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Balance Defenders

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo!
In diesem Kapitel nimmt die Handlung etwas Fahrt auf und es kommt mehr Action rein.
Ich hoffe, es gefällt euch und ihr habt Spaß beim Lesen! :D

In meiner Word-Datei haben die Schatthen, wenn sie sprechen, eine eigene Schriftart, die etwas krakelig aussieht, um zu zeigen, dass sie nicht wie Menschen klingen. Ich habe es jetzt hier Fett gesetzt. Ich hoffe, ihr könnt es euch trotzdem vorstellen. :)

Wenn ihr euch das Kapitel gerne anhören wollt, könnt ihr das hier: https://youtu.be/kP33hy8vpUk Komplett anzeigen

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Der Angriff


 

„Was unbegreiflich ist,

ist darum nicht weniger wirklich.“

(Blaise Pascal, franz. Naturwissenschaftler)
 

Mitten in der Nacht erwachte Justin.

Ein merkwürdiges Geräusch hatte ihn aus den Träumen gerissen.

Verschlafen blinzelte er und stützte sich auf seinen Ellenbogen. Sein Zimmer bestand aus dem gleichen Durcheinander wie eh und je. Seine Augen wanderten zum Fenster.

Justin fuhr auf.

Er schloss die Augen, versuchte, das Hirngespinst zu vertreiben, doch als er wieder aufsah, hatte sich an dem Anblick nichts geändert.

In dem Zimmer des Nachbarhauses stand Vivien vor dem Etagenbett ihrer Geschwister, in den Händen eine Stehlampe, die sie schützend vor sich hielt. Dieser nicht unbedingt alltägliche, aber auch nicht sonderlich sensationelle Umstand stellte natürlich nicht die Ursache für Justins Schrecken dar. Es war das, was am anderen Ende des Raumes lauerte.

Es waren zwei. Ihre faulig-grauen Körper glichen vermoderten Kadavern. Die Konturen gingen in lohende Schwaden über, als würde ein Teil von ihnen stetig verdampfen. Ihre Gesichter ähnelten auf groteske, entstellte Weise denen von Menschen. Fast wie Totenköpfe, über die graues, verdorbenes Fleisch gezogen worden war. Nasenknochen waren nicht vorhanden, ebenso wenig wie jedwede Behaarung. Ihre Zähne und Klauen erinnerten an Raubtiere.

Justin riss sich von dem Anblick los, stürzte zu seiner Zimmertür, riss sie auf – erstarrte. Im Flur erwartete ihn bereits ein Trupp der gleichen Kreaturen.
 

Vivien fiel das Atmen schwer. Der Übelkeit erregende Gestank der Angreifer hatte den gesamten Raum verpestet. Verzweifelt versuchte sie, die Monster durch das Hin- und Herschwenken ihrer ‘Waffe‘ auf Distanz zu halten. Doch es genügte ein einziger Hieb einer der Kreaturen, um ihr die Lampe aus den Händen zu schlagen.

Vivien wich zurück. Mit letztem Mut breitete sie die Arme aus, um den Monstern den Weg zu ihren Geschwistern zu versperren – als hätte sie ihnen irgendetwas entgegenzusetzen gehabt.

Einer der Angreifer grinste, soweit man die Verzerrung seiner Fratze so nennen konnte.

Brauchen wir nicht.“, grunzte die Kreatur.

Die Erkenntnis, dass diese Wesen sprechen konnten, war für Vivien für einen Moment schockierender als der Inhalt des Gesagten.

Dieselbe Kreatur gab einen wütenden Kampfschrei von sich, der Vivien zusammenzucken ließ. Im gleichen Moment sprang das Monstrum auf sie zu.

Ehe Vivien überhaupt begriff, was vorging, hatte es sie mit seinen krallenbesetzten Armen gepackt und sein stinkendes Maul vor ihrem Gesicht weit aufgerissen. Es war jedoch kein Brüllen, das aus seinem Rachen kroch, sondern ein schwarzer Rauch, der sich wie etwas Lebendiges um ihr Gesicht legte.

Vivien packte das pure Grauen. Doch schon beim nächsten Atemzug verlor sie das Bewusstsein.
 

