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Primeval: New World Season III

von

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[Folge 08] Unsere Welt

London – Haines-Church, 2009
 

Enban Nayem schritt langsam vorwärts und achtete dabei penibel mit keinem der Trauergäste aneinander zustoßen. So absurd es klang, doch unter den richtigen Bedingungen hätte dies durchaus sein eigenes Ende bedeuten können. Er schlenderte gerade an einer Frau war, die offensichtlich geweint hatte, sich aber nichts anmerken ließ. Der Konzil wusste was Schmerz bedeutete, er selbst hatte zahlreiche Freunde sterben gesehen. Die Schuld die meisten davon selbst in den Tod geschickt zu haben verschlimmerte seinen Gemütszustand zusehends.

Vorsichtig griff er in die Tasche seines Mantels und tastete den Inhalt ab. Erleichtert stellte er fest, dass sein wichtigstes Werkzeug noch vorhanden war. Nayem ging an dem letzten Trauergast vorbei, einem Mann Mitte 50 in schwarzem Anzug und schicker Krawatte. Nur noch 3 Meter trennten ihn von seinem Ziel und er hielt sich bedeckt um nicht unnötig aufzufallen. Er selbst trug einen weiten Mantel und zerbeulten Hut. Nayems Arbeit wurde erleichtert, denn kurz darauf stand er vor einem offenen Sarg. Wäre er geschlossen gewesen, hätte er ihn öffnen müssen und damit erst recht auf sich aufmerksam gemacht. Doch der Verblichene war bei seinem Tod nicht so sehr in Mitleidenschaft gezogen worden, als wenn dies nötig gewesen wäre. Im Gegenteil, der Bestatter hatte ausgezeichnete Arbeit geleistet.

Der Verstorben war geschminkt und hergerichtet worden. Ein großer Kranz lag auf seiner Brust, darauf auf einem dicken Band ‚We will miss you’ geschrieben.

Langsam ließ Nayem seine Hand in seiner Manteltasche verschwinden und zog das Gerät hervor, das er mitgebracht hatte. Er ließ seinen Zeigefinger über einige Tasten fahren und richtete es dann an die Schläfe des Toten. Der Vorgang dauerte nur wenige Sekunden, doch Nayem hielt solange den Atem an.

Als er fertig war, wollte er es zurückziehen, doch plötzlich wurden Schritte neben ihm hörbar. Der Konzil beeilte sich das Gerät wieder verschwinden zu lassen, war sich aber nicht sicher, ob die plötzlich aufgetauchte Gestalt nicht etwas davon mitbekommen hatte.

Nayem beobachtete sie aus den Augenwinkeln heraus und erkannte einen Mann, Mitte 20. Seiner Miene aus zu urteilen, hatte er Nayem bisher nicht einmal beachtet.

„Haben Sie den Professor gekannt?“, brachte dieser plötzlich über die Lippen und Nayem war unschlüssig.

Es war gefährlich in dieser Zeitperiode mit jemanden zu sprechen, doch hätte er geschwiegen und sich einfach aus dem Staub gemacht wäre das nur unnötig verdächtig gewesen.

„Ja… wir haben uns während unserer Studienzeit kennen gelernt.“, log er schließlich.

Der junge Mann grinste und Nayem hoffte, ihm würde der Altersunterschied nicht so auffallen.

„Dann sind Sie ebenfalls Evolutionsbiologe?“, hakte er nach.

Nayem schüttelte den Kopf.

„Nein, wir besuchten unterschiedliche Kurse. Ich selbst… habe mich stets mehr für Menschen interessiert.“, gestand er.

Der Trauergast nickte verstehend.

„Sie haben übrigens einen merkwürdigen Akzent, Sie müssen aus Schottland stammen.“, entgegnete er.

Nayem brummte nur und beschloss die Frage unerwidert zu lassen.

Sein Gegenüber beugte sich über den Mann, der wohl eine Art Mentor für ihn war.

„Dann wundert es mich, dass er sich mit Ihnen abgegeben hat. Für den Professor waren Menschen stets zweitrangig, er hatte immer das große Ganze im Blick.“, erzählte er.

Genau so jemanden brauchte Nayem, auch wenn er es dem anderen nicht sagen konnte.

„Wie genau starb er? Darüber haben mir die Leute noch nicht wirklich viel erzählt.“

Der junge Mann zögerte nun etwas und hielt inne.

„Er… starb als Held. Er starb für seine Freunde, jedoch auch für seine Forschungen. Manche hätten ihn obsessiv genannt, doch er liebte diesen Planeten wirklich. Vom Urbeginn bis zu dem Tag an dem er gestorben ist. Er war sehr leidenschaftlich und stellte alles hinten an. Man könnte sagen… er hat bis zu seinem letzten Atemzug zur Gänze gelebt.“, erwiderte der Mann und Nayem bemerkte, wie dessen Stimme zittriger wurde.

„Er muss Ihnen viel bedeutet haben.“, meinte er.

Der junge Mann nickte und strich leicht über die Kante des Sargs.

„Ja, so sehr, dass ich beschlossen habe seine Arbeit fortzuführen. Ich weiß, im Gegensatz zu seinem Genie bin ich gar nichts, doch es ist das Einzige was ich tun kann. Und zwar um so… die Vergangenheit besser zu verstehen was uns einmal dabei helfen könnte eine bessere Zukunft für uns alle zu gestalten.“, hielt er eine kleine Rede.

Nayem hätte sich nun am liebsten zu ihm gedreht und seine Schultern ergriffen. Das tat er bei vielen jungen Soldaten, die sich gerade erst in der Ausbildung befanden. Eine Geste um ihnen Mut zu machen, die der Konzil hier aber nicht zum Einsatz bringen konnte. Stattdessen öffnete er die Lippen und sprach eher leise.

„Es sind stets unsere Vorbilder, die uns dazu verleiten unseren Visionen nachzujagen und das Beste von uns zu Tage zu fördern. Ich bin sicher der Professor hat sehr viel von Ihnen gehalten und wäre sehr stolz über Ihre Entscheidung.“

Während der junge Mann ein Danke murmelte, zog sich Nayem leicht den Hut ins Gesicht und verabschiedete sich. Er drehte sich um und schritt den langen Gang der Kirche zum Ausgang entlang.

Nach einigen Sekunden drehte sich der Trauergast ebenfalls um, doch der Mann, der ihm den Rat gegeben hatte, war bereits verschwunden. Sein Blick fiel erneut zum Professor, der friedlich zu schlafen schien. Seine Zeit war vorüber, doch zuvor war es ihm noch möglich viele verschiedene Welten zu sehen. Kreaturen die er zuvor lediglich in Büchern bestaunen durfte, oder von denen er nur träumen konnte. Doch war es das wirklich wert gewesen? Der Trauergast wusste es nicht, doch er war sicher, dass der Professor lange Zeit wirklich glücklich war. Er wand sich von seinem Mentor ab und unterdrückte eine aufkommende Träne.

„Leben Sie wohl, Professor. Sie haben sich Ihre Ruhe verdient.“, sagte er.
 

Vancouver – Ashton-Street
 

Ein weiterer Blick auf die Uhr ließ Evan fluchen. Es waren bereits zwei Stunden seit dem eigentlichen Termin vergangen. Die Ungeduld wuchs an ihm und er fühlte sich einmal erneut im Stich gelassen. Auf der anderen Seite wusste er nicht was er erwartet hatte. Er kannte die Person mit der er sich treffen wollte nur zu gut und wusste wie unverlässlich diese sein konnte.

Der Grund war vermutlich Sentimentalität, Evan hätte sich dieses bestimmte Etwas auch leicht woanders besorgen können. Vielleicht wäre dies sogar besser geworden, eine Brise Veränderung hätte sogar Glück gebracht.

Es klingelte an der Haustür und Evan hastete zum Eingangsbereich. Der Gast musste kein zweites Mal auf sich aufmerksam machen, denn Evan öffnete die Tür mit einem Ruck und zog den Besucher ins Innere.

Beinahe hätte er noch nach draußen geblickt und sich die Gegend angesehen so paranoid war er.

Doch er schloss die Tür wieder und bedachte seinen Bruder mit einem erbosten lick.

„Du wolltest bereits vor 2 Stunden kommen!“, schnauzte er diesen an, obgleich er etwas von ihm wollte oder nicht.

Zane hob entschuldigend die Arme und setzte sich auf die Couch im Wohnzimmer.

„Ja tut mir leid, aber es gab ein paar Probleme am Flughafenschalter. Aufgrund einer Überbuchung bekam ich ein anderes Ticket und das hat wieder ewig gedauert.“, erklärte er.

Evans Stirn zog sich in Falten und er schüttelte ungläubig den Kopf.

„Du hast vor abzureisen? Und wann hattest du vor mir das zu erzählen?“, fragte er schroff.

Zane wirkte nun verlegen.

„Mein Flug geht ja erst morgen und ich wollte dir heute Bescheid sagen.“, antwortete er.

„Und wohin soll es diesmal gehen?“, fragte Evan interessiert.

Er hatte seinen Bruder erst vor einem Monat wieder gesehen, nachdem sie lange Zeit getrennte Leben geführt hatten. Allerdings sah es Zane ähnlich sich nicht unnötig emotional zu zeigen.

„Mein Flug geht nach Frankreich und danach schaue ich weiter. Soll das etwa heißen… dass du mich vermissen würdest?“, fragte er provokant.

Evan hätte tsunderenhaft leugnen können, doch aufgrund der vergangenen Ereignisse beschloss er ehrlich zu bleiben.

„Du kennst die Antwort darauf. Du hast mir sogar gefehlt als du quer durch Europa und Asien gereist bist. Auch wenn ich dir während dieser Zeit egal war, habe ich ständig an dich gedacht.“, verriet er.

Zane neigte den Kopf zur Seite und wirkte eingeschnappt.

„Du warst mir natürlich nie egal, Bro! Und selbst jetzt nicht, sonst hätte ich nicht erneut meinen alten Bekannten ausgesucht um das hier zu besorgen.“, sprach er und zog eine kleine Tüte aus seiner Hosentasche.

Evan spürte wie die Aufregung in ihm wuchs und er nach der Tüte griff. Doch Zane zog sie zurück und blickte seinen Bruder erwartend an.

„Ah!“, belehrte er ihn!

Evan seufzte resigniert.

„Ja, vielen Dank! Ohne dich wäre ich verloren.“, gab er Zane wonach er verlangte und hielt schließlich die Tüte in Händen.

„Es ist nicht dasselbe Modell wie letztes Mal, aber das wäre auch kompromittierend gewesen. Mein alter Bekannter hat sich mit diesem neuen Werk aber selbst übertroffen finde ich, auch wenn ich von der Thematik keine Ahnung habe.“, entgegnete Zane.

Evan hatte seine rechte Hand in die Tüte gesteckt und das Objekt herausgeholt. Er betrachtete es und musste schmunzeln.

„Er ist perfekt.“, gestand er sich ein und war froh sich für diesen Schritt entschieden zu haben.

Sein Bruder hatte ihm bereits schon einmal vor 10 Jahren geholfen und eine ähnliche Ware beschafft. Evan war froh, dass dessen Quelle bisher scheinbar nicht erloschen war. Zane stand von der Couch auf und lugte auf seine Handyuhr.

„OK, ich werde noch ein paar Sachen packen müssen wenn ich morgen fliehe. Ich bin wie du weißt Spätaufsteher, daran hat sich seither nichts geändert. Ich würde zwar gerne noch dein Gesicht sehen wenn du ihn ausprobiert hast, aber wie ich dich kenne wird es schon klappen. Von uns beiden warst immer du derjenige der am meisten Glück hatte.“, meinte er und schritt wieder Richtung Tür.

Evan hielt ihn auf und begann ihn zu umarmen.

„Danke, Bruder.“, murmelte er und war froh Zane wieder etwas mehr in seinem Leben zu haben.

Dieser nickte ihm zu, danach folgte der Abschied. Zane versprach ihn anzurufen, vielleicht hatte Evan da bereits gute Neuigkeiten.

Nachdem er weg war, fühlte sich der Hausherr aber keineswegs allein. Angespannt betrachtete er das Objekt, das sich immer noch in seiner Hand befand, bevor er es zurücklegte.

Wenig später verließ auch er die Wohnung um zu seinem Auto zu eilen. Er hatte noch etwas sehr wichtiges vor, das keinerlei Aufschub mehr erlaubte.

Ja, nichts und niemand würde ihn von diesem Schritt abhalten können.

Das dachte er zumindest.
 

Cross-Photonics
 

Mac hatte keinen blassen Schimmer wo er beginnen sollte. Im Grunde war er es gewohnt Berichte zu schreiben, doch diesmal war alles einen Tick schwieriger. Es war keine gewöhnliche Mission gewesen, im Gegenteil.

Mac, Evan und ihr Team waren über 5000 Jahre in die Zukunft gereist um die Invasion einer Horde von Menschen gezüchteten humanoiden Reptilien zu verhindern. Egal von welcher Seite aus man es betrachtete, es klang nach Science-Fiction. Mitglieder seines alten Teams berichteten ebenfalls ein paar Mal Abstecher in die Zukunft unternommen zu haben, doch diese war verwüstet und menschenleer. Mac hingegen war auf eine völlig neue Kultur gestoßen, es wurde ihm erlaubt einen Blick in die Zukunft seiner eigenen Spezies zu werfen. Es war ein unglaubliches Gefühl und Erlebnis gewesen.

Und ein gefährliches. Er besaß Zweifel eine Anomalie zu nutzen um der Lage Herr zu werden, immerhin existierten die Anomalienteams dazu, dass die Zeitlinie nicht noch mehr unnötigen Schaden nahm. Diesmal war es aber wohl unvermeidlich gewesen, denn sie hätten es unmöglich mit einer Armee mit futuristischen Waffen aufnehmen können. Dennoch war die Mission ein voller Erfolg. Sie konnten nicht nur ihr vermisstes Teammitglied retten, sondern auch einen Wahnsinnigen davon abhalten Zeitreise-Technologie zu missbrauchen.

Doch das machte es alles nicht leichter diesen Bericht zu schreiben. Mac wusste, dass er ohnehin als geheim eingestuft werden würde, doch konnte er wirklich über jedes Detail berichten? Er wollte keinesfalls die Zukunft beeinträchtigen, besonders da die Menschen die er dort getroffen hatte leicht ausgelöscht werden konnten. Nicht nur Konzil Nayem, dem sie ihr eigentliches Überleben und ihre Rückkehr zu verdanken hatten, sondern auch Kyle, der sich bereiterklärte in der Zukunft alles für sie zu regeln.

Mac war aus allen Wolken gefallen, nachdem er erfuhr, dass Kyle in Wahrheit Dylans und Lukes Sohn war. Er hatte das vergangene Jahr natürlich mitbekommen, dass sich die beiden angenähert hatten, schließlich war beobachten die Pflicht eines guten Teamleiters.

Als das Telefon klingelte, schreckte Mac aus seinen Gedanken auf und griff nach dem Hörer.

„Captain Rendell.“, meldete er sich und wartete ab.

Er kniff die Augen zusammen, als er kurz darauf mit jemandem aus dem ARC sprach. Sein Blick wanderte zu seinem Kalender und er fluchte innerlich.

„Ja, ich weiß, ich sollte heute Bescheid sagen. Wir haben hier nur gerade eine Menge Stress, wäre es in Ordnung, wenn ich Sie heute Abend noch einmal anrufe?“, fragte der Captain bittend.

Sein Gesprächspartner schien einverstanden zu sein und so legte er auf.

