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Du kannst weglaufen...

...aber du kannst dich nicht verstecken
von

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Ruhe vor dem Sturm

„Und? Schon irgendwelche Ergebnisse?“

Nagi schrak zusammen Schuldig hatte sich unbemerkt wie eine Katze an ihn herangeschoben und guckte ihm jetzt über die Schulter. Er konnte das nicht leiden. Weder das Ranschieben noch das Gucken. Schon gar nicht, seit...lieber nicht darüber nachdenken.

„Ich sitze noch an den Statistiken, aber die Tendenz sieht gut aus. Ich denke, wir haben bald eine Strategie, die aufgehen wird.“

Nagi drehte schwungvoll den Stuhl herum, so das Schuldig auf Abstand gehen musste, wenn er nicht Bekanntschaft mit Nagis Füßen an seinem Schienbein machen wollte. Der Junge hatte eine dicke Falte mitten auf die Stirn.

„Du bist doch aber nicht nur hier, um dich nach Crawfords Fortschritten zu erkundigen“, stellte er fest.

„Kannst du Gedanken lesen oder ich?“, grinste Schuldig. „Nein, ich wollte mich auch nach dem Projekt Honiglöckchen erkundigen.“

„Honeypot“, schnarrte Nagi. „Es heißt Honeypot. Fachbegriffe werden nicht übersetzt. Und ja, ich habe da schon einiges.“

„Und?“ Schuldig hasste es, wenn er Nagi jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen musste.

„234 Klicks, zweimal heruntergeladen. Eine Adresse in Oksaka, die andere hier in der Stadt. Das weitere Benutzermuster passt zu dem, was du suchst.“

Schuldig nickte zufrieden. „Gut, dann nimm das Ding vom Netz. Schick der ersten Adresse ein freundliches Paket von uns. Die- oder derjenige kann sich schon mal von seiner Festplatte verabschieden. Die andere Adresse will ich haben.“

„Du weißt, das Crawford dich die Woche über zum Dienst eingeteilt hat? Takatori steht kurz vor dem Abschluss des Wahlkampfes. Da ist Präsenz gefragt. Pressekonferenzen, Veranstaltungen, Abendgalas. Das volle Programm.“

„Ja, ja, weiß ich“, erwiderte Schuldig ungeduldig. „Das Honiglöckcen läuft mir ja nicht weg.“

Er duckte sich vor einem Buch, das von ganz alleine in seine Richtung geflogen kam.

„Es. Heißt. Honeypot.“ Nagi schien kurz vor dem Explodieren.

„Ich meinte doch nicht dein Computerdings, ich meinte den kleinen Weiß“, verteidigte sich Schuldig lachend und verließ dann lieber das Zimmer, bevor Nagi seine telekinetischen Kräfte noch einsetzte, um den Schreibtisch nach ihm zu werfen. Sicher war sicher.
 


 

Auf dem Weg nach draußen stolperte er fast über Farfarello. Der Ire saß auf dem Boden. Seine Arme steckten in den Ärmeln einer Zwangsjacke, die fest auf seinem Rücken verschnürt waren. Sein einzelnes Auge ruhte auf Schuldig.

Schuldig ging in die Knie und schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge. „Du hättest wirklich etwas vorsichtiger sein sollen, Farf. Jetzt steckst du wieder in dem Ding.“

Farfarello deutete ein Schulterzucken an, soweit es der feste, weiße Stoff zuließ. „Es hat Gott weh getan. Sein Lämmchen hat geschrien.“

„Das kann ich mir vorstellen. Ich hab die Bilder gesehen. Hübsches Muster übrigens. Wie hast du die Wellenlinien hinbekommen? Bist ja ein richtiger Künstler.“

„Ich habe ein Bild aus Schmerz gemalt, damit es Gott es sehen kann“, sagte Farfarello.

Ja, das Bild hatte Schuldig auch gesehen. Es grenzte an ein Wunder, dass der Mann, mit dessen Blut es gemalt worden war, überhaupt noch lebte.

„Hör zu“, sagte er. „Ich muss jetzt arbeiten. Wenn du wieder aus der Zwangsjacke raus darfst, unternehmen wir beide mal wieder was. Vielleicht ein Abstecher zum Hafen? Dort finden wir doch immer was für dich.“

Das bernsteinfarbende Auge glitzerte interessiert.

„Ich such dir auch jemanden aus, der laut genug schreit, damit Gott es hört.“

Bevor Farfarello antworten konnte, öffnete sich die Wohnzimmertür. Crawford trat in den Flur.

