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BeyBlade in Love

Staffel 3
von

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Kapitel 19

Kapitel 19
 

Daniellé Hiwatari lief mit pochenden Kopfschmerzen in die Notaufnahme und machte sich für das Schlimmste bereit. Zwei Krankenwagen waren bereits eingetroffen gewesen, irgendwo außerhalb der Stadt war eine alte verlassene Fabrikhalle abgebrannt und es gab Verletzte. Patient Nummer 1 hatte einen massiven Blutverlust und Kreislaufversagen wurde jedoch schon von den Kollegen versorgt. Patient Nummer 2 und 3 hatten lediglich leichte Blessuren und waren schon versorgt worden. Patient 4 ebenfalls starker Blutverlust Aufgrund einer Blutspende. Danny schüttelte ungläubig den Kopf. Was zur Hölle war bloß dort passiert, dass man eine derartige Blutspende geben musste? Während Daniellé auf den heranfahrenden Krankenwagen wartete tippte ihm jemand auf die Schulter. Es war der Chefarzt des Krankenhauses.

„Ja?“

„Ich hatte Sie nach Hause geschickt“, bemerkte dieser.

„Und ich hatte Ihnen gesagt, dass ich weiter arbeiten kann.“

„Ich hatte gehofft, dass Sie sich erneut sträuben würden“, grinste der Mann, „denn ich habe hier einen Patienten nur für Sie, Dr. Hiwatari.“

„Was ist mit den Verletzten, die jetzt eingeliefert werden? Soll ich die einfach ignorieren?“

„Ich denke Sie sollten diesen Patienten hier übernehmen“, grinste der Chefarzt und hielt ihm die Akte weiterhin unter die Nase.

„Anhand der Umschlagfarbe sehe ich, dass es sich hierbei nicht um einen Fall der Chirurgie handelt...“, erwiderte Dr. Hiwatari und stutzte, „warum sollte ich diesen Fall also übernehmen?“

„Eigeninteresse“, grinste der Mann erneut und hielt die Mappe noch näher hin.

Daniellé nahm die Akte seufzend entgegen, warf einen flüchtigen Blick auf die Zimmernummer und begab sich auf den Weg. An der richtigen Tür angekommen klopfte er flüchtig und trat ein.

„Wie geht es Ihnen denn so, Herr...ähm...äh...“

Die beiden Männer sahen sich mit großen Blicken an, woraufhin Daniellé stutzig auf den Namen sah und verstand, warum gerade er diesen Patienten untersuchen sollte.

„Guten Tag, Mr. Hiwatari“, grinste Danny schließlich und nahm neben dem Bett Platz.

„Guten Tag, Dr. Hiwatari“, erwiderte Kai mit einem erschöpften Lächeln und rieb sich die Stirn, „erstaunlich, wie schnell sich die Abteilungszugehörigkeit ändern kann, nicht?“

„Ich hielt es erst für einen weiteren schlechten Scherz meines Vorgesetzten. Ich dachte, dass ihr lediglich einen BeyBlade Kampf beschreiten wolltet?“

„Das haben wir auch“, erwiderte Kai erschöpft und rieb sich die Stirn.

Sein Vater hörte, wie sehr er sich anstrengen musste zu reden. Welche Ironie...

„Wir hatten schon lange nicht mehr das Vergnügen...wenn du Sehnsucht nach deinem Vater hast, hätte ein Anruf völlig gereicht!“

„Du solltest es besser wissen, dass ich nie den einfacheren Weg nehme“, belächelte Kai seinen eigenen Kommentar, „ach ja...wir haben übrigens gewonnen...“

„Meinen Glückwunsch! Warum siehst du denn so mitgenommen aus? Habt ihr danach noch einen Marathon absolviert?“

„Das ist eine sehr...sehr...lange Geschichte...für die...ich jetzt...keine Nerven...habe...“

„Verstehe“, grübelte der Arzt und warf einen erneuten Blick in die Akten seines Sohnes.

„Und? Was fehlt mir?“

„Ich hatte ja keine Ahnung, dass du neuerdings auf Doktorspiele stehst!“, lachte Daniellé und studierte die Akte seines Sohnes nun gründlich, „du...du hattest einen...Schwächeanfall? Einen ziemlich starken sogar! Himmel Kind! Was habt ihr zur Hölle da draußen getrieben?“

„Habe ich schon erwähnt...dass das...eine...lange Geschichte...sei?“, seufzte Kai, „hast du Mirka schon gesehen? Ist sie auch schon hier?“

Daniellé musste sich anstrengen, damit er nicht hysterisch loslachte, was ihm sichtlich schwer fiel. Sein Sohn warf ihm einen herausfordernden Blick zu, woraufhin er dann doch kichern musste.

„Deine Werte...hihihihi...deine Werte besagen, dass dein Körper vor Erschöpfung auf Notsystem geschaltet hat und du einfach umgekippt bist. Treiben du und Mirka es so wild, ja?“

„Oh bitte“, stöhnte Kai und verdrehte genervt die Augen, „mach dich nicht lächerlich.“

„Naja...von irgendwas muss das allerdings kommen. Also...willst du mir es einfach sagen, oder soll ich unser Doktorspielchen weiterführen?“

Kai hielt einen Moment lang inne und guckte seinen Vater vielsagend an, bevor er tief seufzte und sich wieder ins Kissen fallen ließ.

„Ich habe es anscheinend übertrieben...“

„Mit was übertrieben?“

„Echt jetzt? Musst du das wissen?“

Daniellé hielt die Akte hoch und blickte Kai mit genau demselben Ausdruck an wie er ihn.

