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Bis du mein bist...

- edited version -
von
Koautor:  BloodyRubin

Vorwort zu diesem Kapitel:
Für alle, die sich fragen, woher Saladirs "Abendgarderobe" kommt:
https://www.youtube.com/watch?v=JW49iK-crwY bei 3:24 ^^ Komplett anzeigen

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Die Wahl zwischen zwei Übeln

Der nächste Schlag des Königs traf Saladirs Wange – so heftig, dass es dessen Kopf zur Seite schlug und der junge Lythari ein Knacken in seinem Kiefer hörte. Die Wucht ließ ihn sich einmal um die eigene Achse drehen, bevor er gegen die Wand der kleinen Zelle taumelte. Mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen hob er die Hand an die schmerzende Wange und starrte den Mann vor sich an, dessen Augen ihn fixierten, als wollten sie ihn verbrennen. Es war ein Blick, der Saladir alles andere vergessen ließ – den Schmerz in seinem Kiefer, seinen Zorn, der sich angesichts des Bevorstehenden in Luft auflöste – und der seinen Verstand mit nur einem Gedanken überflutete: Azul wird dich mit bloßen Händen in der Luft zerreißen, wie das Herz von Bikur... Als die Hand ein zweites Mal auf ihn zuschoss, kniff der blauhaarige Elf die Augen zu und krümmte sich zusammen.

Doch nichts davon geschah. Azul packte ihn am Genick und zerrte den Ängstlichen hinter sich her zur Tür. Der Fackelschein von draußen blendete Saladir, doch schon gleich darauf schabte Stein über Stein. Der König der Naralfir lenkte seinen Gefangenen durch scheinbar endlose, gleich aussehende Gänge, die so dunkel und gewunden waren, dass Saladir sich fragte, wie Azul darin nicht die Orientierung verlor. Mehrfach stolperte der junge Prinz in dieser ungastlichen Schwärze wenn es Treppen gab, die er hinaufsteigen musste... doch Azuls Griff in seinem Nacken verhinderte, dass er fiel. Wohin würde der König ihn jetzt bringen? Zu einem Schafott? Was hatte er vor? Saladirs Vorstellungskraft ließ ihn angesichts des erwarteten Grauens im Stich.

Plötzlich roch es nicht mehr nur nach Stein und Feuchtigkeit, sondern nach frischer Luft... in die sich der Duft von Wildblumen mischte. Auf eine Bewegung von Azuls linkem Arm hin verschob sich ein Teil der steinernen Wand vor ihnen, so dass Licht durch eine Öffnung auf den Gang brach. Geblendet hielt Saladir eine Hand vor seine Augen, während ihm ein erstauntes Keuchen entfuhr.

Doch Azul ließ ihm keine Zeit sich zu wundern, sondern öffnete eine weitere Tür und stieß ihn in einen ihm unbekannten Raum: Das Vorzimmer zu einem Bad.

Als der junge Prinz sich an das Licht gewöhnt hatte, erkannte er eine Handpumpe und Hocker aus dunklem, stark gemasertem Holz. Gegenüber davon, unter einem Fenster, stand eine kleine Kommode aus dem gleichen Holz, auf der verschiedene Tiegel und Flakons angeordnet waren. Direkt daneben lag ein Stapel weich aussehender Handtücher auf einem weiteren Hocker. Der Raum selbst war sehr klein – kaum größer als Saladirs Zelle – doch eine weitere Tür offenbarte einen Blick in ein prächtiges Badezimmer. Marmor verkleidete in beiden Räumen Wände und Boden und während der eine sehr schlicht wirkte – von seinen edlen Baumaterialien einmal abgesehen – konnte Saladir bereits durch den Türspalt sehen, dass in einer prächtigen Badewanne aus Marmor ein heißes Bad eingelassen war. Von dort kam der Duft von Wildblumen, von Klatschmohn und Kornblumen, Mhyrra und Seidenkraut. Es war wie ein Traum.

Ein nasser Lappen traf Saladirs Wange und holte ihn kalt und nass in die Gegenwart zurück.

„Ausziehen.“

Der junge Lythari blickte den König der Naralfir verwirrt an, der regungslos dastand und ihn scheinbar nicht aus den Augen gelassen hatte. Mit zitternden Händen gehorchte er und wollte sich Ugruis Mantel von den Schultern streifen...

