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Sudden Confusion

von

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4. Kapitel

Jun

Und wie ich einschlafen konnte. Ich hielt Jui nur wenige Minuten im Arm, bis mich die bleierne Müdigkeit in ihre Fänge nahm und mit sich zog.

Später riss mich der schrille Ton meiner Klingel aus tiefem Schlaf. Mit geschlossenen Augen tastete ich neben mich, dorthin wo ich Jui erwartete, doch seine Hälfte des Bettes war leer und das Laken zwar noch zerknittert, aber kalt.

Ich brauchte einen Moment, ehe ich mich erinnerte, dass er mir beim Frühstück von seinem Plan, Wechselkleidung zu holen, erzählt hatte.

Wieder klingelte es, und wieder.

Schwerfällig stützte ich mich auf meine Ellbogen und stemmte mich dann in eine sitzende Position, während mein Kopf noch mit Watte gefüllt zu sein schien. Erst als ich an meinem nackten Körper herunter sah, wusste ich wieder, wer und wo ich war. Ohne dass ich es verhindern konnte, schlich sich ein breites Grinsen in mein Gesicht und ich fragte mich, wann es wohl eine Wiederholung geben würde...

Mein Handy klingelte im Wohnzimmer und nun verschaffte ich es endlich, aufzustehen und zu diesem zu eilen. Fast schon erwartete ich, Juis Anruferbild auf dem Display zu sehen, aber stattdessen war es dieser andere, dieser Riku.

"Ja?", nahm ich das Gespräch verschlafen entgegen und schlich zurück ins Schlafzimmer, wo ich mich erneut in die Kissen sinken ließ.

"Jun! Wo steckst du!?"

"Hm? Zu Hause", antwortete ich knapp mit geschlossenen Augen.

"Dann mach mal auf! Ich klingel‘ hier schon die ganze Zeit..."

Ich tat wie mir geheißen, aber erst, nachdem ich in Unterwäsche und Yukata geschlüpft war. Gespannt auf das, was mich erwartete, verfolgte ich die Zahlen, die über dem Lift nacheinander aufleuchteten, bis sich die Türen öffneten und ein Mann, viel kleiner und gefährlicher wirkend als angenommen, mir entgegen schritt.

Ich war unsicher, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte und wünschte mir augenblicklich, Jui wäre hier, um mich von meiner Überforderung befreien.

"Hey...", sagte ich vorsichtig mit unsicherem Lächeln und einer Verbeugung, ehe ich ihn eintreten ließ. Auch er verbeugte sich, aber viel kürzer und nicht annähernd so tief wie ich.

"Na, Großer, alles klar?", fragte er salopp, während er wie selbstverständlich aus den derben Boots schlüpfte, ins Wohnzimmer ging und sich dort auf die Couch sinken ließ.

Ich nahm an, dass wir einen recht vertrauten Umgang miteinander hatten, daher äußerte ich mich nicht zu der Unverschämtheit. "Ja, alles klar", antwortete ich stattdessen und setzte mich zu ihm, während er in seiner Umhängetasche wühlte und zwei Dosen Bier hervorzog.

"Mann, du warst aber auch fertig an dem Abend! Du sahst aus wie ein Gespenst! Weißt du überhaupt noch was davon?"

Mit einem Zischen und einem Klacken öffnete er die erste Bierdose, hielt sie mir hin und wiederholte den Vorgang bei der zweiten. Während ich ihn so betrachtete, fiel mir auf, wie viele Piercings er hatte: vier in der Unterlippe, eins in der Augenbraue und mehr in den Ohren als ich auf den ersten Blick zählen konnte. Ich wusste zwar, dass das Körperschmuck war, aber viel schöner machte ihn das trotzdem nicht.

"Nein, gar nichts."

Riku nickte und nahm einen tiefen Schluck. "Ist vielleicht auch besser so... du warst richtig, richtig nervig. Gerade, als die beiden Weiber kamen."

Ich drehte die Dose zwischen meinen Händen und nahm erst einen Schluck, als er mich dazu aufforderte.