„Befangenheit?“

„Schweigepflicht?“

Erneut warfen sich die beiden Männer einen ihrer gewissen Blicke zu, der mehr aussagte als Worte.

„Ich habe es einfach übertrieben!“

„Kai...“

„Wo ist Mirka? Ich würde sie gerne sehen...“

„Sag mir jetzt bitte nicht, dass sie da mit reingezogen wurde!“

Kai hob tief seufzend die Hände vor sein Gesicht und murmelte etwas unverständliches vor sich her, während sein Vater die Brille von seiner Nase nahm und in die Brusttasche seines Kittels schob.

„Nein...ich habe sie noch nicht gesehen. Muss ich mir Sorgen um sie machen?“

„Nicht mehr.“

„Nicht...mehr?“

Kai schloss seine Augen und lächelte zufrieden. Einen kurzen Moment später war er vor lauter Erschöpfung eingeschlafen.
 

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Als Tala Iwanov langsam zu sich kam konnte er zuerst nur dieses ständige Piepsgeräusch neben sich vernehmen, dann die Schläuche, welche von seinem Körper aus weghingen und zu guter Letzt, dass er weitaus weicher lag als vorhin, als er das Bewusstsein verloren hatte.

„Wo...“, hauchte er und stellte fest, dass er einen staubtrockenen Mund hatte.

Er hustete, konnte sich jedoch nicht aufrichten. Sofort beugten sich zwei Gesichter über ihn und strahlten über beide Wangen. Es waren Bryan und Spencer.

„Wo...“, wiederholte Tala angestrengt und blickte erschöpft zwischen den beiden hin und her.

„Du bist im Krankenhaus. Der ganze Alptraum ist vorbei!“

„Das hättest du sehen müssen!“, jauchzte Bryan, „überall Flammen und so wusch! Und dann sind überall Felsbrocken von der Decke gefallen so bumm!“

„Krankenhaus?“, flüsterte Tala und blickte Spencer an, während Bryan immer noch völlig aufgedreht erzählte.

„Ja, Tala. Wir sind alle im Krankenhaus...“

„Luna?“

„Sie wird operiert. Ihre Naht ist aufgegangen und hat sich anscheinend auch noch entzündet...“

„Sie lebt.“

„Natürlich lebt sie. Alter das ist deine Frau! Die kriegt man so schnell nicht klein!“, rief Bryan und fuchtelte wild mit seinen Händen.

Die Zimmertüre sprang schwungvoll auf und Kais Vater blickte Bryan finster an. Der Russe setzte sich augenblicklich still auf seinen Stuhl und gab keinen Pieps mehr von sich.

„Ich habe dich gewarnt“, brummte Danny.

Bryan machte eine Bewegung, als würde er seine Lippen zuschließen und den Schlüssel wegwerfen. Der Arzt trat an das Bett heran und warf allen dreien einen dermaßen wütenden Blick zu, dass es ihnen eiskalt über den Rücken lief.

„Ihr habt euch ALLEN ERNSTES auf einen Deal mit diesem BORIS TYPEN eingelassen?? Seit ihr von allen guten Geistern verlassen worden ODER WAS??“

Bryan und Spencer zuckten mehrfach zusammen, während Daniellé seine Schimpforgie über sie hereinbrechen ließ. Er redete sich buchstäblich richtig in Rage. Als er dann ziemlich am Ende angekommen war blickte er zu Tala, welcher ihn genauso fertig anblickte wie sein Sohn vorhin noch.

„Ihr hättet sterben können!“, schimpfte Danny, „ist euch das eigentlich bewusst?!“

„Sie hatten Luna in ihrer Gewalt! Und dann haben sie das auch noch mit Mirka gemacht...“, murmelte Bryan, „was hätten wir denn tun sollen?“

„Ihr hättet wenigstens die Polizei rufen können, bevor ihr da runter gegangen seid...ist euch das in keiner Sekunde in den Sinn gekommen?“

Alle drei Russen schüttelten den Kopf, woraufhin Daniellé einen schrecklich tiefen Seufzer ausstieß. Anschließend rieb er sich den Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger und versuchte nicht erneut auszuflippen.

„Nun denn. Hier bin ich ebenfalls erst mal fertig. Aber glaubt ja nicht, dass ihr mir so gimpflich davon kommt!“

„Wohin gehst du denn noch?“

„Ich muss noch nach dieser Anastasia sehen.“

„Wie geht es ihr?“, fragte Bryan plötzlich besorgt nach, „kann ich mit?“

„Ich werde gleich herausfinden wie es ihr geht...aber anscheinend hat sie außer ein paar leichter Verbrennungen und einer Prellung im rechten Handgelenk keinen großen Schaden erlitten...und nein. Du kannst nicht mit zu ihr! Du scheuchst mir ständig das ganze Krankenhaus auf wenn du hier bist!“

Bryan ließ sich wieder in seinen Stuhl sinken und schmollte.

„Wann kann ich zu Luna? Was ist mit meinem Kind?“

„Luna ist vor knapp einer halben Stunde auf ihr Zimmer gebracht worden und braucht noch Ruhe“, meinte Danny und blickte bei dem Wort Ruhe Bryan sehr ernst an, „deinem Kind geht es dagegen schon sehr gut. Weißt du schon was es geworden ist?“

Tala schüttelte langsam den Kopf.

