haustür hoch. Gezielt versuchte sie, den Schlüssel in das dafür vorgesehene Loch zu stecken, doch ohne es lange zu probieren, merkte der Neuankömmling, dass dieser Schlüssel wohl nicht passen würde. Verwundert darüber sah sie das Stück Metall in ihrer Hand an. Dass er kaputt war bezweifelte sie, denn den Schlüssel hatte sie erst vor wenigen Tagen erhalten.

Nachdenklich sah Lyra von dem Schlüssel auf und sah zur Tür, die in rotbraunen Backstein eingesetzt war. Nirgends war eine Klingel zu sehen, weswegen sich das Mädchen nun fragte, wie sie sich bemerkbar machen sollte.

‘Warum hat dieses Haus keine Türklingel?’ Es war ein Missstand, der Lyra verärgerte, denn für gewöhnlich hatten die Wohnhäuser eine Klingel, die alle Bewohner einer schulischen Heimeinrichtung hören konnten.

‘Bleibt mir wohl nur das Klopfen…’ Seufzend hob sie die Hand und wollte gegen das dunkelbraune Holz klopfen, doch dieses Tun erwies sich als unnötig, denn wie von selbst ging die Tür auf.

‘Wie in einem Horrorfilm.’ An sich wäre es ein lustiger Gedanke gewesen, doch Lyra lief ein kalter Schauer über den Rücken, denn durch den Türspalt sah sie, dass es stockdunkel war. Doch sie hatte auch keine andere Wahl als hier reinzugehen, selbst wenn es das Dümmste war, was man in Horrorfilmen tun konnte.

Vorsichtig drückte das Mädchen die Tür auf und lugte in den dunklen Raum. Bis auf ein paar Konturen konnte sie nichts sehen, nicht einmal die Silhouette einer Person, die sie eigentlich hätte erwarten müssen. Immerhin musste ihr ja irgendwer aufgemacht haben.

‘Irgendwie ist das gruselig…’

Mit anhaltender Vorsicht trat Lyra ein und schloss die Tür hinter sich. Geräuschvoll fiel diese ins Schloss und verkündete, dass niemand mehr reinkommen konnte, wenn er nicht den richtigen Schlüssel besaß.

“Hallo?” Leise, aber doch gut hörbar, machte sich das Mädchen bemerkbar. Doch scheinbar waren alle ausgeflogen.

‘Wirklich seltsam… Haben sie die Nachricht, dass ich später komme, nicht erhalten?’ Etwas irritiert darüber, dass niemand sie begrüßte, tastete Lyra sich von der Tür zur Wand, an der sie den Lichtschalter vermutete. Vielleicht verstand sie, was los war, wenn hier ein Licht aufging.

“Wer ist da?!”

Erschrocken fuhr Lyra zusammen, als sie eine aufgeregte Stimme vom Flur aus hörte. Sie vermutete, dass sie nahe des gemeinschaftlichen Wohnzimmers stand, dass eine direkte Verbindung mit dem Flur zur Treppe hatte. Blinzelnd sah sie in der Richtung, aus der sie gekommen war und wo sie eine zierliche Silhouette sah, die scheinbar von einem blauen Schimmer umgeben war.

“Sag schon, wer bist du?” Aufgeregter als zuvor forderte die Fremde, anhand der Stimme erkannte Lyra, dass es ein Mädchen war, sie auf, sich erkenntlich zu machen. Doch gerade, als sie etwas sagen wollte, gingen die Lichter wie von Geisterhand an.

“Das reicht Plüschi! Es ist alles okay!”

Geblendet von dem Licht schloss Lyra die Augen und ließ die Helligkeit auf sich wirken, ehe sie die Augen wieder öffnete und sie das Mädchen sah, das am Treppenende des Flures stand. Verschwunden war der blaue Schimmer den sie um sie herum zu sehen geglaubt hatte, genauso wie die Dunkelheit.

“Das ist die Neue”, klärte eine Stimme aus dem Küchenbereich, der hinter dem gemeinsamen Wohnzimmer war, das fremde Mädchen auf, deren steife Haltung sich sofort lockerte.

“Ich dachte schon, sie sei eine von ihnen”, erklärte das zierliche Mädchen, dessen Aufregung sich immer mehr legte. Doch anstatt irgendetwas zu erklären, verwirrten ihre Worte Lyra nur, die nun zur Küche sah, wo ein etwas älteres Mädchen mit langen schwarzen Haaren im Türrahmen stand.

“Willkommen im Mahou Shoujo, Lyra. Wir haben dich bereits erwartet, aber nicht damit gerechnet, dass es soviel später werden würde. Dennoch, es ist schön, dass du noch hier her gefunden hast, bevor es dunkel wurde. War deine Reise angenehm?”

Schweigend nickte Lyra, denn gerade hatte sie das Gefühl, zu viel Input zu bekommen. Vielleicht lag es aber nur daran, dass es bereits spät war.

“Das ist sie also… Hatte sie etwa schon den neuen Schlüssel bekommen?” Fragend sah Plüschi zur ihrer Senpai, die aber nur mit dem Kopf schüttelte.

“Neuer Schlüssel?”, fragte Lyra, als sie endlich ihre Stimme wieder fand. Die beiden sprachen schon die ganze Zeit über so seltsame Dinge, und es interessierte sie insgeheim schon, was vorgefallen war.

“Vor ein paar Tagen haben Einbrecher die Tür aufgebrochen. Wir mussten das Schloss ersetzen und hatten nicht mehr die Zeit, dir die neuen Schlüssel zu schicken. Wie bist du eigentlich reingekommen?”, erklärte das Mädchen aus der Küche und bedachte Lyra mit einem fragenden Blick.

Kurz dachte Lyra nach. Sie wusste nicht, wie sie erklären sollte, dass sich die Tür einfach so geöffnet hatte. Und vor allem, dass die Türklinke wie von selbst runtergegangen war.

