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Vergissmeinnicht

von

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Alte Liebe rostet nicht ...

Es war nicht von der Hand zu weisen, dass Herzenswünsche manchmal tatsächlich dazu neigten, in Erfüllung zu gehen. Man musste nur lang genug daran glauben, damit der Traum irgendwann Wirklichkeit wurde. Allerdings ließ sich nicht voraussagen, wann die Zeit für ihn gekommen sein würde. So konnte es mitunter passieren, dass der Wunsch sich erfüllte, wenn die Sehnsucht danach längst verflogen war.

So nämlich war es auch Marcel ergangen. Er war ein Teenager gewesen, ein unreifer Junge mit einem Traum, wie ihn viele Menschen in seinem Alter hegten. Man wurde auf eine Band aufmerksam, verliebte sich in die Musik, und wenn man Pech hatte dazu noch in einen der Musiker, was Freud und Leid zugleich bedeutete. Was die Außenwelt nur für eine unbedeutende Schwärmerei halten mochte, konnte für den jungen Menschen die große Liebe bedeuten, denn genau so fühlte es sich manchmal an - intensiv und heftig, trotz der Gewissheit, dass die Gefühle nie erwidert werden würden. Denn selbst Marcel, damals fast blind vor Zuneigung, war kein Idiot gewesen und hatte sich wahre Hoffnungen gemacht. Und doch war sein Herz von dem einen Tag auf den anderen in ausgerechnet die Hände eines schönen, unheimlich talentierten Japaners gefallen, weil er einfach genau das gewesen war, was der Teenager zu dem Zeitpunkt gesucht hatte. Die Jungs auf seiner Schule waren allesamt langweilig und viel zu unansehnlich, zudem hatte keiner von ihnen etwas für einen herausgeputzten Visu übrig gehabt. In Shinya aber hatte Marcel sein Ideal gefunden. Er hatte ihn bewundert und gleichzeitig verehrt, als Musiker sowie als Mann. Hatte nächtelang von seiner Nähe geträumt, die er ihm nie schenken würde, von seinen heißblütigen Küssen und diesen filigranen Händen, die sicher nicht nur brutal auf ein Schlagzeug einprügeln konnten, sondern auch zärtlich zu streicheln vermochten. Ja, er hatte seine Sexualität in all ihren Facetten mit seinen Traumbildern entdeckt, sich in ihnen verloren, und war dabei dennoch bescheiden geblieben.

Er hatte nie erwartet, irgendwann mit Shinya im Bett zu landen oder gar sein fester Freund zu werden. So etwas war schier unrealistisch, wenn auch nett in den Fantasien. Nein, Marcel wollte diesen ganz besonderen Mann lediglich einmal treffen, seine Hand schütteln und die Gewissheit besitzen, dass sein Gott wusste, dass es ihn gab und dass ihm seine Liebe gewiss war. Aber selbst dieser Wunsch schien zu hochgegriffen gewesen zu sein. Auf Deutschlandkonzerten war er nur einer unter vielen in der Masse gewesen, selbst damals, als er es wahrhaftig geschafft hatte, sich in die erste Reihe vorzukämpfen. Niemand hatte von ihm Notiz genommen, niemand seine innige Liebe wahrgenommen. Vor allen Dingen nicht sein Angebeteter, der im hinteren Bereich der Bühne hinter seinem majestätischen Schlagzeug gesessen und den Beat vorgegeben hatte. Wieder war es nur Marcel gewesen, der wusste, dass es Shinya gab und dass er ihn von ganzem Herzen liebte.

 

Und dann war er erwachsen geworden. Seine alte Leidenschaft war allmählich verblasst, hatte sich auf andere Dinge fokussiert. Nicht jede Liebe hielt ein Leben lang an und war für die Ewigkeit bestimmt, insbesondere nicht jene, die sich zwar als intensiv, aber doch nicht so fest entpuppte, wie man einst behauptet hatte. Irgendwann wendete sich das Herz Dingen oder Personen zu, die es wirklich zu erfüllen wussten. Und so hatte Dir en Grey einen immer kleineren Stellenwert in Marcels Leben eingenommen, ehe die Band für ihn nur noch eine Erinnerung gewesen war, die er tief in sich verborgen hatte unter all den neuen Liebschaften. Er war zu einem normalen Mann herangewachsen, der ein normales Leben führte, zumindest dann, wenn man den Job eines Regisseurs und Filmemachers für einen herkömmlichen Beruf hielt. Für die Musik lebte er schon längst nicht mehr. Der Traum von Ruhm und Reichtum war ausgeträumt, sein Schlagzeug verkauft worden und die alten CDs von Visual kei-Bands im Keller gelandet. Alles Dinge, die keinen Platz mehr in seinem jetzigen Leben besaßen, welches ihn zufriedenstimmte. Und welches ihm einen ganz besonderen Auftrag beschert hatte.