„Herzlichen Glückwunsch. Es ist ein Junge.“
 

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„...Sie können uns also nicht bestätigen, dass Kai Hiwatari am Einbruch der Untergrunddecke beteiligt gewesen war?“

Adrian blickte den Polizisten und seinen Kollegen, welcher die ganze Zeit eifrig mitgeschrieben hatte entnervt an und seufzte. Ein lauer Nachmittagswind ging herum und daher schwitzte der Junge nicht so sehr, wie er anfangs befürchtet hatte.

„Das habe ich Ihnen doch bereits besagt: Kai hatte absolut nichts mit der Explosion zu tun.“

„Wo waren Sie zum Zeitpunkt der Explosion?“

„Ich habe nach Ulrike, nein nach Valentina...ach was weiß ich! Ich habe nach jemanden gesucht!“

„Sie meinen Ulrike Schmitt?“, schlug der andere Polizist Adrian als Antwort vor.

„Ja...genau die meinte ich...“

„Und haben Sie Frau Schmitt gefunden...?“

Adrian fuhr erschrocken hoch und blickte Daniellé Hiwatari direkt in die Augen. Der Arzt blickte relativ gelassen auf den jungen Mann nieder, dann kam er ein Stück näher heran und wandte sich an die Polizisten.

„Ich denke, dass mein Patient für heute genug Fragen beantwortet hat. Wären Sie also so nett...?“

Die beiden Männer in Uniform guckten Danny kurz an, nickten ihm dann jedoch zu und verabschiedeten sich von Adrian, welcher ihnen zum Abschied stumm winkte. Zwischen den beiden Franzosen herrschte ein langes und vor allem für Adrian sehr unangenehmes Schweigen. Adrian war nicht wieder im Clan aufgenommen worden, er dürfte Daniellé also nicht ansprechen oder sich gar bewusst in seiner Nähe aufhalten. Danny setzte sich neben ihn auf die Bank und zündete sich eine Zigarette an. Er bließ den blauen Rauch genüsslich aus und guckte gen Himmel.

„Benötigen Sie noch ein Beruhigungsmittel Herr Bachmeister?“, erkundigte sich der Arzt schließlich und der junge Mann neben ihm blickte verwirrt drein.

„Wie...bitte?“, fragte Adrian vorsichtig nach.

„Laut Ihrer Akte ist ein weiterer Krankenhausaufenthalt nicht mehr von Nöten. Sie können also nach Hause gehen, Herr Bachmeister.“

Adrian hatte verstanden. Danny sprach ihn absichtlich mit seinem Pseudonym an, so dass er sich mit ihm unterhalten durfte. Dieser Fuchs!

„Ich darf...nach Hause?“

Daniellé nickte und zog erneut an seiner Zigarette.

„Die paar blauen Flecken, die Sie sich zugezogen haben inklusive der Stichwunde werden überall verheilen. Vermeiden Sie nur in den nächsten zehn Tagen intensiven Sport, dann wird alles wieder gut.“

„Vielen Dank, Herr Doktor...“

„Keine Ursache“, lächelte Danny, drückte seine Kippe aus und erhob sich, „Sie kennen den Weg nach draußen?“

„Darf...darf ich mich noch verabschieden? Es liegen noch Freunde von mir auf der Intensivstation.“

Kais Vater hielt inne und schien lange mit sich zu ringen. Er steckte seine Hände in die Kitteltaschen und ging ein paar Schritte.

„Beeil dich aber...“, murmelte er schließlich, als er schon beinahe wieder im Gebäude drinnen war.
 

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„...naaaw! Guck nur seine kleinen Fingerchen! Und die kleinen Füßchen!“, jauchzte Mirka hormongesteuert, welche neben Luna auf dem Bett saß, „er ist soooo winzig!“

„Er hätte ja auch noch ein paar Wochen gebraucht.“

Das Baby in Lunas Armen gluckste und bewegte einen Arm, was die Frauen nur noch mehr schwärmen ließ. Die Tür ging langsam auf und Tala trat auf immer noch wackligen Beinen herein. Sie waren mittlerweile seit zwei Tagen im Krankenhaus, doch durch den intensiven BeyBlade Kampf mit Anastasia waren Kai und Tala erschöpfter denn je. Luna, welche am Einlieferungstag noch gleich eine Notoperation hinter sich hatte würde am längsten von allen bleiben müssen.

„Guck mal“, ginste sie breit und wackelte mit einem kleinen Händchen ihres Babys, „dein Papa ist gekommen um hallo zu sagen.“

Mirka rutschte vom Bett runter und beobachtete gerührt, wie Tala zuerst seine Freundin einen langen Kuss auf die Stirn gab, dann einen kurzen auf den Mund und schließlich vorsichtig über den Kopf seines Sohnes streichelte.

„Er ist perfekt“, lächelte der Rotschopf und drückte Luna erneut einen Kuss auf die Schläfe, „das hast du sehr gut gemacht! Und es tut mir so leid, dass ich nicht bei dir sein konnte...“

„Geht es dir wenigstens auch wieder besser?“

„Die Ärzte meinten, dass ich wahrscheinlich kurz nach dem Wochenende nach Hause darf. Spätestens nächsten Mittwoch früh. Aber ich lasse euch nicht alleine. Nie wieder!“

Luna kicherte und überreichte Tala das Baby.

„Genieße die Zeit, welche du jetzt noch mit deinen Jungs haben wirst“, lächelte die junge Mutter und verlagerte ihre Position im Bett, „die nächsten 18 Jahre werden anstrengend werden. Für uns beide.“

„Ach was“, schmollte der Rotschopf, „der Kleine hat zwei Onkel, welche sich schon darauf freuen endlich mit ihm rangeln zu können.“

Mirka räusperte sich kaum hörbar und Tala grunzte.