Mac strich sich über die Stirn und überlegte fieberhaft was er tun sollte.

Im nächsten Moment sprang die Tür zum Büro auf und eine junge Frau trat ein. Mac setzte augenblicklich ein Lächeln auf und wartete, bis sie bei ihm war.

Samantha Sedaris hielt ein Pad in ihren Händen und ließ ihre Finger darüber gleiten.

„Ich bin mit der ‚Inventur’ fertig. Mister Cross ist es gelungen die Firma von allen Tieren zu befreien, die nicht in dieser Epoche gehören.“, verkündete sie.

Mac nickte ihr dankend zu und war vor allem froh über die Neuigkeit. Mit Hilfe des Openers war es Evan gelungen ein paar Tierchen, die sie im Laufe der Missionen nicht zurückschicken konnten in ihre eigene Ära zu verfrachten. Beispielsweise das Ptilodus aus dem Eozän, oder die Canis Dirus Familie, die es sich hier bereits bequem gemacht hatte. Mac erinnerte sich an die Tier-Sektion des ARCs und wie wertvoll sich der Opener dort erst erweisen würde. Besonders größere Exemplare wie das Mammut oder der Dracorex könnten endlich zurück nach Hause. Lester würde diese Vorgehensweise am ehesten begrüßen, auch wenn sich Abby über die Abschiebung sträuben würde. Doch im Moment wurde dieses Gerät hier gebraucht.

Obwohl das Team über einen Date Finder verfügte, variierte die Öffnungsdauer der Anomalien. Es war gut möglich, dass sie sich schlossen, während entlaufene Tiere noch im 21ten Jahrhundert ihr Unwesen trieben.

„Ich habe mir außerdem erlaubt eine Reinigungsfirma zu beauftragen.“, fügte Sam hinzu.

Der Captain sah sie jedoch nur fragend an.

„Nun ja, diese Tiere kennen leider keine Toiletten.“, erklärte sie.

Mac rümpfte die Nase und konnte sich bereits vorstellen wie die provisorische Tier-Sektion von Cross-Photonics mittlerweile aussah.

„Das wäre erstmal alles, ich helfe Toby nachher noch das Chaos auf der Hauptstraße zu lösen.“, spielte sie auf den Unfall an, der durch einen humanoiden Raptor verursacht wurde.

Mac nickte und Sam wollte schon wieder gehen, als er sie noch einmal zurückrief.

„Moment! Ich… würde gerne noch etwas loswerden.“, entfuhr es ihm schließlich.

Sam reagierte überrascht und wartete gespannt was ihr Boss zu sagen hatte.

„Die Einladung vor einiger Zeit. Also dieses eine Café…“, begann er und Sam schluckte abrupt. Scheinbar hatte sie nicht mit sowas gerechnet.

„Ja… ich weiß wie viel Sie zu tun hatten. Das… Angebot steht natürlich noch. Also nur falls Sie Lust haben.“, nahm sie die Chance gleich beim Schopf.

Doch Mac wand seinen Blick ab und presste die Lippen zusammen.

„Was ich eigentlich sagen wollte war… dass ich nicht mit Ihnen ausgehen kann. Tut mir leid.“, sagte er nun.

Es war Sam anzusehen wie tief enttäuscht sie war. Doch sie war Profi und rang schnell wieder nach Fassung.

„Sie haben recht, es war eine dumme Idee. Sie sind mein Boss und mit dem fängt man nichts an.“, erwiderte sie und wand sich bereits der Tür zu.

Doch Mac sprang auf und hastete auf sie zu. Er ergriff ihren rechten Arm und sah ihr tief in die Augen.

„Nein, hören Sie mir bitte bis zum Ende zu. Ich will ja mit Ihnen ausgehen, egal ob ich Ihr Boss bin oder nicht. Das Problem ist… ich kann nicht. Wahrscheinlich werde ich bald von hier weggehen und mich jetzt noch mit Ihnen zu verabreden wäre unfair. Sicher, wir hätten vielleicht ein, zwei Abende Spaß, doch so jemand bin ich nicht. Sie… sind mir im vergangenen Jahr sehr ans Herz gewachsen, mehr als dass ich lediglich eine Nacht mit Ihnen verbringen möchte. Eine Fernbeziehung wäre jedoch auch undenkbar, besonders wenn man unsere Arbeit betrachtet. Wir würden uns zu viele Sorgen um den je anderen machen. Ich hoffe Sie halten mich jetzt nicht für den totalen Idioten, aber so denke ich nun mal.“, begann er zu erklären.

Sam musterte Mac einen Moment und nickte schließlich.

„Danke. Danke für die ehrlichen Worte. Ich finde es wirklich schade, doch mir wird nichts anderes übrig bleiben als es zu akzeptieren. Aber wenigstens… auf einen Kaffee hier im Büro laden Sie mich noch ein, oder?“, erwiderte sie.

Mac versprach es ihr und hielt ihr sogar die Tür auf. Sam drehte sich noch einmal zu ihm und gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange. Der Captain spürte wie er für einen Moment unter Strom stand, solange bis Sam das Büro verlassen hatte.

Er ließ die Tür zufallen und machte sich zurück auf den Weg zu seinem Schreibtisch. Er gab zu mit solchen Problemen nicht gerechnet zu haben, als er das Kommando übernommen hatte. Hinter ihm sprang die Tür erneut auf, diesmal sogar ohne Klopfen.

Mac drehte sich um und erkannte einen keuchenden Luke Hingle.

Der Student verzichtete darauf etwas zu sagen, sondern schritt mehrere Male ziellos im Raum umher.

„Kann ich… dir irgendwie helfen?“, bot der Teamleiter an.

Der Kryptozoologe musterte ihn, als ob er es ihm übel nahm, den Grund seines Erscheinens nicht sofort erkannt zu haben.

„OK es ist so. Du… bist der Einzige mit dem ich reden kann.“, gestand er.

Mac ließ sich auf seinen Stuhl fallen und fragte sich womit er diesen Posten verdient hatte. Er war der Leiter des Teams und nicht gerade eine Sorgentante. Auf der anderen Seite war er auch Lukes Freund, eigentlich der beste Grund um dem Jungen zu helfen.

„Mein Leben… ist im Moment echt im Arsch. Wo soll ich anfangen? Ich habe einen Sohn, verdammt!“, bezog er sich auf Kyle.

Mac hob sofort eine Hand zum Einwand.

„Moment. Kyle ist lediglich dein Sohn in einer alternativen Zeitlinie. Technisch gesehen ist es sogar ausgeschlossen, dass er es in dieser wieder sein könnte, dafür wurden zu viele Variablen verändert.“, erklärte er.

Doch damit schien Luke keineswegs beruhigt zu sein.

„Ja, aber er war mein und Dylans Sohn! Das sagt doch einiges aus. Wir kamen zusammen, haben ein Kind gezeugt und waren eventuell sogar verheiratet. Diese Vorstellung… ist so überwältigend.“

Mac seufzte und verstand nicht, was genau Lukes Grund zur Klage war.

„Also für mich hört sich das doch toll an. Mal gesehen von einer Invasion menschlicher Reptilien scheint der Luke der anderen Zeitlinie ein ziemlich schönes Leben gehabt zu haben.“, meinte er.

Luke schüttelte den Kopf und stützte sich am Schreibtisch ab.

„So ist es! Er, aber was ist mit mir? Ich muss herausfinden was mein zukünftiges Ich richtig gemacht hat. Sehen… wir der Wahrheit doch mal ins Gesicht. Ich bin… ein Nerd! Ja, ich bezeichne mich selbst so! Könntest du dir mich und Dylan jemals als Paar vorstellen? Oder nein, kennst du generell jemanden, der mutig, intelligent und unglaublich wunderschön ist und mit einem Saurier und Computerfreak ausgehen würde?“, brachte er es auf den Punkt.

Macs Augenbrauen hoben sich und er versuchte eine Antwort zu formulieren.

„Naja… wenn du mich so fragst…“, wollte er etwas erwidern, doch Luke ließ ihn nicht.

„Ich kenne die Antwort darauf bereits. Dylan hat mich nur gebraucht um über Evans ‚Tod’ hinwegzukommen. Doch jetzt ist er wieder da und somit der Mittelpunkt ihrer Welt.“, beschwerte er sich.

Mac räusperte sich nun laut, damit der Student ihn auch einmal zu Wort kommen ließ.

„OK, jetzt hör mal zu! Dylan und Evan kennen sich eben bereits etwas länger und haben einiges zusammen durchgemacht. Doch als in der Zukunft zurückgeblieben bist, hat Dylan nicht gezögert und ist dir hinterher gerannt. Das würde sie nicht machen, wenn du ihr egal wärst.“, stand für ihn fest.

Luke hingegen war alles andere als überzeugt.

„Ja, weil ich ihr Freund und außerdem ein Teammitglied bin.“, wand er ein.

Mac schüttelte leicht den Kopf.

„Auf mich wirkte ihr Handeln recht irrational, sie wollte dich retten ohne sich zuvor einen vernünftigen Plan zurechtzulegen. Ich kann dir nicht sagen ob Dylan mehr für die empfindet, generell bin ich nicht der Richtige um die Beziehungstipps zu geben. Du musst schon mit Dylan selbst sprechen, selbst wenn dir das Ergebnis am Ende nicht gefallen sollte. Aber so funktionieren zwischenmenschliche Beziehungen nun mal.“, riet er ihm.

Am liebsten hätte er dem Studenten noch geraten Evan nach dessen Meinung zu fragen, doch das wäre wohl unmöglich gewesen. Auch wenn Luke mit diesem enger befreundet war, steckte der zweite Teamleiter zu tief in dieser Sache zwischen Luke und Dylan, was auch immer sie auch war. Luke mochte Evan als Konkurrenten einordnen, wenn auch nicht um Dylans Herz, dann um deren Ansehen. Evan mochte wesentlich draufgängerische als Luke sein, doch dafür besaß der Zoologe ebenfalls seine starken Seiten. Mac war sich sicher, sobald dieser das erkannt hatte, würde es ihm leicht fallen mit diesem Problem umzugehen.

Luke dankte ihm für seinen Rat und schritt zur Tür.

„Ich wünsche mir wirklich… dass das mit mir und Dylan etwas wird. Ich meine… allein der Sex ist bombastisch!“, posaunte er nun heraus.

Mac warf den Kopf nach hinten und knirschte mit den Zähnen.

„Ah! Das will ich nicht hören, ok? Verschwinde aus meinem Büro und… mach irgendwas Nützliches.“, versuchte er ihn zu verscheuchen.

Luke hauchte eine Entschuldigung und war kurz darauf verschwunden. Obwohl Mac nun noch unkonzentrierte war, widmete er sich wieder seinem Bericht. Sein Zeigefinger näherte sich bereits der ersten Taste, bis er erneut aufgeschreckt wurde. Diesmal jedoch von keiner Person, sondern einem lauten Alarm über sich. Als der Captain die ersten Menschen vor seinem Büro hin und herlaufen sah, war ihm klar, dass er den Bericht verschieben musste. Im Moment hatte etwas anderes Priorität und verlangte Macs vollste Aufmerksamkeit und Fähigkeiten.

Eine neue Anomalie hatte sich geöffnet.
 

Vancouver – Mower-Farm
 

Terry Mower hatte nichts dagegen früh aufzustehen, im Gegenteil. Früher war dies anders, doch mit den Jahren hatte er sich daran gewöhnt. Er erhob sich aus seinem Bett und schlenderte hinunter ins Erdgeschoss wo seine erste Anlaufstelle der Kühlschrank war. Früher war alles ganz anders gewesen, als seine Frau noch bei ihm war. Doch dieser hatte sich nach einem erfüllenderem Leben gesehnt als auf einer schlichten Farm.

Deshalb war Terry gezwungen sich sein morgendliches Spiegelei selbst zuzubereiten. Er kaufte sie bei seinem Nachbarn, was eine gewisse Ironie besaß. Er selbst besaß keine Hennen, nicht zu Zeiten von Legebatterien, die alles wesentlich billiger verkauften und er ohnehin nicht mithalten konnte.

Nein, er beschränkte sich lediglich auf die Zucht von Schweinen, den Fleisch würden die Leute immer essen. Noch dazu achteten sie dabei gründlich auf die Herkunft, denn anders als bei Eiern konnte Fleisch sehr viele Krankheiten übertragen. Terrys Farm wurde zweimal im Jahr kontrolliert, doch bisher hatten die Behörden nie etwas zu beanstanden gehabt.

Nachdem er mit dem Frühstück fertig war, war es an der Zeit nach seinen Tieren zu sehen, weshalb er sich vom Tisch erhob, schnell im Bad frischmachte und dann nach draußen trat. Es war windig, das Plastikgestell an der Tür wirbelte herum. Der Stall befand sich keine 20 Meter von ihm entfernt, doch Terry ließ sich Zeit. Gestern hatte es geregnet und der Hof war von dickem Schlamm bedeckt. Der Farm-Besitzer fluchte, er würde das nachher ebenfalls in Ordnung bringen müssen.

Verdutzt blieb er stehen, als er mehrere Abdrücke in dem Matsch feststellte. Woher stammten sie? Etwa vom Nachbarshund? Terry selbst besaß keine Haustiere, denen er es erlaubte draußen frei herumzulaufen.

Nein, je näher er die Abdrücke musterte, umso sicherer war er sich, dass sie keinesfalls von einem Hund stammten. Es waren definitiv Hufe, doch jeder er noch sein Nachbar besaßen Pferde. Die Abstände waren auch zu gering, als dass es ausgewachsene Exemplare sein konnten. Ein Reh womöglich? Welchen Grund gab es, dass es sich so weit vom Wald und so nah an die Farm wagte? Kein anderes Tier kam Terry in den Sinn, das solche Abdrücke hinterlassen konnte. Er folgte den Spuren und stellte fest, dass sie in Richtung der Scheune führten, wo der Farmer seine Schweine aufbewahrte. War etwa eines davon ausgebüchst? Kaum vorstellbar, wenn die Abdrücke waren viel zu groß für ein Schwein.

Terry setzte seinen Weg fort und war kurz darauf vor der Scheune angelangt. Behutsam öffnete er sie und trat ins Innere. Es war ruhig, ein Zustand, der den Farmer beunruhigte. Normalerweise hätten die Schweine längst hungrig zu quicken beginnen müssen. Doch nicht heute. Es war still und dies ergab überhaupt keinen Sinn.

Terry wagte einen ersten Blick in die Gehege, doch im ersten befand sich kein Schwein. Die Holztür war zersplittert, als hätte sie etwas gerammt. Eine Axt vielleicht? Hatte jemand seine Schweine entführt?

Dieser Verdacht wurde immer wahrscheinlicher, als das zweite Gehege ähnliche Spuren aufwies. Wieder befand sich kein Tier darin. Was zum Teufel war hier bloß los?

Als Terry vor dem dritten Gehege ankam erkannte er seines seiner Schweine, es hatte sich unter einem dicken Heuberg vergraben und lugte ängstlich hervor. Die Holztür wirkte ramponiert, war aber noch in Takt. Wer auch immer versucht hatte sie aufzubrechen, an dieser hier war er gescheitert. Terry ging weiter und entdeckte Blutspuren am Boden. Er fluchte und dachte im nächsten Augenblick an einen Wolf oder Berglöwen. Er war noch nie welchen begegnet und eigentlich war es undenkbar, dass hier in der Gegend welche existierten. Und selbst wenn, diese Tiere besäßen niemals die Kraft Holztüren einfach so zu aufzubrechen.