 

Es war alles wieder dagewesen, als man ihn gefragt hatte, ob er den Berlinauftritt der bald wieder in Deutschland gastierenden Dir en Grey filmen wollte. Man hätte gehört, er sei ein talentierter Regisseur, welcher ab und an gar Musikvideos filmte und somit Ahnung von der Materie besaß.

Er hatte nicht sofort zugesagt. Hatte Zeit benötigt, um sich den Vorschlag durch den Kopf gehen zu lassen, der so viele zwiespältige Gefühle in ihm aufwallen ließ. Nächtelang hatte er wachgelegen und die Empfindungen in sich stirnrunzelnd analysiert, welche sich noch ganz genauso anfühlten wie jene, die er mit siebzehn gehegt hatte. Alles war wieder da. Die Endorphine, das Adrenalin und die Zuneigung, dies alles vermischte sich mit den Zweifeln und der leisen Traurigkeit, die einem das Fansein ein wenig vermiesten. Dieser Anruf hatte ihn im Herzen wieder zu dem verrückten Teenager gemacht, der er eins gewesen war.

Irgendwann hatte er sogar seine alte Mappe mit Zeitungsausschnitten seiner ehemaligen Lieblingsband aus dem Schrank gekramt und sie mit zitternden Fingern und sich verkrampfendem Magen durchgeblättert. Dazu hatte sich die Musik Dir en Greys in sein Ohr geschlichen, von denen ihm noch immer jeder Klang so vertraut und auch lieb war, dass er sich in den Liedern sofort heimisch fühlte. Er vermochte gar die japanischen Songs mitzusingen und zu -trommeln. Er hatte nichts vergessen, alles war so frisch und lebendig wie zuvor. Einzig die heiße Liebe zu Shinya, die konnte er in diesem Ausmaß nicht mehr fühlen.

 

 

Er wusste nicht, ob er sich richtig entschieden hatte, aber nun gab es kein Zurück mehr. Längst stand er im Fotograben vor der Bühne, mit gezückter Kamera, in seinem Rücken die erwartungsvollen und laut kreischenden Fans, von denen er selbst einmal einer gewesen war. In der einen oder anderen Person glaubte er sogar sein früheres Ich wiederzuerkennen und musste feststellen, dass sich manche Dinge nicht so radikal wie er selbst verändert hatten. Die freakig gestylten Visus existierten noch immer, auch wenn es sich nicht mehr um dieselben Personen handelte wie damals, aber doch waren sie alle nur gekommen, um jene Band zu sehen, die ihn selbst in Atem gehalten hatte. Dir en Grey lebten noch immer jenen Traum, den Marcel begraben hatte. Und gleich würde er ihnen näher sein als jemals zuvor.

Jetzt. Zehn Jahre zu spät. Dennoch bescherte ihm dieser Gedanke ein ihm seine Kehle vor Nervosität zuschnürendes Herzklopfen. Aber er rief sich ins Gedächtnis, dass er seine Professionalität wahren musste. Dass er hier war, um zu arbeiten und nicht, um einen der ohnehin zahlreichen Groupies zu mimen. Diese Zeiten waren vorbei. Diese Zeiten würden auch nie wiederkehren.

Die nächsten zwei Stunden sollten ihm vorkommen wie ein Traum. Er realisierte irgendwann wie durch eine Watteschicht hindurch, die sein Bewusstsein dämpfte, dass die Männer, die er einst bewundert hatte, direkt vor ihm auf den Brettern standen. Die brutale Musik ließ sein Trommelfell beben, zerrissen zwischen Kyos vielseitiger Stimme und dem Gewitter aus Instrumenten.