“Dann scheint die Tür wohl noch kaputt zu sein. Sie hat einfach nachgegeben, als ich die Türklinke runter drückte.” Auch wenn es falsch war, Lyra konnte nicht anders als zu lügen oder die Wahrheit etwas zu verdrehen, damit sie nicht gleich wie der vollkommene Freak dastand.

“Ah… Ich werde das überprüfen lassen. Plüschi, zeig Lyra ihr Zimmer.” Lächelnd sah die Fremde zu der Neuen, ehe sie ihre Anweisungen fortsetzte. “Du solltest dich ausruhen, die Reise war sicher anstrengend.”

Ohne etwas zu sagen nickte Lyra. Die Reise war in der Tat anstrengend gewesen und irgendwie machte sich ihre Müdigkeit gerade bemerkbar, weswegen sie zu Plüschi schlurfte, die sie zu ihrem Zimmer bringen sollte.
 

1. Tag später Nachmittag 2. Etage Mahou Shoujo
 

Langsam trottete Lyra hinter dem Mädchen, das wohl Plüschi hieß, her. Jede Stufe, die sie gehen musste, verfluchte sie aufgrund der eigenen Müdigkeit, die immer mehr um sich griff. Auch wenn Plüschi ihren ramponierten Koffer trug, hatte sie das Gefühl eine tonnenschwere Last, in Form ihrer eigenen Selbst, tragen zu müssen.

“Also, Lyra. Die zweite Etage ist der Mädchentrakt. Dein Zimmer ist das Letzte und liegt neben meinem. Wenn du also Fragen hast, trau dich ruhig und frag mich.” Lächelnd sah Plüschi die Neue an, die dankbar nickte und sich dem Weg zu ihrem Zimmer zuwandte. Doch sie hielt mit einem Mal inne, denn es gab etwas, das sie störte.

“Ach sag mal… Wo ist die Klingel an der Haustür?” Lyra wollte das nur in Erfahrung bringen für den Fall, dass sie ihren Schlüssel, den sie hoffentlich noch bekommen würde, vergaß.

“Die Klingel? Da wo der Briefkasten bei der Tür ist. Auf der rechten Seite der Mauer.” Anhand von Plüschis Worten verstand Lyra, dass man die Klingel eigentlich nicht übersehen konnte. Doch selbst in ihren Erinnerungen war auf der rechten Seite der Haustür keine Klingel zu sehen. Das war alles wirklich seltsam.

‘Vielleicht bin ich einfach zu müde…’, redete Lyra sich ein und schüttelte den Kopf. Vielleicht lag es ja wirklich an ihr, immerhin konnte eine Klingel nicht einfach so verschwinden.

“Danke… ich geh dann mal schlafen. Ich bin etwas erschöpft.” Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging Lyra zu ihrem Zimmer und öffnete die Tür. Sie war froh darüber, dass ihre Sachen schon hier waren, denn es gab ihr das Gefühl, dass immerhin etwas so gelaufen war, wie es gedacht war.
 

2. Tag Morgens Lyras Zimmer
 

Da es Lyras erster Tag in ihrer neuen Schule sein sollte, hatte sie sich recht früh den Wecker gestellt. Sie hatte zwar auch für den Weg zur Schule eine Beschreibung, doch wirklich sicher war sie mit dieser auch nicht. Natürlich hätte sie auch einfach Plüschi oder das andere Mädchen fragen können, doch das wäre viel zu leicht gewesen. Zumindest hatte sie nicht vor, sich gleich an ihrem ersten Schultag abhängig von jemanden zu machen. Doch wie immer kam es anders, als sie geplant hatte.

Lyra stand gerade vor ihrem Spiegel und kämmte sich die kurzen Haare, als es an der Tür klopfte.

“Lyra, ich bin es, Plüschi. Darf ich reinkommen?”

Statt zu antworten, ging Lyra zur Tür und öffnete sie. Und wie nicht anders zu erwarten stand Plüschi davor und lächelte sie an.

“Lilim hat mich darum gebeten, dir den Weg zur Schule zu zeigen. Beeil dich, wir müssen gleich los”, erklärte sie und lächelte sanft. Damit war, ohne dass Lyra es geplant hatte, ihr Hauptproblem gelöst. Alles was sie tun musste, war ihr zu folgen. Wenn der ganze erste Tag so lief, dann konnte er ja nur perfekt verlaufen.

“Kommst du?”, fragte Plüschi schließlich, als sie merkte, wie sehr Lyra in Gedanken versunken war.

“Was? Ja klar!” Von der Plüschi aus ihren Gedanken gerissen antwortete Lyra hektisch und holte schnell ihre Schultasche. Ohne sie konnte sie immerhin nicht gehen.
 

2. Tag Morgens Shoujo High School
 

Wider aller Erwartungen von Lyra lag die Schule so nahe, dass sie nicht einmal die U-Bahn benutzen musste. Sie hätte diese zwar nutzen können, aber in der Rush Hour sparten sie zu Fuß sicher einiges an Zeit.

Und so war es auch nicht verwunderlich, dass sie schnell vor dem Schultor stand, dessen geschwungene Bogentüren weit offen standen und den Schülern Einlass gewährten.

“Also, hier sind wir. Das Herzstück der Stadt. Die Shoujo High School!”

Zweifelnd hob Lyra die Augenbraue, als Plüschi die Schule als Herzstück bezeichnete. Sie zweifelte daran, dass diese Worte der Wahrheit entsprachen. Doch sie wollte die Gefühle ihrer begeisterten Begleiterin nicht verletzen, weswegen sie einfach schweigend an ihr vorbeiging und durch das Tor schritt.

“Hey! Warte auf mich!” Eilig folgte Plüschi ihrer Mitbewohnerin, der sie wenigstens noch den Weg zum Lehrerzimmer zeigen wollte. Selbst wenn es erst der Beginn des Schuljahres war, war Lyras Klassenlehrer in spe, der dort warten sollte, dafür verantwortlich, Lyra die Schuhbox zu zeigen und sie der Klasse vorzustellen.