„Okay! Er hat zwei einhalb Onkel!“

„Hey!“, beschwerte sich die Russin gespielt empört, musste jedoch in Tala und Lunas Lachen mit einstimmen.

„Wo wir es gerade von ihm haben: wo ist Kai eigentlich? Ich wollte vorhin in seinem Zimmer nach ihm sehen...“

„Er hat sich heute früh selber entlassen“, zuckte Mirka mit ihren Schultern, „ich dachte er hätte euch informiert?“

„Nein. Nein! Nein, hat er nicht!“, beschwerte sich Tala und senkte augenblicklich seinen Tonfall, als sein Sohn zu weinen begann.

„Kennst du ihn denn anders?“

“Nachdem, was gerade DIR passiert ist habe ich gedacht, dass er ab jetzt nie wieder von deiner Seite weichen würde!”

Mirka lachte für eine Sekunde gekränkt auf, dann zeigte sie mit dem Daumen in Richtung Krankenzimmer.

“Habt ihr nicht die Typen in schwarzen Anzügen bemerkt?”

Tala warf ihr einen ungläubigen Blick zu und schüttelte wie in Zeitlupe den Kopf.

“Dann machen sie ihren Job wenigstens richtig und zu Kais Zufriedenheit. Das war nämlich seine Bedingung, damit ich mich uneingeschränkt draußen bewegen kann. Solange Boris’ Leiche nicht gefunden wurde wird er kein Auge zumachen...”

Luna und Tala warfen sich einen kurzen vielsagenden Blick zu.

„Wo ist er jetzt? Bestimmt zu Hause in seinem Whirlpool, trinkt ein Glas Champagner und genießt die Sommersonne auf eurer Dachterrasse.“

„Tatsächlich arbeitet er“, gestand Mirka, “es gibt sehr viel zu organisieren. Und wie gesagt, so lange Boris’ Leiche nicht gefunden wurde wird Kai nicht ruhen...”

„Er tut was?!“

„Arbeiten. Jetzt als Mitglied des hohen Rates hat er viel mehr Möglichkeiten an Informationen zu kommen. Außerdem hatte er sich vor diesem Vorfall schon einiges an Dingen vorgenommen, die man nicht einfach so aufschieben oder abgeben kann.“

„Und sein Vater oder du habt nicht mal in Ansatz versucht ihn aufzuhalten?“

„Sagen wir es mal so“, grinste Mirka und verschränkte ihre Arme vor der Brust, „ich bin immerhin noch rechtzeitig gekommen um einen kurzen Abschiedskuss zu bekommen. Dann noch ein hab dich lieb und bis heute Abend.“

Tala warf Luna erneut einen vielsagenden Blick zu, welche nur mit den Achseln zuckte.

„Das ist Kai. Wir kennen ihn nicht anders“, meinte sie abwehrend, „er wird sich bestimmt wieder bei euch melden, wenn er Sehnsucht hat. Oder einen freien Platz im Terminkalender.“

„Habt ihr euch mittlerweile für einen Namen entschieden?“, lenkte Mirka auf ein anderes Thema um, „ihr hattet ja einige zur Auswahl.“

Luna grinste breit und zupfte eine wenig an dem Deckchen rum, in welches ihr Sohn eingewickelt lag.

„Yuriy. Wir haben uns für Yuriy entschieden...“

„Ein wunderschöner Name!“

In diesem Moment klopfte es an der Tür und ein junger Mann trat ein. Als er diese herzliche Szene bemerkte hielt er kurz inne und fühlte sich anscheinend wie das fünfte Rad am Wagen.

„Ari!“, begrüßte Luna ihn herzlich und winkte ihn zu sich, „komm rein!“

„Ich...kann...nicht...“, sagte der Junge zögernd und blickte verlegen zu Mirka.

Diese verstand sofort und ließ traurig die Schultern hängen.

„Ihr habt schon komische Regeln“, bemerkte Tala und übergab seinen Sohn wieder an Luna und ging zu Adrian rüber, „ich möchte mich im Namen all meiner Teammitglieder bei dir für deine Unterstützung bedanken! Du hast außerdem nicht nur uns sondern auch Mirka das Leben gerettet!“

Der Rotschopf umarmte den Franzosen herzlich.

„Wir werden uns bestimmt irgendwann wieder über den Weg laufen“, meinte Adrian und rieb sich unsicher die Hände.

Er blickte Mirka an, nickte Luna zu und wünschte ihnen alles Gute bevor er das Zimmer wieder verließ.
 

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Daniellé Hiwatari verschloss den Verband an ihrem Handgelenk und begutachtete noch einmal das Röntgenbild. Er nickte und blickte die junge Frau zuversichtlich an.

“Es ist tatsächlich nur geprellt. Es muss unbedingt geschont werden, der Rest erledigt sich dann von alleine.”

“Danke Dr. Hiwatari.”

“Haben Sie jemanden, zu dem Sie gehen können?”

Anastasia seufzte niedergeschlagen und blickte traurig auf ihre Hände in ihrem Schoß. Kaum sichtbar schüttelte sie schließlich den Kopf.

“Es ist normalerweise nicht meine Aufgabe mich darum zu kümmern...”, meinte Danny und legte eine Hand auf seine Hüfte, “aber ich denke ich kann da jemanden fragen.”