„Nicht dich. Mich.“

Die kalte, ruhige Stimme ließ keinen Widerspruch zu. Langsam näherte Saladir sich dem Naralfir und öffnete langsam die Knöpfe von Azuls schwarzem Oberteil, das wie ein samtener Mantel ein blutrotes Hemd verborgen hatte. Die Flüssigkeiten aus dem Eimer waren aus den langen violetten Haaren Azuls bis auf dessen Kleidung geflossen, wo sie die edlen Stoffe durchtränkt hatten. Der Gestank war so erbärmlich und gleichzeitig so aufdringlich, als wollte er sich in der Nase aller festsetzen und nie wieder verschwinden. Saladir schien es, als wollte er durch seine Haut in ihn eindringen und mit seiner Jauche sein Innerstes verseuchen. Der junge Lythari fragte sich, wie sein Gegenüber dabei so unbeeindruckt bleiben konnte, während er sich mit jedem Atemzug zu übergeben fürchtete.

Beide Oberteile fielen raschelnd zu Boden, wo Azul sie mit einem schnellen Fußtritt beiseite schleuderte.

„Weiter.“

Saladir blickte ihn fragend an, als Azul sich auch schon auf den freien Hocker setzte und ihm den rechten Fuß entgegenstreckte. Er gehorchte, und so landeten schwere dunkelbraune Lederstiefel auf dem Stoffhaufen. Der König erhob sich wieder.

„Den Rest auch noch, kleiner Dieb.“

Als ob er ihn im nächsten Moment wie eine wütende Giftschlange anspringen würde, griff Saladir nach Azuls Hosenbund, die silbergrauen Augen fest zugekniffen, das Gesicht abgewandt. Vor Angst und Anspannung zitterten seine Hände so heftig, dass er Mühe hatte, die Schnüre und Haken zu lösen, die das Kleidungstück an seinem Platz hielten. Seine Wangen brannten vor Scham, als er sich hinhocken musste, um Azul das schwarze Leder die Beine entlang nach unten zu streifen. Als er fertig war, setzte der Naralfir sich wieder auf den Hocker. Saladir runzelte die Stirn: Was kam jetzt?

Als hätte er seine Gedanken erraten, trat ein verschlagener Ausdruck in Azuls Gesicht.

„Handarbeit, kleiner Dieb. Niemand überschüttet mich mit kaltem Wasser.“

Der junge Prinz biss sich auf die Lippen. Er sollte diesen Mann waschen? Überall, wie ein Sklave? Niemals! Was würde wohl geschehen, wenn er der Aufforderung kein Gehör schenkte?

Noch während Saladir dieser Frage nachhing, ließ ihn ein Knall direkt neben ihm zusammenfahren. Azul hatte mit einer kleinen, hölzernen Schale nach ihm geworfen, die seinen Kopf nur um Zentimeter verfehlt hatte und an der Wand zerschellt war. Zwischen den Holzteilen lag ein Stück Seife. Eine Weigerung war wohl keine gute Idee...

Saladir hastete ins Nebenzimmer zur Badewanne und füllte den leeren Eimer mit warmem Wasser, den er mühsam in das kleine Zimmer zurückschleppte. Noch bevor Azul etwas sagen konnte, griff er nach einem der sauberen Tücher und begann mit vorsichtigen Strichen, die stinkende Brühe von ihm abzuwaschen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, und auch das nasse Tuch lag schließlich auf dem stinkenden Kleiderhaufen. Azul erhob sich und öffnete das kleine Fenster über der Kommode, bevor einer seiner Feuerbälle das stinkende Bündel in Asche verwandelte. Der Rauch brannte in Saladirs Augen, zog jedoch schnell ab.

Unschlüssig, was als nächstes passieren sollte, beobachtete ihn der junge Prinz. Mit einer Selbstverständlichkeit, die er bisher nur an Azul gesehen hatte und die durch dessen Nacktheit sogar eher betont als gemindert wurde, nahm der König der Naralfir den leeren Wassereimer, spülte ihn aus und füllte ihn an der Handpumpe höchstpersönlich mit neuem Wasser. Saladir beobachtete das Spiel der Muskeln unter der gebräunten Haut und fragte sich, welche Mühen und Kämpfe sie gestählt hatten... und woher die Narben auf Azuls Rücken kamen. Einige sahen wie Brandwunden aus, verteilt überall auf der Haut, doch am unteren Rücken waren weiße Linien, die sehr alt aussahen. Kurz überlegte er, Azul zu fragen, woher diese Verletzungen stammten – doch als dieser grinsend mit dem Wassereimer auf ihn zu kam, entschied er sich dagegen.