"Und die eine, die wollte es auch. Hundertpro! Hab erst echt überlegt, ob ich dich liegen lasse, aber na ja... das hab ich dann doch nicht übers Herz gebracht." Er lächelte eigentümlich und ich wusste nicht, ob ich ihm dankbar sein sollte, dass er mich nach Hause gebracht hatte oder ob ich ihn dafür verfluchen sollte, dass er auch nur daran gedacht hatte, mich mit Drogen vollgepumpt irgendwo liegen zu lassen.

"Danke", sagte ich dennoch, wenn auch etwas zerknirscht.

"Und als ich dich endlich abgeliefert hatte, war die Chance natürlich vorüber. Und du..."

Riku stellte seine Dose ab und nahm mir meine aus der Hand, was ich irritiert geschehen ließ. Seine Anwesenheit beunruhigte mich, ganz anders als Juis. In Juis Gegenwart fühlte ich mich wohl und geborgen, aber dieser hier machte mir irgendwie Angst. Kurz darauf wusste ich auch, warum.

Er rückte näher an mich heran, viel zu nah, um genau zu sein.

"...mit dir war GAR NICHTS mehr los. Da unten hat sich überhaupt nichts mehr getan, aber wenigstens hast du nicht mehr rumgeheult, sondern warst ganz gut drauf."

Ich konnte kaum sagen, was mich mehr überforderte - das, was er sagte, oder das, was er tat. Denn ich verstand seine Worte nicht und schon gar nicht, warum er plötzlich den Yukata von meinen Schultern streifte und mich gegen die Couchlehne presste.

"Wollen wir doch mal schauen, ob der kleine Jun heute wieder geht!", raunte er, ehe er seine Lippen auf meinen Mund legte und ungeniert meine nackte Haut berührte. Obwohl es sich nicht einmal annähernd so gut wie bei Jui anfühlte, war ich im ersten Moment zu perplex, um mich zu wehren.
 

Jui

Kaum das Jun eingeschlafen war, erhob ich mich, zog mir die Kleidung von gestern an und verschwand aus der Wohnung. Schon während der Heimfahrt in meine Wohnung kamen mir die Tränen.

Offensichtlich war ich dabei, mich in meinen besten Freund zu verlieben. Ihm ging es genauso, aber nur weil ich ihm nicht erklärt hatte, das wir noch keine Beziehung führten. Ich hatte ihn belogen.

Schnell packte ich genug Klamotten für die ganze Woche ein, dazu noch eine Festplatte mit diversen Bildern, wenn er sie denn noch sehen wollte.

Dann wischte ich mir die Tränen von den Wangen und begab ich mich eilig auf den Rückweg.

Da ich annahm, dass er auch jetzt noch schlafen würde, hatte ich mir einen seiner Wohnungsschlüssel geliehen, sodass ich die Räume betreten konnte, ohne ihn zwangsweise zu wecken.

Doch als ich in den Flur trat, hörte ich Stimmen.

Ich stellte meine Tasche ab und folgte den Geräuschen bis ins Wohnzimmer. Dort sah ich Riku, wie er Jun entkleidete und küsste.

Erschrocken nahm ich die Hand vor den Mund und rief kläglich: "Jun, Riku, was tut ihr da?"

Meine Beine zitterten.
 

Jun

"Das frag ich mich allerdings auch...", sagte ich kleinlaut. Riku schien das Schloss gar nicht erst gehört zu haben, darum hielt er erst inne, als Jui plötzlich im Raum stand und uns ansprach. Und wie er inne hielt - er zuckte regelrecht zusammen und war sogar noch schneller von mir runter als er auf mir gelegen hatte.

Obwohl ich nichts zu dem Verhalten des Sängers beigetragen hatte, fühlte ich mich schäbig und wie ein Betrüger, wenn ich mir Jui ansah, der offensichtlich dasselbe von mir dachte.

"Was tust DU hier!?", fragte Riku mit Blick auf meinen Freund, während ich mich aufsetzte und wieder anzog.

"ER ist mein Freund!", antwortete ich an Juis Stelle, blickte den Blonden neben mir strafend an und stand dann auf, bevor er auf die Idee kam, mich noch einmal anzufassen. "Und darum darf ER mich auch anfassen und DU nicht!"

