Zum Inhalt der Seite

Anne im Traumhaus

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Trauer

Bereits am nächsten Tag konnte Anne eine Suppe zu sich nehmen. Sie war noch ziemlich schwach und schlief darum viel. Allen war die Erleichterung über Annes gebesserten Gesundheitszustand anzusehen.
 

Gilbert war die Trauer und die Angst der vergangen Tage deutlich anzusehen. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen. Als Marilla hörte, daß Anne das Fieber besiegt hatte, liefen ihr Tränen der Erleichterung über die Wangen. Ihr kleines Mädchen würde am Leben bleiben.
 

George sprach mit Gilbert im Wohnzimmer.
 

„Ich habe gerade nach Anne gesehen,“ begann er. „Ihr Zustand bessert sich von Stunde zu Stunde. Ich habe keinerlei Bedenken, daß sie bald wieder gesund sein wird. Vielmehr denke ich, daß der seelische Zustand ein Problem werden konnte. Oft können sich nach einem solchen Ereignis Depressionen einstellen. Was natürlich im Augenblick schlecht für ihre Genesung wäre,“ er sah Gilbert an, der müde vor ihm saß. „Ich denke das beste ist, wenn du eure Kinder so bald wie möglich wieder nach Hause holst. Es wird sie trösten und ablenken.“
 

Gilbert nickte „Du hast sicher recht, George.“

Gedankenverloren ging er zu Anne und setzte sich an ihr Bett.
 

Sie öffnete die Augen und sah ihn an. „Gil...“ flüsterte sie und streckte die Hand nach ihm aus.
 

Er kniete sich vor das Bett und ergriff ihre Hand. „Anne-Mädchen, ich bin ja hier“.
 

Ein schwaches Lächeln huschte über ihr blasses Gesicht. Sie strich ihm über die Wange. „Du siehst müde aus, Gil,“ hauchte sie.
 

„Es geht mir gut, Karotte. Seit dem ich weiß, das es dir bessert geht.“
 

„Mach dir keine Sorgen um mich, Gil. Ich liebe dich. Und darum werde ich auch wieder gesund werden. Für dich und für unsere Söhne. Geh schlafen, Gil. Du brauchst deinen Schlaf.“
 

„Ich liebe dich auch, Karotte. Ich werde bei dir bleiben und auf dich aufpassen.“
 

„Geh schlafen, Gil. Oder willst du, daß ich mir Sorgen um dich mache?“
 

„Nein, natürlich nicht.“ Sie sahen sich schweigend an und Trauer lag über ihnen. In Annes Augen schimmerten Tränen. „Ich bleibe so lange, bist du eingeschlafen bist,“ sagte Gilbert und küsste sie auf die Wange.
 

Anne drückte seine Hand. Nicht lange und sie war eingeschlafen.
 

Von Tag zu Tag wurde Anne kräftiger. Aber der Schmerz in ihrem Herzen war schlimmer, als alles andere. Es war als hätte ihr Herz ein Loch und die Wunde klaffte tief in ihrem Inneren. Die Narbe würde bleiben. Doch der Schmerz würde langsam vergehen. Er würde mit der Zeit nicht mehr so stechend sein.
 

Als Jem und Walter einige Tage später nach Hause kamen lag wieder etwas Freude im Haus. Die beiden stürmten an das Bett ihrer Mutter und umarmten sie. Jem hatte ihr einen Strauß Siebenstern mitgebracht. „Die hab ich auf dem Nachhauseweg selbst gepflückt, Mama. Nur für dich, damit du bald wieder gesund bist“ erzählte er seiner Mutter stolz.
 

„Das ist sehr lieb von Dir, Jem“, sie drückte ihn an sich und küsste ihn.
 

„Walter, auch lieb,“ mischte sich dieser ein.
 

„Natürlich, bist du auch lieb, Walter, mein Schatz“ und sie drückte auch Walter an sich.
 

„So jetzt ist es aber gut. Eure Mama braucht ein bisschen Ruhe,“ sagte Gilbert und scheuchte die Kinder vom Bett.
 

„Aber ich muß Mama, doch noch soviel erzählen...“ warf Jem entsetzt ein.
 

„Jemilein, erzähl es mir, wenn du mich heute Mittag wieder besuchen kommst. In Ordnung? Ich will alles ganz genau wissen, ja?“ sagte Anne. Jem nickte eifrige und rannte dann mit Walter aus dem Zimmer.
 

Die Wochen vergingen und Anne wurde wieder gesund. Tagsüber, wenn sie mit Jem und Walter zu tun hatte, ging es ihr gut. Sie fing meist abends an zu grübeln, wenn sie Zeit für sich hatte. Nach außen hin wirkte sie fröhlich und ausgeglichen. Doch alle die sie gut kannten, konnte sie damit nicht täuschen. Am meisten spürte Gilbert ihren Schmerz hinter der Fassade. Als er einmal spät nach Hause kam, stand Anne gedankenverloren am Fenster.
 

„Warum schläfst du denn noch nicht, mein Schatz,“ fragte er sie nach der Begrüßung.
 

„Ich konnte nicht schlafen,“ sagte Anne.
 