„Runter mit dem Hemd.“

„Was? Nein!“

„Das war keine Bitte.“

Azul hob den Wassereimer und goss ihn ohne weiteres Federlesen über Saladir aus. Dann ging er zurück und füllte den Eimer ein weiteres Mal. Der blauhaarige Elf kämpfte sich hastig aus dem nassen Leinenhemd und funkelte Azul wütend an. Dann kam der zweite Schwall, wieder direkt über seinen Kopf. Prustend wischte sich der junge Prinz das Wasser vom Gesicht.

„Du stinkst immer noch furchtbar. Von wem hast du "Nachtfolter" bekommen?“

Saladir starrte Azul mit offenem Mund an. Woher wusste der das schon wieder? Ihm selbst war nicht aufgefallen, dass Lubans Foltermittel einen so intensiv anhaftenden Geruch hatte, dass er durch einfaches Waschen nicht zu entfernen war.

„Dachtest du, mir wäre dein plötzlicher Gehorsam nicht aufgefallen, als du mich eben ausziehen solltest? Du hast ein schlechtes Gewissen, also: Wer war bei dir?“

Saladir konnte nicht antworten. Lubans zufrieden lächelndes Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf und gleichzeitig die Erinnerung an die unvorstellbaren Schmerzen, die er durch ihn erfahren hatte. Würde es Sinn machen, den Herzog an Azul zu verraten – oder zerstörte er damit jede Chance auf ein Entkommen?

„Antworte!“

Saladirs Gedanken drehten sich im Kreis. Was sollte er sagen? Was würde passieren, wenn er sich entschied? Einen von zwei sehr mächtigen Naralfir würde er sich mit seiner Antwort zum Feind machen...

„Du würdest mir sowieso nicht glauben. Was sollte es mir also bringen, dir zu antworten?“

„Das zu entscheiden, überlass' mir.“ Azul packte Saladir an den Schultern und schüttelte ihn. „Also? Wer war es?“

„Fass' mich nicht an!“, rief der junge Lythari panisch und gab Azul einen heftigen Stoß gegen die Brust.

Dieser stieß ein gereiztes Schnauben aus und warf sich den Lythari über die Schulter. Ohne dessen Zappeln zu beachten ging er in das angrenzende Badezimmer und stieg in das duftende Wasser in der Wanne. Erst als er saß, ließ er sein unwilliges Päckchen ebenfalls ins Wasser gleiten. Saladir biss die Zähne zusammen, als er so wieder viel zu eng mit dem Körper dieses Mannes in Berührung kam. Hastig rutschte er an das entgegengesetzte Ende, um möglichst viel Abstand zwischen sie zu bringen, zog die Knie unter das Kinn und umschlang sie mit den Armen.

„Wasch' dir das Zeug ab“, befahl Azul und lehnte sich zurück. Saladir holte tief Luft, ehe er untertauchte und die Wärme ihn umfing wie ein Kokon. Als er wieder auftauchte, fiel ihm das Grinsen auf den Lippen des Naralfir auf. Er biss sich wieder auf die Lippen und atmete einige Male tief durch.

„Darf ich die Seife haben?“

Azul reichte ihm wortlos das Gewünschte, und Saladir war froh, nach so langer Zeit endlich die Möglichkeit zu haben, das Vogelnest zu waschen, zu dem seine Haare geworden waren. Fast hätte er gelächelt, als ihm der weiche Schaum den Nacken hinunterlief – doch dann sah er, wie ihn sein Gegenüber mit einem zufriedenen Grinsen beobachtete und kniff die Lippen zusammen. Er nahm die Seife und schäumte sie zwischen den Händen auf, kroch umständlich auf seine Knie und drehte Azul den Rücken zu, bevor er sich überall einseifte. Das Mandelöl in der Seife machte seine Haut weich, wie er überrascht feststellte, während ihm der sanfte Geruch in die Nase stieg. Saladir erstaunte es, wie sich etwas so einfaches wie ein Bad mit warmem Wasser und Seife wie unermesslicher Luxus anfühlen konnte. War er wirklich so verwöhnt gewesen, wie der Mann ihm gegenüber es ihm immer unterstellt hatte? Der Gedanke, wieder in sein stinkendes Loch zurückkehren zu müssen, bereitete ihm plötzlich großes Unbehagen.