Terry hatte nun den hintersten Teil der Scheune erreicht und starrte fassungslos in das Gebilde aus Licht das sich ihm bot. Mehrere Glasfragmente wirbelten in der Luft herum und wirkten wunderschön. So etwas hatte der Farmer noch nie zuvor gesehen, geschweige denn wusste er, womit er es zu tun hatte.

Plötzlich vernahm er in grunzendes Geräusch hinter sich und drehte sich um. Erst dachte er an eines seiner Schweine, doch was er da sah, ließ ihn erbleichen. Vor ihm hatte sich eine grausige Bestie aufgetan, die ihn zwar an ein Wildschwein erinnerte, aber definitiv keines war. Der riesige Kollos aus Fleisch begann nun seine Hufe zu wälzen und Terry wurde klar, dass dies ein Merkmal für einen Angriff war. Es gab nur eine Richtung in die der Farmer fliehen konnte, nämlich nach vorne.

Die Scheune besaß einen Hinterausgang, doch davor schwebte dieses Licht. Terry musste darauf vertrauen, dass es nicht gefährlich war und so stürmte er los.

Direkt auf das Licht zu.

Er hielt den Atem an als sich seine Haare auf seiner Haut aufstellten und er sich bald darauf direkt darin befand. Und dann… an einem völlig anderen Ort.

Er stand nicht mehr in der Scheune, sondern einer Art Steppe. Es war glühend heiß und nachdem er seinen Blick schweifen ließ, stellte er fest, dass er auch nicht allein war.

Augenblicklich war er von einem halben Dutzend weiterer dieser Monster umringt und dachte nur noch an eines. Flucht! Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Die Kreaturen mit den Hufen hatten ihn bereits als Beute erkannt und begannen sich auf ihn zu stützen.

Terry wurde unter einem Berg Hufe und scharfer Zähne begraben, bevor er gefressen wurde.
 

Vancouver – Cartalet-Street
 

Evan fluchte angesichts des dichten Verkehrs um diese Tageszeit.

Er war normalerweise nicht der Typ der ständig auf die Hupe schlug, doch diesmal machte er eine Ausnahme. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass er spät dran war, doch das Vorankommen war fast unmöglich. Schließlich entschied er sich Seitenstraßen zu benutzen, auch wenn er dadurch Gefahr lief zu verfahren. Er kannte die neue Adresse nicht, sondern hatte sich lediglich einen Plan aus dem Netz ausgedruckt. Immer wieder schwankte sein Blick zu der Tüte auf dem Beifahrersitz und Evan spürte die Nervosität in sich steigen. Hatte er das Ganze wirklich zu Ende gedacht? Er hatte mehrere Male vor dem Spiegel geprobt, doch real war alles anders. Es war ironisch. Er mutete es sich zu gegen gefährliche Urzeitmonster anzutreten, aber nicht zu seinen Gefühlen zu stehen.

Evan hatte es endlich geschafft die richtige Straße zu finden und bald darauf parkte er am Rand und befreite sich von seinem Gurt. Erst wollte er die Tüte mitnehmen, verzichtete dann aber darauf.

Er stieg aus und hatte die Wohnung bald darauf gefunden. Keine Minute zu spät, denn ihre Bewohnerin schien sie gerade zu verließen. Evan beeilte sich und keuchte als er ihr vor zum Stehen kam.

Die Frau, die gerade ihren Autoschlüssel gezückt hatte wirkte überrascht über dessen Auftauchen.

„Evan?“, fragte Angelika verdutzt.

Dieser hob eine Hand und bat ihn sprechen zu lassen.

„Hey… wir haben uns lange nicht gesehen.“, brachte er jedoch nur hervor.

Seine ehemalige Partnerin musterte ihn zögernd.

„Evan… ich hatte dich doch gebeten nicht zu kommen. Und jetzt tauchst du einfach so hier auf.“, schien sie nicht gerade glücklich darüber zu sein.

Evan legte eine ernste Miene auf und fuhr fort.

„Ja, ich weiß. Du wolltest mich kontaktieren und nicht umgekehrt. Bitte verstehe mich nicht falsch, ich will dir definitiv deinen Freiraum lassen, aber… es sind schon drei Monate. Dir Zeit zum Nachdenken zu geben ist eines, dich aber solange nicht zu sehen ist… einfach nur grausam.“, gestand er.

Angelika seufzte tief und überlegte was sie erwidern sollte.

„Ja… ich habe dich ebenfalls vermisst. Aber mit deinem Auftauchen überrascht du mich einfach. Genau wie letztens als ich annahm du wärst tot, aber dann springst du einfach nur eine Anomalie und bist wieder da.“, beschwerte sie sich.

Evan ballte seine Hand zu einer Faust.

„Ich… ich wollte doch nie, dass du mich für tot hältst und wegen mir leiden musst. Glaub mir, wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, wäre es wesentlich früher zurückgekehrt.“, verteidigte er sich.

Das war nur zu wahr. Nachdem er ein ganzes Jahr ohne Angelika auskommen und ums nackte Überleben kämpfen musste, war er nun gezwungen die Frau die er liebte dennoch nicht sehen zu dürfen. Es war wie eine Strafe, und zwar eine, die Evan sogar verdient hatte.

„Evan… gib mir einfach noch ein bisschen Zeit. Ich muss jetzt zur Arbeit, ich… werde dich einfach anrufen, ja?“, schlug sie vor und öffnete die Tür zu ihrem Wagen.

Doch Evan ergriff ihren Oberarm, zog ihn aber schnell wieder zurück.

„Wir hatten nie ein klärendes Gespräch. Ich bitte dich nur dir anzuhören was ich zu sagen habe, danach kannst du deine Entscheidung treffen. Ob du mir vergeben kannst, oder für immer in die Wüste schickst ist dann dir überlassen.“, schlug er vor.

Angelika dachte einen Moment darüber nach und nickte schließlich.

„Gut, wir könnten vorher noch bei einem Café halten…“, begann sie, wurde aber von einer lauten Melodie unterbrochen.

Evan sah an sich herab und griff sich in die Hosentasche. Warum musste sein Handy ausgerechnet jetzt nerven. Er entschuldigte sich schnell bei Angelika und wollte den Anrufer wegdrücken. Bis er Tobys Namen erkannten.

Der einzige Grund warum ihn diese für gewöhnlich anrief war die Arbeit. Evan wollte nicht rangehen, nicht jetzt. Doch er hatte keine Wahl.

„Ja?“, meldete er sich und wartete darauf was Toby zu sagen hatte.

„Jetzt? Ernsthaft?“, fragte er ungläubig und legte dann auf.

Angelika hatte sich inzwischen von ihm abgewandt, auch ohne Erklärung stand für sie fest worum es in diesem Gespräch gegangen war.

„Ich sehe schon, wir haben beide zu arbeiten.“, sagte sie und stieg in ihren Wagen.

Evan fuhr sich übers Haar und biss sich auf die Unterlippe. Genau deswegen hatte Ange ihn verlassen und was genau tat er? Salz in die Wunde streuen. Er griff nach der Autotür und hielt Angelika davon ab sie zu schließen.

„Bitte warte, Ange! Ich habe es vorhin ernst gemeint, ich möchte wirklich mit dir reden. Ich… muss das hier erledigen, kann dich aber nicht einfach so fahren lassen. Können wir uns nicht in deiner Mittagspause zusammensetzen?“, startete er einen letzten Versuch.

Angelika war bereits daran abzulehnen, doch Evan gab nicht auf.

„Ich will dich hier nicht weich kochen, aber… wenn du noch irgendwas für mich empfinden solltest, dann tu mir den Gefallen bitte.“

Seine Freundin seufzte schließlich und nickte.

„Also gut, treffen wir uns um 13 Uhr bei Manulife. Falls du es nicht schaffst zu kommen…“, sprach sie, doch Evan unterbrach sie.

„Ich werde da sein! Versprochen!“, versicherte er und ließ Angelika dann wegfahren.

Er stieß einen Fluch aus und betrachtete dann die Ortsangabe, die ihm Toby geschickt hatte. Es handelte sich um eine Farm im Süden, die Fahrt würde wohl einige Zeit in Anspruch nehmen. Würde es am Ende darauf hinauslaufen, dass er sich entscheiden musste? Zwischen Ange und seiner Arbeit? Nein, eines wusste er mit Bestimmtheit.

Das würde er niemals können.
 

Vancouver – Mower-Farm
 

Als sich Evan bereits zum zweiten Mal verfuhr, war er sich sicher ein neues Navi kaufen zu müssen. Hätte er nicht das mobile Ortungsgerät für die Anomalien bei sich gehabt, wäre er vermutlich nie am Ziel angekommen.

Als er den Abschnitt zur Farm erreichte erkannte er bereits den schwarzen Van. Seine Freunde schienen auch gerade erst angekommen zu sein, denn Donovan war damit beschäftigt die Waffen auszuladen und jedem der anderen ein EMD zu reichen. Evan stellte seinen Wagen mitten auf dem Weg ab, immerhin würde sich hier niemand darüber beschweren. Bevor er ausstieg, fiel sein Blick ein letztes Mal auf die Tüte auf dem Beifahrersitz und er erinnerte sich an sein Treffen mit Angelika. Egal was auch geschehen würde, er beabsichtige nicht es zu verpassen.

Er stieg aus und lief in den anderen entgegen. Mac war der Erste der ihn erkannte und reichte ihm ein EMD.

„Evan, du kommst wie gerufen.“, begrüßte er ihn.

„Das wurde ich ja auch.“, kommentierte er knapp.

Dylan und Luke nickten ihm zu, ihr Team war somit wieder komplett.

„Wissen wir schon mit was wir es zu tun haben?“, fragte der Neuankömmling.

Luke schüttelte den Kopf.

„Wir sind hier quasi in der Wüste, keine Überwachungskameras in die sich Toby hätte hacken können. Wir betreten das Gelände komplett blind.“

Sowohl Evan als auch Mac knirschten mit den Zähnen, was sie hörten gefiel ihnen nicht. Es war keinesfalls das erste Mal, dass sie nicht wussten, welchen Gefahren wie begegnen würden, doch etwas Klarheit wäre schon wünschenswert gewesen.

„Evan, kannst du die genaue Position der Anomalie bestimmen?“, hakte Dylan nach und der Teamleiter studierte das Ortungsgerät.

Die fünf sahen sich das Gelände und die gesamte Farm genauer an. Vor ihnen erhob sich ein brüchiger Zaun, der aber kein Hindernis darstellte. Danach würden sie jedoch eine matschigen Hof überqueren müssen, sollten sie zu den Gebäuden wollen. Das Haupthaus, in dem die Bewohner leben mussten ragte weitläufig hervor, doch das Ortungsgerät reagierte nicht. Dafür aber gegenüber der mittelgroßen Scheune einige Meter rechts davon.

„Die Anomalie scheint sich in der Scheune zu befinden. Allerdings wissen wir nicht, ob etwas durchgekommen ist.“, erklärte er.

Dylan schien nun auf etwas aufmerksam geworden zu sein und hopste über den Zaun. Nach zwei Metern kam sie zum Stillstand und untersuchte den Boden. Die anderen folgten ihr ohne großen Abstand und erkannten, dass Dylan einige Spuren im Schlamm gefunden hatte. Sie wirkten hufenartig und nah beieinander.

„Bitte lass das Ponys sein.“, flehte Mac, doch Luke war anderer Meinung.

„Die Abdrücke sind viel zu tief, egal was sie hinterlassen hat, das Ding wiegt bestimmt eine halbe Tonne.“, gab er seine Expertise.

Donovan fragte ihn womit sie es genau zu tun haben könnten, doch allein aufgrund der Abdrücke konnte Luke nichts Definitives sagen.

„Na gut, es sind also höchstwahrscheinlich Tiere durchgekommen. In diesem Fall teilen wir uns auf. Die Kreatur könnte auch ins Wohnhaus gelaufen sein, wir dürfen keinerlei Opfer zulassen. Mac, Luke und ich untersuchen die Scheune und schließen die Anomalie. Donovan und Dylan werden inzwischen das Haus genauer untersuchen.“, gab Evan Order und niemand besaß Einwände.

Das Team teilte sich auf und marschierte durch den dichten Matsch.

Luke bat Dylan auf sich aufzupassen, doch diese nickte nur leicht.

Evan und die anderen sahen die beiden durch die Haustür in das Gebäude treten, während sie selbst den Spuren folgten. Es bestand kein Zweifel, dass diese direkt zur Scheune führten.

Was immer durch die Anomalie gekommen war, sie beteten, dass es bereits wieder zurück nach Hause gegangen war. Die Tür zur Scheune stand offen, Mac wagte den Anfang und trat ein. Er hob seine Hand als Zeichen dafür, dass es sicher war.

Evan und Luke wagten sich ebenfalls ins Innere und erkannten die ersten Kampfspuren. Das Holz war überall zersplittert und auch hier waren die Abdrücke sicherzustellen.

„Was ist das hier?“, wollte Mac wissen und zeigte auf einen metallenen Pfosten vor sich, der scheinbar eine Futtertrüge hielt.

Luke betrachtete ihn genauer und runzelte die Stirn.

„Das sind Zahnabdrücke.“, verriet er und Mac und Evan tauschten beunruhige Blicke.

Welches Tier genau konnte so tiefe Bissspuren in Metall hinterlassen? Evan erinnerte sich an das unglaubliche Gebiss der Andrewsarchus, die mit ihren Zähnen sogar Steine zermalmen konnten. Aber was für eine Kreatur hinterließ solche Spuren?

„Vorsicht!“, warnte Mac als er eine Blutspur am Boden entdeckte.

Auch Evan und Luke waren alarmiert. Langsam begannen sie ihr zu folgen und waren gezwungen um eine Ecke zu biegen. Kaum hatten sie dies getan erblickten sie bereits die schimmernde Anomalie am Ende der Scheune.

„Luke, das Verschließgerät!“, raunte Evan dem Zoologen zu und dieser reagierte sofort.

Unverzüglich hatte er seinen Rucksack abgenommen und die Maschine behutsam aufgepackt. Während Evan und Mac ihm Deckung gaben, platzierte er sie vor der Anomalie und startete sie. Das Zeitportal verformte sich zu seiner Kugel und war nicht mehr passierbar.

Luke atmete erleichtert aus und ließ sich auf den Hintern fallen.

Mac war der Erste, der sich wieder umdrehte. Und erstarrte.

„Luke, weg da!“, brüllte er, doch der Student konnte gar nicht so schnell reagieren.

Das Holz zersplitterte und aus einem der Gehege trat kolossales Wesen. Es ragte mindestens 2 Meter in die Höhe und war mindestens 3 lang. Die Hufe scharrten auf dem Boden und das Gesicht war lang gezogen. Die Ohren erinnerten an Pferde, doch die Schnauze mehr an das eines Wildscheins. Es war überall behaart und öffnete nun sein Maul. Riesige Zähne wurden sichtbar und Luke erblichte, als er feststellte, dass die Kreatur wenige Meter hinter ihm stand.

Das Tier setzte zum Sprung an, doch Mac war schnell genug um sein EMD auf Maximum zu stellen und einen präzisen Schuss abzugeben.

Die Kreatur fiel betäubt zu Boden und rührte sich nicht mehr. Luke erhob sich sofort und streckte dem Tier seine Waffe entgegen. Mac warnte ihn, zu nahe ranzugehen, doch der Student blieb vorsichtig. Das wildschweinartige Wesen schlummerte und der Zoologe betrachtete es genauer.

„Was ist das?“, wollte Evan wissen.