“Sie werden mich wohl kaum bei sich aufnehmen, nach allem was ihnen wegen mir und meinen Geschwistern passiert ist”, lächelte Anastasia traurig.

“Fragen kostet nichts”, versuchte der Arzt sie ein wenig aufzumuntern.

Die junge Frau erwiderte nichts. Genau in diesem Moment klopften die Polizisten von vorhin an die Tür und traten ein. Sie erkundigten sich bei Daniellé, ob sie die junge Frau kurz zu den Ereignissen befragen könnten. Der Arzt nickte ihnen zustimmend zu, bevor er sich ein letztes Mal an Anastasia wandte.

“Ich werde sie einfach fragen. Auch wenn es nur vorüber gehend sein wird, Sie brauchen eine Unterkunft.”

Ohne ihre Antwort abzuwarten verließ Danny das Zimmer und die beiden Männer traten an das Krankenbett heran.

“Sie sehen Ihrer Schwester wirklich zum verwechseln ähnlich”, bemerkte der eine und betrachtete die Fotos in seiner Akte.

“Natürlich. Wir waren Zwillinge.”

“Waren? Zur Zeit gelten Ihre Geschwister bis auf Valentina als nicht auffindbar. Oder haben Sie gesehen, wie Anastasia ums Leben gekommen ist?”

Die junge Russin blickte erschrocken auf.

“Ich bin Anastasia...”, hauchte sie dann.

“Tatsächlich?”, fragte der andere Polizist und blickte ebenfalls auf die Fotos, “tut uns sehr Leid, Sie verwechselt zu haben. Aber die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend! Ich könnte die beiden Frauen auf gar keinen Fall auseinander halten.”

“ICH BIN ABER ANASTASIA!”

“Das sollte Sie keinesfalls beleidigen!”, versuchte der andere Polizist sie wieder zu beruhigen, “wir wollten nur noch ein paar ungeklärte Fragen stellen. Sofern Sie jetzt noch dazu im Stande sind...”

“Ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen wollen. Meine Familie hat mich verstoßen, also was habe ich noch zu verlieren?”

Die beiden Männer warfen sich einen unsicheren Blick zu, dann ordneten sie ihre Akten und begannen Anastasia zu verhören.
 

Einige Stunden später, die Polizisten waren bereits seit einer Weile wieder gegangen schreckte Anastasia in ihrem Bett auf. Sie horchte angestrengt und krallte ihre langen Finger in die Bettdecke. Hatte es eben geklopft? Oder war sie mittlerweile dermaßen paranoid geworden, dass sie sich schon Sachen einbildete?

Da! Schon wieder! Nein, sie hatte es sich wirklich nicht eingebildet!

“H...Herein...!”

“Deine Stimme zittert ja richtig”, kicherte die Person, welche eintrat und blickte Anastasia eiskalt an.

“A...ABER!!”

“Hallo Schwesterchen”, lächelte Svetlana, sprang in einem eleganten Satz zum Krankenbett und presste ihre Hand auf Annas Mund, mit der anderen hielt sie ihr ein Skalpell an den Hals, “ich habe dich auch vermisst!”

Anastasia war starr vor Schreck, ihre Augen bis zum Anschlag aufgerissen und ihr Blaseninhalt entleerte sich sofort. Bei diesem Anblick musste Svetlana ein helles Auflachen unterdrücken und presste ihre Hand nur noch fester auf den Mund ihrer Schwester.

“Immerhin hast du nicht vergessen, welchen Stellenwert du in unserer Familie durch dein Versagen erhalten hast. Sehr schön! Das ermöglicht mir gleich an der Stelle fortzufahren, an der wir letztens unterbrochen wurden.”

Anastasia wagte es nicht zu blinzeln, wodurch ihre Augen bereits zu schmerzen begannen. Svetlana schwang sich in einer eleganten Bewegung ein Bein über ihre Zwillingsschwester, so dass sie jetzt in Reiterposition auf ihr saß. Ihr Gewicht fühlte sich für Anna wie mehrere Tonnen an, ihr blieb die Luft weg, doch sie traute sich nicht um mehr Sauerstoff zu flehen. Diesen Gefallen würde sie ihrer Schwester, welche sie verstoßen hatte nicht gönnen. Ehr würde sie lieber sterben!!

“Ich habe natürlich alles mitbekommen, was Doktor Hiwatari vorhin zu dir gesagt hat. Das hat dem Meister sehr gut gefallen, so können wir nämlich weiterhin in der Nähe von Tala und seinen Freunden bleiben. Weißt du...durch Kais Flammenaktion konnte die Transfusion nicht beendet werden, doch wir sind sehr zuversichtlich, dass wir die Sache trotzdem beenden können! Ach? Das weißt du ja noch gar nicht...”

Anastasia starrte Svetlana fest in die Augen. Kalte Schweißtropfen rannen ihr über die Stirn und ihr Körper begann unter dem Mangel an Sauerstoff zu zittern. Wie naiv muss sie gewesen sein, ernsthaft geglaubt zu haben, dass sie jetzt ein neues Leben hätte führen können?

“Valentina hat es tatsächlich erwischt...das Bergungsteam der Polizei hat aber lediglich nur Teile ihres Körpers bergen können. Der Rest ist wohl vom Felsen zerkleinert worden.”

Svetlana deutete ein leichtes Schulterzucken an, was Anastasia Tränen in die Augen trieb.