Marcel funktionierte einfach nur. Tat seine Arbeit. Und doch konnte er es sich nicht nehmen lassen, hier und da seine Blicke hin zu dem auf einem Podest thronenden Schlagzeug zu richten, hinter dem Shinya regierte. Unscheinbar und zurückgezogen mochte er wirken, wie die meisten der anderen Musiker auch, aber für Marcel war und blieb er dennoch die Person, die hervorstach aufgrund ihrer ganz besonderen einnehmenden Aura. Fliegendes, blondes Haar verdeckte die meiste Zeit über sein Gesicht, aber wenn es dies in ruhigen Momenten einmal nicht tat, sah Marcel, dass Shinya noch immer wunderschön war. Obwohl der Schlagzeuger die Dreißig bereits seit einiger Zeit überschritten hatte, waren seine Züge noch immer so feminin, ja fast ätherisch wie noch vor den zehn Jahren, die zwischen Marcels Liebe und dem Heute lagen. Mehrfach versuchte er, die Anmut dieses umwerfenden Mannes einzufangen, diese schier göttliche Ausstrahlung, doch keine der Aufnahmen vermochte das widerzugeben, was Marcel sah. Niemand würde je erblicken können, was er in Shinya sah. Was wieder in ihm erwacht war und heiß brannte, obwohl es längst keinen Platz mehr in seinem Leben hatte.

 

Hin und hergerissen zwischen seinen verwirrenden Gefühlen kam ihm die Einladung zur Aftershowparty gerade recht. Er hoffte, dass er mit ein wenig Alkohol in den Blutbahnen wieder ein wenig zur Besinnung kommen würde und sich die plötzliche Euphorie genauso schnell legen würde, wie sie gekommen war. So zog er nach dem beeindruckenden Gig mit ein paar Mitgliedern der Crew um in den nahegelegenen Club, wo die Party steigen sollte. Er selbst hielt sich freilich nur an der Bar auf, bestellte sich einen Drink nach dem nächsten, während er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Was war nur geschehen mit ihm? Shinya war weg gewesen, all die Jahre hatte er nicht mehr in seinem Kopf herumgespukt wie ein keine Ruhe findender Geist, und nun fühlte er sich zu dem Schlagzeuger so heftig hingezogen wie niemals zuvor. Früher war er nur ein verliebter Junge gewesen, doch nun war er zu einem Mann herangereift, der auf eine ganz andere, weniger naive Weise begehrte. Der genau wusste, was er wollte und auf was er stand. Es gab keine romantisierten Fantasien mehr, an deren Ende er in den Armen seines Liebsten einschlief. Es gab nur noch den drängenden Wunsch, Shinya nah zu sein. Nicht als Fan, sondern als gleichgestellter Kerl. Oh, wie dumm er doch war. Was für ein Vollidiot. Er musste unbedingt etwas gegen diesen Schwachsinn tun, ehe er ihn in eine neue Obsession riss.

Entschlossen schob er sich von dem Barhocker, da er spürte, dass ihm der Abend kein Glück mehr bringen würde, nicht einmal in diesem etwas angetrunkenen Zustand. So wollte er geradewegs kehrt machen, um sich seinen Weg durch die Menschen und die stickige Luft in Richtung Ausgang zu erkämpfen, als er kurzerhand mit jemandem zusammenstieß. Das erste, was er wahrnahm, war die Feuchtigkeit, die sich auf seinem Shirt ausbreitete und prompt bis auf seine Brust drang, und das zweite war Shinyas entschuldigend lächelndes Gesicht, gerade mal so real wie ein weit entfernter Traum.

"Sorry, sorry, sorry", beteuerte der blonde Schlagzeuger eifrig in seinem vom Akzent durchzogenen Englisch.

Marcel, welcher den Boden unter den Füßen zu verlieren glaubte, stand einfach nur da und starrte den schlanken, attraktiven Mann an, der ihm so nah war, dass er sogar die Leberflecken und kleinen Unebenheiten in seinem Gesicht sehen konnte, die sonst das Make Up zu verdecken wusste. Er hatte nun überraschenderweise nichts mehr von einem Gott an sich, sondern war ein ganz normaler Sterblicher, selbst in Marcels Augen, die eigentlich nicht mehr ihm, sondern dem jugendlichen Shin gehörten. Und trotzdem Shinya kein Gott sein mochte, so war er in den Augen des Deutschen einfach nur von einer unfassbaren Schönheit gesegnet, die ihn vollkommen in seinen Bann zog.

Erst als Shinya das Glas losgeworden war und mit einem aus seiner Hosentasche gezogenen Taschentuch an seinem Shirt herumwischte, wurde ihm bewusst, dass er ziemlich eingesaut war, und dass der rote Fleck ausgerechnet auf seinem Lieblingsshirt prangte. Aber Shinya, ausgerechnet Shinya, dafür böse sein? Niemals! Shinya hätte ihn für verrückt erklärt, hätte er ihm nun gestanden, dass er sich über das Missgeschick im Gegenteil freute. So sehr freute, dass sein eigener Herzschlag ihn beinahe lähmte.

