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Und ich schlief ein mit Musik.

von

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Drei...

Wir hatten uns auf einer kleinen Lichtung im Wald niedergelassen. Hier hatten wir fürs Erste genug Schutz vor den anderen Tributen.

Marzia schlief tief und fest, die hatte es gut. Ich hatte mir geschworen, auf sie aufzupassen und deshalb nicht zu schlafen. Ein wenig ärgerte mich diese mütterliche Eigenschaft, aber was konnte ich schon dagegen tun?

Eigentlich wollte ich allein sein und mir einen klaren Kopf verschaffen. Wie würde es jetzt weitergehen?

Aber Joe blieb wach und ging auch nicht schlafen, als ich ihm sagte, dass ich auf ihn aufpassen würde.

Er saß neben mir auf einem Stein, den Kopf mit der linken Hand aufgestützt, mit der rechten malte er Kreise auf den Waldboden.

"Echt beschissen, diese Spiele", murmelte er nun. Ich fragte mich, ob er mit mir geredet hatte oder nur mit sich selbst. Er drehte sich zu mir um.

"Ich weiß nicht, wem ich hier trauen kann und wem nicht. Die, denen ich so richtig vertraut habe, sind tot."

"Und mir vertraust du nicht?" Ein wenig beleidigt schaute ich ihn an.

"Ich kenne dich kaum. Du vertraust mir doch auch nicht vollständig."

Ich dachte kurz nach.

"Stimmt auch wieder."

"Aber ich vertraue dir zumindest so viel, dass ich dir etwas anvertrauen möchte."

"Und was wäre das?"

Kurz schwieg er, dann begann er zu reden.

"Mich hält nichts mehr hier. Ich wollte Betti und Benedikt beschützen und beide sind gestorben."

Ich wollte ihn etwas fragen, aber er redete weiter.

"Wirst du mich umbringen, wenn wir beide das hier überleben?"

Das kam ziemlich überraschend für mich.

"Warum willst du nicht mehr leben?", fragte ich traurig.

"Das habe ich dir doch gerade gesagt."

"Warum?" Er ging nicht darauf ein.

"Wirst du mich töten?"

Jetzt reichte es mir langsam.

"Warum können wir nicht einfach alle nein zum Kampf sagen? Uns einfach nicht an die Regeln halten? Wer zwingt mich, dich zu töten..."

Joe hielt mir den Mund zu.

"Sag so etwas nicht."

Vorsichtig kramte er einen Block aus seiner Tasche, blickte sich um und schrieb einen Satz.

Ich beugte mich vor und las ihn.

'Der Wald hat Ohren.'

Verwirrt schaute ich ihn an. Er deutete auf den Block und ich verstand. Überall gab es hier Kameras, die alles aufzeichneten, was passierte. Ich langte nach dem Block und schrieb das auf, was ich sagen wollte.

'Ich bin als Tribut doch schon praktisch tot. Denken die echt, dass wir hier in der Arena keinen Widerwillen zeigen?'

Dann reichte ich ihn Joe zurück, der den Satz kopfschüttelnd las, etwas schrieb und mir anschließend den Block reichte.

'Du bist richtig dumm. Weißt du, was die mit dir anstellen, wenn du hier lebend rauskommst?'

Verwirrt schaute ich ihn an. Die Chance auf Überleben war ziemlich gering. Joe nahm mir den Block weg, bevor ich etwas schreiben konnte.

'Du hast keine Ahnung, was man mit Aufständischen anstellt, wenn sie gefunden werden. Folter ist da ziemlich geläufig.' Es war, als könnte ich die Verbitterung in den Worten lesen.

'Woher weißt du das?'

'Das kannst du dir doch denken.'

Kurz dachte ich nach, dann ging mir ein Licht auf. Das war ja wohl offensichtlich. Schnell schrieb ich vier Worte auf den Block.

'Du bist beim Widerstand.'

'Schnellchecker.'
 

Ich hatte bis jetzt nur Geschichten darüber gehört. Angeblich hielt sich der Widerstand im zerstörten District 13 auf. Irgendwann würde er uns von Präsident Snow befreien, das erhofften sich zumindest einige meiner Freunde im District.

Das waren bis jetzt nur wage Erzählungen gewesen. Märchen. Ich glaubte nicht an Märchen.

Aber jetzt saß ein Teil des Widerstandes direkt vor mir.

'Aber dann musst du doch hier wieder lebend herauskommen', schrieb ich auf das Blatt.

'Benedikt wäre wichtiger gewesen. Es war absolut nicht geplant, dass er zu den Spielen kommt. Er war ein Genie, aber nicht was selber kämpfen und überleben betrifft. Er war viel zu selbstlos und unachtsam dafür.'

'Er war auch beim Widerstand?'

Joe nickte kurz.

'Und Betti?'

'Auch. Ihre Eltern wurden von der Regierung umgebracht…sie war seitdem meine kleine Schwester.'