Riku machte ein Gesicht, als hätte ich den Verstand verloren und blickte abwechselnd von mir zu Jui und zurück. Dann schnaubte er. "Seit gestern oder was?" Riku griff nach seinem Bier, nahm einen Schluck und drohte, daran zu ersticken, als ich ihm erklärte, dass wir bereits seit einem halben Jahr ein Paar waren. Er hustete einige Male, ehe er seine Sprache wiederfand.

"Dann solltest du ihm vielleicht was beichten! Mann, und ich dachte, ihr steht nicht auf Pussys!?", entfuhr es ihm so plötzlich und so unhöflich, dass es mir die Sprache verschlug und ich hilflos und voller Scham zu Jui blickte.
 

Jui

Meine Stimme hatte ich immer noch nicht ganz wieder gefunden, sodass Jun für mich antwortete.

Es schmerzte mich, dass Jun so voller Überzeugung erklärte, dass wir bereits ein halbes Jahr zusammen waren. Ich senkte den Kopf. Es war meine Lüge.

Doch Rikus Unhöflichkeit sicherte ihm wieder einmal alle Aufmerksamkeit.

"Wen nennst du Pussy? Immerhin haben wir es im Leben zu etwas gebracht und was machst du? Vögelst dich durch die Gegend und schaust, wen du auf dein kleines Futon zerren kannst!", giftete ich ihn an, so wie wir es eigentlich immer taten, wenn wir uns mal länger unterhalten mussten.

"Jun, wenn er nichts zu deinem Black-out zu sagen hat, dann sollte er gehen", sagte ich und verließ den Raum, um mich in der Küche zu verschanzen.
 

Jun

Ich blieb wie versteinert an Ort und Stelle stehen als das Wortgefecht losbrach.

"Im Leben was erreicht!? Was hast DU denn erreicht, was du nicht irgendwem anders zu verdanken hättest!?", rief Riku meinem Freund noch hinterher, als er den Raum verließ und mich somit mit diesem Fremden allein ließ. Gerne hätte ich Jui verteidigt, aber was wusste ich schon davon, was Jui bisher getan oder erreicht hatte, geschweige denn, wie?

Aber nicht nur das bereitete mir Sorgen - ich hatte keine Ahnung, wie ich mit Riku umgehen sollte oder mit seinem Spott und obendrein wusste ich nicht, wie ich Juis Reaktion deuten sollte. Hatte er gesehen, dass ich völlig überrumpelt war oder dachte er, ich hätte absichtlich etwas mit Riku?

Gerade wollte ich Jui in die Küche folgen, als mich der Kleinere am Arm packte und zurückzog.

"Jetzt mal ohne Scheiß, Jun", sagte er und blickte forschend in mein Gesicht. "Mit dir stimmt doch was nicht!"

Ich starrte wortlos zurück, unsicher darüber, ob ich etwas dazu sagen wollte oder nicht. Doch egal, wie ich es auch drehte und wendete - letzten Endes musste ich einsehen, dass Jui mir zwar Trost spenden konnte, aber selbst nicht wusste, was an dem Abend passiert ist, an dem ich mein Gedächtnis eingebüßt hatte. Riku hingegen schon. Wenn mir einer weiterhelfen konnte, dann wohl er. Ich wünschte nur, Jui wäre noch hier, um sich das mit anzuhören.

Ich wollte gerade den Mund aufmachen, als Riku mich zur Couch zog und auf diese hinabdrückte.

"Bist du auf dem Trip hängen geblieben, oder was ist los? Du bist seit Jahren Single! Denkst du, ich hab das vergessen oder spielst du der Flasche was vor?"

Er sprach leise, während er dicht neben mir saß und mir eine Hand aufs Knie legte.

WAS!?

"Ich weiß nicht, wovon du redest... Er ist mein Freund und ich spiele ihm ganz bestimmt nichts vor!" Unsanft schob ich seine Hand von meinem Knie. "Und ich will nicht, dass er was Falsches von mir denkt!"

Plötzlich ergriff er meine Schultern, umfasste die kräftig und eisern, als er mich schüttelte.

"Jun, was laberst du da!? Weißt du noch, wie oft wir's im letzten halben Jahr getrieben haben, während du angeblich mit ihm zusammen warst!?"

