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Herzenswille

von

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Ohne dich...

Stille...

 

Unheimliche, entsetzliche und todbringende Stille herrschte an den Treppen zur Unterführung eines Kanals... Das Rauschen des dreckigen und muffigen Wassers nebenan existierte in ihren Ohren nicht... Wie auch ihre Soldaten, ihre Kompanie, die sie in einem Kreis und mit entgleisten Gesichtsausdrücken umstellten, existierten in ihrer Wahrnehmung nicht... Leere, Schmerz, Trauer und Bitterkeit vermischten sich zu einem erdrückenden Knäuel in ihrem Inneren und raubte ihr den Atem... Warum auch nicht gleich ihr Leben?

 

Denn was bedeutete schon ihr Leben, wenn sie den Mann verlor, den sie über alles liebte und für den sie selbst in den Tod gehen würde... Die Zeit blieb stehen, die glücklichen Momente aus ihrer gemeinsamen Kindheit kamen ihr in einem Durchlauf vor dem inneren Auge vor und sie klammerte sich so fest daran, wie an den schweren Körper in ihren Armen...

 

Er war noch beim Bewusstsein.... Sein Gewicht versuchte er abzustützen, sie damit nicht zu erdrücken. Denn auch wenn sie beide kniend da saßen, belastete es sicherlich ihren Bauch und demzufolge dem ungeborenen Kind darin. Aber Oscar wollte ihn nicht aus ihren Armen loslassen, sie war am Boden zerstört und nicht einmal das ungeborene Wesen unter ihrem Herzen half ihr die Beherrschung beizubehalten. „André, nein!“, beschwor sie erstickt und mit belegter Stimme. Das war schrecklich! Wie sollte es nun ohne ihn weitergehen?! Alles schien nun sinnlos und bedeutungslos zu sein. „Lass mich bitte nicht allein!“, hauchte sie mit Nachdruck und ihr Herz starb in dem Moment mit ihm zusammen...

 

„Das habe ich gar nicht vor...“, keuchte dieser an ihrer Schulter und schob sich mit gesammelten Kräften aus ihren Armen. Seine Stimme durchfuhr sie bis ins Mark und erweckte ihre Lebensgeister – das klang ganz und gar nicht nach einem Sterbenden! „Was?“ Hoffnung auf ein Wunder glomm in Oscar und sie entfernte sich vorsichtig von ihm. André lächelte matt und knöpfte seine Uniformjacke bis zur Mitte. Er griff in die Innentasche und holte sein Tagebuch ans Tageslicht. Mitten drin, und fast auf der letzten Seite, steckte die verhängnisvolle Kugel. „Und du wolltest nicht, dass ich es mitnehme.“

 

Oscar starte vorerst perplex auf das kleine Büchlein mit dem dicken Einband in seiner Hand, erinnerte sich an den kleinen Wortaustausch von heute früh zwischen ihnen und versuchte zu verarbeiten, welch ein Wunder gerade geschehen war! Ihr Herz füllte sich mit einem Glücksgefühl auf und so war kaum jemand überrascht, als sie sich André um den Hals warf. „Ich bin unsagbar froh, dass du nicht auf mich gehört hast!“ Nun sammelten sich Freudentränen in ihren Augen, die sie vor Erleichterung kaum noch vor ihrer überlebenden Kompanie verbergen konnte.

 

„Du bist ein Glückspilz!“, sagte jemand hinter André und schon spürte er beherzigtes Klopfen von Kameraden auf seinen Schultern.

 

Oscar entriss sich von ihm, belächelte ihn kurz und dann erhob sie sich auf die Beine. Trotz der Glückseligkeit und dem Wunder mussten sie sich an den Plan halten und vorangehen! „Alle mal her hören, Männer!“, verlautete Oscar wieder sachlich und stellte sich auf einer der höheren Stufen der Treppe. „Wir brechen in der Mitte durch, wie wir es beschlossen haben! Also los, auf die Pferde!“

 

Gesagt, getan. Die feindliche Linie lichtete sich schon bald, nicht weit entfernt von dem Unterschlupf, in dem sie vor Kurzem Zuflucht gesucht hatten und wo André beinahe ums Leben gekommen wäre... Oscar schauderte es bei dem Gedanken, was sie jetzt ohne ihn getan hätte... Womöglich nichts! Womöglich wäre sie genauso gestorben wie er – wenn nicht mit ihrem Körper, dann mit ihrer Seele ganz bestimmt! Ihr Herz wäre mit ihm gestorben, das hatte sie ganz deutlich an ihrem eigenen Leib erfahren, als sie ihn nach der feindlichen Kugel in ihren Armen gehalten hatte... Oscar schüttelte sich – noch einmal würde sie seinen Tod nicht ertragen können! Und es gab noch etwas: Ihre Soldaten! Es dürften nicht noch mehr von ihnen sterben! Aber wie sollte sie das Leben der Männer retten, wenn diese selbst todesmutig in den Kampf zogen?!