Luke brauchte einen Moment, konnte ihm seine Frage aber beantworten.

„Im Prinzip das wonach es aussieht. Ein schweineähnlicher Paarhufer, ihr Vorfahre sozusagen. Wir haben es mit einem Entelodon aus dem Oligozän zu tun, sein Name bedeutet soviel wie ‚Perfekte Zähne’. Sie waren aktive Jäger und machten sogar nicht davor halt, ihre Artgenossen anzugreifen.“, gab er einen kurzen Bericht ab.

Und je mehr Evan und Mac die Ställe betrachteten, umso mehr mussten sie ihm zustimmen. Das Entelodon schien nicht einmal Gnade mit seinen Nachfahren gehabt zu haben, denn einige der Schweine, die hier wohl gehalten worden waren, schienen als Futter hergehalten zu haben. Aber auch… Menschen? Evan schnappte sich sein Handy um Dylan und Donovan zu kontaktieren, doch da ergriff Mac sein Armgelenk.

„Ruhig bleiben!“, schärfte er ihm ein.

Evan verstand nicht worauf sein Kollege hinauswollte, doch dann wanderte sein Blick zum Eingang der Scheune. Er vernahm das heftige Schnauben eines weiteren Entelodons, das die Szenerie mit achtsamen Augen verfolgte. Nachdem es seinen bewusstlosen Artgenossen am Boden liegen sah, machte es sich aus dem Staub.

Luke richtete noch sein EMD auf es, doch es war schon zu spät.

„Wir müssen uns neu formieren.“, entschied Mac und bat Evan und Luke sich nicht zu weit zu entfernen. Geschlossen marschierten die drei Kreaturenjäger auf den Eingang zu, doch es blieb ruhig. War das Urzeitwesen geflüchtet? In den Wald womöglich? In diesem Fall würde es sich als äußerst schwierig erweisen es aufzustöbern. Nicht nur, dass es dort über einen Vorteil verfügte, das Areal war viel zu groß und unbekannt, als dass das CPT es alleine absuchen konnte. Nur wenige Sekunden später wurde ihnen klar, dass sich das Entelodon anders entschieden hatte. Luke fiel das lose Brett als erster auf.

Es war lediglich gegen die Scheunenwand gelehnt und verbarg ein Loch, das auf den Hof führte. Das Entelodon preschte nun durch und Teile des Holzes flogen durch die Luft.

„In Deckung!“, schrie Mac, der als erstes auf die Gefahr reagierte.

Das Entelodon steuerte direkt auf sie zu, in einer Geschwindigkeit die beeindruckend war. Alle drei Männer konnten sich noch rechtzeitig zur Seite werfen und die Kreatur preschte zwischen ihnen hindurch. Sie konnte nicht mehr anhalten und ihr Kopf prallte gegen die Holzwand eines der Gehege.

Luke wollte sofort feuern, merkte aber, dass er im Fall sein EMD verloren hatte. Schnell robbte er nach vorne und schloss die Tür zu dem Stall. Es gelang ihm noch den Riegel davor zu schieben, dann zog ihn Evan zurück.

Das Entelodon setzte seinen Angriff fort und stieß seinen gewaltigen Schädel gegen die Tür. Es brauchte drei Anläufe, bis das Holz zersplitterte und es wieder hinaus auf den Gang konnte.

Doch Evan und die anderen hatten diese Zeit genutzt um sich erneut zu formieren und nun stand die Kreatur aus dem Oligozän drei bewaffneten Kämpfern entgegen.

Alle drei gaben Schüsse ab, das Entelodon hatte keine Chance mehr ihnen zu entgehen, egal wie schnell es auch war.

Die Impulse der Waffen trafen es und streckten es nieder. Nur Millisekunden später schlief es genauso seelenruhig wie sein Artgenosse.

„Geschafft.“, stöhnte Luke erleichtert, doch seine Kameraden konnten dem nicht ohne weiteres zustimmen.

„Es könnten noch mehr von denen durch die Anomalie gekommen sein.“, wand Mac ein.

Evan gab ihm recht und zückte sein Handy. Er wartete geduldig bis sich Dylan meldete, doch für seinen Geschmack dauerte es zu lange.

„Dylan, seid ihr in Ordnung?“, fragte er, doch seine Freundin ignorierte ihn gänzlich.

„Evan, wir brauchen hier dringend Unterstützung! Hier laufen riesigen, schweineartige Viecher herum. Donovan konnte eines von ihnen erlegen, aber dann ist ein zweites aufgetaucht. Wir haben uns in der Küche verbarrikadiert, aber diese Kreaturen haben eine gewaltige Kraft.“, bat sie dringend um Verstärkung.

Evan musterte die schlafenden Entelodons und, doch Mac versicherte ihm, dass sie noch einige Zeit schlummern würden.

„Dylan und Donovan brauchen dringend Unterstützung, wir müssen zum Haupthaus.“, sagte er Bescheid und seine Kameraden machten sich bereit.

Die drei verließen die Scheune durch die Vordertür und trabten erneut durch den Matsch im Hof. Kurz später waren sie vor der Haustür des Hauptgebäudes angekommen und traten geschlossen ein. Dylan erwähnte etwas von einer Küche, doch sie hatten keinen blassen Schimmer wo sich diese befand. Der Flur hingegen erinnerte an ein Schlachtfeld. Gemälde und Regale waren umgestoßen und Schlamm von draußen hereingetragen worden. Dann vernahmen sie einen lauten Knall und folgten dem Geräusch.

Sie rannten den Gang entlang und erkannten wie ein Entelodon eine Tür rammte. Die Teammitglieder hoben ihre EMDs, doch die Kreatur war bereits durchgebrochen.

„In Deckung!“, hörten sie jemanden schreien und ordneten die Stimme Donovan zu.

Danach ein weiterer Knall und… ein Schuss? Eine Frau schrie, bei der es sich nur um Dylan handeln konnte.

Luke spürte wie sein Herz begann schneller zu schlagen. Er drängte sich nach vorne, entgegen Macs und Evans Einwand.

Der Student sprintete in die Küche und… stand kurz darauf dem Entelodon gegenüber. Er war zu perplex um seine Waffe zu heben, doch seine Kameraden waren sofort zur Stelle.

Doch die Kreatur schien nicht angreifen zu wollen, im Gegenteil. Schwach trabte sie von einem Bein auf das andere, im Bauchbereich klaffte eine Wunde, aus der das Tier stark blutete. Mac ging dennoch kein Risiko ein und feuerte einen Impuls ab. Das Entelodon ging zu Boden und rührte sich nicht mehr. Doch was war mit Dylan und Donovan? Der Schuss stammte eindeutig von der Handfeuerwaffe, die der ehemalige Soldat stets bei sich trug.

„Hilfe! Ich brauche hier Hilfe!“, wurde Dylans Stimme hörbar und sogar rannten die drei zur anderen Seite des Raums. Erst jetzt erkannten sie die Blutspur am Boden, die jedoch nicht von dem Entelodon stammen konnte.

Dylan hockte auf den Fließen und hatte sich ihre Weste ausgezogen. Donovan lag flach auf dem Boden und zitterte am ganzen Körper. Dylan presste ihre Weste auf eine austretende Wunde, doch das Blut sammelte sich.

„Oh mein Gott, was ist passiert?“, fragte Evan aufgeregt und kniete sich hin.

„Ein Krankenwagen!“, stieß Mac hervor und Luke griff sofort nach seinem Handy.

Evan erkannte die Verzweiflung in Dylans Gesicht.

„Er… er hat mich gerettet. Die Kreatur ist direkt auf mich zugerannt, doch er hat mich zur Seite gestoßen.“, berichtete sie stockend.

Evan verstand. Das Entelodon musste seine Reißzähne direkt in Donovans Brust geschlagen haben.

„I… ich…“, presste der Ex-Major hervor, doch seine Stimme drohte zu versagen.

Evan rutschte zu ihm und legte ein paar Handtücher unter seinem Kopf um diesen in eine aufrechte Position zu bringen.

„Bleiben Sie ruhig, Major! Hilfe ist bereits unterwegs, Sie kommen durch!“, schärfte er ihm ein.

Donovans Gesichtsausdruck spiegelte eine andere Meinung wider.

„Ne… negativ, Sir. Zu weit… abgeschieden. Kein… Krankenwagen.“, presste er hervor.

Evan knirschte mit den Zähnen und sah zu Dylan. Diese presste weiterhin die Wunde zu, doch diese erwies sich einfach als zu groß.

„Nicht… Ihre Schuld.“, konnte Donovan noch krächzen, bevor er begann Blut zu spucken.

Er keuchte auf und immer mehr Blut ergoss sich über Evans und Dylans Hände. Dann fiel sein Kopf zurück und seine Augen wurden starr.

„Verdammt! Donovan!“, schrie Evan und stieß Dylan weg.

Er presste seine beiden Hände auf dessen Brust und begann mit einer Herzmassage.

„Ich lasse Sie hier nicht draufgehen, Major!“, brüllte er, doch seine Versuche blieben ergebnislos.

Dylan blickte abwechselnd zu Mac und zu Luke. Zweiterer hatte das Handy bereits wieder sinken lassen. Jetzt noch einen Krankenwagen zu rufen wäre vergebens gewesen.

Dylan legte behutsam ihre Hand auf Evans Schulter.

„Evan, lass es!“, bat sie ihn.

Dieser starrte sie jedoch nur schockiert an.

„Was redest du da? Wir müssen ihn stabilisieren!“, erwiderte er, doch Mac trat an ihn heran und zog ihn nach oben.

„Evan, verdammt nochmal! Er ist tot, sieh das ein!“, versuchte der Captain zu ihm durchzudringen.

Der Teamleiter schüttelte immer wieder widerwillig den Kopf und sah zu seinem Freund. Nein! Donovan tot? Dieser Gedanke war unmöglich.

Aber real.

Donovans Herz hatte bereits aufgehört zu schlagen, die Wunde blutete nicht mehr. Kein Anzeichen mehr von Leben.

Evan schlug beide Hände über seinen Kopf zusammen und schritt ziellos im Raum umher. Dylan legte ein Handtuch auf das Gesicht des Getöteten und schloss die Augen.

Evan schlug seine Faust gegen den Kühlschrank und schrie gequält auf.

„Scheisse!“, konnte er es nicht fassen, dass sie soeben jemanden verloren hatten.

Doch ihm blieb nichts übrig als der Realität ins Gesicht zu blicken.

Leo Donovan war tot.
 

Vancouver – Mower-Farm
 

Eine Stunde war vergangen, doch das CPT saß immer noch in der Küche des Bauernhauses. Mac hatte ein Team bestellt, dass beim Abtransportieren von Donovans Leiche helfen sollte. Dylan hatte Detective Harlow kontaktiert, der ihnen dabei helfen sollte, den Tod des tapferen Mannes als Unfall einzustufen. Genau genommen war es auch einer, nur von keinem Tier ihrer Zeitperiode herbeigerufen. Luke hatte die beiden bewusstlosen Entelodons im Haus gesichert.

Nur Evan saß starr auf der Bank und versuchte zu verstehen. In erster Linie war Donovans Tod seine Schuld. Er hatte angeordnet, dass sich das Team aufteilen und die beiden Gebäude getrennt durchsuchen sollten. Das hatte dazu geführt, dass Dylan und Donovan in die Enge getrieben worden waren und sich verschanzten. Das Entelodon griff die beiden an, doch Donovan reagierte sofort und stieß Dylan zur Seite. Er hatte reagiert wie man es von einem Soldaten erwartete. Allerdings mit grausamen Konsequenzen. Es gelang ihm gerade noch einen Schuss auf die Kreatur abzufeuern, bevor diese ihre Reißzähne in die Brust des Mannes versenkte. Seine Lunge musste augenblicklich hinüber gewesen sein, während sie sich allmählich mit Blut gefüllt hatte.

Aber warum ausgerechnet jetzt? Warum nicht während der Mission mit dem Saurophaganax? Oder dem Chaos auf der Schnellstraße, als Donovan beinahe von einem Carnotaurus erwischt wurde? Es mochte Harold Kanan gewesen sein, der den Mann für das Team aussuchte, doch über die letzten zwei Jahre hinweg war er Evans Freund gewesen.

Wieder ein Freund den er nicht retten konnte und der wegen ihm gestorben war. Er hatte weder Brooke, noch Tony, noch Mac retten können. Alle starben aufgrund einer Entscheidung die er getroffen hatte. Entscheidungen die er nicht mehr rückgängig machen konnte. Oder… Moment!

Evan erhob sich ruckartig und schritt zu Donovans Leiche. Fakt war, dass er ihn wirklich retten konnte. Hastig griff er in seine Tasche und holte das Gerät heraus, womit er dem Spuk ein Ende setzen konnte. Er begann es zu bedienen, bis Dylan sein Treiben auffiel.

„Was hast du vor?“, fragte sie verdutzt, doch Evan sah sie nur ernst an.

„Einen Fehler wieder gutmachen.“, sagte er entschieden.

Mac und Luke starrten ihn fassungslos an.

„Evan ist dir bewusst, was du da in Händen hältst? Du kannst nicht nach Belieben mit der Zeit herumspielen.“, warnte ihn der Captain.

Luke hielt sich bedeckt, doch ob er auf Evans Seite war, konnte dieser nicht einschätzen.

„Er hat recht, Evan. Erinnere dich an das letzte Mal, als wir die Zeitlinie verändert haben.“, wand Dylan ein.

Daran erinnerte sich Evan nur zu gut. Es war teilweise ihre Schuld gewesen, da ihr Mac Rendell sich entschlossen hatte in die Vergangenheit zu reisen. Doch anstatt alles in Ordnung zu bringen, hatte er den Zeitverlauf massiv geschadet.

„Damals als du die Möglichkeit hattest Brooke zu retten, warst du besonnen genug es sein zu lassen und weißt du wieso? Du hast eingesehen, dass du damit der Zeitlinie schadest und somit anderen Menschen.“, fuhr Dylan fort.

Evan schüttelte jedoch stoisch den Kopf.

„Das hier ist etwas anderes. Donovan ist lediglich vor einer Stunde gestorben. Ich habe Brooke nicht gerettet, weil es anderen Unschuldigen das Leben gekostet hätte. Doch wenn ich Donovan vor dem Entelodon rette, was soll schon Schlimmes passieren? Der Abstand ist zu gering, als das etwas geschehen könnte.“, war er sich sicher.

Dylan schien er damit teilweise überzeugt zu haben, doch Mac haderte noch mit sich. Als draußen ein Wagen parkte und sie beobachteten wie Dr. Fridkin und noch zwei Cross-Photonics Mitarbeiter ausstiegen, schluckte er schwer.

Das reichte Evan. Er stellte den Opener auf dieselbe Stelle ein, lediglich eine Stunde zuvor.

„Ich gehe allein, so richten wir am wenigsten Schaden an. Wünscht… mir Glück.“, sprach er und richtete das Gerät auf eine freie Stelle.

Kurz darauf öffnete sich die Anomalie und Evan holte tief Luft. Mac reichte ihm sein EMD und nickte ihm zu. Evan dankte ihm für sein vertrauen und trat dann die kurze, aber dennoch kritische Reise an.

Er sprang durch die Anomalie, fand sich jedoch an der exakt selben Stelle wieder. Mit der Ruhe war es jedoch vorbei. Das Holz der Küchentür zersplitterte und der Teamleiter bekam gerade noch mit wie sich das Entelodon seinen Weg in den Raum bahnte.