"Du lügst!", beharrte ich und kämpfte gegen seinen Griff an, doch das war gar nicht nötig. Er ließ mich urplötzlich los und wandte sich ab, steuerte dabei zielstrebig die Küche an.

"Jui!?", rief er in drohendem Tonfall. Seine Stimme schien in der gesamten Wohnung widerzuhallen, aber vielleicht bildete ich mir das auch ein. "Was IST mit ihm?", fragte er dann an den Sänger gewandt, als er meine Küche erreichte.
 

Jui

Da es mich im Grunde genommen nichts anging, was die beiden trieben oder nicht trieben, zog ich es vor, das Geschirr zu spülen. Es hatte sich inzwischen eine Menge davon angesammelt.

Plötzlich schrie Riku nach mir und stürmte in die Küche. Ich drehte mich zu ihm um und verschränkte die Arme.

"Eigentlich solltest du darüber mehr wissen als ich. Er hat falsch zusammen gemixtes Chrystal konsumiert. Ich weiß nicht, wer es ihm untergemischt hat, aber der Arzt meinte, das geht gerade herum. Er hat temporär das Gedächtnis verloren. Und wenn du keine handfeste Vermutung hast, wer ihm das untergemischt hat, komm nächste Woche wieder, dann ist alles so wie früher", versuchte ich ihn schnell wieder loszuwerden, ehe er zu viele Fragen dazu stellte, warum Jun und ich auf einmal zusammen waren.
 

Riku

Wieder einmal fiel mir auf, dass ich Jui nicht mochte. Ich wusste nicht mit Sicherheit, ob es daran lag, dass wir beide einst Sänger beim gleichen Label und somit direkte Kontrahenten waren oder ob es doch an seinem Charakter lag.

Trotzdem, hier ging es um Jun, der immer noch ein guter Freund und ein aufregender Gelegenheitsliebhaber war. Zumindest, solange er Herr seiner Sinne war und nicht zu aufdringlich wurde. Ihm zuliebe wollte ich mich ausnahmsweise zusammenreißen und versuchen, ein vernünftiges Gespräch mit diesem Sänger zu führen.

"Gedächtnis verloren", wiederholte ich wenig intelligent und lehnte mich mit verschränkten Armen gegen einen Küchenschrank. "Das ist übel..."

Ich knabberte gedankenverloren an meinen Lippenpiercings, während ich den besagten Abend Revue passieren ließ.

"Zeitweise, sagst du? Na ja... das ist halt immer so das Risiko."
 

Jui

Einen winzigen Moment glaubte ich Mitgefühl und Sorge bei Riku zu sehen, etwas, was ich bisher noch nicht kannte. Eine Seite, die er mir als flüchtige, unangenehme Bekanntschaft wohl nie hatte zeigen wollen.

Doch dann hörte ich Worte, die man recht negativ interpretieren könnte. Das wäre immer ein Risiko?

"Riku? Habt ihr das zusammen eingekauft? Von diesen Frauen? Wo hattet ihr es her? Da ist eine Gruppe, die mischt die Drogen absichtlich falsch zusammen! Ihr müsst aufpassen...", versuchte ich, noch weitere Informationen von ihm zu bekommen. Ihm Vorwürfe zu machen würde mich hier nicht weiter bringen, auch wenn ich ihn am liebsten geschlagen hätte.
 

Riku

"Von den Frauen!"

Ich schnaubte. Allein schon die Vorstellung war lächerlich. Ich brauchte nicht einmal nachzufragen, wie er darauf kam. Wenn er sich hier schon länger aufhielt - und danach sah es aus, schließlich machte er gerade Juns Abwasch - hatte Jun ihm wohl das Bild gezeigt, dass ich ihm geschickt hatte.

"Klar, die sind von der ganz üblen Sorte!", fügte ich sarkastisch hinzu. "Die haben nur so große Dinger, weil die mit Chrystal ausgestopft sind!"

Ich schüttelte den Kopf und holte dann eine zerknüllte Packung Zigaretten aus meiner Hosentasche und entzündete eine.