“Selbst Dimitri hat überlebt. Kais direkter Flammenangriff hat ihn zwar ganz schön zugesetzt, allerdings konnte ich seine Wunden als ausgebildete Krankenschwester bestens versorgen. Dann bleibst nur noch du übrig...”

Anastasia versuchte jetzt mit aller Kraft ihren Mund zu befreien. Sie musste die anderen unbedingt warnen!

“Guck mal”, kicherte Svetlana leicht hysterisch und hob ihre rechte Hand vor das Gesicht ihrer Schwester, “ich habe mir sogar dieselbe Hand verbunden, damit der Schwindel nicht auffällt! Wenn selbst die geschulten Polizisten dich für mich halten dann wird es umgekehrt genauso sein!”

Svetlana verlagerte augenblicklich ihr Gewicht, presste beide Hände auf Mund und Nase ihrer Zwillingsschwester und drückte zu.

Es war ein kurzer Kampf gewesen. Selbst Svetlana blickte verwundert in die leeren Augen ihrer Schwester, als es vorbei gewesen war. Hatte Anastasia bereits schon aufgegeben, als sie ins Zimmer gekommen war? Gut möglich...

“Irgendwie...schade...”, flüsterte Svetlana ihrer toten Schwester zärtlich zu, “ich hatte irgendwie mit mehr Widerstand gerechnet...du enttäuscht mich schon wieder.”

Gleichgültig schwang sie sich von Anastasia runter, wickelte sie in das Laken ein, als es plötzlich wie aus dem Nichts an der Tür klopfte.

Daniellé betrat das Zimmer und blickte auf die junge Frau, welche aufrecht im Bett saß und zu ihm Blickte. Ihre Augen, diese wunderschönen türkisfarbenen Augen funkelten in der Sommerlichen Abendsonne wie die Augen einer Katze, welche gerade ihrer Beute auflauerte. War das...dieselbe Frau wie von vor ein paar Stunden?

“Anna?”, fragte er also vorsichtig und trat an das Krankenbett.

“Ja?”

Tatsächlich! Es war Anastasia! Svetlana könnte ihren russischen Akzent niemals so gut verbergen, wie ihre Schwester. Außerdem war diese ja spurlos verschwunden...

“Ich habe mit den Jungs geredet. Sie haben nichts dagegen, dich für eine Weile bei sich aufzunehmen.”

Die junge Frau setzte eine erleichterte Miene auf und seufzte tief. Sie nickte Danny aufrichtig zu und bedankte sich für seine fürsorgliche Hilfe. Dann bemerkte Daniellé plötzlich, dass sich unter dem Bett eine kleine Pfütze gebildet hatte.

“Oh...es tut mir so leid!”, schämte sich die junge Frau und wurde augenblicklich rot im Gesicht, “ich hatte einen Alptraum...Sie wissen schon...die Ereignisse der Letzten Tage...”

“Das macht doch nichts. Ich werde den Schwestern Bescheid geben, damit sie ein neues Bett bringen.”

Erst als der Doktor wieder gegangen und seine Schritte auf dem Flur verhallt waren ließ Svetlana das Skalpell unter der Bettdecke wieder los. Schnell schwang sie sich aus dem Bett und ging zum Fenster, um dieses zu öffnen. Dimitris Gesicht erschien kurz darauf und die beiden schwangen Anastasias leblosen Körper, welchen sie in Bettlaken gewickelt hatten hinaus in die dunkle Sommernacht.
 

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Bryan nahm den Strohhalm seines Getränks in den Mund und zog genüsslich daran, während er vor der Umkleidekabine darauf wartete, dass sie heraustrat. Hinter dem Vorhang konnte er sie leise fluchen hören und musste schmunzeln.

„Stell dich nicht so an!“

„Ich kann einfach nicht glauben, dass du mir so einen Fummel ausgesucht hast!“

„Du bist ein Mädchen und es ist Sommer! Ich laufe doch auch mit kurzen Hosen herum.“

„Ja aber das hier...“

„Sag mir jetzt bloß nicht, dass dunkelblau dir zu bunt ist“, lachte Bryan und steckte sich erneut den Strohhalm in den Mund, „bist du endlich fertig? Wir sind spät dran...“

„Ich weiß nicht...“

Der Russe verdrehte genervt die Augen und zog den Vorhand ruckartig beiseite. Die junge Frau fuhr erschrocken herum und blickte ihn mit ihren großen türkisfarbenen Augen an. Als Bryan sie eine Weile wortlos betrachtete klemmte sie nervös eine breite Haarsträhne hinter jedes Ohr und sah verlegen zur Seite.

„Sieht doch gut aus“, kommentierte der schließlich und zog Anastasia aus der Kabine, „hier sieh selbst!“

Er stellte die junge Russin vor einen großen Spiegel, wo sie sich unsicher drin beäugte und an dem Sommerkleid herumzupfte. Ihre rotbraunen Locken fielen locker über ihre Schultern und der Stoff des Kleides hing ab der Taille in weichen Falten und ging ihr bis zu den Knien. Ihre Füße steckten bereits in schmalen Riemchensandalen welche einen minimalen Absatz hatten.

„Ich hätte mir so etwas niemals selber ausgesucht...“, murmelte sie und drehte sich vor dem Spiegel.

„Ach was du nicht sagst“, grinste Bryan breit und beäugte die Kleidungsstücke, die sie sich ausgesucht hatte.

Lange Hosen, langärmelige Oberteile, Stiefel und alles in schwarz. Spencer trat neben seinen Teamkollegen, erblickte Anastasia und pfiff anerkennend, woraufhin sie sofort rot anlief.