 

Die Pferde wurden immer schneller angetrieben, die feindlichen Soldaten legten ihre Gewehre an und warteten, bis die abtrünnigen Söldner in die Schussweite kamen, um auf sie das Feuer zu eröffnen. Es würde wieder Opfer kosten, aber vielleicht gab es eine Möglichkeit dem zu entkommen. Oscar ging dabei ein anderer Plan durch den Kopf. „Alain!“, rief sie zu ihrer rechte Seite: „Du übernimmst mit einer Hälfte die rechte Flanke! André, du mit der anderen Hälfte die linke!“

 

„Und du?“, warf André besorgt zurück. Was hatte sie denn schon wieder vor?! Er hatte nicht die Absicht, sich von ihrer Seite zu entfernen!

 

„Sie werden es nicht wagen auf mich zu schießen! Dafür aber auf euch und ich kann es mir nicht mehr leisten, noch mehr von euch zu verlieren! Tut, was ich euch sage und vertraut mir!“ Oscar gab ihrem Pferd noch heftiger die Sporen, preschte noch schneller ihren Männern voraus und sah sich flüchtig über die Schulter. Zufrieden stellte sie fest, dass Alain und André ihren Befehl Folge leisteten und sich in zwei Gruppen aufteilten. Die feindliche Linie kam immer näher, aber keiner wagte zu schießen – so wie sie es vorausgesagt hatte. Sie brach in die Mitte durch und hörte schon den Ausruf eines Adjutanten: „Das ist das Mannsweib, das gesucht wird! Fangt sie auf! Wir brauchen sie lebendig!“

 

Oscar grinste hämisch. Deswegen ritt sie ja alleine hier durch, um das Leben ihrer Männer nicht mehr aufs Spiel zu setzen und die alleinige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen! Die feindliche Armee jagte ihr nach. „Wir müssen sie von dem Pferd holen!“, hörte sie einen Hauptmann rufen und dann hörte sie schon einen Schuss. Ihr Pferd stieg auf die Hinterbeine und wieherte im Todeskampf - es war direkt in den Hals getroffen. Oscar sprang aus dem Sattel, während ihr Schimmel zu Boden ging, und sie somit direkt in die Hände der Feinde geriet. Die Männer packten sie von allen Seiten und gaben ihr keinen Raum für Gegenwehr. „Fesselt sie und bringt sie nach Versailles!“

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

 

Bernard wartete mit seinen Aufständischen gespannt an der Barrikade auf Oscar und ihre Truppe. Der Tag neigte sich dem Ende zu, sie hatten von beiden Seiten viele Tote zu beklagen und die Kämpfe wurden bereits eingestellt. Aber morgen würde der Kampf um die Freiheit weitergehen. „Da kommt jemand!“, rief jemand zu seiner rechten Seite. „Und da auch!“, verlautete jemand gleich von links.

 

Von beiden Seiten galoppierte Oscars Truppe und stieß zu ihnen. Aber von Oscar selbst fehlte jede Spur. Alain und André grüßten sich gegenseitig mit einem Nicken und sprangen gleichzeitig aus dem Sattel. „Ist Oscar noch nicht eingetroffen?“, wollte André als erstens wissen.

 

„Nein.“ Bernard schüttelte mit dem Kopf. „Was ist passiert? Wieso habt ihr euch getrennt?“

 

„Ich muss nach ihr suchen!“, beschloss André anstelle auf die Fragen zu antworten und als er zurück auf sein Pferd steigen wollte, spürte er einen eisernen Griff um seinen Arm. „Du bleibst hier! Sie wird schon kommen! Du kennst sie doch“, hielt ihn Alain auf.

 

André wollte seine Hand abschütteln, ihm widersprechen und nach seiner Frau suchen! Aber... vielleicht würde Alain doch recht behalten und Oscar würde jeden Moment zu ihnen stoßen?