"Von so einer Gruppe weiß ich nichts. Aber bei solchen Mischungen kann immer was schief gehen. Selbst wenn es richtig gemischt ist, kann es schief gehen, oder glaubst du, richtiges Chrystal ist gesund?"

Wieder schüttelte ich den Kopf, dann wandte ich meinen Kopf zur Tür und sah wie Jun mit gesenktem Blick wie ein geprügelter Hund über den Flur schlurfte und wortlos an der Küchentür stehen blieb.

"Aber glaub mal, er hatte einen schönen Abend. Oder, Jun?"

Als ich ihn ansah, tat er mir schon wieder Leid. Er sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen, blieb aber stumm.
 

Jui

Jetzt reichte es wirklich, ich wusste alles, was ich wissen musste. Riku und Jun hatten diese Drogen zusammen genommen, und zumindest bei Riku war ich mir sicher, dass es nicht das erste Mal war.

Um den Rest zu erfahren, wartete ich lieber, bis Juns Gedächtnis wieder da war. Ich wollte lieber von ihm als von Riku hören, warum er Drogen nahm.

"Du solltest jetzt besser gehen. Jun hat die ganze Zeit schon starke Kopfschmerzen und er wird sich gleich wieder hinlegen. Nächste Woche könnt ihr sicherlich wieder wie gewohnt feiern gehen", sagte ich weiterhin möglichst diplomatisch, da Riku offensichtlich doch irgendwie darauf reagierte und im Endeffekt tat, was man von ihm wollte. Dass er manipulierbar war, hätte ich nicht gedacht.
 

Riku

"Dann kümmer‘ dich mal schön um seine Depris. Die nerven nämlich."

Ich wandte mich ab, klopfte Jun im Vorbeigehen auf die Schulter und holte dann mein Bier aus der Wohnstube, ehe ich mir im Flur die Stiefel anzog. Ich ließ meine eigenen Worte Revue geschehen und entschied, dass Jun eigentlich nichts dafür konnte, dass ich Jui nicht mochte. Sofort beschlich mich ein schlechtes Gewissen, sodass ich Jun noch kurz bevor ich ging, zu mir heran rief.

Er zögerte, aber schließlich kam er doch zu mir. Ich wartete, bis er nah genug war und wagte erst dann, meine Arme um ihn zu legen.

"Sorry, Großer. Werd schnell wieder gesund, ja? Und ruf mich an, wenn du was wissen willst.... Oder wenn ER mal nicht da ist, damit wir ein bisschen quatschen können, ja?"

Ich strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und er nickte langsam, offenbar verwirrt von meinem vermeintlichen Sinneswandel, der eigentlich keiner war. Aber wer konnte es ihm verdenken, dass er das nicht verstand.

"Ich wollte das auch nicht, ey... Oh, und wenn du dich wieder an alles erinnerst, ruf auch an, ja?"

Wieder nickte er, wie ich es von ihm gewohnt war und ich gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange, ehe ich mich von ihm löste.

"Dann bis nächste Woche!", rief ich lauter und schlug die Tür hinter mir zu. Was für ein erfolgloser Abend… eigentlich hatte ich mir davon mehr erhofft, als nur ein paar Küsse. Doch sicher würde der nächste Club eine Möglichkeit für mich bereithalten, meine überschüssige Energie loszuwerden.

Während ich das Gebäude verließ, überfiel mich für einen Moment sogar so etwas wie Erleichterung darüber, dass Jun sein Gedächtnis verloren hatte und Jui bei ihm war. Vielleicht brachte das eine bedeutende Wendung mit sich, von der Jun eigentlich nur profitieren konnte. Wenngleich mein Penis garantiert größer war als Juis. Wenn er ihn denn dafür benutzte. Vorstellen konnte ich es mir nicht.
 

Jui

Jun stand die ganze Zeit wie ein getretener Hund in der Tür, sagte aber nichts. Als Riku ihn noch einmal zu sich rief, widmete ich mich wieder dem Abwasch.

Nachdem er dann wirklich die Wohnung verlassen hatte, ging ich in den Flur und umarmte Jun vorsichtig von hinten.

Für mich war es kaum zu begreifen, dass er wirklich freiwillig Drogen genommen hatte, wie musste es dann erst für ihn sein?