Als er fertig war und sich einmal komplett untergetaucht hatte, drehte der Lythari sich wieder um und beobachtete den Naralfir mit einer Mischung aus Unsicherheit, Angst und Trotz. Was hatte der König jetzt vor?

„Und jetzt sag' mir, wer dich mit der Brühe übergossen hat“, verlangte Azul ruhig.

Zu ruhig und mit einer Kälte in der Stimme, die Saladir frösteln ließ, trotz des heißen Wassers.

Saladir schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht...“, sagte er.

„Natürlich kannst du. Es ist ganz einfach. Ich will nur ein Wort: Einen Namen.“

Azuls Stimme wurde, wenn das möglich war, noch ruhiger und kälter. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach dem angezogenen Knöchel des Lythari und zerrte diesen zu sich. Saladir verlor den Halt und kippte mit einem Aufschrei nach hinten um, doch kaum, dass er wieder aufrechtsaß, starrte er hustend und würgend vom verschluckten Wasser in Augen, in denen Wut ein Gühen entzündet hatte. Im nächsten Moment spürte Saladir eine Hand um seinen Hals, die ihn erneut unter Wasser drückte.

„Bist du sicher, dass du nicht antworten kannst?“, fragte Azul, nachdem er den Kopf seines Gefangenen wieder an die Luft gezogen hatte, um diesem einen kurzen Atemzug zu ermöglichen.

Saladir kam gar nicht dazu, ein weiteres Mal den Kopf zu schütteln, schon war er wieder unter Wasser. Das, was ihm vor Augenblicken noch wie eine Erlösung von seinen Qualen erschienen war, wurde nun eine weitere perfide Falle. Er zappelte und schlug um sich, doch seine Hände trafen ins Leere, bevor sie sich am Rand der Wanne festkrallten. Dass er um sich trat, führte schließlich nur dazu, dass Azul sich ein weiteres Mal über ihn beugte... genau zwischen seine Beine. Der Naralfir war hart, stellte Saladir beiläufig fest, als er einmal mehr atmen durfte, doch schon schlug wieder Badewasser über ihm zusammen.

Wie lange Azul das tat und wie oft, vergaß Saladir zu zählen, doch irgendwann hatte er keine Kraft mehr. Nicht zum Atmen, nicht zum Schreien oder zum Denken. Seine Hände umklammerten Azuls Schultern, seine Beine dessen Hüften... einfach, um nicht mehr Wasser schlucken zu müssen, das er schwallweise wieder erbrach, mit jedem Luftzug, den sich sein zitternder Körper im puren Überlebensinstinkt in die Lunge zwang.

„Wer hat dir "Nachtfolter" gegeben?“

Saladir hörte die Frage kaum und hustete nur. Sein Hals schmerzte inzwischen wieder, seine Brust brannte und beinahe wäre es dem jungen Prinzen lieber gewesen, wenn er nicht aus seinem Gefängnis gekommen wäre. Beinahe. Als Azul sich bewegte, fürchtete Saladir, erneut ertränkt zu werden und klammerte sich noch fester an ihn. Es war egal: Luban oder Azul, einer von beiden würde ihn umbringen, soviel stand fest. Und es würde kein sanfter Tod sein.

Aber Luban würde ihn vermutlich vorher noch in den Wahnsinn treiben.

„Du kannst mir drohen, so viel wie du willst, Azul“, flüsterte Saladir schließlich heiser, mehr zu sich selbst, als an den Naralfir gerichtet. „Du kannst mich nicht vor allen Naralfir beschützen, das hast du selbst gesagt. Ich werde sowieso elendig hier sterben, das habe ich jetzt begriffen.“

„Dann sag' mir, was ich hören will: Sag' dass du mir gehörst.“

Azuls Stimme war sanft geworden und fast wäre es ihm gelungen, den Lythari in die Arme zu schließen. Doch dieser wich an das gegenüberliegenede Ende der Badewanne zurück, einen verzweifelten Ausdruck im Gesicht.