Dylan und Donovan die sich gerade noch hinter der Küchentheke verkrochen hatten, unternahmen nun einen Versuch zu fliehen. Doch das Entelodon reagierte schnell und nahm Anlauf. Wenn Evan vorhatte zu handeln, dann war dies die einzige Gelegenheit. Er hob sein EMD und gab mehrere gezielte Schüsse auf die Kreatur ab.

Bevor das Entelodon Dylan und Donovan erreichte ging es bereits zu Boden. Evan überprüfte, ob es wirklich außer Gefecht war und wurde von seinen Freunden überrascht gemustert.

Wenige Sekunden später sah er wie Luke und Mac in die Küche stürzten. Doch er… war nicht dabei? Was hatte das zu bedeuten?

„Evan? Wo kommst du auf einmal her?“, fragte Dylan perplex, obwohl sie ihn gerade aus einer Anomalie hatte treten sehen.

Dem Teamleiter war klar, dass er nun einiges zu erklären hatte.

„Es ist alles in Ordnung! Ich habe lediglich den Opener benutzt um Donovan das Leben zu retten.“, klärte er sofort auf.

Mac und die anderen umringten ihn nun und musterten ihn skeptisch.

„Ja ich weiß, den Opener so leichtsinnig zu benutzen ist nicht der Sinn der Sache, aber diesmal hatte ich keine andere Wahl.“, versuchte er auch die vergangenen Versionen seiner Freunde zu überzeugen.

Als jedoch in Donovans erleichtertes Gesicht blickte, wusste er, dass er sich richtig entschieden hatte. Immerhin war alles glatt gelaufen, oder?

Doch jetzt änderte sich die Miene des Ex-Soldaten und auch Dylan starrte ihn schockiert an.

Evan drehte sich um und erkannte die blassen Gesichter von Mac und Luke.

„Hey, was ist denn? Es war für einen guten Zweck.“, wand er ein, doch darauf schienen sie nicht hinauszuwollen.

„Evan… deine Hände.“, kam es nun heiser von Dylan und der Teamleiter sah stirnrunzelnd an sich hinab.

Er betrachtete seine Hände und schreckte zurück. Immer wieder hielt er sie sich vor seinen Körper und konnte nicht fassen, was da gerade mit ihm geschah. Seine Hände hatten zu flackern begonnen, wie ein Fernsehprogramm, das gerade eine Störung besaß.

Er blickte zu einer großen Vitrine ihm gegenüber, in dessen Oberfläche er sich widerspiegelte. Auch sein Gesicht hatte zu flackern begonnen. Dylan hatte sich eine Hand vor den Mund gelegt und Mac stürmte nach vorne.

„Evan, was ist mit…“, unternahm er einen Versuch nach seinem Freund zu greifen, fasste aber nur ins Leere.

Evan Cross’ ganzer Körper flackerte noch einmal, dann war er verschwunden. Doch nicht nur er, auch die Anomalie, die er generiert hatte.

Mac untersuchte die Stelle genauer und auch die anderen stellten sich in einem Kreis auf.

„Mac, was ist passiert? Wo ist Evan hin?“, fragte Dylan aufgebracht.

Doch der Captain zuckte nur mit den Schultern.

„Was soll das heißen? Du bist hier der Experte von uns.“, drängte Luke, doch auch das half nichts.

„Er sprach davon… dass er zurückreiste um mich zu retten.“, murmelte Donovan, der sogar noch ratloser war.

Dylan strich sich übers Gesicht und sah sich um.

„Das… erklärt alles nicht was mit Evan passiert ist. Er ist nicht durch eine Anomalie gegangen, er hat sich einfach in Luft aufgelöst!“, insistierte sie.

Niemand wagte es ihr zu widersprechen, sie hatten alle dasselbe gesehen.

Evan Cross war verschwunden.

„Ich… kann vielleicht ein paar Anrufe in London machen, Connor hat meistens immer eine Idee wenn sowas passiert.“, fiel Mac ein.

Auf der anderen Seite war er sich sicher, dass sein Freund so etwas ebenfalls noch nie gesehen haben dürfte.

„Dann… fahren wir am besten zurück zu Cross-Photonics. Du kannst telefonieren und vielleicht hat Toby oder jemand anderes eine Idee.“, meinte Dylan hoffnungsvoll.

Mac stimmte ihr zu.

„Ich werde bleiben, vielleicht tut sich hier noch etwas.“, schlug Luke vor.

„Ja, ich ebenfalls. So wie Mister Cross es geschildert hat, war es teilweise meine Schuld, was auch immer gerade passiert ist.“, schloss sich Donovan an.

Mac und Dylan konnten sich nur schwer von der Position trennen, an der Evan noch vor kurzem gestanden hatte.

Sie mussten schnell herausfinden was ihm zugestoßen war und dieses Prozess dann rückgängig machen. Falls es nicht bereits zu spät war.

Denn es wirkte so… als ob Evan von der Zeit verschlungen worden war.
 

Planet Erde – 5 Millionen Jahre nach unserer Zeitrechnung
 

Evan betrachtete immer noch seine Hände, die inzwischen jedoch allmählich zu flackern aufhörten. Er strich sich übers Gesicht und stellte fest, dass auch es wieder eine feste Form besaß.

Nachdem er sich umsah, stellte er jedoch fest, dass er sich nicht länger in einer Küche aufhielt. Auch war keine Spur von Dylan und den anderen zu erkennen. Er war allein. Wo immer er auch war.

Er spürte wie Staub auf seine Haare herabrieselte und blickte nach oben. Er stand unterhalb einer brüchigen Steindecke, die jeder Zeit einbrechen konnte. Um das zu verhindern tat Evan einige Schritte nach vorne, doch er war keineswegs in Sicherheit. Erst jetzt nahm er war, dass er sich in einem teilweise eingestürzten Gang befand, in der Decke klafften bereits Löcher und einige Stützpfeiler waren ungefallen. Außerdem war es ungewöhnlich heiß, obwohl er sich scheinbar im Inneren eines Gebäudes aufhielt.

Er musste aufpassen wohin er trat, denn jeder Schritt konnte hier sein letzter sein. Er versuchte zu evaluieren was passiert war, kam aber zu keinem Schluss. Er war durch keine Anomalie getreten, soviel wusste er noch. Dennoch war er ohne Vorwarnung von einem Ort an den nächsten transportiert worden. Handelte es sich dabei um eine Zusatzfunktion des Openers? Eine womit man nicht extra eine Anomalie öffnen musste, sondern direkt durch die Zeit reiste? Nein, dieser Gedanke war abwegig. Mal davon abgesehen, dass dies die Grenzen der Physik brechen würde, Evan hätte es längst bemerkt, wenn das Gerät so eine erstaunliche Funktion besitzen würde. Erleichtert stellte er fest, dass sich der Opener immer noch in seiner Tasche befand. Egal wo er auch war, es wäre ihm möglich wieder zurückzureisen. Doch noch zögerte er, denn er wollte erst herausfinden, was hier vor sich ging. Dann sprang ihm eine andere Theorie entgegen.

Er war tot. Er war einmal zu viel durch eine Anomalie getreten und die Partikel hatten seine Atome auseinander fallen lassen. Also wo war er? Im Jenseits? Dem Himmel? Dieser Ort machte jedoch keineswegs den Eindruck danach.

Der Hölle? Hatte Evan seinen Aufenthalt hier verdient? Er zwickte sich selbst und stellte fest, dass er immer noch Schmerz empfinden konnte. Er war also nicht tot. Vermutlich.

Er wich den Hindernissen aus und trat an eine Stelle mit Fenster. Licht drang von draußen ein und Evan hoffte endlich einen Orientierungspunkt gefunden zu haben. Er wollte einen Blick hinauswerfen, doch kaum hatte er seine Hand danach ausgestreckt, schrie er schmerzend auf. Das Licht hatte seine Haut verbrannt, ein rötlicher Fleck war zurückgeblieben. Zusätzlich einige Blasen, was den Cross-Photonics Leiter dazu bewegten, die Brandwunde schnell zu verbinden.

Doch wie war das möglich? Wie heiß war es draußen bitte? Dass seine Hand so schnell verbrannte musste bedeuten, dass es mindestens 70 bis 80 Grad waren.

Evan kroch unter dem Fenster durch und erreichte so das Ende des Ganges.

Er richtete sich auf und stand vor einer halbgeöffneten Tür. Er holte tief Luft und begann sie aufzudrücken.

Kurz darauf stand er in einem weitläufigen Saal, in dem zwar keine Fenster existierten, dafür aber Strom.

Evan schritt an mehreren inaktiven Terminals und futuristisch wirkenden Maschinen vorbei. An der Decke ging eine Art Lampe, die den Saal in rötliches Licht tauchte.

Evan stoppe abrupt als die Person sah, die einige Meter vor ihm stand.

Von der Statur her schien es sich um einen Mann zu handeln, er hatte beide Hände am Rücken verschränkt.

„Hallo?“, wagte es Evan sich zu melden, doch der Mann reagierte nicht sofort.

Erst als Evan nur noch einen Meter entfernt war, begann die Person sich umzudrehen. Sie lockerte ihre Hände und streckte Evan die rechte Hand entgegen.

Dieser zögerte, schüttelte sie schließlich aber.

„Evan Cross, es ist mir ein Vergnügen Sie kennen zu lernen.“

Der Mann kannte also seinen Namen, ein Indiz dafür, dass er Evan verraten konnte was hier vor sich ging.

Der Mann war recht groß, vielleicht Ende 40. Er trug dunkelblondes Haar und Kleidung, die man dem 21ten Jahrhundert zuordnen konnte. Doch noch etwas beschäftigte Evan und das war sein Akzent.

Er erinnerte sich an die Sprechweise von Konzil Nayem, doch sollte er sich in der Zukunft befinden ergab das keinen Sinn. Es war nicht derselbe Dialekt, er glich eher dem… von Mac. Ja, der Mann vor ihm besaß zweifelsfrei einen britischen Dialekt.

„Wo… oder wann bin ich.“, wollte Evan sofort in Erfahrung bringen.

Der Mann vor ihm musterte ihn kurz und antwortete dann.

„Es ist mir unmöglich Ihnen ein exaktes Datum zu nennen. Einigen wir uns darauf, dass bereits viele Millionen Jahre vergangen sind, seit ich Sie aus der Vergangenheit zu mir geholt habe.“, erklärte er.

Evan schluckte schwer und traute seinen Ohren nicht. Einige Millionen Jahre? Dabei konnte es sich nur um einen Scherz handeln.

Doch dann war da die unglaubliche Hitze, die in null Komma nichts seine Hand verbrannt hatte.

„Nun gut, nächste Frage. Wer sind Sie und was suche ich hier?“, fuhr er fort.

Der Mann vor ihm lächelte nun.

„Das sind zwei Fragen.“, kommentierte er.

Evan hingegen fühlte sich gereizt und wollte den Kragen des Mannes ergreifen und ihn so zwingen zu antworten. Doch er griff ins Leere.

Seine Hand durchfuhr den Körper seines Gegenübers und Evan zog sich erschrocken zurück.

„Was sind Sie?“, korrigierte er seine Frage von vorhin.

Der Mann seufzte und sah zu Boden.

„Die Menschen die diese Technologie entwickelten, würden mich wohl einen Avatar nennen. Eine Art… künstlicher und intelligente Speichereinheit. An einem Punkt der Geschichte fürchtete man, dass alles Wissen verloren gehen könnte. Deswegen beschloss man die freien Geister der Wissenschaftler, Philosophen und anderen Denker nicht mehr erlischen zu lassen, sondern ihr Bewusstsein in eine Art holografischen Matrix zu transferieren. Das… ist auch mir passiert.“, gestand er.

Evan brauchte etwas um die Information zu bearbeiten.

„Und wer sind… oder besser gesagt waren Sie?“, hakte er nach.

Nun erkannte er eine Spur Melancholie in den Augen des Mannes.

„Oh, ich war einmal wie Sie. Ich erforschte die temporalen Interferenzen, die Sie zu Ihrer Zeit noch Anomalien nennen. Ich bin… oder zumindest die Person die ich einmal darstellte hat bis zu ihrem Tod versucht mehr über dieses Phänomen herauszufinden. Mein Name lautet Professor Nick Cutter.“, stellte er sich vor.

Zu behaupten es hätte bei Evan Klick gemacht wäre wohl übertrieben gewesen. Er erinnerte, dass Mac diesen Namen einmal erwähnte. Nick Cutter war der Begründer des ARCs und ein Pionier was die Anomalienforschung anbelangte.

Doch… was genau hatte er hier zu suchen? Angeblich Millionen von Jahren in der Zukunft?

„Bitte folgen Sie mir.“, bat der Professor und schritt vorwärts.

Evan war sich unsicher, beschloss aber vorerst mitzuspielen. Cutter war wenig später vor einem Bedienfeld angekommen und betätigte ein paar Knöpfe. Scheinbar konnte er Dinge berühren, war jedoch selbst unantastbar.

Evan beobachtete wie eine Wand vor ihm teilweise nach oben fuhr und schreckte zurück. Schlagartig wurde der Saal heller, denn Tageslicht drang ein. Evan unternahm einen Versuch seine nackte Haut zu bedecken, doch der Professor bat ihn sich zu beruhigen.

„Schon gut, Sie werden keine Verbrennungen erleiden. Vor dem Fenster wurde ein Schutzschild generiert, das sämtliche UV-Strahlen abwehrt.“, konnte er berichten.

Evan überzeugte sich selbst und stellte fest, dass der Professor nicht log. Es war heiß, doch die Strahlen der Sonne drangen nicht ins Innere des Gebäudes. Evan wagte sich näher heran und verengte seine Augen als er nach draußen Blickte.

Wie bereits im Inneren des Gebäudes lag draußen alles in Trümmern. Häuser, Straßen und andere Bauten. Dafür waren die Bäume doppelt so hoch und alles wirkte verwuchert.

„Hier… können unmöglich noch Menschen leben.“, entfuhr es ihm.

Cutter hatte sich wieder zu ihm gesellt und musste zustimmen.

„Nein, bereits seit einiger Zeit nicht mehr. Die Menschen sind sicher schon seit etwa 2 Millionen Jahren ausgestorben.“, erzählte er.

Evan betrachtete noch einmal Cutters holografischen Avatar-Körper.

„Nun… es hat Vorteile wenn man nicht aus Fleisch und Blut besteht.“, erlaubte es sich dieser zu sagen.

„Sie… waren die ganze Zeit allein?“, schwang nun etwas Mitleid in Evans Stimme mit.

Cutter nickte, doch Evan konnte keine Frustration in seiner Miene erkennen.

„Die letzten Menschen in diesem Laboratorium sind gestorben, vergaßen jedoch mich zu deaktivieren. Vielleicht gibt es noch weiterer wie mich da draußen, aber das spielt keine Rolle mehr. Wir Avatare sind alles was von der Menschheit übrig geblieben ist. Es ist traurig, aber auch der Lauf der Dinge.“

Evan wagte erneut einen Blick nach draußen.

„Was… ist passiert? Eine Naturkatastrophe?“, wollte er es genauer wissen.

Cutter wiegte unschlüssig mit dem Kopf.

„Die Zeit. Wenn Sie diese als Katastrophe bezeichnen wollen, dann ja. Es waren keine Kriege, keine Seuchen oder ein Atomkrieg. Kein Komet der in die Erde eingeschlagen ist, zumindest nicht diesmal. Es war einfach der Lauf der Dinge. Etwas… das die Menschheit bis zu ihrem Ende nicht akzeptieren wollte.“, erzählte er langsam.