Deshalb standen sich die beiden so nahe. Jetzt hatte ich die Antwort. Aber warum?

'Warum erzählst du mir das alles?'

'Weil du so über die Spiele denkst wie ich.'

Damit hatte er schon wieder recht. Ich war einfach rebellisch und hätte mich höchstwahrscheinlich dem Widerstand angeschlossen, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte.

Joe war ein guter Beobachter.

'Und was machen wir jetzt?'

'Nichts. Der Plan ist schief gegangen.'

'Weil Benedikt gestorben ist?'

'Ja. Betti und ich hätten sterben sollen, aber nicht er.'

'Wie können die dir das antun?'

'Es gibt Dinge, die sind wichtiger als wir beide.'

Er knüllte den Zettel zusammen, steckte ihn in seine Tasche.
 

Still saßen wir da, über uns der Vollmond, vor uns die schlafende kleine Marzia.

"Egal, was passiert, das bleibt unser Geheimnis", stellte ich die Worte in den Raum.

"Geheimnisse sind gefährlich, also pass bitte auf dich auf." Es klang fast wie eine Warnung.

"Ich weiß, Joe." Er rutschte ein wenig näher und ich lehnte mich an ihn.

"Dir vertraue ich jetzt", meinte ich. Ein Lächeln umspielte seine breiten Lippen.

Mit dem wohligen Gefühl von Wärme und Geborgenheit schlief ich ein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2016-08-17T07:03:13+00:00 17.08.2016 09:03
Hallo!
 
Hier bin ich auch hin- und hergerissen. Einerseits wäre es taktisch unheimlich klug, das Geheimnis des Widerstands vorzugaukeln, um die Erzählerin für sich einzunehmen und leichter töten zu können, andererseits trägt Joe damit das Wissen um Rebellion in andere Distrikte, sollte sie statt ihm überleben und der Folter entgehen. Es war auf alle Fälle eine Art, um das Misstrauen auszuhebeln und die neue Gruppe zu stärken. Wer sich nicht aufeinander verlässt, schürt zusätzliche Bedrohung und verschwendet wertvolle Ressourcen, um länger wachzubleiben, Acht zu geben usw.
Dennoch ließ es mich daran denken, dass die Jüngste, Marzia, von all dem gerade nichts mitkriegt. Ergo ist ihr Leben auch in dieser Dreierkonstellation nicht sicher, weil ich bezweifle, dass die Erzählerin sich bis zuletzt für sie aufopfert. Die Erwähnung der "mütterlichen Gefühle" gab allerdings Recht: Sie muss eine Frau sein, sonst hätte das anders geheißen. Vielleicht auch in Joes Alter, sonst würde der sie weniger auf Augenhöhe behandeln, sondern sie nicht halb so ernst nehmen?
Durch die verschiedenen Anführungszeichen wurde zwar deutlich, was geschrieben und was gesprochen wurde, aber ich hätte mir beim Zettelwechsel noch ein Inquit gewünscht: Dass er ihr den Block reicht z.B., der Wechsel kam inhaltlich erst später zum Ausdruck. Es hat mich auch verwirrt, wieso die Erzählerin den Widerstand erst für ein Ammenmärchen hielt, dann aber feststellte, sie hätte sich angeschlossen - ist damit gemeint, dass sie sich anschließen würde, käme sie in Freiheit? Oder angeschlossen hätte, hätte sie es besser gewusst?
Mein Lieblingssatz blieb allerdings: "Der Wald hat Ohren". Danach der Rundumblick - schöne, angespannte Atmosphäre!
 
Tippfehler:
- Mir hält (Mich hält)
- Und einfach (Uns einfach)
- Du bist schon echt dumm. ("schon"/"echt" kam bereits im vorherigen Satz vor; Wortwiederholungen)
- Ich glaube nicht an (glaubte)
- Er ist auch (Er war auch; Benedikt ist doch verstorben?)
- Joe nickt (nickte)
- denkst, wie ich (kein Komma, da Vergleich)
- machen wir jetzt (Fragezeichen statt Punkt)
 
Und da sich die Kapiteltitel wirklich auf die Überlebenden der Gruppe stützen, wird es wohl gleich einer weniger sein. Gruselige Vorstellung. Ich tippe auf Marzia oder Joe.
 
Viele Grüße, Morgi
Antwort von:  Anwysitna
17.08.2016 23:21
Diese Verwirrung werd ich mir noch mal anschauen und etwas beleben^^
Die Erzählerin ist eher in einem ärmeren District aufgewachsen und möchte natürlich etwas dagegen tun. Hätte sie vor den Spielen vom Widerstand gewusst, hätte sie sich ihm höchstwahrscheinlich angeschlossen. Bis zu dem Zettelgespräch kannte sie den Widerstand nur aus verschwommenen Erzählungen.


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