„Aber verstehst du es denn nicht?“, schrie er rau. „Ich gehöre dir doch schon längst! Ich bin vollkommen von dir und deiner Laune abhängig! Wenn du mich nicht mehr willst, werde ich hier sterben!“

Für einen Moment sah man Überraschung über das Gesicht des Königs der Naralfir huschen, bevor ein Klopfen die Stimmung unterbrach. Azul erhob sich und ging in das kleine Vorzimmer, wo Saladir hören konnte, wie er sich mit gedämpfter Stimme unterhielt. Sie kam ihm vage bekannt vor: Der Heiler? Nur allzu schnell kehrte Azul zurück, nun in einen Bademantel gehüllt und einem kühlen, undurchdringlichen Ausdruck auf dem Gesicht.

„Meine Gäste sind eingetroffen und verlangen meine Aufmerksamkeit“, verkündete er. „Du wirst dich ankleiden und dann ebenfalls im Speisesaal einfinden. Haruim wird dir dabei helfen. Wende dich an ihn, er weiß Bescheid.“

Mit diesen Worten drehte Azul sich um und verließ den Raum. Es erklang das Rascheln von Kleidung, und Saladir sank fassungslos ins Wasser zurück. So traf ihn Haruim später an, als er nach einem Klopfen den Raum betrat und sein besorgter Gesichtsausdruck dem liebevollsten Lächeln Platz machte, was der junge Lythari seit langer Zeit gesehen hatte.

„Es freut mich zu sehen, dass Ihr wohlauf seid, Euer Hoheit“, begrüßte er Saladir und entfaltete ein schneeweißes Handtuch. „Kommt mit mir, damit wir Euch für die Abendveranstaltung herrichten können.“

Noch immer völlig verblüfft von der Wendung, die diese Situation genommen hatte, kam Saladir der Bitte stumm nach. Haruim wickelte ihn in das Handtuch und führte ihn aus dem Bad durch eine weitere Nebentür des Vorraums in ein kleines, aber luxuriös eingerichtetes Zimmer.

Die Pracht verschlug dem Prinzen den Atem: Goldene Verziehrungen an den Wänden, edelster Marmor auf dem Boden und eine riesige Fensterfront, die in einen sonnenbeschienenen Garten hinausführte. Aufwändige Stuckschnitzererein ließen die Zimmerdecke wie ein Blumenmeer aussehen und flauschige Teppiche mit eingewebten Goldfäden dämpften das Geräusch der Schritte. Eine zierliche Couchgarnitur aus weiß lackiertem Holz lud zum Verweilen und Plaudern ein – doch das riesige runde Bett, das mit Abstand den meisten Platz im Zimmer einnahm und durch seine rotvioletten Kissen und Decken zweifellos als Blickfang dienen sollte, trieb Saladir die Schamesröte in die Wangen. Genau dorthin führte Haruim ihn nun und entfaltete ein weiteres Bündel glänzenden Stoffs, das auf dem Überzug gelegen hatte.

Kopfschmuck wie ein Diadem aus weißen Diamanten, funkelnde Armereifen, eine Weste aus glänzendem Stoff und ein langer Rock aus dem gleichen Material kamen zum Vorschein. Frauenkleider... Saladir schüttlelte ungläubig den Kopf.

„Das werde ich nicht anziehen.“

Haruim zeigte sich unbeeindruckt. „Oh doch, das werdet Ihr. Andernfalls habe ich den Auftrag, Euch nackt nach unten zu bringen.“

„Niemals.“

Haruim ergriff die linke Hand Saladirs und streifte erst den Ärmel der Weste, dann die Armreifen über dessen Handgelenke.

„Ihr habt bereits erlebt, was passiert, wenn man den König verärgert. Warum wollt Ihr es unbedingt darauf anlegen?“

„Sich als Mann so herauszuputzen ist würdelos und demütigend.“

„Dann bevorzugt ihr jetzt doch Nacktheit? Meint ihr nicht, dass Eure lytharische Abstammung schon für genügend Aufsehen sorgen wird?“ Haruim griff nach Saladirs rechter Hand und schob ebenfalls Armereifen und Westenärmel darüber, gröber diesmal. „Was Ihr als Würde bezeichnet, hat hier keinen Wert. Ihr wart in Eurem Reich eine Respektsperson, aber es ist töricht, hier ebenfalls darauf zu beharren.“

„Wieso ist das töricht? Ich bin wirklich ein Prinz! Es ist nicht nur leeres Gerede oder eine Wahnvorstellung, falls du das glauben magst!“

Haruim fasste sich an die Stirn, als bekäme er Kopfschmerzen. Er holte tief Luft, dann sprach er ganz langsam, als erkläre er etwas einem Kind.