Kaum, dass sie mit Lyra das große grundsanierte Schulgebäude betreten hatte, lief Plüschi zu ihrer Schuhbox und zog sich die Hausschuhe an. Erst als sie in diese geschlüpft war, richtete sie sich auf und sah zu ihrer Begleiterin.

“Also, wenn du hier links durch den Gang gehst, kommst du zum Lehrerzimmer. Es ist links von der Bibliothek”, erklärte sie mit einem Lächeln und verbeugte sich vor dem Mädchen, das dankbar nickte.

Langsam lief Lyra in die ihr gewiesene Richtung. Doch sie konnte nicht anders, als ihren Blick durch die Umgebung gleiten zu lassen. Auf den ersten Blick machte diese Schule wirklich einen guten Eindruck. Die Frage war nun nur noch, wie ihre Klassenkameraden und vor allem die Lehrer waren. Doch da sie dem Lehrerzimmer schon sehr nahe war, würde sie bald einen von ihnen kennenlernen.
 

2. Tag Mittagspause Shoujo High School Klassenzimmer 2-3
 

Etwas zweifelnd sah Lyra auf das Currybrötchen, das sie sich vor wenigen Minuten zu einem recht günstigen Preis gekauft hatte. Es sah vollkommen in Ordnung aus, doch wie üblich wenn etwas zu günstig war, billig durfte man es aufgrund der negativen Assoziationen, die das Wort hervorrief, nicht nennen, glaubte sie, dass die Sache einen Haken hatte.

Plüschi hingegen, mit der sie zufälligerweise in einer Klasse gelandet war, biss überglücklich in das günstige Brötchen und verkündete durch ihr Lächeln, dass es einfach ein sagenumwobenes Backwerk war.

Seufzend, weil sie ja keine andere Wahl hatte als das Brötchen zu essen, biss sie in dieses hinein und kaute einige Zeit darauf herum. Der Inhalt war nicht schleimig oder zu kalt, die Kruste war knusprig, der Teig fluffig… Eigentlich war es das perfekte Currybrötchen.

“Was für ein Glück, dass wir in derselben Klasse sind!”, erklärte Plüschi schließlich, als sie ihr Brötchen aufgegessen hatte und sich nun an der Packung des Meronpan zu schaffen machte. Doch für Lyra war dies alles andere als Glück, denn ihre Klassenlehrerin war Finlass, die auch noch die Leiterin des Mahou Shoujo Wohnheims war. Sie konnte sich gut vorstellen, dass sie etwas gedreht hatte, damit Lyra mit Plüschi in dieselbe Klasse kam. Die Frage war nur wieso.

‘Du bist einfach zu misstrauisch.’ Lyra war es gewohnt, alles und jeden zu hinterfragen. Sie war aber nicht immer so gewesen. Erst dieses Ereignis mit ihrer Mutter hatte sie zu dem gemacht, was sie heute war.

Gedankenverloren sah Lyra auf den Tisch ihres Platzes. Sie dachte an das kurze Gespräch mit Finlass zurück, und wie peinlich es ihr gewesen war, als diese von ihrer Mutter angefangen hatte.

“Es tut mir wirklich leid, was dir widerfahren ist. Sicher ist es dir unangenehm, darüber zu reden, da der Fall überall in den Medien präsent war. Ich will auch gar nicht zu viele Erinnerungen daran wachrütteln, aber solltest du jemanden zum Reden brauchen, kannst du gerne zu mir kommen.”

So deutlich, als würde Finlass vor ihr stehen, hörte sie ihre Stimme in ihren Gedanken widerhallen. Es war nicht so, dass sie Finlass’ Einladung lästig fand. Sie vertraute ihr einfach genauso wenig wie jeder anderen erwachsenen Person.

“Sag mal, Lyra… Isst du das noch?” Erschrocken sah Lyra zu ihrer Klassenkamerdin, die mit einem verpackten Meronpan vor ihren Augen wedelte. Sie erkannte, dass es ihres war, denn es lag nicht mehr auf ihrem Platz. Kurz dachte sie nach und schüttelte schließlich den Kopf. Wirklichen Hunger hatte sie nicht, und auf dem Heimweg konnte sie sich später auch eine Kleinigkeit kaufen.

“Danke!” Glücklich über das Brötchen, entpackte Plüschi dieses und ignorierte Lyras verwunderten Blick. Es war ihr drittes Brötchen, und wenn Plüschi den ganzen Tag so aß, fragte sie sich, wohin sie das ganze steckte. Immerhin war ihre Kameradin gut genährt schlank. Sie selbst bekam schon bei einer halben Tafel Schokolade Gewissensbisse wegen ihrer Figur. Und sie war froh darüber, denn das machte ihr Leben wenigstens etwas normal.
 

2. Tag Nachmittag Weg zum Mahou Shoujo
 

So wie es sich Lyra gedacht hatte, war ihr Hunger erst nach der Schule gekommen. Zum Glück befanden sich auf ihrem Weg nach Hause eine gute Handvoll Lokale. Nachdenklich sah sie zu einem kleinen Takoyakistand. Sie hatte schon lange keine Tintenfischbällchen mehr gegessen. Das letzte Mal, damals war sie sechs gewesen, hatte sie die mit ihrem Vater geteilt. Doch die Zeiten waren schon lange vorbei. Sie fand, dass es an der Zeit war, die Erinnerungen an Takoyaki zu wecken. Tief holte Lyra Luft und ging näher zu dem Stand, während sie einen gelben Geldbeutel aus ihrer Tasche zog.

Warum sollte sie nicht eine schöne Erinnerung wieder zum Leben erwecken? Immerhin hatte sie in den letzten Jahren nur schlechte gesammelt.

“Wenn du klug gewesen wärst, wärst du gestorben. So wie deine Mutter es wollte.” Wie vom Blitz getroffen blieb Lyra stehen und drehte sich in die Richtung, von wo sie die Stimme gehört hatte. Und dort war er, ein groß gewachsener Mann mit kurzen schwarzen Haaren und einer Brille, durch die sie eisblaue Augen kalt und emotionslos ansahen.