„Nur nicht so schüchtern“, kicherte der Riese und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter, „du bist jetzt eine von uns. Von den Guten! Da musst du nicht mehr wie auf einer Geheimmission herumlaufen.“

„Na komm schon! Lass uns die restlichen Sachen einpacken und bezahlen! Ich will zu Hause sein, wenn Tala und Luna eintreffen.“

„Seit ihr euch auch vollkommen sicher, dass ich mit darf?“, fragte Anastasia schon wieder nach.

„Zum letzten Mal! Du hast uns geholfen von da unten zu fliehen und du bist eine talentierte Bladerin. Mehr brauchte Tala nicht zu wissen. Außerdem: wo willst du völlig alleine überhaupt hin? Komm erst mal wieder auf die Füße und wenn du dann immer noch ausziehen willst kannst du das machen.“

Bryan legte eine Hand auf ihren Rücken und schob sie so in Richtung Kasse und schließlich zum Ausgang. Jetzt, da die heiße Sommerluft sich nicht mehr wie eine Sauna für Anastasia anfühlte ging es ihr gleich viel besser. Ab und zu blieb sie achtsam stehen und blickte sich um, doch Spencer und Bryan ließen ihr irgendwann keine Möglichkeit mehr dazu und schoben sie als weiter.

„Bevor wir nach Hause fahren: brauchst du noch irgendwelche Mädchensachen?“

„Was für Mädchensachen?“

„Na du weißt schon...Creme, Taschentücher...Haarbürste...diese kleinen Wattedinger, mit denen ihr euch ausstopft?“

Anastasia blickte Bryan ungläubig an, erwiderte jedoch nichts.

„Kondome...?“, fügte Bryan mit einer unbeholfenen Handbewegung hinzu, woraufhin sie ihn nur noch ungläubiger anglotzte.

Spencer lachte auf und schüttelte den Kopf, bevor er ihr die Autotüre aufmachte.

„Ich glaube darum soll sich später Luna kümmern. Die kennt sich damit schließlich besser aus, als wir.“

Eine halbe Stunde später schloss der Riese die Wohnungstür auf und zeigte Anastasia Lunas altes Zimmer, worin sie ab jetzt schlafen würde.

„Es ist wunderschön...“, schwärmte die junge Frau und blickte sich mit funkelnden Augen um, „ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal in einem sauberen Bett geschlafen habe...“

Spencer setzte ein trauriges Lächeln auf, sagte jedoch nichts.

„Haben wir noch Essen im Kühlschrank?“, rief Bryan vom Flur aus und riss die beiden so aus ihren Gedanken, „ich bin am verhungern!“

„Hast du nicht vorhin erst zwei Burger gegessen? Und einen großen Slushie?“

„Ich bin ein großer Junge!“, lachte dieser, „außerdem muss ich wieder zu Kräften kommen!“

„Amanda war sicher einkaufen.“

Spencer folgte seinem Kumpel in die Küche und ließ Anastasia allein in ihrem neuen Zimmer. Sie striff mit der Hand über das Bett und wunderte sich wie weich die Bettdecke war. Vorsichtig setzte sie sich darauf und versank buchstäblich in der Matratze.

“Wirklich sehr bequem”, lächelte die junge Frau zufrieden, legte einen Finger an ihr Ohr und sprach deutlich ruhiger, “ich bin im Nest.”

“Sehr gut, das heißt, dass du definitiv für Anastasia gehalten wirst. Mach erst mal weiter so und warte auf mein Zeichen!”

“Verstanden...”

„YEAH! ESSEN!!“, hörte sie Bryan laut auflachen, „auf deine Frau ist eben Verlass!“

„Sie ist nicht meine FRAU!“, wehrte Spencer ab.
 

Einige Stunden später wurde ein Schlüssel in der Wohnungstür gedreht und Tala und Luna traten mit ihrem Sohn herein. Sie wurden von Spencer und Bryan herzlich begrüßt und der Kleine gurrte vor sich her. Als die beiden an Lunas altem Zimmer vorbei gingen guckte diese hinein und bemerkte Anastasia auf dem Bett sitzen.

„Hallo. Wie geht es dir?“

Die Russin blickte nervös auf nickte stumm und stand vom Bett auf.

“Ich...würde dir ja gerne die Hand geben...”, murmelte Anna und hob ihre verbundene rechte Hand.

“Ach”, winkte Luna gleichgültig ab, „schickes Kleid! So hätte ich dich nicht wieder erkannt.“

„D...danke.“

Luna zog einen Schmollmund, setzte Yuriy im Maxi Cosi ab und umarmte Anastasia fürsorglich, was dieser dicke Tränen in die Augen trieb.

„Du hast uns allen geholfen...dafür möchte ich mich bei dir bedanken!“, flüsterte Luna auf russisch und drückte sie noch mal kurz fester, „wenn ich dir irgendwie helfen kann, dich hier wohler zu fühlen, dann frag mich einfach, okay?“

Anastasia nickte erneut stumm und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Luna streichelte ihr über die Schulter und ging dann in die Küche, wo die Blitzkrieg Boys auf die Geburt von Talas Sohn anstießen.

„LUNA! Wodka?“

„Spinnst du? Abgesehen davon, dass ich immer noch Antibiotika nehmen muss stille ich zudem auch!“

„Aber wir müssen feiern!“

„Tala feiert für mich mit“, kicherte die Frau und gab ihrem Freund einen vielsagenden Kuss auf die Wange.
 