Justin hatte die Zimmertür zugeknallt und geistesgegenwärtig das Regal neben der Tür umgeworfen, um den Bestien den Weg zu versperren. Doch das würde sie nicht lange aufhalten. Er hastete in den hinteren Teil seines Zimmers, hin zum Fenster, sein Blick fiel erneut in das Zimmer von Vivien und ihren Geschwistern.

Der Anblick von Viviens leblos am Boden liegenden Körper verbot ihm jeglichen weiteren Gedanken.

Justin riss das Fenster auf, sah nochmals zurück zu seiner Zimmertür. Er erkannte, dass das Regal von den Stößen gegen die nicht abgeschlossene Tür immer weiter weg geschoben wurde. Es würde nicht mehr lange dauern.

Vorsichtig kletterte er aus dem Fenster und hoffte, dass das Rankgerüst an der Hauswand sein Gewicht tragen konnte. Zum ersten Mal war er dankbar dafür, dass seine Mutter so versessen auf dieses Gerüst gewesen war, obwohl sie überhaupt keine Kletterpflanzen besaßen. Auch dass er es hatte anbringen müssen, schien jetzt von Vorteil zu sein. Hätte Gary die Arbeit übernommen, wäre es sofort unter ihm zusammengebrochen.

So schnell er konnte, kletterte er nach unten, hörte nicht auf das unglückverheißende Knacken. Sein Herz raste. Dann spürte er, wie das Gerüst sich von der Hauswand löste. Er stürzte nach hinten.
 

Langsam klärte sich Viviens Blick wieder, auch ihre übrigen Sinne nahmen erneut ihren Dienst auf. Aggressive Laute drangen an ihr Ohr. Ein Zischen, Knurren und Drohen, in das sich vereinzelt derbe Schimpfwörter mischten. Es lag eine Brutalität darin, die sie ängstigte.

Meister gesagt! Immun!

Die Antwort kam in Form eines mordlüsternen Brüllens.

Vivien sah in die Richtung, aus der die Stimmen kamen.

Die beiden Kreaturen hatten sich in Kampfstellung begeben und zeigten einander Drohgebärden. Im nächsten Augenblick gingen sie aufeinander los.

Vivien zögerte, rappelte sich auf – kurz wurde ihr schwarz vor Augen - dann rannte sie.
 

Justin kämpfte mit dem stechenden Schmerz in seinem Rücken. Mit einem gequälten Gesichtsausdruck kroch er unter dem Gerüst hervor und humpelte auf das Nachbarhaus zu.

Die automatische Beleuchtung sprang an.

Die Haustür wurde aufgerissen. Jemand sprang ihm entgegen.

Vivien fackelte nicht lange. Sie fragte nicht, wo Justin herkam oder was geschehen war.

„Weg hier!“ Sie ließ ihm nicht die Zeit zu reagieren. Entschlossen packte sie ihn am Arm und zog ihn mit sich.

Verfolgt vom Brüllen der Dämonen rannten die beiden in die Nacht hinaus.
 

Der blasse Schein des Vollmondes fiel durch die offene Balkontür und tauchte Serenas Gestalt in fahles Licht.

Unbemerkt schlüpfte ein Schatten wie ein lebendiges Wesen unter dem Türschlitz hindurch ins Zimmer. Ein weiterer folgte. Sie wuchsen zu dreidimensionalen Gestalten heran, ehe die dunkelgrauen Ungetüme ihr wahres Äußeres vollends wiederhergestellt hatten. Augenblicklich breitete sich der Gestank von Vermodertem aus. Gleichzeitig wurde Serena immer unruhiger. Ein piepsendes, schrilles Geräusch pochte in ihren Ohren und zerrte sie aus dem Schlaf, als wolle es sie warnen.

Serena riss die Augen auf. Im gleichen Moment hätte sie sich gewünscht, es nicht getan zu haben. Der Anblick einer über sie gebeugten Bestie brannte sich in ihre Netzhaut. Sie wollte schreien – ihre Stimme versagte. Die Antwort des Dämonen war ein ohrenbetäubendes Brüllen, das sich anfühlte, als wolle es ihren Brustkorb zermalmen. Verfaulter Atem, wie zum Leben erweckte Friedhoftsluft, stob ihr ins Gesicht. Für einen Atemzug wollte Serena in eine Ohnmacht flüchten, doch ihr Körper ließ das nicht zu.