Evan fragte sich wer dann diesen Planeten beherrschte, wenn nicht mehr die Menschen. Die Insekten vielleicht, wie es bereits die Wissenschaftler in ihrer Zeit vorausgesagt hatten? Er erinnerte sich an die riesigen Gottesanbeterinnen, war dies hier vielleicht teilweise ihre Epoche? Er verzichtete darauf Cutter nach Details zu fragen, er befand sich in einer Zeitperiode die absolut nichts mehr mit den Menschen zu tun hatte.

„Warum bin ich hier? Haben Sie mich hergeholt?“, wand er sich an den Professor.

Cutter nickte leicht und verwies auf einige der Maschinen, die noch in Takt zu sein schienen.

„Ja, ich habe Sie hergebracht und was wegen eines bestimmten Grundes. Im Laufe der Zeit ist es den Menschen gelungen unerschöpfliche Energie zu entwickeln. Das erlaubt es mir noch einige Jahrhunderte zu überleben, zumindest solange bis auch die letzten Geräte in diesem Labor ihren Dienst einstellen. Nichts lebt ewig und auch wenn ich einsam war, war ich glücklich die Entwicklung dieser Welt solange bestaunen zu dürfen. Es war ein Geschenk und eine Qual gleichzeitig, doch ich bereue nichts. Auch gelang es denn Menschen auch eines Tages, unabhängig der Anomalien Zeitreisen zu entwickeln. Mit jener Maschine, die sich ebenfalls hier befindet, war es mir möglich Sie in diese Zeit zu transferieren.“, berichtete er.

Doch Evan musste anmerken, dass Cutter seine Frage nicht wirklich beantwortet hatte.

„Ja, aber warum ich? Weil Sie sich einsam fühlen?“, hakte er nach.

Cutter wurde augenblicklich ernster und schüttelte den Kopf.

„Der Grund ist das Gerät, das sich derzeit in ihrer linken Jackentasche befindet.“, wurde er konkreter.

Evan wirkte überrascht und zog den Opener hervor.

„Deswegen?“, fragte er verdutzt.

Cutter verschränkte seine Hände wieder hinter dem Rücken und überlegte sich wie er beginnen sollte.

„Zeit schreibt sich zwar vorwärts neu, doch in keinem rasanten Tempo. Ich habe hier sehr viel Zeit und studierte einige Berichte. Nun, sehr viele um ehrlich zu sein. Darunter auch Ihre Biographie in welcher Sie den tragischen Tod eines Ihrer Freunde beschrieben. Den eines Leo Donovans. Als ich nach einiger Zeit jedoch noch einmal nachsah, erfuhr ich, dass Sie ihn mithilfe des AOD retten konnten.“, kam er zum Punkt.

Evan konnte ihm jedoch nicht ganz folgen.

„Und… ist das falsch? Ich habe die Technologie eingesetzt um etwas Gutes zu vollrichten.“, verteidigte er sich.

Cutter wirkte aber keineswegs so überzeugt wie er selbst.

„Sie hätten irgendwann einen Nachfolger für Leo Donovan eingestellt. Dieser hätte im Verlauf einer Mission einem wichtigen Politiker das Leben gerettet. 7 Jahre später wäre dieser als Präsident gewählt worden und hätte einiges bewirkt.“, begann er zu erzählen.

Evan wusste augenblicklich wovon er sprach. Von einem Dominoeffekt.

„Aber das bedeutet nicht, dass Donovan diesen Politiker nicht ebenfalls retten kann! Soll ich ihn etwa sterben lassen, nur damit die Zeitlinie genauso verläuft wie sie soll?“, protestierte er.

Evan wusste nicht, ob Cutter als Avatar Wut zeigen konnte, wenn ließ er sich zumindest nichts anmerken.

„Ich will Ihnen aufzeugen, dass Ihr Handeln Konsequenzen beinhaltet. Vielleicht positive, aber wahrscheinlich auch negative. Die Zeit ist kein Spielplatz, kein Ort zum Experimentieren.“

Evan hingegen konnte nicht nachempfinden, warum ausgerechnet Cutter sich als Moralapostel aufspielte. Fühlte er sich inzwischen als höheres Wesen, nur weil er das Wissen der letzten Millionen Jahre gesammelt hatte? Das Schlimmste jedoch, war dass der Professor recht hatte. Evan war sich selbst unsicher bei dieser Entscheidung gewesen, doch für einen Freund konnte er einfach nicht zögern.

„Was erwarten Sie jetzt von mir? Dass ich Donovan sterben lassen soll?“, fragte er kritisch.

Cutter zögerte etwas, verneinte aber schließlich.

„Nein. Ihr Freund darf leben, immerhin habe ich es Ihnen zu verdanken, dass ein paar jener Menschen die vor langer Zeit auch mal meine Freunde waren ein langes und glückliches Leben führen durften. Ich möchte nur, dass Sie verstehen warum ich das hier tue. Die Menschheit hatte ihre Chance, doch nun hat eine neue Ära dieses Planeten begonnen. Mit Leichtsinn könnten sie die Dauer ihrer Existenz leicht verringern, das müssen Sie einsehen. Ich habe sogar Ihren temporalen Klon beseitigt, der entstanden wäre, als Sie zurücksprangen um Ihren Kameraden zu retten. Auch wenn die Distanz nur kurz war… die Zeit hat ihre eigenen Regeln. Und sie lässt sich nicht davon überzeugen eine Entscheidung rückgängig zu machen die sie einst getroffen hat.“, redete er auf Evan ein.

Dieser musterte den Professor nun lange und schien dann in sich zu gehen und zu überlegen. Dylan hatte recht, er hatte sich damals dazu entschlossen Brooke nicht zu retten, obwohl die Gelegenheit dazu besaß. Es ging nicht allein um ihm. Diese Kreaturen aus den anderen Epochen konnten Menschen verletzen und töten, doch sie waren die die Einzigen. Die Zeit selbst war mindestens genauso erbarmungslos wie sie, das war Evan klar geworden.

„Sie haben mich überzeugt. Ich werde den Opener hier lassen und meine Arbeit in meiner Gegenwart ohne fortsetzen. Völlig gleich… was für Konsequenzen es auch haben wird.“, entschied er sich.

Cutter stellte sich ihm gegenüber und nickte ihm zu.

„Das ist ein sehr mutiger Schritt. Ihr Freund hat es verdient weiterzuleben, doch dass Ihre Einsicht war ebenfalls wichtig. Ich werde Sie nun zurückschicken, womit diese Ära wohl wirklich ein für alle Mal von Menschen befreit sein wird.“, erwiderte Cutter.

Während der Professor zu einer der Maschinen schritt, wagte Evan einen letzten Blick nach draußen.

„Was… wird mit Ihnen geschehen?“, wollte er wissen.

Cutter hielt kurz inne.

„Ich bin nicht weiter wichtig. Auch wenn ich nicht aus Fleisch und Blut bestehe, die Restenergie dieses Gebäudes wird bald erschöpft sein, dann wird auch mein Leben enden. Diesmal für immer. Doch keine Sorge, mein Traum ist wahr geworden. Ich konnte sehen und verstehen was dieser Planet hervorgebracht hat, das ist alles was ich je wollte.“, verriet er und begann dann den Prozess einzuleiten, der Evan zurück nach Hause schicken sollte.

Dieser beobachtete erneut das Flakkern seiner Hände und bevor er es sich versah, löste sich die Szenerie vor seinen Augen auf. Der Professor und die Ruine des Laboratoriums verschwand und bald darauf stand er wieder an jenem Ort, den er erst vor kurzem verlassen hatte.

Vor ihm tauchte die Kücheneinrichtungen auf und Evan war erleichtert, als er feststellte nicht mehr durchsichtig zu sein.

„Evan!“, erkannte er sofort eine bekannte Stimme und ordnete sie Luke zu.

Der Teamleiter betastete sich selbst um sicherzugehen, dass er wirklich wieder ganz er selbst war. Luke fiel ihm in die Arme und Evan tat ihm den Gefallen und erwiderte dies.

„Was… was ist passiert? Wir dachten schon du wärst aus der Zeitlinie getilgt worden, oder dergleichen.“, konnte sich der Zoologe nur schwer beruhigen.

Nun trat auch Donovan in den Raum und schien sichtlich erleichtert zu sein, dass sein Boss zurück war.

„Mister Cross, ich habe mir Sorgen um Sie gemacht.“, gestand er.

Evan befürchtete bereits, dass auch Donovan kuscheln wollte, doch er beließ es zum Glück nur bei einem Handschütteln.

„Lange Geschichte, ich erzähle es euch später ausführlich. Aber… wo sind Mac und Dylan?“, hakte er nach.

„Die beiden sind zurück zu Cross-Photonics gefahren, um dort nachzuforschen was mit dir passiert sein könnte. Donovan und ich haben uns währenddessen um die Entelodons gekümmert und sie zurück in die Anomalie verfrachtet, etwas anders konnten wir in der Zwischenzeit nicht tun.“, erklärte ihm Luke.

„Ich werde die anrufen und Entwarnung geben.“, schlug Donovan vor, doch Evan bat ihn zu warten.

„OK, aber teilen Sie ihnen bei der Gelegenheit gleich mit, dass ich heute Abend alle im Besprechungsraum der Firma sehen möchte. Sie und ihr auch könnt inzwischen nach Hause, ich möchte, dass ihr bis dann ausgeruht seid.“, teilte er seinen Kameraden mit.

Luke fragte nach, was genau Evan vorhabe, doch dieser schien nur mehr mit halbem Ohr zuzuhören. Sein Blick wanderte zur großen Küchenuhr und er stellte fest, dass es bereits 12 Uhr Mittags war.

„OK… ihr kennt eure Instruktionen. Wenn es hier nichts mehr zu tun gibt, seid ihr bis heute Abend entlassen. Ich… muss noch etwas erledigen.“, sagte er und begann hastig davonzueilen.

„Wo will er denn hin?“, fragte Luke an Donovan, doch dieser konnte nur mit den Schultern zucken.

Danach wählte er Macs Nummer um ihm die freudige Botschaft von Evans Rückkehr zu präsentieren. Sie hatten immer noch keine Antworten darauf was genau geschehen und wie ihr Teamleiter überhaupt zurückgekehrt war. Sie würden warten müssen, bis ihnen dieser alles im Detail erklärte. Und es gab noch etwas, das Donovan interessierte.

Nämlich wohin Evan so schnell wollte? Hatte er etwa vor… sich mit jemandem zu treffen?
 

Vancouver – Manulife Financial
 

Als Evan zu seinem Wagen zurückkehrte, hatte er befürchtet die Tüte wäre nicht mehr darin. Es ergab keinen Sinn, wie hätte sie denn auch einfach so verschwinden sollen? Doch im Moment bahnten sich alle möglichen Horrorszenarien in Evans Kopf an.

Dass sie vielleicht ebenfalls in die Zukunft transferiert wurde, außerhalb seines Einflussbereiches. Oder dass ein Entelodon seinen Wagen aufgebrochen und sie gefressen hatte. Als er sie jedoch in Händen hielt atmete er erleichtert aus.

Zumindest an diesem Teil seines Vorhabens konnte es nicht scheitern.

Er hatte sich auf die Fahrerseite geschwungen und war losgebraust. Er hatte wenige als eine Stunde um das Firmengebäude von Manulife Financial zu erreichen, in dem Angelika derzeit arbeitete. Er war froh wieder in seiner Zeit zu sein, denn eine Verspätung von 5 Millionen Jahren hätte er ihr bestimmt nicht erklären können.

Doch ihm war klar, Professor Cutter hatte sich nicht als Wächter der Zeit aufgespielt, seine Intention war begründet gewesen. Auch er hatte sich in seinem früheren Leben den Gefahren der Anomalien gestellt und sah in Evan vermutlich eine Art Gleichgesinnten. Sowohl Cutter als auch Evan hatten einiges opfern müssen, ersterer sogar sein Leben. Auch Evan sah während jeder Mission dem Tod ins Auge, doch er war bereit dieses Risiko einzugehen. Aber… würde Angelika das auch? Er kannte die Antwort auf diese Frage bereits und das seit langem. Sie hatte sich für ihn in die Hände des Militärs begeben, aber keineswegs um ihn auszuspielen, sondern um ihn zu beschützen. Als sich die beiden endlich gefunden hatten, eilte Evan sofort zur nächsten Mission, doch diesmal mit dem Versprechen zurückzukommen. Auch wenn ihm das gelungen war, saß er beinahe ein ganzes Jahr lang in der Kreidezeit fest. Für Angelika war er faktisch tot gewesen, etwas was ihm diese vielleicht nie verzeihen würde. Das schlimmste war, dass Evan das nachempfinden und verstehen konnte. Er war wie ein Alkoholiker, ein Spielsüchtiger, der immer wieder versprach sich zu ändern, seine Nächsten jedoch stets enttäuschte.

Genau dieses Bild musste Angelika von ihm besitzen und das war eine große Bürde.

Evan gelang es mittels einiger Geschwindigkeitsübertretungen kurz vor 13 Uhr vor dem Manulife-Financial Gebäude anzukommen. Er parkte den Wagen und lief auf den Eingangsbereich zu. Die Glastür öffnete sich von selbst und bald darauf stand er in der weitläufigen Lobby. Rechts von ihm erkannte er eine Empfangsdame und beschloss sein Glück zu versuchen. Er war nur noch einen Meter von ihr entfernt und öffnete schon seine Lippen. In selben Moment ging die Tür eines Fahrstuhls auf und Angelika Finch betrat die Lobby.

„Hat sich erledigt.“, sagte Evan schnell.

Seine Freundin hatte ihn noch nicht bemerkt, die letzte Chance für kalte Füße und einen leisen Rückzug. Aber nein, so war Evan nicht und er hätte es sich auch nie verziehen so ein Feigling gewesen zu sein.

Zielstrebig schritt er auf sie zu und legte ein selbstsicheres Lächeln auf.

Angelika hielt an und musterte ihren ehemaligen Partner und wirkte ernsthaft erstaunt über dessen Kommen.

„Evan… du bist gekommen.“, konnte sie nur sagen.

In jenem Moment, als er Angelika in die Augen blickte, verflog seine Selbstsicherheit.

„Ja, natürlich! Ich weiß, ich bin nicht gut darin meine Versprechen einzuhalten, doch mein Kommen soll dir beweisen, dass es mir wirklich ernst ist. Ange bitte! Gib uns… gib uns noch eine zweite Chance.“, bat er und hoffte, es mochte nicht gerade wie ein Flehen klingen.

Angelika schluckte und wich seinem Blick aus.

„Evan, was soll das hier werden? Auch wenn du gekommen bist, das bedeutet nicht, dass automatisch wieder alles so ist wie früher.“, insistierte sie.

Evan schüttelte betrübt den Kopf.

„Nein, natürlich nicht, dafür ist einfach zu viel passiert. Und… ich will auch gar nicht, dass alles wie früher ist. Ich verlange nicht von dir zu Cross-Photonics zurückzukommen. Ich weiß, du bist nur solange wegen mir dort geblieben. Du wolltest nie etwas mit den Anomalien zu tun haben und wenn es nach dir gegangen wäre, hätte ich nie damit anfangen sollen. Aber… das ist nun mal wer ich bin. Ich bin egoistisch, unvernünftig und höre nicht auf die Personen die mir etwas bedeuten, auch wenn sie nur das Beste für mich wollen. Ich habe inzwischen verstanden, dass ich dich damit weggestoßen habe und das tut mir aufrichtig leid. Aber ich bin auch bereit mich zu ändern. Aber… nicht was die Anomalien betrifft. Diese Arbeit ist einfach zu wichtig. Natürlich, du hast vollkommen recht, ich könnte sie jemand anderem überlassen, dem Militär, dem ARC, von mir aus jedem, der den Job haben will. Doch… ich kann nicht.“, führte er aus.