“Mädchen wie du dürfen zum Wohle der Welt nicht leben.” Als würde sie einen Alptraum aus alten Tagen erneut durchleben, hallten seine Worte in ihren Ohren wider. Sie klangen wie jene, die ihre Mutter einst gesagt hatte. Doch wie schon damals verstand sie diese Worte nicht. Im Gegensatz zu ihrer Mutter schien dieser Mann ihr auch antworten zu können, denn er drohte ihr nicht mit einem Messer.

“Was meinst du damit?” Unerschrocken und mit ernstem Blick fixierte sie ihn, doch der Brillenträger wandte sich nur schweigend von ihr ab.

“Warte!” Ohne zu zögern lief sie los, um ihn festzuhalten, doch er verschwand über die Treppe zum Bahnsteig, durch die aufkommenden Menschenmassen. Nur wenige Minuten sah sie ihn noch, bis sie seine Spur schließlich verlor.
 

2. Tag später Nachmittag Wohnheim Mahou Shoujo Gemeinschaftsraum
 

Seufzend betrat Lyra das Wohnheim und sah in den nahegelegenen Gemeinschaftsraum, wo Plüschi zusammen mit Finlass auf der Couch saß. Auf dem Tisch vor ihnen standen zwei Tassen mit einer dampfenden Flüssigkeit, die Lyra aus dieser Entfernung noch nicht erkennen konnte.

“Ah, da bist du ja, Lyra. Wir haben schon auf dich gewartet.” Freundlich lächelte Finlass die neue Bewohnerin des Mahou Shoujo an und wies auf den freien Platz neben Plüschi. “Setz dich zu uns. Ich würde gerne mit dir reden, immerhin hatte ich in der Schule noch nicht die Zeit dazu.”

Langsam lief sie zu den Beiden auf die Couch zu und setzte sich, wie man es von ihr verlangte.

“Wie gefällt es dir bei uns im Wohnheim? Hast du ein paar Fragen?” Wie es sich für die Leiterin eines Wohnheims gehörte, kam Finlass gleich zu dem Teil, der mehr zum Organisatorischen gehörte.

“Wer wohnt hier so?”, fragte Lyra. Sie wollte wissen, mit wem sie es zu tun hatte, denn schließlich musste sie die nächsten Jahre mit diesen Menschen verbringen.

“Nun ja, Plüschi hast du ja bereits kennengelernt. Ich glaube, dass du Lilim auch schon gesehen hast. Sie ist dein Senpai und Schulsprecherin der Shoujo High School. Wenn du also Schwierigkeiten hast, zögere nicht, sie deswegen anzusprechen.” Schweigend nickte Lyra zum Zeichen, dass sie Finlass Empfehlung verstanden hatte, auch wenn sie wusste, dass sie Lilim wohl nie um Hilfe bitten würde. Das war einfach nicht ihre Art.

“Und es wohnt noch jemand hier. Aber sie ist gerade nicht da. Denn sie…” Finlass konnte ihren Satz nicht beenden, denn Plüschi fiel ihr fast schon begeistert ins Wort.

“Rizumu-senpai ist DAS Topidol des Jahres. Sie wird für alles gebucht. Für Modelaufträge, Fotoshootings, Filme und für Konzerte. Jeder liebt sie. Und gerade ist sie auf großer Asientour. Morgen kommt sie aber wieder.” Mit einem Schwall aus Informationen erklärte Plüschi, was Finlass gerne gesagt hätte. Dies wäre jedoch in einer weniger begeisterten Ausführung geschehen.

“Verstehe… Unsere Senpais gehören also zur Elite der Schule”, stellte Lyra kühl fest. Was anderes konnte man ja nicht denken, wenn die Eine die schuleigene Schulsprecherin und die Andere ein Topidol war.

“Hast du sonst noch Fragen?” Lächelnd sah Finlass ihren neuen Schützling an. Sie wollte ihr die scheu nehmen, die sie von neuen Bewohnern des Wohnheimes gewohnt war.

Kurz dachte Lyra nach, doch sie schüttelte nur den Kopf. Mehr musste sie vorerst nicht wissen.

“Gut, dann solltest du nun schlafen gehen. Der Tag war sicher sehr anstrengend für dich. Wenn du Fragen oder Schwierigkeiten hast, zögere, nicht deine Senpais, Plüschi oder mich deswegen zu konsultieren. Wir wollen immerhin dass du eine angenehme Zeit hast.” Wie schon am Tag zuvor, legte ihr Finlass nach den Stress des Tages einfach mit Schlaf zu beseitigen. Nickend stand Lyra auf und verbeugte sich vor Finlass und Plüschi. Sie war in der Tat müde, aber nicht, weil der Tag anstrengend gewesen war. Im Prinzip hatte dieser sich nicht von ihrem Leben in der alten Stadt unterschieden.
 

2. Tag Mitternacht Besprechungszimmer
 

Schweigend sahen Finlass und Plüschi auf einen Monitor, der Lyra schlafend in ihrem Zimmer zeigte. Ihre geheime Kommandobasis im obersten Stock war wie ein zweites Wohnzimmer eingerichtet. In der Mitte stand ein großer Tisch, auf dem sich zwei Tassen befanden, die mit Kaffee gefüllt waren um die Nachtschicht erträglicher zu machen. Doch sie hatten vermieden eine Couch hineinzustellen und stattdessen bequeme Hocker um den Tisch herum trapiert. Dennoch ähnelte das Zimmer eher einem Geheimversteck, welches die Helden in Animes aufsuchten um ihre Lage zu besprechen.

“Ist es wirklich in Ordnung, dass wir sie wie ein Tier im Versuchslabor beobachten?” Es war deutlich, dass Plüschi nicht in Ordnung fand, dass sie Lyra wie eine Schwerverbrecherin beobachteten. Noch dazu fragte sie sich, wozu sie das taten.