„Prinz Saladir, vergesst, wo Ihr herkommt. Passt Euch an, wenn Ihr überleben wollt. Verärgert den König nicht und zieht an, was er Euch bringen ließ. Ihr habt bereits mehrfach gesehen und erlebt, wozu er fähig ist. Stellt ihn nicht weiter auf die Probe.“

„Aber...“

Haruim hockte sich vor ihn und stopfte Saladirs Füße in das Kleidungsstück, das dieser zuerst für einen Rock gehalten hatte – sich aber nun als eine weit geschnittene Hose offenbarte. Es war etwas Erniedrigendes in dieser Geste, doch Saladir erkannte auch, dass es wohl schlimmer war, Haruim für etwas büßen zu lassen, wofür dieser gar nichts konnte.

„Kein "Aber". Wer überleben will, muss sich anpassen. Erst dann kann man darüber nachdenken, wie man es schafft, eine Situation zu seinen eigenen Gunsten zu verändern.“

„Ich soll mich also zum Lustknaben von Azul machen lassen?“, fauchte er, und Haruim schaute zur Seite, den Kiefer angespannt, als ob er nach Worten suchen müsste.

„Es gibt Schlimmeres, als dem König zu dienen“, antwortete er schließlich dumpf. „Überall existieren Leute, die bereits kleinste Vergehen sehr hart bestrafen. Auch unter den Elfen gibt es jene, für die Schönheit nur existiert, damit sie diese zerstören können...“ Der Waldelf zitterte, während er sprach, und so fiel es ihm schwer, die Hose an Saladirs Hüften zurechtzuziehen. „Der König könnte seine Drohungen wahrmachen. Bisher war er nämlich ausgesprochen nett zu Euch.“

Das half. Saladir hatte nicht die geringste Lust herauszufinden, was Azul mit Wurzelgemüse anstellen konnte und nackt durch die Stadt geschleift und zur Schau gestellt zu werden, erinnerte ihn zu sehr an seine Ankunft. Wie ein Sack Mehl über dem Rücken des Kissards zu hängen, während eine Naralfirhorde ihn begaffte... nein. Dann doch lieber eine Pluderhose, denn womöglich hatte der Heiler Recht, und man sollte einen Naralfir nicht unnötig provozieren – auch wenn ausgerechnet ihm das scheinbar sehr leicht gelang. Viel zu leicht...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Coppelius
2019-03-09T11:47:58+00:00 09.03.2019 12:47
Hey :)

Ich habe deine FF gelesen und fand sie bis jetzt richtig gut :)
Ich möchte echt gerne wissen, wie es mit Saladir weitergeht :D

LG Coppelius
Antwort von:  Lady_Shanaee
09.03.2019 17:35
Vielen lieben Dank für Deine Zeilen,

es freut BloodyRubin und mich sehr, dass Dir unsere Überarbeitung gefällt. Wie es weitergeht, ist eigentlich klar, denn auch der Ursprungstext ist verlinkt - aber welche Details sich verändern, wird nicht verraten. (Leider vereinnahmt mich das echte Leben gerade zu sehr T^T)

Eines aber ist mir, Shanaee, wichtig: Diese Geschichte ist keine FF, also keine Fanfiktion. BloodyRubin könnte sie z.B. gegen Geld als Kindle bei Amazon veröffentlichen. Dieses "Bis du mein bist..." hier ist die Überarbeitung von einer Geschichte, die - im Gegensatz zu einer Fanfiktion - nicht auf einem Manga, Anime oder anderem Buch bzw. Film basiert. ^-^ Ich müsste diesen Text löschen, wenn BloodyRubin es so möchte, weil es eben nicht meiner ist, sondern ich nur daran mit- und überarbeite... soviel zu den Rechten an sogenannten Original Works.
Ich weiß, diese Erklärung wirkt ein bisschen von oben herab, aber ich hoffe, sie ist verständlich. Es erstaunt mich einfach immer wieder, wie viele Leute nicht zu wissen scheinen, was der Unterschied zwischen einer Fanfiktion und einem original Text ist (die Animexx liebevoll als "Eigene Serie" deklariert).

Dennoch bedanke ich mich stellvertretend auch für BloodyRubin, dass Du uns ein Feedback gegeben hast, und wir hoffen natürlich auch, dass Du uns gewogen bleibst! Bis zum nächsten Mal!

LG


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