Sie versuchte, sich aufzurichten, um dem Wesen irgendwie zu entkommen, doch hinter ihm entdeckte sie eine weitere, die direkt vor ihrer Zimmertür stand.

Der Dämon gab ein Geräusch von sich wie ein schnaubendes Lachen. Dann schnappte es nach ihr. Sie kreischte auf und wich wimmernd in die Ecke ihres Bettes zurück.

Hämisch grinsend, wandte sich das Scheusal an seinen Kumpanen: „Die Schwächste!” Dann kehrte es sich wieder seinem Opfer zu.

Diese Augen! Schlangenhafte, tückische Augen, die von violetten Adern durchzogen waren und mordlüstern funkelten.

Seine Kralle schnellte zu ihr.

Entsetzt riss Serena ihre Arme vors Gesicht und kreischte.

Eine Sekunde verging. Zwei.

Nichts geschah.

Hektisch nach Luft schnappend, öffnete Serena wieder die Augen, glaubte fast, einer Wahnvorstellung erlegen zu sein, dann schreckte sie abermals zusammen.

Das abscheuliche Monstrum stand noch immer direkt vor ihr. Aus unerfindlichen Gründen hatte es mitten in der Bewegung gestoppt, war zur Salzsäule erstarrt. Mit Grausen erkannte Serena, dass seine Augen jedoch weiterhin umherkreisten, ehe sie ihre Beute wiedergefunden hatten. Unerbittlich hefteten sie sich auf sie, raubten ihr erneut den Atem.

Jenseits ihrer Panik versuchte Serena wieder zu sich zu kommen. Zwischen dem Dämon und dem Bett war ein kleiner Platz frei.

Sie schob sich an dem Monster vorbei aus ihrem Bett, stolperte, sah ängstlich zurück. Eine zweite Bestie stand hinter der ersten, war aber ebenso paralysiert.

Serena stürzte weiter, hinaus auf den Balkon, nach links. Sie kletterte ungeschickt über das Geländer, stand nun auf dem Dach der Garage, sah nach unten. Viel zu hoch für sie.

Hektisch sah sie sich in der Dunkelheit um. Die Bäume des Nachbargartens. Sie musste klettern.

Sie spürte die Äste unter ihren Füßen, fürchtete sich abzustürzen. Die Höhenangst ihrer Kindheit kam in ihr hoch. Wieder schluchzte sie. Sie wollte das alles nicht.

Sie klammerte sich an den Baum, suchte verzweifelt nach Halt.

Dann kletterte sie einfach.

Ein markerschütterndes Brüllen drang aus ihrem Zimmer. Vor Schreck ließ sie los und stürzte ab.

Es war nicht hoch gewesen, aber sie wäre am liebsten liegen geblieben. Wimmernd kam sie auf die Beine und rannte los.
 

Vitali schrie.

Vergeblich versuchte er, sich gegen die Angreifer zur Wehr zu setzen, doch er hatte nicht nur durch die Überzahl der Feinde keinerlei Chance. Er wurde gegen eine Wand gedrückt. Weiße Punkte tanzten vor seinen Augen. Hilflos rang er nach Atem.

Lebend!”, unterbrach die zweite Kreatur, worauf der Angreifer in der Bewegung stoppte und Vitali achtlos zur Seite schleuderte.

Er anwortete seinem Artgenossen mit einem hasserfüllten Brüllen.

Die zweite Bestie lachte hämisch, es klang wie ein hysterischer Raucherhusten. „Meister dich abschlachten!

Die erste Kreatur bleckte zornig die Zähne.

Vitali bäumte sich wieder auf. Alles tat ihm weh. Er fühlte sich wie eine Videospielfigur, die sich im blinkenden „Noch ein Schlag und ich bin tot“-Status befand. Und in diesem Zustand konnte man nur eins tun: Davonlaufen. Doch die Monster versperrten den Weg zur Treppe, dem einzigen Fluchtweg.

Neben sich erkannte Vitali die Tür zum Bad, auf der anderen Seite die zur Abstellkammer. Er biss die Zähne zusammen und richtete sich auf.