 

André überlegte kurz, versuchte Alain zu glauben und begab sich schlussendlich doch nicht auf die Suche nach seiner Frau. Denn die königlichen Armeen würden einen ehemaligen Kommandanten des königlichen Garderegiments nicht einfach so wie einen dahergelaufenen Verbrecher töten, sondern eher gefangen nehmen und nach Versailles bringen. Obwohl aus ihrer Familie verstoßen und als Verräterin gebrandmarkt, war sie dennoch eine wichtige Person. Besonders für die Königin.

 

 

 

André half etwas später seinen Kameraden die gefallenen Bürger und Soldaten aus Oscars Kompanie in die Kirche zu bringen und sie zur letzten Ruhe zu betten, nach dem er sich erst große Vorwürfe von seiner Großmutter anhören musste. Die Vorwürfe machte er sich selbst auch, warum er gerade nicht bei Oscar war und dass er sie alleine reiten ließ. Das war aber ihr Befehl und er vertraute ihr. Rosalie und Sophie, als sie mit den Schimpftiraden und Klagen auf ihren Enkel zu Ende war, versorgten die Verwundeten, und sprachen den Überlebenden den Mut zu. Wobei Sophie sich nicht nehmen ließ, André noch immer zu schelten, weil er Oscar alleine davon reiten ließ. Dann blieb sie in der Kirche, betete um Oscars Leben und André ließ ihr das gewähren. Ihr Enkel marschierte derweilen ruhelos an den Barrikaden wie ein Tier im Käfig, was die alte Frau eigentlich gar nicht mehr mitbekam.

 

„André, das musst du dir ansehen.“, flüsterte Alain seinem Freund von der Seite zu und zeigte auf ein Punkt, nicht weit von ihnen entfernt. „Die Menschen haben die Pferdekadaver auf den Straßen geräumt und sind dabei auf einen Schimmel gestoßen.“

 

André stürmte zu dem Haufen von leblosen Leibern der Tiere los und erkannte Oscars Pferd sofort. „Dann ist sie noch am Leben...“, schöpfte er entsetzt und mit mulmigen Gefühl gleichzeitig Hoffnung.

 

„Ja, wir müssen nur herausfinden, wo sie gefangen gehalten wird.“ Auch Alain hegte dieselbe Hoffnung und hörte schon Andrés Vermutung: „Bestimmt in Versailles.“

 

„Wäre möglich.“ Alain widersprach ihm nicht, denn André kannte sich mit dem Hof und wie der Adel tickte besser aus. „Ich habe ein paar unserer Männer trotzdem auf einen Erkundungsritt geschickt.“ Sicher war sicher und André war ihm dafür gerade sehr dankbar.

 

„Alain! André!“ Einer von ihren Kameraden kam angerannt. „Bernard schickt mich nach euch. Er veranstaltet eine Besprechung mit seinen Männern und möchte, dass ihr als Vertreter der Armee auch daran teilnehmt! Er meint, ohne die Unterstützung der Soldaten kommen sie nicht weiter.“

 

„Wir sind gleich bei ihm!“ Alain nahm André bei den Schultern. „Ich würde sagen, wir hören uns erst Bernard an und je nach dem was er vorhat, entscheiden wir, wie wir deine Frau und unseren Oberst finden. Vielleicht sind unsere Kameraden bis dahin schon zurück und haben einiges herausfinden können.“

 

„Da könntest du recht haben...“

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

 

„Was, ihr wollt die Bastille stürmen?“, fragte Alain baff.

 

„Uns wurde heute Nacht eine wichtige Nachricht zugespielt.“, betonte Bernard ernst und zu allem entschlossen: „Jemand hat beobachtet, wie Schießpulver und Kanonen streng in das Gefängnis transportiert wurden. Vermutlich bereiten sie den entscheidenden Schlag gegen uns vor.“

 

„Die wollen also uns angreifen?“, empörte sich jemand von den Männern aus dem einfachen Volk, die bei dieser Beratung ebenfalls dabei waren wie André und Alain.