Angelika machte ein paar Schritte auf ihn zu, behielt aber Abstand.

„Ja… mir ist bewusst, wie viel dir deine Forschungen bedeuten. So war es schon immer.“

Evan schüttelte hastig den Kopf.

„Ich gebe zu, dass mag anfangs ebenfalls ein Motiv gewesen sein. Aber… inzwischen habe ich nur noch einen Grund warum ich das tue. Aufgrund der Anomalien habe ich bereits zu viele Leute verloren, die mir etwas bedeuteten. Ja, jemand anderes könnte die Arbeit machen, doch derjenige hätte vermutlich nicht dasselbe durchgemacht wie ich. Mein Ziel ist es dich und alle anderen vor den Ausnahmen dieser Gefahr zu beschützen. Und das kann ich, verstehst du? Es ist nicht wie damals als ich Brooke verlor weil ich nichts unternehmen konnte. Heute ist es anders, ich habe die Technologie, das Verständnis und Freunde die mich unterstützen. Es ist alles perfekt, zumindest… bis auf dich. Das was du hier vor dir siehst ist der Mann der ich bin. Ob du dich auf so jemanden einlassen willst, ist natürlich deine Entscheidung.“

Angelika seufzte tief und trat dicht an Evan heran.

„Evan, ich habe nie aufgehört dich zu lieben. Allerdings… habe ich dich auch nie aufgehört zu hassen, dafür, dass du mich einfach allein gelassen hast. Ich stand vor deinem Grab, ich habe mir die Augen ausgeheult.“, warf sie ihm.

Evan nickte schwach und griff in seine Hosentasche. Er spürte die Tüte und zog sie heraus.

„Dann… erlaube mir das wieder gut zu machen. Für dieses eine Jahr ohne mich, dieses eine Jahr Leid, dafür stelle ich dir mein ganzes, restliches Leben als Wiedergutmachung für Verfügung. Ob du es annimmst ist natürlich dir überlassen, aber…“, begann er nun die Tüte auszupacken und förderte ein kleines Etui ans Tageslicht.

Vor über einem Jahr wäre er in der Kreidezeit beinahe gestorben. Er sah bereits das Licht vor sich und Brooke, die ihn zu sich bat. Doch Evan wusste, dass dies die falsche Entscheidung gewesen wäre. Nein, er wollte leben und das noch dazu mit einer ganz bestimmten Person.

Angelika konnte ihren Augen nicht trauen und hielt sich eine Hand vor den Mund.

„Evan…“, begann sie, doch ihr Freund war noch nicht fertig. Im Gegenteil, er hatte gerade erst begonnen.

Er öffnete das Etui und präsentierte seiner Freundin den Inhalt. Er spürte wie seine Hände zitterten, doch er wollte es jetzt über die Bühne bringen.

„Angelika Finch. Willst du meine Frau werden?“, streckte er ihr den Ring direkt entgegen.

Einige Sekunden lang Stille, es war als wäre die Zeit eingefroren.

„Ja.“

„Nein, warte lass mich bitte ausreden, bevor du ablehnst! Ich verspreche…“, wollte er den nächsten Versuch starten, hielt dann aber inne.

„Moment! Ja?“, hakte er fassungslos nach.

Angelika, immer noch die Hand vor den Mund gepresst nickte heftig.

„Ja.“, wiederholte sie.

„Warte! Ja bezogen worauf?“, verstand Evan immer noch nicht ganz.

Angelika seufzte und ließ den Kopf hängen.

„Jetzt steck mir endlich den Ring an den Finger, du Idiot!“, forderte sie ihn auf.

Das musste sie ihrem Freund… oder nein, ihrem inzwischen Verlobten kein zweites Mal sagen. Sofort nahm Evan ihre ausgestreckte Hand entgegen und zog ihr den Ring um den Finger.

Es war ein nostalgisches Gefühl, vor 10 Jahren hatte er Brooke zur Frau genommen. Doch Vergangenheit war Vergangenheit, nun wollte er versuchen nach vorne zu blicken. Zusammen mit Angelika.

„Ich… hatte schon Angst, dass du mich zum Teufel schickst.“, witzelte Evan um seine Nervosität zu überspielen.

Angelika betrachtete immer noch den Ring an ihrer Hand und sah ihren Verlobten warnend an.

„Damit wir uns verstehen. Ich liebe dich und deswegen vergebe ich dir auch. Aber solltest du es je wagen dein Versprechen zu brechen und mich allein zu lassen, dann werde ich diesen Ring durch die nächste Anomalie werfen, wo er von mir aus verrosten kann.“, drohte sie.

Evan musste grinsen und umarmte seine Verlobte stürmisch.

„Niemals. So wie du immer für mich da warst, so werde ich auch immer für dich da sein. Von jetzt an… bis zum Ende der Zeit.“

Danach folgte endlich der langersehnte Kuss. Evan war lange fort gewesen, doch endlich spürte er, wie die Einsamkeit verflog und ihm eines klar wurde.

Er war wieder zu Hause.
 

Vancouver – Kurton-Street
 

Dylan hatte sich in der Kommando-Zentrale von Cross-Photonics befunden, als der entwarnende Anruf gekommen war. Sie und Mac hatten Toby die Situation beschrieben und sie gefragt, ob sie sich vorstellen konnte, was genau passiert war. Toby hatte zusammen mit Evan den Opener untersucht, auch wenn sie vermutlich genauso viel von dessen Beschaffenheit verstanden hatte wie er. Doch laut ihrer Meinung war es unmöglich, dass dieses Gerät für Evans plötzliches Verschwinden verantwortlich war. Mac wollte Connor um Rat bitten, doch das Problem sollte sich von alleine erledigen.

Donovan meldete sich schließlich und berichtete von Evans Rückkehr. Er kannte keine Details und auch ihr Teamleiter hielt sich über das Ereignis bedeckt. Nur, dass Evan gegen Abend alle im Besprechungsraum sehen wollte und selbst noch etwas zu erledigen hätte.

„Etwas zu erledigen? Was meint er damit?“, murmelte Dylan, als sie das Gespräch beendet hatte.

„Keine Ahnung, aber behaupte jetzt nicht, dass es Evan nicht ähnlich sehen würde. Er wird uns schon erzählen, wieso er sich so plötzlich aufgelöst hat und wo er war. „, meinte Mac nur dazu.

Dylan unternahm einen Versuch Evan anzurufen, doch er ging nicht ran. Egal was er auch gerade plante, es schien so wichtig zu sein, dass er alles um sich herum ignorierte.

„Es war ein langer Tag, du solltest dich ebenfalls ausruhen.“, schlug Mac vor und schritt zu seinem Büro.

Dylan musste unwillkürlich grinsen. Es war ja nicht so, als ob der heutige Tag eine Ausnahme von der Regel darstellte. Seit 2 Jahren geschahen in ihrem Leben doch ständig eine verrückte Sache nach der anderen. Dass sich Evan in Luft auflöste und heldenhaft zurückkehrte war doch zu erwarten gewesen, oder? Erst die Reise ins Jahr 2210, wo er sich ein Duell mit Leeds geliefert hatte und dann sein Schritt durch die Annexions-Anomalie. Evan hatte jedes Mal überlebt, Dylan musste sich also keine Sorgen um ihn machen, solange der Schutzengel ihres Freundes so gute Arbeit ablieferte. Selbst den Zeitsprung nach Yvalon hatten sie bravourös bemeistert und dank Evans Einfall heil überstanden.

Nein, Evan kam alleine zurecht, es bestand für sie keine Veranlassung sich unnötig Sorgen zu machen. Nicht um Evan.

Wieder erinnerte sie sich an das stechende Gefühl, als sie wahrnahm, dass es Luke nicht zurück in die Gegenwart geschafft hatte. Sie war verzweifelt gewesen, so wie damals, als sie annahm, Evan wäre getötet worden.

Dennoch bestand ein klarer Unterschied.

„Ich glaube… ich nehme wirklich eine kurze Auszeit. Ich fahre nach Hause und nehme eine Dusche.“, meinte sie zu Toby und hauchte ein kurzes ‚Bis dann’.

Wenige Minuten später war sie bereits in ihrem Wagen unterwegs, jedoch nicht wie erwähnt zu ihrer Wohnung, sondern zu eines anderen.

Noch vor einem Jahr hätte sie ihr Weg zu Evan geführt, doch inzwischen war ihr klar, dass er auch ohne sie zurecht kam. Er und sie hatten einer Vielzahl von Gefahren entgegengesehen, hatten ihn anderen Epochen der Erde festgesessen und dem je anderen immer wieder aufgeholfen, wenn dieser gestürzt war, oder zu sehr erschöpft von allem.

Donovan hatte ihr gesagt, dass Evan ihn und Luke nach Hause geschickt hatte, damit sie sich von den Strapazen des heutigen Einsatzes erholen konnten. Als Dylan ausstieg und die Treppe nach oben wankte, wusste sie nicht, ob Luke tatsächlich schnurstracks zurück zu seiner Wohnung gefahren war. Sie hatte es nicht gewagt ihn vorher anzurufen, ein Grund dafür war, dass sie keine Ahnung hatte was sie ihm sagen sollte. Doch würde es anders sein, wenn sie ihm gegenüberstand?

Langsam strich ihr Finger über die Klingel und sie haderte mit sich, sie wirklich zu betätigen. Schließlich brachte sie es über sich und hörte drinnen das surrende Geräusch.

Und es dauerte wirklich keine halbe Minute, bis ihr die Tür geöffnet wurde und ein verblüffter Luke entgegenschielte.

„Hey… ich bin’s.“, sagte Dylan nun, hätte sich danach aber am liebsten geohrfeigt.

Natürlich war sie es, wen hätte Luke auch sonst erwarten sollen? Einen T-Rex? Gut, bei ihrer Arbeit wäre das kaum so abwegig gewesen.

„Hey… ich wollte mich etwas frisch machen und wäre nachher ohnehin gleich zu Cross-Photonics gefahren. Oder… gibt es etwas Wichtiges, dass du mich aufsuchst?“, schien der Student überrascht über den plötzlichen Besuch zu sein.

Dylan wich seinem Blick aus und versuchte passende Worte zu finden.

„Nein… nur… du weißt, einfach so rumzusitzen liegt mir nicht. Donovan hat sich sehr kurz gehalten, aber Hauptsache Evan ist zurück und es geht ihm gut.“, sagte sie dann.

Luke schluckte und nickte knapp.

„Ja, stimmt. Hauptsache Evan ist zurück.“, klang er beinahe etwas schroff.

Natürlich war er genauso erleichtert wie die anderen, seinen Freund und Boss kein zweites Mal verloren zu haben, doch was seinen Enthusiasmus bremse war vermutlich diese Worte aus Dylans Mund zu hören.

„Darf ich… reinkommen?“, bat seine Freundin nun, doch Luke zögerte.

„Nein… wie gesagt, ich wollte ohnehin zur Firma, wie können uns ja dort treffen.“, schlug er vor.

Er wartete darauf, dass Dylan von alleine ging, doch diesen Gefallen tat sie ihm nicht.

„Ist es… immer noch wegen unseres Streits letztens? Glaube mir, du hast du eine Menge in den falschen Hals bekommen. Ich bin nicht in Evan verliebt, falls du das denkst. Der Grund warum es dir so vorkommt, dass wir einander so nah sind ist… weil wir uns gegenseitig respektieren und genau wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Als wir annahmen, Evan wäre tot, da war ich am Boden. Aber weil ich einen guten Freund… nein vielleicht meinen besten Freund verloren hatte. Und dafür werde ich mich weder schämen, noch entschuldigen. Nur dafür… dass ich dich so mies behandelt habe. Ich… war einfach auf etwas Trost angewiesen.“, erklärte sie.

Lukes Blick nahm ungläubige Züge an.

„Trost? Wie soll ich das verstehen? Hast du dich von mir in den Arm nehmen lassen? Hast du dich bei mir ausgeweint oder mit mir über deine Gefühle gesprochen? Alles was du wolltest war eine Affäre um dich abzulenken. Du wusstest, dass ich etwas für dich übrig habe und du deshalb nicht viel investieren musstest. Ich hieß dich jederzeit bei mir willkommen und freute mich sogar auf dich. Weil… ich dir nah sein wollte. Aber nicht nur körperlich, ich wollte die wahre Dylan. Selbst ihren Schmerz, ihre Trauer und auch ihre Hoffnungen.“, stellte er klar.

Dylan holte tief Luft und entschuldigte sich erneut.

„Ja und wie ich dich behandelt habe tut mir aufrichtig leid. Ich habe deine Gefühle ausgenutzt und das war falsch. Deswegen… gib mir eine Chance es wieder gut zu machen.“

Luke schüttelte aber nur den Kopf.

„Das funktioniert nicht. Ich kann deine Entschuldigung gerne annehmen, doch das ändert nichts an den Tatsachen. Das was wir hatten… ist vorbei und es war ohnehin nie das Richtige. Tut mir leid, aber du kannst nichts mehr sagen, was meine Meinung ändern würde.“, sprach Luke und drückte die Tür zu.

Danach spürte er einen Stich in seinem Herzen und er torkelte zurück in den Flur. Damit dürfte er Dylan ein für alle mal verloren haben. Nicht nur als Geliebte, sondern auch als Freund, was er doppelt so schmerzlich machte. Er wollte bereits in sein Zimmer zurück und heulen, als er die Klingel erneut ertönte.

Luke stöhnte auf, waren seine Worte nicht klar genug gewesen? Es war bereits ein Weltwunder gewesen, dass er es überhaupt zu Stande brachte die Person, die er über alles liebte abzuweisen. Was sollte er Dylan noch entgegen werfen? Der Zoologe schritt zurück ur Tür und riss sie mit einem Ruck auf. Er wollte seine Worte von vorhin wiederholen, wurde aber von Dylan überrumpelt.

„Ich liebe dich.“

Für einen Moment standen Dylan und Luke einfach nur starr da und konnten gar nichts sagen.

„Was?“, kam es schließlich von dem Jungen.

Dylan drängte sich nun in die Wohnung und legte ihre Hände auf Lukes Brust.

„Als wir dich in der Zukunft zurücklassen mussten, war ich so verzweifelt, dass ich sofort wieder durch die Anomalie bin, ohne nachzudenken. Und als Evan heute einfach verschwunden ist, ist mir eines klar geworden. Wenn du derjenige gewesen wärst… dann hätte ich mir nicht einfach nur Sorgen gemacht, ich wäre am Ende gewesen. Luke… Evan bedeutet mir sehr viel, aber dich… liebe ich. Das habe ich nun begriffen.”, sagte sie ihm direkt ins Gesicht.

Luke hingegen konnte gar nicht so recht glauben was er da hörte.

„Ernsthaft?“, fragte er nochmals.

Als Dylan begann ihn zu küssen, erübrigte sie sich jedoch.

Luke war hingegen so überrascht, dass er kurzeitig das Gleichgewicht verlor und er somit zusammen mit Dylan zu Boden stürzte. Perplex sahen sich die beiden an, mussten aber gleich darauf lachen. Dann übernahm Luke das Ruder und küsste seinerseits Dylan. Als sie endlich voneinander lassen konnten, sahen sie sich erleichtert in die Augen.