„Du sollst ihn nicht immer noch ermuntern. Die Aktion hat mich einiges gekostet. Komm, ich muss dir noch den Zeitplan für nächste Woche geben.“

Schuldig nickte und stand auf. „Gut. Wie lange müssen wir Takatori noch den Rücken freihalten?“

„SZ hält viel von ihm. So lange er nützlich ist, steht er unter unserem Schutz. Gewinnt er die Wahl, wird das unsere Bewegungsfreiheit erheblich erhöhen. Aber ich will dir noch etwas anderes zeigen.“
 

Crawford ging zurück ins Wohnzimmer und Schuldig folgte ihm. Auf dem Tisch langen einige verstreute Papiere. Schuldig bedachte diesen Umstand mit einem leichten Stirnrunzeln. Das sah Crawford nicht ähnlich. Der Mann war normalerweise so ordentlich, dass es zwanghaft wirkte. Was es im Grunde genommen auch war. Irgendetwas ging hier vor.

„Ist alles in Ordnung?“

Crawford verharrte in der Bewegung und schien nachzudenken.

„Ja“, antwortete er dann langsam. „Die Zukunft verschiebt sich nur irgendwie. Es gab ziemlich viele Umbrüche in letzter Zeit. Aber nichts, was uns von unserem Ziel entfernt. Es gibt da allerdings etwas Wichtiges. Ein Mädchen. Kannst du mit dem Namen etwas anfangen?“

Er hielt Schuldig einen Zettel hin. Der betrachtete die Schriftzeichen, versuchte sie zuzuordnen. „Ein Mädchen sagst du? Was weißt du über sie?“

„So gut wie nichts. Aber ich dachte mir, vielleicht schnappst du ja etwas auf, dass uns weiterhilft. Du bist doch gut in so was.“

Schuldig setzte wieder ein Grinsen auf. „Ich werde sehen, was sich machen lässt.“ Insgeheim wusste er schon, wo er suchen musste. Das würde bestimmt spaßig werden.
 


 

„Hey, Tsukiono, du bist ja so rot. Hast du Sensai Yagisawa unter den Rock geguckt?“

Allgemeines Gelächter folgte dem Scherz von Omis Klassenkameraden. Der immer gleichen Rock ihrer uralten Japanischlehrerin, den diese auf einem Hintern spazieren trug, der dem einer überdimensionierten Ente glich, war ein beliebter Running Gag unter den Schülern. Es wurden Wetten darüber abgeschlossen, was sich alles darunter befand und von einem geheimen Klopapier-Vorrat bis zum Miniatur-Atomkraftwerk war wohl schon alles dabei gewesen.

„Hab einen Sonnenbrand“, nuschelte Omi und versteckte sich hinter seinem Biologiebuch. Mit hektischen Bewegungen versuchte er noch, das Referat fertig vorzubereiten, das er gleich halten sollte. Irgendwie war ihm das am Wochenende dann doch wieder entfallen.

Als sich die Klassentür öffnete, bekam er fast einen Herzanfall. Er war nicht ansatzweise fertig. Doch statt seines Biologielehrers trat eine neue, junge Lehrerin ein.

„Es tut mir leid euch mitteilen zu müssen, dass euer Lehrer leider erkrankt ist. Ich werde für diese Woche seinen Unterricht übernehmen. Wer kann mir sagen, wo ihr mit dem Stoff steht?“

Der Junge, der vorhin den Witz über Omis Gesichtsfarbe gemacht hatte, schoss ihm einen fiesen Blick zu und meldete sich.

'Wenn der mich jetzt wegen des Referats verpetzt, verpasse ich ihm einen Dart mitten zwischen die Augen.', dachte Omi und versuchte, diese Botschaft mental an den anderen zu übertragen. Mit seinem Gesicht hätte man Eier abschrecken können.

„Miss, wir wollten heute eigentlich einen Film schauen. Wenn Sie möchten, bin ich Ihnen mit dem Projektor behilflich.“

„Das ist sehr aufmerksam, vielen Dank. Welchen Film wolltet ihr denn sehen?“

„Warten Sie, ich zeige es Ihnen.“
 

Omi atmete auf und ließ sich wieder auf seinen Sitz sinken. Gerade noch geschafft. Dieser Ausfall kam ihm gerade recht. Er hatte noch so viel aufzuholen, dass er die ganze Woche brauchen würde, um den Stoff in den Griff zu bekommen. Ein Tag- und ein Nachtleben zu führen, war definitiv anstrengend. Ganz zu schweigen von einem Liebesleben.

