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Herzenswille

von

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Verstoßen

Schwanger? Wenn das seine Frau wäre, dann hätte ihn das nicht so arg fürchterlich und entgleist getroffen... Seine Frau... Wenigstens weilte Emilie jetzt in Versailles als Hofdame der Königin, aber wohl oder übel würde er sie über Oscars Umstand unterrichten müssen. Denn ganz sicher wusste sie nichts davon. Wenn überhaupt jemand davon wusste! Wie gerne hätte er die Zeit vor rund dreißig Jahren zurückgedreht und sich die Erzeugung von Oscar erspart... Oder sie erst gar nicht wie einen Knaben erziehen sollen... Dann wäre sie wie all ihre anderen fünf Schwestern schon längst verheiratet und wäre eine brave Ehefrau gewesen... Da hätte er ihre Schwangerschaft gut geheißen... Oder er hätte sie vor einem Jahr doch zwingen sollen, Girodel zu heiraten...

 

„Seid Ihr sicher, Herr Doktor?“ Und das fragte er noch? Die Tatsache lag doch auf der Hand! Aber vielleicht hoffte er doch noch im tiefsten Winkel seines Unterbewusstseins etwas anderes zu hören...

 

„Es besteht kein Zweifel, Monsieur.“

 

Natürlich nicht – Reynier hatte ihre kleine Bauchwölbung doch auch gesehen! „Ich danke Euch, dass Ihr da wart, Doktor Lasonne!“ Und danke auch dafür, dass er Licht ins Dunkel gebracht hatte! Der Arzt warf noch einen letzten, mitleidigen Blick auf Lady Oscar und der Empfangsdiener geleitete ihn aus dem Haus. Reynier hatte ihn schon vergessen, sein unbegreiflicher Blick war stumm und entsetzt auf seiner Tochter gerichtet, die gerade in Ruhe und ohne ihn anzusehen, ihre Uniformjacke zurecht richtete. Was für eine Schande – sie hatte mit ihrem Umstand die ganze Familie de Jarjayes bloßgestellt! Seine Muskeln spannten sich an, seine Augen verschleierten sich mit der rötlichen Farbe des Zorns und es kostete ihn eine immense Überwindung, nicht auf Oscar loszugehen und sie umzubringen, wie er es vor wenigen Augenblicken noch vorgehabt hatte! Aber da hatte er noch nicht über ihren beschämenden Umstand gewusst! Und mit wem hatte sie sich denn überhaupt vereint?

 

Erst jetzt bemerkte Reynier, wie dicht André bei Oscar stand und ihr etwas zuflüsterte, was er nicht verstand. Also hatte seine Tochter seine Liebe erwidert – das Ergebnis davon entwickelte sich vorangeschritten in ihrem Leib! „Packt eure Sachen und verschwindet aus meinem Haus!“, knurrte er zähneknirschend und erntete sofort die Aufmerksamkeit der beiden. Wieso schauten sie ihn denn so überrascht an? André wollte doch mit ihr fliehen, also würde er ihm den Wunsch gewähren – zusammen mit seiner Tochter! Wenn er es noch überhaupt ertragen konnte, sie als seine Tochter zu bezeichnen...

 

„Aber Monsieur...“, wisperte jemand und Reynier bemerkte die schreckensbleiche Sophie erst jetzt. Sie stand nicht weit hinter dem Paar und hatte sich vor lauter Bange die Hand vor dem Mund geschlagen. Auf einmal wurde die alte Haushälterin dem General auch unerträglich – schon alleine weil sie Andrés Großmutter war. „Du auch!“, befahl er verächtlich „Du bist ab nun aus deinen Diensten entlassen! Ihr alle drei habt Zeit bis zum Morgengrauen zu verschwinden!“

 

Weder Oscar noch André erwiderten etwas darauf – nur ein stummes Nicken der beiden besagte ihm, dass sie einverstanden waren. Wenigstens dieses eine Mal befolgte sie seine Anordnung, ohne etwas entgegenzusetzen! Höchstwahrscheinlich war ihr dies gar willkommen? Ja, das wäre nicht auszuschließen...