Am nächsten Morgen schlich sich Svetlana beinahe völlig Geräuschlos in die Küche und öffnete wie selbstverständlich den Kühlschrank. Er war tatsächlich vollgestopft mit sämtlichen Leckereien, welche sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Sie langte in eine Schale, worin sich aufgeschnittenes Obst befand und schob sich ein Stück in den Mund.

„Hm...“, schmollte sie und rieb sich die Wangen, „das ist so...gut...“

„Das ist eine Wassermelone“, ertönte plötzlich hinter ihr eine Stimme und ließ sie zusammen schrecken.

Tala lehnte seinen nackten Oberkörper lässig über die Kücheninsel und blickte Svetlana mit seinen stechenden Augen intensiv an, was der jungen Frau beinahe einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Die beiden Russen starrten sich für einige Sekunden wortlos an, dann bewegte sich Talas Mundwinkel zu einem verlegenen Grinsen und er machte eine unbeholfene Geste in ihre Richtung.

„Sorry. Ich wollte dich nicht erschrecken“, entschuldigte er sich.

„Ich werde mich an meine neue Umgebung gewöhnen müssen. Und an die neuen Leute, welche dort leben...“, erwiderte Svetlana und ließ die Gabel, mit der sie eben noch das Obst aus der Schale gegessen hatte langsam hinter ihren Rücken verschwinden.

„Nimm dir die Zeit, die du brauchst.“

„Habe ich dich geweckt?“, fragte sie und ging in die andere Richtung um die Kücheninsel herum.

Der Griff um die Gabel verstärkte sich, je näher sie an Talas Seite kam. Dimitri und Boris hatten ihr zwar gesagt, dass sie auf deren Zeichen warten sollte...

Er stand jetzt nur noch knapp einen Meter vor ihr, blickte auf die Schale mit frischen Obst auf der Theke vor sich. Wenn sie jetzt schnell zuschlug...und die Halsschlagader erwischte...

Svetlanas Hand, welche die Gabel feste im Griff hatte begann zu zittern, sie machte noch einen kleinen Schritt auf Tala zu und atmete sie ruhig aus. Genau in diesem Moment wandte der Rotschopf wieder den Blick zu ihr.

„Nein. Der Kleine wacht bald auf und ich möchte Luna noch ein bisschen schlafen lassen“, murmelte Tala und schaltete den Wasserkocher an, „also übernehme ich die erste Runde füttern.“

Svetlana blickte auf Talas nackten Rücken und bemerkte Boris' Tätowierung auf Höhe seines Steißbeins. Sie schluckte schwer bis sie bemerkte, dass sich der Rotschopf mittlerweile zu ihr umgedreht hatte und ihr direkt in die Augen sah.

„Was ist?“, fragte er, “stimmt etwas nicht?”

„Das...Tattoo.“

„Ja.“

„Hast du nie daran gedacht...es entfernen zu lassen?“

„Habe ich. Sehr oft sogar.“

„Aber du hast Angst vor den Schmerzen?“

„Glaub mir...“, lachte Tala müde auf und schüttelte den Kopf, „nichts war, ist oder wird jemals so schmerzhaft sein wie dieses Tattoo, als ich es bekommen habe. Es geht mir ehr darum, was ich damit verbinde. Wer ich mal gewesen war und wer ich jetzt bin.“

Svetlana ließ den Griff um die Gabel etwas lockerer werden und die Schultern hängen, woraufhin Tala den Kopf schief legte. Sie musste sich beherrschen. Nichts überstürzen und vor allem nicht aus ihrer Rolle fallen! Egal was es sie kosten würde...

„Ich muss dir nicht leid tun. Wie gesagt: ich kann es mir jeder Zeit entfernen oder überstechen lassen“, riss der Rotschopf sie aus ihren Gedanken.

„Bis vor zwei Wochen wäre ich noch stolz darauf gewesen...genau diese Tätowierung auf der Haut zu tragen...“

„Boris hatte schon immer einen Riecher für Kinder gehabt, welche er leicht manipulieren konnte, die ihm ohne zu zögern jeden Befehl ausgeführt haben. Auch wir waren solche Kinder. Und jedes Mal, wenn ich an diese Zeit zurückdenke frage ich mich, wieso ich so naiv und leichtgläubig gewesen war. Es wird lange dauern und einiges an Kraft kosten, bis du dich davon erholen wirst...sollte dir das jemals vollkommen gelingen.“

Svetlana presste ihre Lippen aufeinander, während ihre Hand sich dermaßen verkrampfte, dass sich die Gabel darin leicht verbog. Sie beobachtete, wie der Chef der Blitzkrieg Boys das Fläschchen für seinen Sohn zusammen mischte und überlegte tatsächlich für den Bruchteil einer Sekunde das erste Mal in ihrem Leben Boris gegenüber ungehorsam zu sein und Tala gleich hier und jetzt abzustechen...

Sie entschied sich kurzerhand dagegen und legte völlig geräuschlos die Gabel auf die Theke, bevor sie ohne ein weiteres Wort zurück in ihr Zimmer ging. Tala drehte sich um und stutzte. Wann war Anastasia bitte wieder gegangen? Er hatte keine Schritte gehört, geschweige denn das Klicken der Tür, als diese ins Schloss gezogen wurde.

“Ich muss mehr auf Autopilot laufen, als ich gedacht hatte”, murmelte Tala zu sich selber, dann fiel sein Blick auf die Gabel auf der Kücheninsel.

War die schon die ganze Zeit dort gelegen...?



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