Ich war froh, dass er mich nicht wegschubste, sondern sich in meinen Armen drehte und den Kopf in der Halsbeuge versteckte.

"Ich mache dir keinen Vorwurf", sagte ich leise.
 

Jun

Wieder wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Genau genommen, wusste ich gar nichts mehr. Denn selbst die Dinge, die ich zu wissen geglaubt hatte, waren seit Rikus Auftauchen über einen Haufen geworfen worden.

Jui sagte, er war mein Freund. Riku sagte, Jui war nicht mein Freund. Und Riku küsste mich wie selbstverständlich, sagte aber nicht, dass er mein Freund wäre, dafür aber, dass ich im letzten halben Jahr oft mit ihm geschlafen hatte.

Das einzige, dessen ich mir wirklich sicher war, waren meine Gefühle, die ich für den Mann hegte, der jetzt bei mir stand und mich genauso in den Arm nahm, wie Riku vor wenigen Minuten, nur mit dem Unterschied, dass ich mich bei Jui viel wohler fühlte.

Also glaubte ich nicht den Worten eines Fremden, sondern meinem Herzen. Ich umfasste Jui fester, klammerte mich förmlich an ihn, als wäre es das letzte, was mir Halt geben konnte. Im Grunde war es ja auch so.

"Das solltest du aber", antwortete ich nach einer Weile. Als Riku von unserer Affäre sprach, die wir offensichtlich hatten, wusste er noch nicht von meinem Gedächtnisschwund. Demnach hatte er auch keinen Grund, mir etwas zu erzählen, was nicht stimmte. Schon gar nicht, wenn Jui daneben stand.

"Ich hab dich betrogen, Jui!"

Ich hatte es nicht in lebhafter Erinnerung, aber was änderte das schon an dem Fakt? Es tat mir trotzdem so unendlich Leid und ich fragte mich, wie ich so dumm sein konnte, jemanden wie ihn, der so gutherzig und hübsch war, zu betrügen. Und dann auch noch so oft, wenn ich das richtig verstanden hatte.

Schon wieder sammelten sich Tränen in meinen Augen, als mir bewusst wurde, was das bedeutete. Wenn Jui alle Sinne beisammen hatte, verließ er mich auf der Stelle - was sollte einer wie er mit einem wie mir, der untreu war und sich mit Drogen den Verstand wegballerte?

"Es tut mir so leid, Jui! Aber vielleicht ist es gut so", sagte ich mit stockender Stimme. "Sonst hättest du es vielleicht nie erfahren und ich hätte so weiter gemacht..."
 

Jui

Fest hielt ich Jun in meinen Armen.

"Nein, du hast mich nicht betrogen. Es ist in Ordnung. Bitte mach dir keine Gedanken. Ich werde es dir erklären. Du hast keinen Grund, dich schlecht zu fühlen. Und über die Drogen reden wir, wenn du dich wieder an alles erinnerst", versuchte ich ihn zu beruhigen und hob seinen Kopf an, um ihn ansehen zu können. Sein Gesicht war blass und die Augen zusammen gekniffen. Er musste wieder Schmerzen haben. In der Hoffnung ihn zu beruhigen, setzte ich einen federleichten Kuss auf seine Lippen.

"Du siehst nicht gut aus, ich bringe dich ins Bett", erklärte ich und schlang meine Arme fester um seine Hüften, ehe ich ihn anhob und ins Schlafzimmer trug.

"Bitte ruh dich aus. Ich muss dir noch mehr aus deiner Vergangenheit erzählen, aber ich glaube nicht, dass du gerade noch mehr verkraften kannst“, versuchte ich seinen Protesten entgegen zu wirken und holte die Tabletten zusammen mit einem Glas Wasser aus der Küche.

Lange würde ich nicht mehr haben, heute, in wenigen Minuten oder Stunden musste ich es ihm erklären.

"Nimm die Tablette", befahl ich mit fester Stimme.
 

Jun

Zögerlich kam ich seiner Aufforderung nach, nahm die Tablette zwischen meine Lippen und spülte sie mit dem Wasser herunter.

