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Wege des Schicksals

Oder eine kleine Zusatzstory zu "Schicksalswege"
von

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Pläne

Die Kette um Handgelenk und Fuß klimperte, als sie aufstand und ans Fenster ging. Angespannt schaute Emilie nach draußen und nahm somit nicht wahr, wie die Tür aufging und jemand das Zimmer betrat.

 

Girodel kehrte wie versprochen mit einem Kleid für Emilie zurück und lächelte verträumt vor sich hin. Nein, das war kein Kleid, sondern eine rote Uniform, die er Jahrelang bei sich aufbewahrt hatte. Seine verlorene Liebe hatte sie damals mit Stolz und Würde getragen, als sie noch Kommandant der königlichen Garde war! Nun würde es ihre Tochter tun, während sie mit ihm von einem bestochenen Priester den Segen erteilt bekommen und dass sie sich das Jawort geben würden...

 

Victor blieb kurz stehen, legte die Uniform auf dem Bett ab und betrachtete seine Braut wie ein zufriedener Kater. Emilie stand mit dem Rücken zu ihm gewandt und schien von seiner Anwesenheit nichts mitzubekommen. Wie schön sie war – so unschuldig, noch unverbraucht und jung... Auch ein schöner Rücken konnte entzücken! Sie glich in allem ihrer Mutter – in Haltung, in Grazie, im Aussehen, im Auftreten und er konnte es kaum abwarten sie jetzt schon als Braut zu nehmen...

 

Niemand würde sie hier finden... Niemand würde sie bekommen... Sie war bei ihm und würde ganz alleine ihm gehören...

 

Auf leisen Sohlen ging Victor auf sie zu, hob seinen Arm und schlug ihr in den Nacken. Bewusstlos sank Emilie in seine Armen und er trug sie aufs Bett.

„Das tut mir so leid, meine Liebe, aber nur so könnt Ihr Euch umkleiden... Oder besser gesagt, ich werde Euch dabei behilflich sein...“ Er legte sie rücklings auf die Weiche Matratze und entfernte ihre Ketten. Dann beugte er sich über sie und betrachtete ihr jugendliches Antlitz, den schlanken Hals und sein Herz pochte immer heftiger. Vorsichtig strich er über ihre zarte Haut, den pulsierten Halsschlagader entlang bis zu ihrem Dekolletee und öffnete die Schnüre ihres Mieders. Mit jeder Bewegung seiner Finger wuchs auch die Erregung in ihm... Endlich konnte er die unerwiderte Liebe erfüllen, ohne dass ihm irgendein Nebenbuhler in die Quere kommen konnte!

 

Hastende Schritte außerhalb der Tür... das Klirren des Metalls... Stimmen, die Befehle eines alten Mannes und schon flog die Tür auf!

„Girodel!“ Reynier war von dem Bild, das sich ihm in dem gestürmten Zimmer bot, zu tiefst entsetzt. „Seid Ihr denn des Wahnsins?!“

 

Erschrocken fuhr Girodel hoch. „General de Jarjayes... Welch ein unerwarteter Besuch...“

 

Reynier humpelte, auf seinem Gehstock stützend, auf Girodel zu. „Lasst das Mädchen sofort frei!“, befahl er im scharfen Ton. Auch wenn er seiner Tochter über nicht gut gesinnt war, so ging ihm dennoch so etwas gegen den Strich!

 

„Oh, verzeiht, ich habe sie gar nicht vorgestellt...“ Etwas wahnsinniges glomm in Girodels Augen auf. Seine Lippen formten sich zu einem süffisanten Lächeln und seine Hand legte sich schon beiläufig um den Griff seines Schwertes. „Das ist meine Braut...“

 

„Lasst das Gerede, Girodel, ich weiß wer sie ist und was Ihr vor habt! Ihr habt kein Recht dazu!“

Reynier konnte nicht schnell genug reagieren, da hatte Victor sein Schwert bereits gezogen und ging damit auf ihn los.

Es war nur den langjährigen Diensten als General in Versailles und seiner militärischen Überlegenheit zu verdanken, dass Reynier den tödlichen Schlag verhinderte. Er verteidigte sich systematisch mit dem was zu Hand war und konnte seinen Gegner noch gerade rechtzeitig mit dem Gehstock abwehren. Jedoch war das nichts gegen die scharf polierte Klinge. Das Holz gab nach und wurde entzweit.