“Wir müssen das tun. Vor allem jetzt, wo sie unter Gleichgesinnten ist. Jeder magische Funken könnte ihre Transformation bewirken. Und wenn das passiert, braucht sie jemanden, der sie in dieser Phase unterstützt”, erklärte Finlass mit fester und doch sanfter Stimme.

Bedrückt sah Plüschi weg. Denn sie wusste genau, wozu jemand ihres Schlages fähig war, wenn niemand sie an die Hand nahm.

“Wie sieht es aus?” Erschrocken zuckte das Mädchen zusammen, als sie plötzlich Lilims Stimme hinter sich hörte. Sie hatte nicht bemerkt, wie die Schulsprecherin durch die große schwere Metalltür gekommen war. Es verwunderte sie, denn die Tür gab ein lautes Quietschen von sich, wenn man sie aufschob und in der Regel hörte sie das.

“Sie zeigt noch keine Anzeichen, dass ihr Erbe erwacht ist. Vielleicht ist es durch ihre Vergangenheit auch für immer versiegelt. Natürlich hoffen wir, dass dem nicht so ist. Wir können jeden Legendären gebrauchen, den wir kriegen können“, murmelte Finlass und schob sich eine Strähne ihrer schulterlangen Haare zurück hinters Ohr, wo es von der Brille sicher festgehalten wurde.

Nachdenklich sah Lilim auf den Monitor, wo sie immer noch nur die schlafende Lyra sahen.

“Ich habe versucht, mit Naenia zu reden, aber sie ist immer noch so stur wie bisher. Wir müssen einen Weg finden, damit sie sich uns anschließt.” Ernst sah Lilim zu Finlass, die gedankenverloren die Augen schloss und darüber nachdachte, was sie eben von Lilim erfahren hatte. Nun hatten sie in der Tat das eine oder andere Problem, das es zu lösen galt.

“Warten wir ab wie sich das Ganze entwickelt.” Noch unsicher, was sie tun sollten, erhob sich Finlass, ihre Worte leise flüsternd und verließ den Besprechungsraum.
 

3. Tag Abend Mahou Shoujo Wohnheim
 

Lyras Tag war, anders als der Vergangene, recht unspektakulär vonstatten gegangen. Und obwohl der Tag recht ereignislos verlaufen war, war sie doch recht müde, weswegen sie sofort in ihr Zimmer ging und sich für die Nacht fertig machte. Sie wollte so früh wie möglich schlafen gehen, doch daraus wurde nichts, denn sie vernahm den Lärm von der Straße, die vor ihrem Fenster lag.

Verwundert darüber sah Lyra aus dem Fenster, dahin, wo ein kleiner Transporter von einer Menschenmenge umringt wurde.

‘Was ist da unten los?’, fragte sich Lyra und blieb am Fenster stehen, in der Hoffnung, dass sie erfahren würde, was die Menschen so in Aufregung versetzte.

Und schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, öffnete sich eine Wagentür und ein blondes Mädchen in einem weißen, langärmligen Kleid stieg aus dem Auto. Lyra wusste nicht wieso, aber sie konnte ihren Blick nicht von dem Mädchen nehmen, das sich plötzlich umdrehte und mit ihren warmen meerblauen Augen zu ihr hochsah. Erschrocken wich Lyra vom Fenster zurück und zog schnell die Vorhänge zu. Doch obwohl ihr die Vorhänge nun die Sicht auf das Mädchen nahmen, hatte sie das Gefühl, dass diese sie immer noch anstarrte.
 

3. Tag Mahou Shoujo Wohnheim Gemeinschaftsraum
 

Aufgeregt stand Plüschi vor der Haustür. Sie hatte von ihrem Zimmer aus Rizumus kleinen Tourtransporter gesehen und wartete nun ganz aufgeregt darauf, dass das Idol das Wohnheim betrat.

Und schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, drehte sich ein Schlüssel im Schloss der Haustür und woraufhin diese in einer gleichmäßígen Bewegung aufging.

“Kein Kommentar! Lassen sie Kiyua doch erst einmal zur Ruhe kommen!” Sanft, aber vorsichtig wurde das Idol, von ihrer Managerin, an Fans und Fotografen, vorbei geschoben und in das Wohnzimmer ihres Wohnheimes manövriert. Kaum, dass sie mit ihr drinnen war, verschloss sie die Tür und ließ sich erleichtert mit dem Rücken an jener zu Boden sinken.

“Scheint wieder ein anstrengender Abend gewesen zu sein. Wollen Sie wieder in einem der Gästezimmer schlafen, Finicella-san?” Lilim, die Rizumu ebenfalls schon gesehen hatte, lief zu der rothaarigen Managerin und hielt ihr einen Schlüssel entgegen, den diese dankbar entgegennahm. Die Müdigkeit stand ihr einfach nur zu deutlich ins Gesicht geschrieben. Immerhin hatte sie gerade erst einen Haufen Menschen, der sich wie tollwütige Hyänen verhielt, ertragen und abschütteln müssen.

Ohne länger zu zögern erhob sich Finicella wieder vom Boden, strich die Falten aus ihrem blauen Kostüm, das sie professionell erscheinen ließ und lief mit dem Schlüssel in die Richtung der Treppen, um sich dort in die erste Etage zurückziehen zu können. Erst als ihre Schritte verhallten, sah Rizumu zu Lilim und Plüschi.

“Die Neue ist also schon da. Ist ihr Erbe erwacht?” Ohne Umschweife kam das Idol auf den Punkt. Für eine Pause war einfach keine Zeit, zumindest nicht jetzt. Doch anhand des Ausdrucks in Lilims Gesicht wusste sie, dass Lyra noch keine von ihnen war.

“Verstehe…”, wisperte sie und ging, so wie ihre Managerin zuvor, zur Treppe. “Ich ziehe mich schnell um. Danach kann die Nachtwache losgehen.”