„So leicht bin ich nicht zu besiegen!”, rief er. Doch seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren heiser und fast tonlos.

Die Bestien wandten sich fauchend um. Vitali stürmte geradeaus und stieß die Tür zur Abstellkammer auf. Pfeilschnell folgten die Angreifer ihm. Gleich darauf fanden sie sich in einem stockfinsteren Raum mit allerlei Gerümpel wieder, doch von Vitali war keine Spur.

Vitali hielt die Luft an, er hatte sich hinter der Tür versteckt und wartete auf den richtigen Moment. Auf die gleiche Weise hatte er als Kind seine Mutter ausgetrickst, als sie ihn zur Taufe seines Vetters in einen Anzug hatte stecken wollen.

Die Monster taten einen weiteren Schritt in den Raum.

Jetzt!

So schnell er konnte, spurtete Vitali hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Augenblicklich konnte er das Gebrüll der Bestien vernehmen. Hektisch drehte er den Schlüssel um, eilte zur Treppe und rutschte auf ihrem Geländer hinab ins Erdgeschoss.

Gut, dass seine Mutter das nicht hatte sehen können. Nicht mal die Erklärung, dass er von Monstern gejagt wurde, hätte sie gelten lassen.

Mit einem Sprung kam Vitali unten an. Er hastete auf die Haustür zu und wollte hinausrennen.

Abgeschlossen.

Verdammt! Hätten diese Mistviecher nicht die Tür aufbrechen können!

Vitali stürzte mit flatterndem Herzen zurück zur Garderobe, an der alle Schlüssel hingen. Vor Aufregung fiel ihm der Schlüssel von der Halterung auf den Boden.

In Vitali verkrampfte sich alles. Er hörte ein heftiges Krachen im Obergeschoss. Diese Monster mussten die Tür zerschmettert haben. Wie lange würden sie noch bis zu ihm brauchen?

Wo war nur dieser verfluchte Schlüssel! In der Dunkelheit konnte er ihn mit bloßen Augen nicht sehen.

Halb den Verstand verlierend, tastete er den Boden ab, wollte vor Ärger schreien und vor Verzweiflung wimmern. Dann endlich spürte er das kalte Metall unter seinen Fingern.

Durch einen weiteren Adrenalinschub noch an Kraft gewinnend, jagte er zur Tür zurück. Doch noch immer spielte sein Körper gegen ihn. Das Zittern seiner Hände dauerte an und war durch die Ausschüttung des Stresshormons noch verstärkt worden.

Mit fahrigen Bewegungen versuchte er immer wieder, den Schlüssel in das Schloss zu stecken, vergeblich. In seine derben Flüche mischte sich das Geräusch eines Aufpralls hinter ihm. War einer seiner Verfolger von der Treppe gesprungen? Vitali zwang sich, sich nicht umzudrehen, während seine Angst ins Unermessliche wuchs. Er glaubte schon, den Atem des Ungeheuers im Nacken zu spüren und wandte mit dem Mut der Verzweiflung noch einmal sein letztes Quentchen Konzentration auf.

Als die Bestien die Tür erreichten, war Vitali bereits entkommen.
 

Ariane joggte weiter. Das fahle Licht der Straßenlaternen zog an ihr vorbei, wurde alle paar Meter von der Finsternis verschlungen.

Sie hatte sich einen winzigen Vorsprung erarbeitet. Jedenfalls hoffte sie das.

Hinter ihr waren keine Monster zu sehen, was durch die Dunkelheit allerdings nicht weiter verwunderte. Vielleicht hatten sie sie schon längst eingeholt und lauerten irgendwo in der dichten Schwärze, um sie im nächsten Moment anzugreifen.

Nach Hilfe zu rufen, würde die Bestien sie nur noch schneller entdecken lassen.

Kälte kroch an ihren bloßen, wunden Füßen hoch. Aber das war gerade ihr kleinstes Problem.

Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich gerade befand. Die Häuser und Straßen waren ihr fremd. So war sie einfach geradeaus gerannt, immer weiter, ungewiss, was sie am Ende des Weges erwarten würde. Kein öffentliches Gebäude, in dessen Eingang sie flüchten konnte, war in Sicht. Nirgends auch nur das geringste Lebenszeichen.