Gilbert drehte sie zu sich um und sah ihr ernst in die Augen. „Anne, so geht das nicht weiter. Du schläfst kaum und isst fast nichts.“
 

„Ich kann einfach nicht, Gil. Ich weiß nicht, wie ich es überwinden soll“, traurig senkte sie den Kopf.
 

Gilbert umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht und sagte: „Wir müssen da gemeinsam durch, Anne. Ich weiß, wie sehr du leidest. Auch in mir nagt der Schmerz. Aber wir müssen weiterleben.“
 

„Oh, verzeih mir, Gil. Ich war so mit meinem Kummer beschäftigt, daß ich ganz vergessen habe, daß auch du Kummer hast. Was bin ich doch nur für eine schlechte Ehefrau. Wir haben beide unsere Tochter verloren.“ Sie nahm seine Hand und küsste sie. Tränen schimmerten in ihren Augen.
 

„Du bist die beste Ehefrau, die man nur haben kann, Karotte. Werden wir nun gemeinsam unsere Trauer überwinden?“ fragte er.
 

„Ja, Gil,“ sie schlang die Arme um sie.
 

Gilbert wollte sie sanft auf die Lippen küssen, doch Anne zog seinen Kopf zu sich und küsste ihn so intensiv, wie sie es seit langem nicht mehr getan hatte. Gilbert spürte, wie sehr er sich nach ihren Küssen sehnte.
 

„Bitte bleib ganz nah bei mir,“ flüsterte Anne an sein Ohr. „Ich brauche dich so sehr, Gil.“
 

In dieser Nacht liebten sie sich mit aller Sehnsucht und auch einer gewissen Verzweiflung. Eng umschlungen schliefen sie dann ein.
 

Am nächsten Tag hatte Anne eine Entscheidung getroffen. In all den Wochen nach dem schrecklichen Ereignis, war sie noch nicht auf dem Friedhof gewesen. Sie hatte noch nicht den Mut gehabt, an das kleine Grab zu treten. Jetzt hatte sie beschlossen hinzugehen. Sie musste von Joyce Abschied nehmen, damit die Heilung der Wunde beginnen konnte.
 

Es war ein kalter, klarer Dezembertag. Bald war Weihnachten. In der Nacht war ein wenig Schnee gefallen, der jetzt wie Puderzucker auf den Bäumen und Feldern lag. Susan war bei den Kindern und Anne hatte ihr nur gesagt, daß sie einen kurzen Spaziergang machen wolle.
 

Anne genoss ihren Weg zum Friedhof. Zum ersten mal seit langem, fiel er die Schönheit von Prince Edward Island wieder auf. Einen Moment zögerte sie als sie vor dem kleinen Friedhof hinter der Kirche stand. Doch dann ging sie entschlossen hinein. Dicht neben dem Grab von Matthew, war ein viel kleineres ausgehoben worden. Auf einem Holzkreuz stand der Name ihrer Tochter `Joyce Blythe`. Anne schluckte schwer, als sie die Worte las. Mit einer Hand strich sie über das Holzkreuz.
 

„Joyce“, flüsterte sie leise und die Tränen rannen dabei über ihre Wangen. Anne viel vor dem Grab auf die Knie und begann weinend ihr Gebet. Dann sah sie zu Matthew`s Grab hinüber. „Matthew“, flüsterte sie leise „unsere kleine Joyce ist jetzt bei dir. Bitte, Matthew, pass auf sie auf. Sie ist noch so klein, sie braucht doch jemanden, der auf sie aufpasst.“
 

Inzwischen war Gilbert auf der Suche nach ihr. Nachdem Susan ihm gesagt hatte, dass Anne spazieren gegangen war, wusste er gleich, das er in Richtung Friedhof gehen musste. Er kannte Anne so gut wie sonst keiner und wusste, daß sie dort zu finden war. Er sah sie vor dem kleinen Grab knien und ein Stich fuhr ihm durchs Herz bei diesem Anblick.
 

„Anne“ sagte er leise und berührte sacht ihre Schulter. Mit verweinten Augen, sah sie zu ihm auf. „Wir wollten das ganze doch gemeinsam durchstehen,“ sagte Gilbert und kniete nun ebenfalls vor dem Grab.
 

Anne nahm seine Hand. „Ich musste endlich von Joyce Abschied nehmen,“ antwortete Anne und wischte sich die Tränen fort. „Meinst du Matthew wird auf sie aufpassen. Sie ist doch noch so klein.“
 

„Natürlich, wird er das tun,“ sagte Gilbert und sah sie an. Auch in seinen Augen schimmerten die Tränen. Anne nahm ihn in den Arm und jeder versuchte den anderen zu trösten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Amy-Lee
2016-08-24T18:22:48+00:00 24.08.2016 20:22
Hi, es war toll.

Die Zwei werden darüber hinweg kommen, da sie ja ihren Jemie und Walter haben.
Natürlich ist es dennoch Traurig, weil Sie ja ihre erste Tochter war.
Ich bin mir sicher das Matthew sich jetzt der kleinen annimmt,
jetzt hat Er etwas von Ihr da oben und ihre Eltern sind ja auch noch da.

Bis zum nächsten mal.
Bye


Zurück