Bevor sie den ersten Fuß auf die unterste Treppenstufe gesetzt hatte, wandte sich Rizumu noch einmal zu den Beiden um, damit diese verstanden, was es als nächstes zu tun galt.
 

3. Tag Mitternacht Besprechungsraum
 

Seufzend saß Plüschi auf ihrem Stuhl neben Lilim, die, wie schon am Abend zuvor, hochkonzentriert die neue Bewohnerin des Wohnheims beobachtete.

Sie selbst lauschte auf die Uhr an ihrem Handgelenk, die rauschende Töne von sich gab.

“Ob wir heute einen finden werden?”, fragte sie schließlich und sah zu Lilim, die gerade zu ihrer Tasse mit heißer Schokolade griff. Um Plüschis Frage aber beantworten zu können, hielt sie in ihrer Bewegung inne und sah ihre Mitbewohnerin an.

“Keine Sorge. Wenn jemand sie findet, dann Rizumu“, versicherte ihr Lilim mit einem Lächeln, dass alles andere als beruhigend wirkte. Zweifelnd wegen Lilims so sicheren Worten sah Plüschi erneut auf ihr Armband. Und schließlich, so als hätte sie es mit ihren Gedanken beeinflusst, verstummte plötzlich das Rauschen und leise, aber deutlich erklang die Stimme von Rizumu.

“Mädchen! Es ist ein Notfall! Einer von ihnen ist auf dem Weg zum Wohnheim. Lilim, warte am Haupteingang, ich stoße dort zu dir und wir kümmern uns darum. Plüschi, hol Finicella und die Neue. Bring sie zum Hintereingang. Sorge dafür, dass beiden nichts passiert.”

Ernst sahen sich Lilim und Plüschi an. Zwar hatte Rizumu nicht gesagt, um was für einen Gegner es sich genau handelte, doch sie wussten, dass es gefährlich war, vor allem für Lyra und Finicella.

“Los geht’s”, erklärte die Ältere und erhob sich von ihrem Platz.
 

3. Tag Mitternacht Lyras Zimmer
 

Ein Geräusch aus der Etage über ihr riss Lyra aus ihrem erholsamen Schlaf. Müde sah sie sich in ihrem kärglich eingerichtetem Zimmer um und versuchte mehr als die Konturen ihrer halbleeren Schränke und den noch nicht ausgepackten Kisten zu sehen.

“Wir müssen uns beeilen…”

Kurz rieb sich Lyra die Augen und stieg aus ihrem Bett. Sie war sich sicher, dass sie Lilims Stimme gehört hatte, und sie fragte sich, was wohl los war, dass man so einen Radau um diese Uhrzeit veranstaltete. Lyra wollte nachsehen, was geschehen war, weswegen sie in ihre Hausschuhe schlüpfte und zu ihrer Zimmertür lief. Doch kaum, dass sie dort stand, klopfte es auch schon und von der anderen Seite hörte sie Plüschis Stimme.

“Lyra! Tut mir leid, dass ich einfach reinkomme!” Gerade rechtzeitig wich Lyra von der Tür zurück, denn ohne eine Antwort von ihr abzuwarten, stieß Plüschi diese auf und betrat das Zimmer.

“Wir haben ein paar Probleme. Die Einbrecher sind zurück. Lilim-senpai und Rizumu-senpai kümmern sich um sie, aber wir müssen hier raus.“ Atemlos erklärte Plüschi die Lage und ignorierte dabei Lyras zweifelnden Blick.

Sanft umfasste Plüschi Lyras Hand und zog sie aus dem Zimmer raus. Lyra wusste gar nicht, wie ihr geschah, als Plüschi sie aus ihrem Zimmer und in Richtung der Treppen zog. Aber eines war ihr gewiss. Hier trieben keine Einbrecher ihr Unwesen.
 

So schnell wie Plüschi konnte, zog sie Lyra die Treppe runter in die erste Etage. Immerhin musste sie auch noch Rizumus Managerin aus ihrem Zimmer holen und in Sicherheit bringen.

“Warte! Plüschi! Was soll das? Wieso der erste Stock?” Lyra wusste nicht, wie ihr geschah, und sie wollte endlich eine Antwort auf ihre Fragen.

“Wir müssen noch jemanden holen”, antwortete Plüschi knapp und zog Lyra zur letzten Tür am Ende des Ganges. Erst dort ließ sie die Hand ihrer Begleiterin los und klopfte an das braune Holz.

“Finicella! Machen Sie auf! Es ist ein Notfall!” Immer heftiger und lauter klopfte Plüschi gegen die Tür, doch von der anderen Seite kam keine Antwort. Stille war alles, was diese im Augenblick erfüllte.

“Verdammt!”, fluchte Plüschi und griff zur Türklinke, die sie herunterdrückte. Die Tür gab aber keinen einzigen Zentimeter nach.

“Sie schließt nie ab…”, murmelte das Mädchen in Verbindung mit einem Fluch, den Lyra lieber nicht wiederholt hätte.

Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, stemmte sich Plüschi gegen die Tür und versuchte sie aufzudrücken, doch immer noch gab sie nicht nach. Sich nun dessen bewusst, dass es nicht funktionierten würde, hob Plüschi ihren rechten Arm, an dem eine kleine Uhr hing.

“Lilim-senpai? Könnt ihr mich hören? Wir haben ein Problem. Finicellas Tür geht nicht auf!” Während sie einen kleinen Knopf gedrückt hielt, sprach Plüschi in ein kleines Mikrofon und erklärte der Person auf der anderen Seite, wie die Lage bei ihr vor Ort war.

“Das ist nicht gut… Hast du Lyra?”, erklang die vom Gerät etwas mechanisch verzerrte Stimme Lilims. Kurz und knapp antwortete Plüschi ihren Senpai am anderen Ende der imaginären Leitung. Gleichzeitig machte sie aber auch deutlich, dass sie nicht wusste, was zu tun war.