 

„Monsieur...“, Sophie, obwohl sie am ganzen Körper zitterte und butterweiche Knie hatte, wagte sie doch noch einen Versuch, den General umzustimmen – nicht für sich, sondern für ihren Schützling: „Habt bitte ein Einsehen. Ihr könnt doch nicht Eure Tochter...“

 

„Sie ist nicht mehr meine Tochter!“, schnitt Reynier ihr aufbrausend das Wort ab und schnaubte außer sich vor Wut. Auch dazu sage Oscar kein Wort. Dennoch merkte er, wie sie zusammenzuckte und sah, wie André gleich darauf beruhigend einen Arm um ihre Schultern legte. Was erlaubte er sich! Kannten die beiden keinen Anstand mehr?! Das brachte ihn noch mehr in Rage, seine Hände ballten sich zu Fäusten, sein Blut kochte und er konnte sich kaum noch zügeln. Fuchsteufelswild verstoß er sie aus seinem Haus. Niemand durfte von der Schande erfahren, die Oscar über seine ehrbare Familie de Jarjayes gebracht hatte! Sie sollte selbst sehen, wie sie durchkam! Er gab ihr nur eine Nacht, bis sie ihre Sachen einpackte und auch Sophie entließ er aus seinen Diensten. Das tat ihm zwar leid, so eine gute und treue Haushälterin zu verlieren, aber die Tatsache, dass sie Andrés Großmutter war, würde ihn immer daran erinnern, was ihr einäugiger Enkel und Oscar angerichtet hatten. Jedoch konnte er nicht verhindern, dass Oscar weiterhin als Befehlshaber in der Söldnertruppe blieb. Nur Ihre oder Seine Majestät konnte sie des Postens entbinden und deswegen brach er, noch während Sachen gepackt wurden, nach Versailles auf.

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

 

Rosalie war überrascht, Lady Oscar zur frühen Stunde vor der Tür ihrer und Bernards Wohnung stehen zu sehen – ebenso André und Sophie. Oscar war es zuwider, ihr die Wahrheit zu erzählen, aber sie hatte keine andere Wahl, wenn sie hier bleiben wollte. Rosalie wäre so oder so einverstanden, Lady Oscar bei sich aufzunehmen. Während sie mit Sophie für das Mittagsessen sorgte, zogen sich Oscar und die beiden Männer für ein Gespräch zurück. „...solange ich noch nicht von meinem Titel und Rang enthoben bin, will ich das ausnutzen und meine Männer aus dem Gefängnis befreien. Sie sind alle bürgerlicher Herkunft.“, beendete sie an Bernard gewandt.

 

Dieser nickte ihr einvernehmlich zu. „Verstehe. Ich schulde Euch doch einen Gefallen.“ Bernard meinte damit seine Freilassung, die er ihr zu verdanken hatte. Damals, als sie ihn als schwarzen Ritter entlarvt in die Schulter angeschossen und gefangengenommen hatte, hätte sie ihn dem Richter übergeben können. Stattdessen aber hatte sie ihn zur Pflege zu Rosalie gebracht, wofür er ihr noch mehr dankbar war. Rosalie kannte er noch von früheren Zeiten und so kam es dazu, dass nach seiner Genesung sie seine Frau wurde. Bernard schob diese angenehme Erinnerung erst einmal beiseite und stellte hilfsbereit Oscar die Frage: „Was kann ich für Euch tun?“

 

Oscar atmete auf. „Die Soldaten sitzen im Gefängnis von Abaye.“

 

„Das Gefängnis von Abaye ist eine wahre Festung“, bemerkte Bernard.

 

„Ich weiß. Ihr braucht sicher ein paar Leute dafür. Nein.“ korrigierte sich Oscar sogleich. „Nicht ein paar, wahrscheinlich eintausend oder gar dreitausend.“

 

„Na ja, ich halte das zwar nicht für unmöglich, aber glaubt Ihr wirklich, dass wir so Euren Männern helfen können?“ Daran zweifelte Bernard nun doch noch etwas.

 

Oscar lächelte matt und fand auf alles eine Antwort. „Als Befehlshaber der Wache bin ich für die Ruhe in der Stadt verantwortlich. Ich könnte den König davon überzeugen, da eine aufgebrachte Bevölkerung durchaus anders sein kann, die Männer zu begnadigen.“ Solange dieser König noch nicht von ihrem Umstand in Kenntnis gesetzt wurde...