 

„Emilie!“, hörten die beiden Kontrahenten den Ausruf und Girodel hastete blitzschnell auf den Störenfried zu – der General war für kurzen Augenblick vergessen. „Du wirst sie mir nicht nehmen!“ Er erhob sein Schwert gegen Philippe und Emilie erwachte.

 

Das Bild, das sich vor ihren Augen abspielte, erweckte auch ihre Lebensgeister: Da beugte sich Philippe über sie und hinter ihm stand sein Patenonkel mit erhobener Klinge! Was er vorhatte, war eindeutig und Zeit nachzudenken gab es nicht!

„Nein!“, schrie Emilie und saß schnell auf, um Philippe zu verdecken. Aber dieser warf sie zurück und bedeckte sie schützend mit seinem Körper.

 

Philippe wartete auf den Stoß... und die Schmerzen... Aber der kommende Schlag kam nicht...

 

Vorsichtig drehte er sich um und sah Girodel mit weit aufgerissenen Augen direkt vor dem Bett stehen – überrascht und verblüfft. Sein Schwert glitt ihm aus der Hand und aus seinem Brustkorb ragte die Spitze des Amtsschwertes des Generals – ein Andenken an seine Dienste, das Reynier stets als Symbol noch immer bei sich trug.

 

Victor schwankte, Blut floss aus der Wunde und auch an den Mundwinkel rann ein dünner Faden der roten Flüssigkeit herab. Langsam sackte er auf die Knie – noch immer mit fassungslosem Gesichtsausdruck. Dann kippte er zur Seite und regte sich nicht mehr.

 

„Er war ein guter Freund...“, murmelte der General schnell atmend und sah zu Emilie. „Aber die Ehre meiner Familie darf nicht noch einmal befleckt werden...“

 

„Großvater...“, Emilie wagte nicht den starren und blutverschmierten Körper von Girodel anzusehen – sie war bleich wie die Wand und konnte sich vor Schrecken und Unglaube nicht vom Fleck rühren.

 

„lass mich ausreden!“, schnitt ihr Reynier barsch das Wort ab und als sie ein leises „Jawohl...“ flüsterte, dann fuhr er fort: „Als deine Mutter Verrat begangen hatte, indem sie auf die Seite des Volkes gewechselt hatte, war sie für mich bereits gestorben... Ich kann und werde ihr das nicht verzeihen, aber du sollst nicht für ihre Fehltritte büßen müssen... Nur deshalb habe ich dir geholfen...“ Der General nahm gerade Haltung an, als ihn plötzlich heftige Schmerzen im Herzen durchfuhren und er sich leicht verkrümmt an die linke Brust fasste.

 

„Großvater!“ Emilie sprang vom Bett und stützte ihn von einer Seite - Philippe von der andern.

 

„Es geht schon. Du bist ein gutes Mädchen...“ Reynier sah ihr ins Gesicht und kam nicht umhin zu lächeln. Er konnte nicht verhindern, dass er dabei an seine Tochter und wie er sie erzogen hatte, dachte. Das war eine schöne Zeit, voller Freude und Stolz... Aber das alles war schon seit langem vorüber, unwiderruflich vorbei... „Komm, ich bringe dich weg von hier...“, sagte er bestimmend und entlockte Emilie dabei ein kleines Lächeln.

 

„Und was ist mit ihm?“, deutete Philippe auf seinen reglosen Patenonkel mit dem Kinn.

 

„Tja...“ Reynier zog überlegend seine Augenbrauen zusammen und krauste die Stirn. „Ich werde mich wohl vor Gericht verantworten müssen...“, Dann glättete sich seine Stirn und er schmunzelte gar. „Aber mir wird schon nichts passieren. Die Richter sind käuflich, so wie früher der Hofstaat und der Adel...“

 

„Ich kann auch als Zeuge aussagen.“, empfahl sich Philippe wie selbstverständlich und Reynier nickte ihm einvernehmlich zu. „Das könnte mir auch von Vorteil sein, mein Junge...“



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