“Es ist wohl ein Bannkreis. Finicella wird darin nichts passieren. Bring Lyra raus!” Dieses Mal war es Rizumu, die einen klaren Befehl formulierte und Plüschi damit wieder auf den richtigen Weg bringen wollte. Immerhin mussten sie in ihrer Lage schnell handeln.

Obwohl Plüschi die Person auf der anderen Seite nicht sah, nickte sie und brach die Kommunikation ab.

Blitzschnell griff sie wieder nach Lyras Hand und zog sie wieder in die Richtung der Treppe.
 

3. Tag Mitternacht Hintertür Mahou Shoujo Wohnheim
 

Schwer atmend stand Plüschi vor der Hintertür des Wohnheims. Doch obwohl sie um Atem rang, umklammerte sie Lyras Handgelenk fest.

“Da… sind… wir…”, keuchte sie und hob ihre Hand, um die Türklinke herunterzudrücken. Jedoch sie hielt inne, als etwas auf der anderen Seite des Holzes klopfte. Erschrocken wich sie zurück und sah unsicher auf ihre Armbanduhr.

“Was ist hier los? Es geht doch gerade nicht um irgendwelche normalen Einbrecher!” Barsch entriss sich Lyra nun Plüschis Griff und fixierte das Mädchen, dem die nackte Angst ins Gesicht geschrieben stand.

“Nun ja… Das…”, fing Plüschi an, doch sie zuckte zusammen, als es erneut an der Tür klopfte. Doch dieses Mal erkannte auch Lyra, dass es ein bedrohliches Klopfen war und der Mensch auf der anderen Seite nichts Gutes im Sinn hatte.

“Plüschi… hier… Rizumu. … Verbindung… schlecht. Sie… hinten…! Flieht… zum Dach…” Bleich vor Angst sah Plüschi auf ihre Uhr, aus der knisternd die Stimme Rizumus kam. Und obwohl die Nachricht kaum verständlich war, griff sie erneut zu Lyras Hand und zog sie mit sich die Treppen rauf.
 

3. Tag Mitternacht Dach Mahou Shoujo Wohnheim
 

“Endlich… Wir sind draußen…”, seufzte Plüschi, als sie die schwere Eisentür hinter sich verschloss und an dem kühlenden Metall erleichtert runter glitt. “In Sicherheit…”, murmelte sie etwas unverständlich und schloss die Augen.

Lyra hingegen war nun vollkommen verwirrt und lief über das Dach, das nicht einmal umzäunt war. Vorsichtig lugte sie über den Rand des Daches, doch außer ein paar Mülltonnen hinter dem Wohnheim sah sie nichts.

“Seltsam… Wer hat dann geklopft?” Es war eine Frage, die sie ungewollt laut äußerte und noch mehr zeigte, dass ihre Neugier geweckt worden war. Langsam ließ sie ihren Blick durch die leere Gasse streifen, doch nirgends war auch nur ein Lebewesen zu sehen.

“Lyra!!!” Erschrocken fuhr die Angesprochene zusammen, als Plüschi ihren Namen aus heiterem Himmel rief. Fast wie in Zeitlupe drehte sie sich zu dem Mädchen um, doch alles was sie sah, war eine gigantische, dunkelblaue Blume, mit einer menschlichen Statur und Dornen an ihrem dunkelgrünen Körper, hinter der ein grelles Licht erstrahlte.

“Was zum…” Fassungslos sah Lyra zu, wie die Riesenblume sich von ihr abwandte und sich zu dem verlöschenden Licht wand.

“Die Magie der Veränderung, Magical Change!” Deutlich vernahm Lyra Plüschis Stimme. Doch ihre Worte waren alles andere als klar verständlich für sie.

‘Was ist hier los?’ Lyra wollte endlich Antworten. Was hatte Plüschi da gesagt, und was für ein Pflanzenwesen war das, das plötzlich aufgetaucht war?

Langsam, damit die Blume nicht wieder auf sie aufmerksam wurde, schlich sich Lyra hinter dem Wesen vorbei. Und es dauerte auch nicht lange, da sah sie ein blauhaariges Mädchen in einem blauen, knappen Oberteil, einem blauen Faltenock und vielen hellblauen Bändchen und Schleifen, die sich um ihre nackten Oberarme und Beine wandten.

“Du Ausgeburt der Hölle wirst nie wieder hier eindringen!”, rief das Mädchen mit Plüschis Stimme und stieß sich vom Boden ab, sodass sie in Lichtgeschwindigkeit auf das Wesen zuraste.

Lyra sah nichts davon, sie bemerkte nur, wie das Blumenwesen plötzlich auf die andere Seite des Daches und darüber hinaus flog.

Noch immer in Angriffsposition sah die Blaue zu der Stelle, wo das Wesen verschwunden war.

“Ich… hab es geschafft!” Erleichtert sank das Mädchen auf den Boden und wischte sich den imaginären Schweiß von der Stirn.

“Plüschi?” Fragend sah Lyra zu dem blauen Mädchen, das zusammenzuckte und sie wie versteinert ansah.

“Ich… Es… Also… Wir können dir das alles erklären…”, wisperte Plüschi verzweifelt, wissend, dass keine Ausrede der Welt ihr glauben machen konnte, dass dies vielleicht nur ein Traum war, aus dem sie Morgen wieder erwachen würde.

“Rosenpeitsche!!!” Gerade als die Blaue angesetzt hatte und Lyra erklären wollte, was hier wirklich los war, wickelte sich etwas Stacheliges um ihren Körper und zog sie in die, in der das Blumenwesen wieder, in der Luft schwebend, aufgetaucht war. Die Blüten, die um den Kopf des Wesens hingen, rotierten, weswegen es ihm wohl möglich war sich in der Luft zu halten. Und womit es wahrscheinlich den Sturz aufgehalten hatte.

“Verdammt…”, fluchte die Kriegerin und versucht, sich von der dornigen Peitsche zu befreien. Ihr Tun bewirkte aber nichts anderes, als dass sich die Dornen tiefer in ihr nacktes Fleisch gruben.
 