Omi wurde rot, wenn er an das Wochenende dachte. Zum Glück fiel das momentan nicht so auf, zumal die Lehrerin jetzt die Verdunkelung herunterließ, um den Film zu beginnen. Er hatte also versucht, sich Schuldig aus dem Kopf zu schlagen, und hatte versagt. Nun gut, das war jetzt so. Aber was sollte er jetzt tun? Er hatte keine Ahnung, wie er Kontakt aufnehmen sollte. Ouka zu fragen, fiel aus. Seit sie seinen Brief bekommen hatte, ging ihm seine Cousine aus dem Weg. Takatori fiel aus offensichtlichen Gründen ebenfalls als Kontaktmöglichkeit aus. Was also blieb ihm übrig, als zu warten, dass sich Schuldig wieder bei ihm meldete? Er starrte auf den Film, in dem es wohl irgendwie um Frösche ging und hing seine Gedanken nach. Wann würde er ihn wiedersehen?
 


 

Die Ladenglocke des Koneko bimmelte und eine Frau betrat den Laden. Ihre auffällige Erscheinung ließ Leben in Yoji kommen, der gerade dabei gewesen war, neue Rosen in die bereits leer gekauften Vasen zu sortieren. Er drückte Ken die Rosen in den Arm und schlängelte sich zur Tür.

„Manx“, schnurrte er und versuchte seinen Arm um sie zu legen. „Was verschafft uns die Ehre? Du warst viel zu lange nicht hier.“

Die rothaarige Frau schüttelte ihn ab wie eine lästige Fliege.

„Keller“, sagte sie nur und ging bereits Richtung Treppe. Yoji seufzte gequält, legte seine Schürze ab und folgte ihr. Der Rest von Weiß kam nur wenig später in ihrer Einsatzzentrale an.

„Was gibt es, Manx?“, fragte Ken. „Eine neue Mission?“

„Noch nicht“, erwiderte Manx. „Es gibt da einige beunruhigende Entwicklungen, aber nichts, was zu diesem Zeitpunkt schon einen Einsatz von Weiß rechtfertigen würde. Wir sagen euch dann Bescheid, wenn es soweit ist.“

„Takatori?“ Aya lehnte an der Wand und schaute finster.

Manx schüttelte den Kopf. „Noch nicht.“

„Wann?“, schnappte er. „Ich habe Perser gesagt, dass...“

„Und ich soll dir ausrichten, dass du dich gedulden sollst“, unterbrach ihn Manx. „Es ist einfach nicht der richtige Zeitpunkt.“

„Ich werde nicht ewig warten“, sagte Aya und es klang fast wie eine Drohung.

„Ich bin zunächst einmal hier, um euch zu eurem Erfolg in Bezug auf die Hacker zu danken. Nach eurer Mission haben die Angriffe aufgehört.“

„Aber...“, begann Ken, doch Yoji unterbrach ihn mit einem beiläufigen Tritt.

„Immer gerne, Manx. Sonst noch etwas?“

„Ich habe noch einen Brief für Omi. Ich soll ihn dir persönlich geben und du sollst ihn lesen, wenn du alleine bist.“

Omi nahm den Umschlag und fühlte die Blicke seiner Freunde auf sich. Er dankte Manx und steckte das Schriftstück ein. Für Perser, seinen richtigen Vater, hatte er momentan einfach keine Reserven mehr übrig. Er würde sich damit beschäftigen, wenn...irgendwann.

„Bis auf Weiteres hat Weiß also den Auftrag, sich bedeckt zu halten“, schloss Manx die Besprechung.
 

Als sie gegangen war, blies Ken die Backen auf und ließ die Luft entweichen.

„Also mir passt das gut. Die Kids haben am Freitag ein wichtiges Spiel. Da kann ich ein paar Extra-Trainingsrunden einbauen.“

„Ich wollte mir auch zwei Tage freinehmen“, verkündete Yoji. „Ich hab da jemanden, mit dem ich gerne mal einen Ausflug machen würde. Über Nacht.“

„Ich muss lernen“, sagte Omi. „Vielleicht könnten wir ja nach dem Spiel am Freitag noch einen DVD-Abend machen, Ken?“

„Klingt gut. Und du, Aya?“

Aya antwortete nicht und verließ den Raum in Richtung Blumenladen.