 

„Höchstwahrscheinlich“, vermutete Bernard. „Sie haben alle Kanonen auf Paris gerichtet. Das heißt, dass sie vorhaben, auf uns, die Bürger von Paris zu schießen.“

 

„Das ist ja schrecklich!“, meinte jemand anderes von den Versammelten entsetzt. „Dann töten sie unsere Frauen und Kinder!“

 

„Für mich steht damit jedenfalls eines fest!“ Bernards Tonlage wurde immer grimmiger und auffordernder: „Der König hat beschlossen, uns den Krieg zu erklären! Wir müssen uns so schnell wie möglich mit allen, die auf unserer Seite stehen, zusammenschließen! Uns bleibt nur noch ein Weg, aus dieser Sache raus zukommen! Wir müssen die Bastille stürmen!“

 

„Meine Kameraden und ich würden euch gerne bei der Sache unterstützen, aber unser Oberst ist noch nicht da“, wand Alain bedenklich ein und wurde von Bernard sogleich unterbrochen: „Ich denke, Lady Oscar wäre damit einverstanden. Und du kannst vorläufig die Befehlsgewalt über deine Männer für sie übernehmen.“

 

„Ja, das kann ich.“

 

„Und was ist mit Oscar? Ich will wissen, wo sie ist und wie es ihr geht?!“, mischte sich André erbost ein und in dem Moment flog in der Unterkunft die Tür auf. Einer der Söldner, der von Alain auf den Erkundungsritt geschickt wurde, betrat den Raum. „Alain, André, wir haben unseren Oberst gefunden!“

 

„Wo ist sie?!“ André stürmte sofort ihm entgegen – die Bastille konnte noch ein wenig warten!

 

„Im Gefängnis.“, erstattete der Soldat Bericht. „Wir sind bis nach Versailles vorgedrungen und trafen mitten auf dem Weg auf die königliche Garde. Sie führten unseren Oberst in ein Gefängnis ab. Tut uns leid, André, aber wir konnten sie nicht befreien – es waren zwei Dutzend von Soldaten. Aber wir konnten sie unbemerkt verfolgen und wissen, in welchem Gefängnis sie gefangen gehalten wird.“

 

„Raus mit der Sprache!“ André wurde ungeduldiger, er wollte auf der Stelle aufbrechen und sie daraus befreien!

 

„Sie wurde in die Bastille gebracht...“

 

„Wie bitte?“

 

„Das ist doch noch ein guter Grund, weshalb wir die Bastille stürmen sollen. Meinst du nicht auch, André?“, sagte Bernard im Hintergrund und André traf seine Entscheidung.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fahnm
2016-08-04T04:03:46+00:00 04.08.2016 06:03
WOW WOW WOW

Die Bastille? jetzt hängt es von Andre ab.
Ich bin schon sehr gespannt was sie jetzt machen werden.
Antwort von:  Saph_ira
04.08.2016 18:24
Ja, genau, die Bastille und mal sehen ob oder wie André es gelingt. ^^
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar. ;-) :-)
Von:  chrizzly
2016-08-03T18:38:26+00:00 03.08.2016 20:38
Klasse klasse klasse. Also das Kapitel ist dir gelungen und ja jetzt gehts mir wieder besser :D so aber nune, da steckt oscar in der bastille und jeder von uns Weis das das Ding dem Erdboden gleich gemacht wurde.... Ey ey ey. Na ich warte ab. Freu mich auf die fortsetzung. Kussi meine liebe!!!!!😘😘😘😘😘😘
Antwort von:  Saph_ira
04.08.2016 18:22
Oh, da freue mich, dass es dir wieder besser geht und bin beruhigt. ;D Die Bastille wurde nicht gleich nach dem Sturm dem Erdboden gleich gemacht, sondern erst zwei Tage später am 16 Juli, also ist noch nichts verloren. ;-) Liebe Grüße und Kuss zurück. ;-) :-*
Von:  YngvartheViking86
2016-08-03T17:57:25+00:00 03.08.2016 19:57
Uiui, da geht's ja richtig zur Sache.
Ich finds klasse dass du Andre nicht hast sterben lassen.
Ich erinnere mich noch an einen Satz von dir, den du mir mal gesagt hast und worauf deine FFs aufbauen ;)

Jetzt wird also die Bastille gestürmt....
Ich kanns kaum erwarten, bis es weitergeht.
LG Chris :)
Antwort von:  Saph_ira
03.08.2016 20:03
Danke, danke, danke. ;D
Ich finde es schön, dass du dich noch an den einen Satz erinnern kannst und versuche auch dem gerecht zu werden. :-)

Jep, die Bastille wird gestürmt... Aber ob es ohne einer gewissen Person es gut gehen kann, weiß ich selbst noch nicht. XD
Am Freitag geht es weiter. ;-)
Liebe Grüße,
Ira :-)


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