Gleichzeitig fragte ich mich, ob es nicht klüger wäre, wenn ich aufhörte, nachzudenken. Wann immer ich versuchte, die Informationen, die man mir gab, in ein sinnvolles Gefüge zu bringen, musste ich erkennen, dass ich es falsch kombinierte. Darum beschloss ich, ab sofort nur noch Jui nachdenken und mir einfach seine Geschichten erzählen zu lassen. Anscheinend war ich zu dumm, diese Dinge zu verstehen. Aber was soll's, immerhin wusste ich nun, dass ich Jui nicht betrogen hatte und das beruhigte mich ungemein.

"Also waren wir zu der Zeit gar nicht zusammen... oder ist es eine offene Beziehung?", überlegte ich dann entgegen meines Vorhabens doch laut.

"Wenn das so ist, dann will ich das nicht mehr. Nur noch wir beide, okay?"

Ich stellte das Glas ab und umarmte ihn erneut, zog ihn näher zu mir heran.

"Ich muss auch gar nicht alles auf einmal wissen...", sagte ich während ich seinen Duft in mir aufsog.

"Aber... wusstest du denn von mir und ihm?"
 

Jui

Nachdem er die Tablette genommen hatte, legte ich mich neben ihn und ließ mich wieder umarmen.

Er hatte mir eine Vorlage geliefert. Hatte es selbst angesprochen. Und auch, wenn er meinte nicht alles auf einmal wissen zu wollen.

"Nein, ich wusste nichts vom ihm, aber das lag sicherlich daran, dass ich mich nicht sehr gut mit ihm verstehe. Du erzählst sehr selten von ihm", erklärte ich ihm erst einmal, ehe ich versuchte neuen Mut zu fassen.

"Würde es dich sehr schockieren, wenn wir nicht zusammen gewesen sind?", hauchte ich tonlos. Hielt ihn dabei noch fester, ich wollte nicht, dass er mich von sich stieß, auch wenn ich es verdient hatte.
 

Jun

Würde es mich schockieren? Ich überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf.

"Nein, ich bin dann sogar erleichtert, wenn ich dich nicht betrogen habe... "

Ich streichelte ihm sanft durchs Haar, dann über die Wange, lächelte ihn glücklich an.

"Ist doch egal, wenn wir zwischendurch mal nicht zusammen waren. Ich will auch gar nicht wissen, warum!"

Was auch immer der Grund für unsere vorübergehende Trennung gewesen sein mag... oder warum Riku und Jui nichts voneinander wussten - damit konnte sich der Jun mit den Erinnerungen auseinander setzen. Ich hatte darauf keine Lust. Mir reichte es, wenn ich hier neben meinem Freund liegen und seine Nähe genießen konnte.

"Bleiben wir jetzt den ganzen Tag im Bett?", fragte ich selig.
 

Jui

Meine Erleichterung verpuffte innerhalb von Sekunden. Einfach so. Eins Satz, und mein Körper erzitterte erneut.

Er ging nach wie vor davon aus, dass wir eine Beziehung führten.

Verzweifelt verbarg ich das Gesicht in seinem schönen weichen Haar, das immer so gut roch.

"Was immer du möchtest. Mein krankes Baby soll doch schnell wieder gesund werden", nuschelte ich gegen seine Haare und schloss meine Arme noch fester um ihn, als wolle ich ihn wirklich nie wieder loslassen.

So war es auch.

Heute Morgen noch wollte ich nicht, dass er mich berührte, dass er mir nahe war, wahrscheinlich aus Angst vor meinen aufkeimenden Gefühlen.

Doch jetzt hielt ich ihn, so fest ich konnte, aus Angst, er könne mich von sich stoßen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Phoenix_Michie
2013-10-05T21:14:03+00:00 05.10.2013 23:14
Endlich geht es weiter *.*
Und endlich hat Riku seinen Auftritt - so richtig physisch, von Angesicht zu Angesicht xD Ich war ja ziemlich überrascht. Der hat so einiges enthüllt, der Gute. Ich hab nicht schlecht geschaut, als er die Bude von Jun und Jui mal etwas aufgemischt hat :'D
War ein spannendes Kapitel und ich bin auf weitere Auftritte von Riku gespannt ^^ Und auf den Moment, wo Jun sein Gedächtnis endlich wieder hat.


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