 

„Ich verstehe.“ Bernard zog seine Mundwinkel nach oben. „Das ist gar nicht so dumm. Solche Leute wie Euch können wir gut auf unsere Seite gebrauchen.“

 

War das jetzt etwa ein Wink mit dem Zaunpfahl, weil ihr Vater sie verstoßen hatte und sie nicht mehr länger ein Kommandant sein würde? „Werdet Ihr es schaffen Bernard?“

 

„Es gibt da ein Problem.“ Bernard seinerseits bedachte auch alles. „Was passiert, wenn die Sache eskaliert und es zu einem Aufruhr kommt?“

 

„Ich verspreche Euch, dass es in diesem Fall unter Euren Leuten und der Bevölkerung von Paris keine Verletzten oder gar Tote geben wird. Falls ich dieses Versprechen nicht halten kann, dann bin ich bereit mit meinem Wissen zu dienen.“ Oscar war in ihrem Vorhaben so entschlossen und aufrichtig, dass Bernard ihr nur zu gerne geholfen hätte. „Nun, ich werde sehen, wie viele Menschen ich zusammen kriegen kann. Ich denke, da wird sich einiges machen lassen.“

 

„Ich bin Euch wirklich dankbar.“ Oscar schaute zu ihrem André, der bisher noch kein Wort geäußert hatte. Sie wusste genau, dass er ihr die Entscheidung überließ und wollte keineswegs über sie bestimmen. Er würde sich schon einmischen oder einen Einwand von sich geben, wenn er Gefahr wittern und die Sache nicht gerade für klug halten würde. Dafür war ihm Oscar sehr dankbar und schenkte für einen Wimpernschlag ihm ein liebevolles Lächeln. „Lass uns in die Kaserne aufbrechen, solange meine Soldaten mir noch unterstehen.“

 

 

 

 

 

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„Soldaten! Ab nun müssen wir jetzt wachsam sein! Der letzten Informationen zur Folge, sollte das Volk sich vor dem königlichen Palast versammeln. Unsere Aufgabe wird es sein, diese Leute zu umzingeln und die Situation im Auge zu behalten. Ihr habt lediglich die Sicherheit zu gewährleisten!“, sprach Oscar nun mit etwas Nachdruck vor ihrer Kompanie im Sattel sitzend. „Egal was passiert, es wird auf die Menschen nicht geschossen, die sich dort befinden! Auch wenn ihr provoziert werdet! Habt ihr verstanden? Ich erwarte von euch eine absolute Disziplin! Vorwärts, Marsch!“

 

Die Soldaten folgten ihr selbstverständlich. Aber wie lange hatte sie noch das Kommando über ihnen? Sie musste das ausnutzen, solange es ihr noch vergönnt war. Denn ihr Vater könnte jeden Moment mit seiner Majestät sprechen und dann würde sie ein gewöhnlicher Mensch sein...

 

Sie erreichten den Versammlungsort, wo Bernard schon seine Rede hielt und die Zuhörer wurden immer mehr. „Wir haben uns hier vor dem königlichen Palast versammelt, um etwas klar zu stellen! Männer und Frauen von Paris! Die Soldaten, die durch unsere Stadt patrouillieren und die ihr als unsere Feinde anseht, sind zum größten Teil eure Kinder! Es sind Kinder von euch und wie ihr es seid und nun sollen zwölf von ihnen ohne Gerichtsurteil einfach erschossen werden!“

 

„Die Menschen haben sich hier versammelt, um Alain und unseren Kameraden zu retten!“, leuchtete es einem der Söldner begeistert ein und der andere stimmte ihm zu.

 

„Bürger von Paris!“, erscholl wieder Bernards Stimme. „Ich weiß, dass diese zwölf Soldaten der Armee dem alten Regime gedient haben. Aber sie wurden als schlecht bezahlte Schutzschilde der Adligen benutzt! Es sind unsere Brüder! Lasst uns nun gemeinsam zum Gefängnis von Abbaye gehen und die Freilassung unserer zwölf Brüder fordern!“

 

„Genau!“, rief jemand euphorisch aus dem Volk. „Er hat recht, wir sollen sofort aufbrechen!“ Andere stimmten zu, schlossen sich ihm an und viele Menschen marschierten dann los. Über fünftausend Männer und Frauen zogen zum Gefängnis und forderten lautstark die Freilassung von zwölf Soldaten. Und es wurden immer mehr – bis zu dreißigtausend zählte man sie zur Mitte des Tages.