„Ja, hat mich auch gefreut“, rief Ken ihm nach. „Also ehrlich Leute, ich komme momentan mit ihm nicht klar.“

„Aya hat irgendwelche Sorgen“, sagte Omi. „Er will Takatori erwischen. Aber wenn er ihm einfach so auflauert, ist er einfach nur ein Mörder und Perser wird ihn festnehmen müssen.“

„Vermutlich wäre ihm das sogar egal“, vermutete Yoji. „Ich wäre trotzdem froh, wenn es nicht soweit käme.“

„Ja“, nickte Omi, „das hoffe ich auch.“
 

Die Woche plätscherte dahin. Omi tat sein Bestes, um den verpassten Stoff aufzuarbeiten, setzte sich sogar an sein Referat, war freundlich zu den Kunden im Blumenladen und versuchte ansonsten nicht an gewisse, böse Männer zu denken. Tagsüber war er damit recht erfolgreich, aber nachts geisterte Schuldig durch seine Träume. Mehr als einmal wachte er morgens mit verklebter Hose auf und schämte sich dafür. Er kam sich vor wie eines der Schulmädchen, die Tag für Tag den Laden belagerten. Am Donnerstag war er soweit, dass er sogar schon den halben Weg zu dem Park zurückgelegt hatte, in dem sie sich getroffen hatten, als er ärgerlich den Roller herumriss und wieder nach Hause fuhr. Sich so zu verhalten war lächerlich. Er würde einfach abwarten müssen.
 

Freitagabend hatte Omi alles vorbereitet. Er hatte zusammen mit Aya das Haus geputzt, hatte DVDs besorgt, Popcorn gemacht und saß pünktlich um halb neun auf dem Sofa, um auf Ken zu warten. Zur Feier des Tages trug er das T-Shirt, das Ken zu dem Zeitungs-Abo dazu bekommen hatte. Es war gestern in der Post gewesen. Knallblau mit einem kleinen, weißen Ritter darauf und der ebenfalls weißen Aufschrift „Professioneller Prinzessinnen-Retter“. Yoji war schwer neidisch gewesen. Er probierte das Popcorn und überlegte gerade, ob er schon mal was zu Trinken aus dem Kühlschrank holen sollte, da piepste sein Handy.
 

Bin aufgehalten worden. Trainersitzung. Kann dauern. Sry.
 

Omi sank in den Kissen zusammen. Jetzt saß er hier ganz alleine den Abend lang herum. Er überlegte, ob er Aya fragen wollte, ob der runterkommen wollte, aber er bezweifelte, dass dem der Sinn nach Gesellschaft stand. Yoji war mit seiner neuen Flamme unterwegs. Omi erwog den Gedanken, sich zum Lesen vor den Computer zu setzen, aber dazu hatte er eigentlich auch keine Lust. Er wollte hier auf dem Sofa liegen und nicht alleine sein. Missmutig griff er in die Popcornschüssel und schaltete den Fernseher an.

Er zappte durch die Kanäle und blieb kurz an einem Bericht über Takatoris Wahlkampf hängen. Aber als er merkte, dass er statt des Politikers nur Augen für die Security-Leute hatte, schaltete er entschieden weiter. Irgendwann blieb er bei einem uralten Hollywood-Schinken hängen und amüsierte sich sogar alleine köstlich über die gestelzten Darstellungen und die übertriebene Dramatik. Irgendwann kurz vor dem Schluss fielen ihm schließlich die Augen zu und er schlief mit der Hand in der Popcornschüssel und dem Kopf auf der Sofalehne ein.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Da ist es. Das langweiligste Kapitel der Welt. Da ist so wenig los, dass es nicht mal nen Soundtrack hat. ^_~ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  radikaldornroeschen
2018-03-09T10:20:04+00:00 09.03.2018 11:20
Auch solche Kapitel sind mitunter notwendig ;-)
Es kann ja unmöglich ständig Action sein... eine geistige Entwicklung braucht nunmal ihre Zeit.
Und dass Ayas Verhalten immer augenscheinlicher wird, hat sicher auch irgendeinen Zweck :D Bin schon gespannt!
Antwort von:  Maginisha
09.03.2018 13:53
Zweck? Mhm eigentlich nicht so direkt. Er benimmt sich nur genau wie im Anime. Aber er wird noch genug Grund bekommen, mal ein paar mehr Wörter von sich zu geben. ;)


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