3. Tag Mitternacht Besprechungsraum
 

Mit Entsetzen sahen Lilim und Rizumi, wie Plüschi von dem Blumenwesen immer näher zum Abgrund gezogen wurde.

“Wir müssen schnell etwas unternehmen!” Ohne zu zögern sprang Lilim von ihrem Platz auf und lief zur Tür, die aus dem Besprechungsraum führte.

“Verdammt! Ich hab doch extra gesagt, dass sie nicht zum Dach sollen!”, fluchte Rizumu, die nichts davon wusste, dass es genau diese Warnung war, die Plüschi nicht vollständig erhalten hatte.

Noch während ihres Kampfes mit dem Wesen hatten Lilim und Rizumu bemerkt, worauf es eigentlich aus war. Im Inneren des Mahou Shoujo wäre es damit am sichersten gewesen, weswegen sie sich in die Räumlichkeiten zurückgezogen hatten, nachdem das Wesen Rizumus Arm mit ihren Stacheln verletzt hatte.

“Bleib du hier! Ich kümmere mich darum!”, verkündete Lilim und riss die Tür auf. Sie kam aber nicht weit, denn Finlass versperrte ihr lächelnd den Weg.

“Warten wir es einfach ab”, sagte sie, als hätte sie das Gespräch der beiden Oberstufenschüler gehört. Unsicher darüber, ob sie wirklich auf Finlass hören sollten, ließ sie die Wohnheimleiterin rein und schloss die Tür wieder.

“Wir dürfen nicht eingreifen, bevor Lyra ihr Erbe angenommen hat”, erklärte Finlass und setzte sich auf den freien Platz vor den Monitoren.
 

3. Tag Mitternacht Dach
 

Stück für Stück rutschte Plüschi näher zum Abgrund ihres Untergangs. Und obwohl sie sich mit aller Kraft wehrte, gelang es ihr nicht, sich von den Rosenranken zu lösen.

“Das sieht nicht gut aus…”, fluchte sie leise, als sie versuchte einen festeren Halt unter ihre hohen blauen Absatzschuhe zu bekommen.

“PLÜSCHI!” Wie angewurzelt stand Lyra da und schrie den Namen ihrer Mitbewohnerin. Sie konnte die ganze Szene nur mit einem unbeschreiblichen Gefühl der Machtlosigkeit beobachten. Genau so hatte sie sich auch in der Vergangenheit gegen ihre Mutter gefühlt. Damals, als sie sich geschworen hatte, nie wieder machtlos zu sein. Damals, als ihre eigene Mutter sie umbringen wollte und niemand ihr zur Hilfe geeilt war.

‘Plüschi!’ Wieder und wieder schoss ihr der Name der freundlichen Mitbewohnerin durch den Kopf. Obwohl die Kriegerin nicht mehr wie Plüschi aussah, wusste Lyra, dass sie es war. Und sie konnte sie nicht einfach so sterben lassen. Wie von selbst setzte sich Lyra in Bewegung und lief auf die Rosenranken zu, die sie schließlich fest mit beiden Händen umklammerte.

“Lyra! Nicht! Lauf weg!”, schrie Plüschi panisch, die das nur tatenlos mitansehen konnte.

“Niemals! Ich lass dich nicht alleine. Ob du willst oder nicht… ich werde dir mit all meiner Kraft helfen!” Fest packte Lyra die Dornenranken an und spürte, wie sich die spitzen Dornen sich in ihre Haut bohrten und das Blut ihre Hände benetzte. Obwohl die Schmerzen fast unerträglich waren, wollte Lyra nicht loslassen. Niemals wollte sie Plüschi einfach so sterben lassen.
 

Plüschis Augen weiteten sich, als Lyras Körper mit jeden weiteren Krafteinsatz, mehr in ein helles Licht gehüllt wurde und die Ranken in ihren Händen dahinschmolzen. Sie fühlte, wie die Fesseln schwächer wurden und schließlich, als das gesamte Dach in Lyras Licht gehüllt war, fielen die toten Ranken von ihr ab.

Plüschi wusste, was das bedeutete, und sie konnte nicht anders als, in das Licht zu starren, das wieder schwächer wurde und in dem sie die gelbe Silhouette Lyras sah. Noch bevor das Licht aber vollenkommen erloschen war, konzentrierte sich ein kleiner Teil dieses machtvollen Strahlens und schoss auf das Blumenwesen zu, das fassungslos an die Stelle sah, an der das Licht es durchbohrt hatte. Als es verstand, was geschehen war, glitt es langsam gen Boden und löste sich in schwarze Rosenblätter auf.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ich werde nun bei jedem Kapitel noch ein ungebetates Nachwort einfügen, um vielleicht noch "Hintergrundswissen" zu vermitteln. X'D Das mit der Türklingel ist doof gelaufen. Eigentlich sollte die Tür ja keine haben, aber mir fiel erst zu spät auf, dass es ja bei Plüschi an der Tür geklingelt hatte. Deswegen brauchte ich irgendeine Ausrede und musste es auf Lyras Müdigkeit schieben, dass sie diese nicht gesehen hat.
Ein weiteres Mysterium, was nicht gelöst wird, ist die Tür, die einfach mal so aufspringt. Das habe ich irgendwie vergessen, aber es war ja auch nicht wirklich storyrelevant.
Oh ach ja, diese Stil von wegen "Tag, Uhrzeit, Ort" habe ich gewählt, weil ich in 4 Wochen nicht wirklich 70k Wörter schreiben konnte und ich mich so daran hindern wollte, zuviel zu fillern. Es sollte also nur wichtiger Plot zu finden sein.
abgemeldet wird leider nach diesem Kapitel nicht mehr erwähnt, sie hatte sozusagen ihren tollen Gastauftritt. Eigentlich ist sie auch nur drin, weil ich ihr grausame Rache fürs Winterwichteln geschworen hatte. (Nun ja, es ist viel mehr ein Dankeschön dafür das ich Rizumus Wichtelkind wurde) Komplett anzeigen

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