"Shit, this is bad", nuschelte Shinya, während er noch immer verzweifelt versuchte, Marcels Shirt zu reinigen, die Sauerei aber nur verschlimmerte.

"It's okay", brachte Marcel nach einer gefühlten Ewigkeit endlich hervor und bemerkte zu seinem Leidwesen, wie verräterisch seine Stimme bebte. "You don't need to care about this."

"I have", entschied Shinya jedoch zu seiner Verwunderung, schmiss das dreckige Taschentuch in sein halb leeres Glas und schloss anschließend einfach seinen Arm um Marcels Handgelenk, um den verdutzten Kerl ohne irgendeine Erklärung bezüglich seines Vorhabens durch die Massen zu schleusen.

Leise, süße Panik wallte in Marcels Kopf auf. Er war absolut nicht vorbereitet gewesen auf ein Abenteuer wie dieses, welches seine armen Nerven derart strapazierte, aber er besaß keine andere Wahl, als Shinya zu folgen. Shinya, ausgerechnet Shinya. Das konnte alles nicht wahr sein. Das musste er träumen. Zehn Jahre zu spät schenkte ihm das Schicksal diesen so real anmutenden Traum, aus dem er partout nicht mehr erwachen konnte. Die Luft vor dem Club mutete kühl an, der Boden unter seinen Füßen matschig, und Shinyas Griff um sein Handgelenk blieb fest und bestimmt. Das hier war kein Traum.

Und gleichzeitig konnte die Situation einfach nicht real sein. Shinya führte ihn durch die Dunkelheit geradewegs hin zu dem imposanten Tourbus, der auf dem Parkplatz hinter der Konzertlocation stand. Marcel wunderte sich, wie unerschrocken der Drummer war, dass er sich nicht davor fürchtete, einer Horde kreischender Fans in die Arme zu laufen. Aber der Einzige, der sich beinahe in die Hosen machte, war Marcel. Oder Shin. Denn er fühlte sich ohne Zweifel wie ein Teenager mit diesen Hummeln im Hintern.

 

Mittels einer einladenden Handbewegung und einem freundlichen Lächeln bedeutete Shinya ihm, in den Bus zu treten, die Stufen hoch, bis er sich in den beengten, aber nicht gerade ungemütlichen Räumlichkeiten wiederfand. Als Shinya das Licht einschaltete, vermochte Marcel eine gewisse Unordnung vorzufinden, um die er sich jedoch nicht weiter kümmern konnte. Er befand sich gerade in dem verdammten Tourbus von Dir en Grey, das war alles, was ihm zu schaffen machte. Und natürlich Shinyas Hand, die sich auf seinen Rücken legte, als der Drummer sich an ihm vorbeischob.

Die Stelle prickelte noch, als Shinya sich rasch vor seinen Koffer hockte und in diesem zu wühlen begann. Wie paralysiert schaute Marcel ihm bei seiner Suche zu, ehe der gutaussehende Japaner sich wieder erhob und ihm ein Stück Stoff hinhielt.

"This is okay ", meinte er in gebrochenem Englisch und lächelte Marcel derart hinreißend an, dass dieser nach kurzem Zögern nach dem Stoff griff, der sich als schwarzes Shirt entpuppte, so wie er es auseinanderfaltete. Schmal sah es aus, war Shinya doch wesentlich schlanker als er selbst, aber nichts lag ihm ferner, als Shinya mit einer Ablehnung unwillentlich zu verärgern, weshalb er es mit einem kleinen Lächeln dankbar annahm und sich wegdrehte, um sich Shinyas Shirt anzuziehen. Shinyas Shirt, welches der andere sicher oft getragen hatte und das ganz bestimmt nach ihm duftete. Nach dem Waschmittel, das er benutzte, vielleicht sogar nach seinem Parfüm und seiner Haut. Shinya trug seit jeher einen für Marcel sehr verführerischen Duft, weshalb er sich das Parfüm, ganz gleich wie teuer es auch gewesen sein mochte, im Internet bestellt hatte, um es selbst zu benutzen und sich gleichzeitig daran aufzugeilen. So feminin Shinya auch wirken mochte, so männlich-frisch roch sein Parfüm, und Marcel erkannte den Duft wider, als er sich das Shirt übergezogen hatte. Er bekam vor Aufregung schwitzige Hände, und nicht nur das, es erregte ihn ungemein, Shinyas Kleidung zu tragen, auch wenn sie ein wenig zu eng saß.

