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Amor Prohibitus

von

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Das große Anwesen war von einer hauchdünnen Schneeschicht eingehüllt und er hatte sich auf den Balkon der Südseite niedergelassen, stütze sich mit den Armen auf dem verschnörkelten Geländer ab und blickte hinab in die Tiefe.

Ein kleines, durchsichtiges Baldachin aus Glas schützte ihn vor den beißenden Winden und dem Schneegestöber.

Vor wenigen Stunden hatte es angefangen zu schneien, nicht ungewöhnlich für diese Jahreszeit, dennoch hatte es ihn überrascht, als der Schneefall immer stärker zu werden schien und es somit seine Abreise nach Pandämonium verschob, wo er sich mit einem der Brigadegeneräle treffen sollte.
 

Er hatte sich für eine Spezialeinheit beworben, die dafür ausgebildet wurde, nach Elysea zu reisen und Zielpersonen zu erledigen. Ein Trupp von Assassinen. Kaltblütige Killer, die keinen Befehl hinterfragten.
 

Stimmengewirr und Musik drangen aus dem Inneren des Anwesens und er hatte sich so sehr darauf gefreut, von hier verschwinden zu können.

Er hasste Veranstaltungen. Besonders diese Art.
 

„Was machst du denn hier draußen?“, ertönte eine Stimme hinter ihm. „Du verpasst ja alles. Jearon hat schon nach dir gefragt.“
 

Die Erwähnung dieses Namen reichte aus, um ihm einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen und er rollte die Augen.

Geburtstage. Die wohl schlimmsten Tage im ganzen Jahr. Dieses unnötige Gewusel und Geplänkel. Diese Formalitäten und das aufgesetzte Lachen.

Eigentlich hatte er geplant, klammheimlich zu verschwinden, doch bei diesem Wetter konnte er unmöglich in die Hauptstadt reisen.

Der Schneesturm hatte außergewöhnliche Maße angenommen und nur ein Narr würde jetzt hinaus auf die Straßen gehen.
 

„Na was ist, kommst du wieder mit rein? Nicht, dass du mir hier noch erfrierst.“, sprach sie wieder. Sie, die Tochter der Beraterin von Jearon. Er kannte sie schon lange. Damals arbeitete sie mit ihrer Mutter zusammen auf dem Markt, verkaufte frische Lebensmittel von den Feldern außerhalb der Provinz, bevor Jearon ihrer Mutter den Job als Beraterin anbot.
 

Beraterin war das falsche Wort. Dienerin traf es eher.
 

Ohne sich umzudrehen, wusste er, dass sie langsam näher kam, konnte die Wärme ihres Körpers spüren, bevor sie ihn überhaupt berührte.

Sachte legte sie eine behandschuhte Hand auf seine Schulter.

Leicht blickte er über die Schultern, konnte ihre weibliche Gestalt aus den Augenwinkeln heraus erkennen. Ihr orangefarbenes Haar war zu einer eleganten Hochsteckfrisur zusammengebunden und sie trug ein hautenges, langes, weißes Gewand. Ihre pastellfarbene Haut wirkte dadurch nur noch blasser.
 

„Bedrückt dich irgendetwas?“, flüsterte sie leise gegen den Wind, doch er verstand ihre Worte problemlos. Noch immer hatte er ihr keine Antwort gegeben, schwieg einfach weiterhin.

Eine peinliche Stille, die sie von ihm nur allzu gut kannte.
 

„Er möchte, dass du bei der Eröffnung des Buffets dabei bist.“, sagte sie und lachte leise. „Außerdem wird Delian unruhig, du weißt ja wie er ist.“
 

Er schnaubte verächtlich, drehte sich jetzt endlich richtig zu ihr herum und blickte in ihre klaren, grauen Augen, die erwartungsvoll und doch völlig ungezwungen zu ihm hinaufblickten.
 

„Er denkt ja auch wie immer nur an das Essen.“, erwiderte er, brach die Stille, die er so lange gehalten hatte und fuhr sich mit einer Hand durch das Haar, unschlüssig darüber, ob er nun mit hineingehen oder doch lieber hier draußen bleiben sollte.

Er wusste, dass Jearon seine Abwesenheit nicht tolerieren würde und Delian weiterhin auf das Buffet bestehen würde.

Gott, was war diese Bande doch armselig.
 

„Ja, dabei hat er es nicht einmal so nötig.“, antwortete sie und lachte wieder, der Klang ihrer Stimme war wie eine seichte Melodie und er fragte sich, wie sie es immer wieder schaffte, ihn zu beruhigen.
 

Sein blick verdunkelte sich und er runzelte die Stirn, als er sie weiterhin musterte. Er hatte niemandem von seinem geplanten Verschwinden erzählt, nicht einmal ihr, und plötzlich verspürte er dieses Stechen in der Brust. Ein Anflug von schlechtem Gewissen.
 

„Dieser Mann hat für sein ganzes Leben schon genug verspeist.“ Er gehörte nicht zu der Sorte Mann, der sich über andere lustig macht, doch in Delians Fall war es eine ganz andere Situation. Dieser Mann, dessen Fülle er selbst immer mit seiner adeligen Abstammung entschuldigte, fraß einem die Haare vom Kopf, wenn man nicht aufpasste.
 

„Wir sollten runter gehen, bevor er noch Amok läuft und das Essen aus Frust vernichtet.“
 

„Was interessiert mich das?“, konterte er, zuckte nur mit den Schultern. Sollte er doch, desto eher würden die ganzen Gäste wieder verschwinden.
 

„Mir zuliebe, ja?“

Sie hatte ihn gekonnt entwaffnet. Jetzt konnte er gar nicht mehr verneinen. Sie blickte ihn an und klimperte dabei mit ihren langen Wimpern, bevor sie seine Hand nahm und ihn sanft mit ins Innere der Villa zog.

Er hätte Widerstand leisten können. Er hätte ihr sagen können, dass er bald verschwinden würde, für immer. Er hätte ihr anbieten können, mit ihm zu kommen.

Doch er schwieg.
 

Als er mit ihr die Treppe hinunterstieg und wieder in die große Halle trat, wusste er, dass er sie nicht mitnehmen konnte.

Es war viel zu gefährlich.

Er wusste, dass er sie zurücklassen musste. Allein, umgeben von diesen Idioten.
 

Die Abreise hatte sich verschoben, doch er war sich sicher, dass der Schneefall bald aufhören würde. Er würde warten.
 

Und es blieben ihnen nur noch wenige Stunden, bevor er verschwand.



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