 

„Dein Plan scheint aufzugehen“, meinte André, während er selbstverständlich an Oscars Seite einher ritt.

 

Auch wenn Oscar zufrieden war, konnte man eine leichte Anspannung ihr doch noch anmerken. „Wie es aussieht haben wir es fast geschafft. Jetzt müssen wir nur die Entscheidung des Königs abwarten.“

 

 

 

Die Entscheidung des Königs ließ aber auf sich warten. Er musste sich vorerst mit seinen Generälen beraten und gleichzeitig eine Entscheidung treffen, was Oscar Francois de Jarjayes betraf... „Wovon fürchtet Ihr denn Euch, mein Gemahl?“, mischte sich die Königin ein. „Ich weiß gar nicht, was ihr habt! Die Sache ist doch eindeutig! Lasst sofort die zwölf Soldaten frei! Oder wollt Ihr etwa riskieren, dass unser schönes Paris wegen zwölf Männer in Schutt und Asche gelegt wird?!“

 

„Ja, Ihr habt sicherlich recht, meine Liebe“, stimmte der König zu und stellte die Freilassung über die zwölf Männer. „Ich muss mit Euch noch dringend sprechen“, meinte Ludwig zu seiner Frau nach dem Unterzeichnen des Dokuments über die Freilassung und schaute flüchtig zu dem General de Jarjayes. „Es geht um den ehemaligen Kommandanten des königlichen Garderegiments.“

 

„Oscar?“ Marie Antoinette schaute verwundert drein und Ludwig begann sogleich zu erklären: „Ich bedaure Euch das mitteilen zu müssen, aber Lady Oscar hat ein schwerwiegendes Vergehen begangen und um die Ehre der Familie de Jarjayes unangetastet zu lassen, befürchte ich, müssen wir Lady Oscar von ihrem Rang, Titel und Posten als Befehlshaber der Söldnertruppe entbinden und sie als Verräterin brandmarkten.“

 

„Wie bitte?“ Marie Antoinettes Augen weiteten sich erschrocken. „Wessen wird sie beschuldigt?!“, verlangte sie sofort zu wissen und bekam ein mulmiges Gefühl, als ihr Gemahl der König ganz bedauernd hinzufügte: „Nun, meine liebe Gemahlin, Ihr würdet es verstehen, wenn Ihr General de Jarjayes anhört...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fahnm
2016-07-26T19:27:38+00:00 26.07.2016 21:27
Ein Spitzen Kapitel
Jetzt bin ich gespannt wie es weiter gehen wird.
Antwort von:  Saph_ira
27.07.2016 17:44
Vielen, lieben Dank, freut mich dass es dir gefällt. :-)
Von:  chrizzly
2016-07-26T11:37:15+00:00 26.07.2016 13:37
Waaaaaaaaaaahhhhhhhhnnnnnssssinnnnnn...... Jetzt hast du es aber spannend gemacht. Mir ist schonganz schlecht. :-D Schreib schnell weiter. Super toll.!!!!!!!

Kussi Kussi
Antwort von:  Saph_ira
27.07.2016 17:43
Dankeschööööön! :D Ich versuche euch nicht lange auf nächstes Kapitel warten zu lassen, versprochen. ;-)

Einen lieben Kuss zurück. :-)
Von:  YngvartheViking86
2016-07-25T17:00:53+00:00 25.07.2016 19:00
Es entwickelt sich, wie ich es mir teils gedacht habe :)
Nur dass der Sophie verstößt, hat mich doch etwas geschockt.
Ich bin gespannt wie die Drei nun leben werden und was sich der König und die Königin einfallen lassen.
LG Chris :)
Antwort von:  Saph_ira
25.07.2016 19:12
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar. ;-) Ich brauchte Sophie nicht mehr auf dem Anwesen aus einigen Gründen und deshalb hab ich auch sie vom General verstoßen lassen. ^^
Liebe Grüße,
Ira :-)


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