Da er der Meinung war, es nicht mehr lange in Shinyas Dunstkreis auszuhalten, ohne in Ohnmacht zu fallen, schnappte er sich das beschmutzte Shirt und wollte sich gerade mit einem weiteren Dankeschön und einem Gruß zum Gehen wenden, als er bemerkte, dass Shinya direkt hinter ihm stand und ihn so seltsam abschätzend musterte.

"Looking good", befand er, und seine Stimme klang irgendwie rau, so wie er dies zugab, aber wesentlich beängstigender fand Marcel die Tatsache, dass er sich ihm nun noch einen Schritt weiter näherte, sodass die beiden Männer nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten.

Marcel hatte das Gefühl, als würde Shinya etwas von ihm erwarten, etwas ganz Bestimmtes, was aber absolut nicht sein konnte. Wahrscheinlich unterstellte er ihm in seinen infantilen Fantasien irgendwelche absurden Absichten, das zumindest behauptete sein Verstand, aber als Shinya schließlich seine Hand in den Nacken des Deutschen legte, schwieg dieser bereits und Marcel ließ sich fallen in seinen Traum, der vor zehn langen Jahren noch längst nicht ausgeträumt gewesen sein sollte. Heute nämlich begann er, Wirklichkeit zu werden.

Shinya küsste ihn, so voller Verlangen, als hätte er ebenfalls etliche Jahre nur auf diesen einen Moment gewartet, darauf, Marcel - Shin - spüren zu können und von dessen unbändiger Liebe zu zehren. Es war magisch, was zwischen ihnen passierte in dieser Nacht, so surreal und gleichzeitig so schön. Es blieb nämlich bei weitem nicht nur bei diesem einen Kuss, der allein schon eine Ewigkeit wehrte und die Luft vor Leidenschaft knistern ließ, nein - es dauerte nicht lange, ehe Marcel es Angesicht zu Angesicht mit seinem Traum wagte, Shinya das Shirt über den Kopf zu ziehen. Der andere hob prompt die Arme, um sich anschließend sofort wieder an den anderen zu klammern, konnte er doch offenbar gar nicht mehr genug bekommen von diesem. Und Marcel, der noch immer an der Echtheit des gerade Geschehenden zweifelte, berührte genauso überwältigt wie fasziniert die Haut seiner Jugendliebe, die sich nun deutlicher dessen bewusst war, dass es ihn gab, als er es je zu hoffen gewagt hatte. Die seine Anwesenheit und das, was ihm seine Lippen und Hände geben konnten, mit verzücktem Keuchen quittierte, als sie sich unter ihm in ihrer Koje widerfand.

Da Marcels Verstand lange schlief, vermochte er nur noch dem Weg zu folgen, den sein Verlangen ihm vorgab. Früher hatte er sich gewünscht, dass Shinya die Oberhand über ihn gewann und ihn verwöhnte, aber nun spürte er, dass es nicht mehr das war, nach was es ihm gelüstete; er selbst wollte Shinya erobern und ihm solch heftige Lust bescheren, dass er nie wieder vergessen würde, dass es ihn gab. Und so drückte er ihn in die Kissen, presste sich lediglich seiner Hose entbehrend auf den schlanken Körper seines Angebeteten und küsste jeden Zentimeter der glatten, wundervoll duftenden Haut, die er unter die Lippen bekam, zog Shinya dabei weiter aus und verlor immer mehr an Beherrschung, umso heißer das Verlangen loderte und umso nackter der Japaner wurde.

Marcel selbst würde wohl auch in zehn Jahren noch genau wissen, wie es sich angefühlt hatte, sich im Angesicht der wildesten Erregung hemmungslos an dem Körper dieses Mannes zu reiben, der so schön war, dass er wie nicht von dieser Welt schien. Er hoffte, dass nichts davon verblassen würde, nicht die Erinnerung an den brechenden Blick Shinyas, als dieser mit einem abgehackten Stöhnen auf den Lippen kam, nicht den sündigen Geschmack seines Fleisches und den Geruch seines blonden Haars. Dieses Mal würde er die Erinnerungen wachhalten, um jeden Preis, denn jene Nacht würde wohl die schönste bleiben, die er je erlebt hatte. Etwas, das sich nicht widerholen ließ, mit niemandem. Und dabei würde ihm das Shirt helfen, welches Shinya ihm quasi als kleines Vergissmeinnicht überlassen hatte. Als Erinnerung daran, dass ein kleines Stück seines Herzens wohl immer dem Japaner gehören würde, ganz egal, was auch passieren mochte.

 



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