„Ich hoffe du erwähnst Evan jetzt nie mehr. Also… zumindest solange es nicht mit der Arbeit zu tun hat.“, schärfte ihm Dylan ein und bewies ihm mit einem weiteren Kuss, dass wirklich kein Grund zur Eifersucht bestand.

„Kapiert. Aber trotzdem mal eine neutrale Frage. Wer sieht besser aus? Ich oder Evan?“, hakte er erwartend nach.

Dylan legte ihre Hand auf die Wange ihres Freundes und lächelte ihn an.

„Luke?“, fragte sie dann.

„Ja?“, erwiderte dieser.

„Halt einfach die Klappe, ok?“

„OK.“
 

Cross-Photonics
 

Dylan und Luke wussten, dass sie um einiges zu spät gekommen waren. Auch wenn Evan keine genaue Zeit angegeben hatte, war ihnen klar, dass er nicht ewig auf sie warten würde. Doch es hatte einfach nichts geholfen. Nachdem sie endlich zueinander gefunden hatten, war es ihnen unmöglich wieder von je anderen zu lassen. Am liebsten hätten sie die Wohnung für heute gar nicht mehr verlassen, erinnerten sich aber noch rechtzeitig, dass sie professionell waren.

Andererseits handelte es sich nicht um eine neue Anomalie, eine Verspätung würde ihnen also bestimmt verziehen werden.

Das Cross-Photonics Gebäude war kaum noch besetzt und so nickte der Sicherheitsmann des Gebäudes ihnen lediglich zu. Dylan und Luke schritten in den Fahrstuhl und fuhren in s dritte Untergeschoss.

„Sollen… wir es den anderen sagen?“, hakte Luke nach, der bereits befürchtete, Dylan wolle noch weiter ein Geheimnis aus ihnen beiden machen.

„Wir können es beiläufig erwähnen.“, gestand sie ihm zu.

Luke grinste, eine große Ankündigung wäre nicht in Dylans Stil gewesen, ob sie nun zu ihm stand oder nicht.

„Sollen wir vielleicht Händchen halten?“, bot er an.

Dylan musterte ihn skeptisch und mit zusammengekniffenen Augen.

„Nein… das wäre wohl schräg.“, meinte sie.

„Achja?“, erwiderte Luke etwas eingeknickt.

20 Sekunden später traten sie heraus und waren umso erstaunter, dass selbst die Kommando-Zentrale unbesetzt war.

„Toby?“, rief Dylan ihre Freundin, die eigentlich noch hier sein musste.

Jedoch erhielt sie keine Antwort, was sie für etwas leichtsinnig hielt. Zwar waren bisher nie mehr als eine Anomalie pro Tag erschienen, aber dennoch war es fahrlässig. Auch andere Mitarbeiter waren nicht zu entdecken.

„Wir sind wohl wirklich zu spät dran, hier ist schon alles dicht.“, murmelte Luke, als er an Tobys üblichen Schreibtisch vorbei schritt.

Dylan hingegen konnte das nicht glauben und rief erneut nach der jungen Frau. Sie erhielt zwar keine direkte Antwort, sah Toby jedoch wenig später aus einem Gang kommen, in ihren Händen platzierte sie ein Tablett.

„Oh, ihr seid endlich da? Sehr gut, dann kann mir der Gentleman neben dir ja einiges abnehmen.“, sagte sie erleichtert.

Sie drückte Luke das Tablett in die Hände und dieser bestaunte die belegten Brötchen darauf.

„Toby, weißt du so Evan ist?“, hakte Dylan nach, als ihre Freundin bereits weiterwollte.

Diese zeigte nun die Treppe hinauf zum Besprechungsraum.

„Na oben, bei der Feier. Ihr solltet euch auch beeilen.“, riet sie und setzte ihren Weg fort.

Dylan und Luke bedachten einander noch fragende Blicke, dann folgten sie ihr.

Von einer Feier wussten sie nichts, geschweige denn, was es überhaupt zu feiern gab.

Oben angekommen öffneten sie die Tür und betraten eine Atmosphäre, mit der sie nicht gerechnet hatten. Der Raum war hell erleuchtet und der Tisch prunkvoll gedeckt. Evan schien sich nicht lumpen zu lassen und hatte alle Möglichen Delikatessen aufgetischt.

„Perfektes Timing! Damit wären unsere letzten Gäste gerade noch rechtzeitig eingetroffen.“, vernahmen sie eine Stimme und blickten zum Ende des Raums.

Harold Kanan hatte sich vor den anderen Gästen in Position gebracht und räusperte sich.

Links neben ihm entdeckten sie endlich Evan, jedoch mit einer unerwarteten Begleitung. Es war lange her, seit sie Angelika zum letzten Mal gesehen hatten, umso überraschender war es, sie jetzt an Evans Seite zu sehen.

Die beiden waren alles andere als gut auseinander gegangen, ihre Anwesenheit musste bedeuten, dass sie sich endlich ausgesprochen hatten.

Donovan trat an die beiden Neuankömmlinge heran und genehmigte sich eines der Brötchen auf Lukes Tablett. Während der Student dieses endlich hinstellte, wand sich Dylan an den Ex-Soldaten.

„Hey, können Sie uns verraten was hier los ist?“, gab sie zu reichlich verwirrt zu sein.

Donovan musste grinsen, wäre er zu spät gekommen, wäre er wohl ebenfalls verdutzt gewesen.

„Ach nur eine kleine Verlobungsfeier.“, sagte er, als wäre es eine Kleinigkeit.

Dylan und Luke starrten ihn fassungslos an. Wer hatte sich denn verlobt? Die Antwort erhielten sie wenig später von Harold.

„Jedenfalls war niemand hier überraschter als ich, das könnt ihr mir glauben. Wie ihr sicher alle wisst, sind Evan und ich nicht von Anfang an die besten Freunde gewesen. Für mich war er nur ein kleiner Giftzwerg, ein mieser, arroganter Patentdieb, dem ich nie zugetraut hätte, etwas aus eigener Kraft zu schaffen.“, begann er seine Ansprache.

Evan seufzte und klopfte seinem Partner auf die Schulter.

„Danke Harold, ich liebe dich auch.“, kommentierte er.

„Muss ich eifersüchtig werden?“, flüsterte ihm Angelika zu.

Evan verdrehte die Augen und gestattete Harold fortzufahren.

„Was ich sagen wollte war… dass ich mich getäuscht habe. Evan Cross hat sich als einer der integersten, tapfersten und selbstlosesten Männer herausgestellt, die sich je kannte. Ich habe zu dieser Organisation hier meinen Beitrag geleistet, doch Evan war es, der alles aufgebaut hat. Er hat sich den Anomalien und diesen Kreaturen entgegengestellt und war sogar bereit sein eigenes Leben zu opfern. Ganz ehrlich, als er solange weg war, hat er mir sogar gefehlt, ganz ehrlich.“, gestand er.

„Ich wette umgekehrt war es eher weniger der Fall.“, murmelte nun Mac, der sich zu Dylan und Luke gesellte.

„Hey, haben wir zufällig einen Zeitsprung verpasst, oder was ist hier los?“, raunte der Zoologe.

Doch Mac hielt sich bedeckt, eher wunderte er sich, dass seine Freunde das Offensichtliche nicht erkannten.

„Ich weiß, ihr alle erwartet jetzt von mir, dass ich Evan beglückwünsche, so eine wunderschöne Verlobte gefunden zu haben, aber… verdammt, wie zum Teufel soll ich ihm so eine Schönheit wie Angelika bloß gönnen? Aber scheinbar stehen die Frauen heutzutage mehr auf die Helden und Abenteurer als auf die reichen, gutaussehende Geschäftsleute. Aber gut, es hilft nichts. Mir bleibt nur noch den beiden alles Gute und eine prächtige Zukunft zu wünschen.“, beendete er seine Ansprache und ein Klatschen folgte.

Dylan schritt nun nach vorne und blickte die beiden überrascht an.

„Moment, ihr seid verlobt? Wow. Einfach nur… wow.“

Sie musste zugeben, dass ihre Versöhnung mit Luke dagegen abstank. Diese Neuigkeit konnten sie sich für einen anderen Tag aufheben, denn der heutige Abend gebührte allein Evan und Angelika.

Letzterer erzählte nun überschwänglich wie Evan, laut ihren Worten zu Kreuze gekrochen war und um ihre Hand angehalten hatte. Dylan freute sich für die beiden und umarmte erst Angelika, dann Evan.

Mac trat an die beiden heran und reichte seinem Freund die Hand. Evan nahm sie entgegen und drückte sie kräftig.

„Ich weiß noch nicht ob ich dich vermissen werde.“, sagte der Captain grinsend und Evan folgte seinem Beispiel.

„Ach komm, du wirst dir die Augen ausheulen ohne mich.“, provozierte er ihn.

Dylan starrte ihn perplex an.

„Vermissen? Gehst du etwa weg?“, schien sie tatsächlich einiges verpasst zu haben.

Mac stieß einen tiefen Seufzer aus und nickte schließlich.

„Ja, das schleppe ich schon einige Zeit vor mir her. Ich wollte es euch bereits vor einer Woche sagen, doch dann war da das Chaos mit den humanoiden Raptoren. Aufgrund der Ereignisse in London des letzten Jahres, wurde das Budget des ARCs aufgestockt. Der Prämieminister legt noch mehr wert auf Sicherheit und will die Anzahl der Teams erweitern. Der Leiter des ARCs meint, ich hätte inzwischen genug Erfahrung gesammelt um eines davon zu übernehmen.“, erzählte.

Dylan war natürlich baff und ebenso Luke und Donovan, die nun bei ihren Freunden angekommen waren.

„Und… du nimmst das Angebot an?“, hakte der Zoologe nach.

Mac zögerte nun etwas.

„Ganz ehrlich? Ich wollte ablehnen, weil ich dachte, Evan wäre nicht im Stande dieses Team zu führen. Doch inzwischen gebe ich zu… dass ich mich geirrt habe.“, verriet er.

„Was hat deine Meinung geändert?“, fragte Dylan interessiert.

Mac fuhr sich über den Hinterkopf und rang nach Worten.

„Ehrlich gesagt… ihr alle. Ich dachte ich müsste der Leiter des Teams bleiben, um Evan so unter Kontrolle zu halten, doch ich habe begriffen, dass es gar nicht um mich geht. Dieses Team hat vor mir funktioniert und das wird es auch wenn ich wieder weg bin. Ich habe gesehen wie ihr alle für einander einsteht und auch wie Evan alles tun würde um euch zu beschützen. Dieses Team braucht keine zwei Teamleiter, nur starke und einzigartige Charaktere.“, begründete er seine Entscheidung.

Donovan trat vor und reichte Mac die Hand.

„Ich bin sicher, Sie werden Ihr neues Team genauso gut führen wie dieses hier. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, Captain.“

Mac erwiderte und dankte dem Ex-Major. Im Stillen betete er jedoch dafür, dass er sein neues Team besser unter Kontrolle haben würde als das CPT.

Evan gelang es nun irgendwie sich von seinen Freunden und vor allem seiner Verlobten zu lösen und nahm den Platz ein, den kurz zuvor noch Harold innehatte.

„OK, ich habe kein Glas und keinen Löffel, aber ich bin sicher ihr schenkt mir auch so Aufmerksamkeit.“, begann er lachend, obwohl er eigentlich recht nervös war.

Er räusperte sich, aber alle Ohren waren bereits auf ihn gerichtet.

„Wie ihr alle wisst, verlor ich vor 8 Jahren meine Frau. Ein Monster hat sie mir genommen, das direkt durch eine Anomalie kam. Ich tauchte in eine unglaubliche Welt ein, aber auch in eine kalte, gefährliche. Ich habe den heutigen Abend nicht nur einberufen, weil Ange und ich unsere Verlobung kundtun wollten. Ich meine… sie hätte mich immer noch abweisen können, dann hätte ich jetzt dumm dagestanden.“, scherzte er.

Alle lachten kurz, bevor er wieder fortfuhr.

„Fakt ist, dass ich unglaublich dankbar bin, dass sie immer zu mir gestanden ist. Aber nicht nur ihr möchte ich meinen Dank ausdrücken. Diese Feier heute ist nicht nur für mich, sondern auch für euch. Ohne jeden einzelnen von euch wäre ich heute nicht hier. Ohne Harolds Unterstützung wäre diese Einrichtung, die Ausrüstung und vor allem das Team nicht möglich gewesen. Ohne Tobys Fähigkeiten würde unsere Arbeit wesentlich erschwerter verlaufen und ohne Donovans Erfahrung und militärischem Können wären wir wohl alle schon gefressen worden. Und schließlich Mac, der uns mit besseren Waffen ausgestattet und solange ich weg war, die Stellung gehalten hat. Mac, ich werde dich wirklich vermissen. Und dann Luke, der… na ihr wisst schon. Und nicht zu vergessen Dylan, die von Anfang an dabei war und mit der ich wunderschöne Kurzurlaube in andere Epochen der Erde unternehmen durfte. Es stimmt, ich habe durch meine Tat die Welt gerettet, aber… ich habt dafür mich gerettet. Mein Gott, das klingt total sentimental, bitte vergesst das wieder. Habt… einfach noch einen schönen Abend.“, stieg er wieder vom sprichwörtliche Podest.

Luke wirkte etwas eingeschnappt, bis Dylan ihn anstupste.

„Hey, niemand weiß dein Wissen und deine Fähigkeiten mehr zu schätzen als Evan. Aber wenn du unbedingt eine Belohnung möchtest… kann ich später dafür sorgen.“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

Luke schluckte und versuchte ruhig zu bleiben.

Die Feier wurde fortgesetzt, die Brötchen und Desserts verdrückt und Evan und Angelika noch einmal beglückwünscht. Als es beim baldigen Bräutigam zu viel wurde entschuldigte er sich kurz und meinte sich auf die Toilette verziehen zu müssen.

Er verließ den Besprechungsraum und trat auf den Gang hinaus. Er atmete tief durch und stützte sich am Geländer ab. Er blickte hinunter zur Kommando-Zentrale und fühlte ein leicht melancholisches Gefühl in sich aufkommen.

„Es ist lange her, oder?“, vernahm er plötzlich eine Stimme neben sich und wand seinen Kopf.

Er war so in Gedanken gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie Dylan sich zu ihm gesellt hatte. Evan musste angesichts der Bemerkung grinsen.

„Es fühlt sich schon wie Routine an. Wir spüren diese Anomalien auf, schicken diese Tiere zurück… Wie lange wir das wohl noch machen werden?“, stellte er in Frage.

Dylan sah ebenfalls nach unten in den weiten Saal.

„Solange wie es nötig sein wird. Irgendwann wird jemand anderes unsere Arbeit fortsetzen, aber solange wird es unsere Aufgabe sein die Menschen vor dieser Gefahr zu beschützen. Und gemeinsam… als Team bin ich sicher, wird uns nichts und niemand aufhalten können.“, stand für sie fest.

Evan stimmte ihr zu. Wäre er allein gewesen, wie noch zu Beginn dieser Geschichte, hätte ihm die Zuversicht die er inzwischen ebenfalls hatte definitiv gefehlt. Doch mit seinen Kameraden an seiner Seite, spürte er, dass er alles schaffen konnte.

Gemeinsam waren sie in diese Welt eingetaucht, ob freiwillig oder nicht. Doch nun lebten sie in ihr und würden sich ihr entgegenstellen, egal was sie in der Zukunft für sie bereithalten würde. Diese fremdartige und gleichzeitig vertraute…

Neue Welt.



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