Sie hatte schon an mehreren Haustüren sturmgeklingelt, doch niemand hatte reagiert. Vielleicht war es ohnehin aussichtslos, mitten in der Nacht als Fremde im Schlafanzug mit der Begründung, sie werde verfolgt, Einlass in ein Haus zu erhalten.

Vor sich erkannte Ariane eine Baustelle und erinnerte sich vage daran, dass ihr Vater von einem Baugelände gesprochen hatte, direkt im Stadtzentrum neben seinem neuen Arbeitsplatz.

Ihre Kräfte ließen langsam nach. Vielleicht gelang es ihr, hier ein Versteck zu finden.

Sie erreichte das Gelände und sah sich um. Der Bau musste gerade erst begonnen haben. Überall standen Gerätschaften wie Bagger und Kräne. Vorsichtig ging sie ein Stück und versteckte sich hinter einem auf der Südseite platzierten Bagger. Sie bemühte sich, ihre Atemstöße unter Kontrolle zu bringen, um verdächtige Geräusche ausmachen zu können. Dann hörte sie es, hinter sich…

Sie wirbelte herum und hätte dem Angreifer fast die Nase mit ihren Handteller zertrümmert, wäre ihr nicht im letzten Moment eingefallen, dass die Monster keine Nasenknorpel besaßen. Sie stoppte gerade noch in der Bewegung und sah sich einem hochgewachsenen, dünnen Jungen in ihrem Alter gegenüber. Ihre Hand war nur Zentimeter vor seinem Gesicht zum Stehen gekommen.

„Was zum!“, stieß er aus und schreckte von ihr weg.

Sie zog ihre Hand rasch zurück.

„Was machst du hier?“, fragte sie.

„Ich hänge gerne an einsamen Orten ab.“, sagte er mit entnervter Stimme.

Ariane sah ihn irritiert an.

„Natürlich nicht!“

Ein Geräusch aus Richtung Westen ließ beide aufhorchen.

Sie sahen zwei Personen auf die Baustelle zu gerannt kommen.

Ariane und Vitali warfen einander einen fragenden Blick zu. Dem Gesichtsausdruck des jeweils anderen nach zu urteilen, kannte keiner von ihnen die beiden Neuankömmlinge.

„Hey!“, rief Vivien fröhlich, als sie und Justin den Baugrund erreicht hatte. „Öfter hier?“

Ariane und Vitali waren zu perplex, um darauf zu antworten.

Justin wollte gerade eine Frage stellen, als Vivien in Richtung Süden zeigte.

„Die Ich-will-gerettet-werden-Schlange wird ja immer länger.“, kommentierte Vitali.

Das Mädchen stolperte mehr als es lief. Sein Wimmern war selbst aus der Entfernung zu hören. Schließlich verlor es endgültig das Gleichgewicht und stürzte zu Boden.

Vitali fackelte nicht lang. Er rannte der Fremden entgegen.

„Warte!“, rief Justin ihm noch hinterher, doch Vitali war nicht mehr aufzuhalten. „Versteckt euch.“, sagte er zu Vivien und Ariane.

Die beiden schienen jedoch keine Befehle von ihm entgegen zu nehmen.

Dann begriff er, dass die beiden etwas anderes fixierten.

In der Ferne standen sie.

Ihre schaurigen Konturen hoben sich auf groteske Weise vom Horizont ab, wie etwas, das so verkehrt war, dass selbst die Dunkelheit es nicht als Teil von sich akzeptierte. Animalische Angriffsschreie durchdrangen die Finsternis.

Die Rotte jagte los. Ihrem menschenähnlichen Körperbau zum Trotz stürmten die Bestien auf allen Vieren auf ihre Beute zu.

Serena hatte sich derweil wieder aufgerappelt und bewegte sich nun humpelnd und schluchzend fort. Ihr Blick war durch die Dunkelheit und ihre Tränen getrübt, sodass sie die fremde Gestalt, die auf sie zu gerannt kam, erst registrierte, als sie sie erreicht hatte. Einen Schreckenslaut ausstoßend, wollte sie flüchten.

„Schnell!“

Vitali griff ohne große Reden nach ihrem Arm. Bevor sie reagieren konnte, hatte er ihren Arm um seine Schultern gelegt und rannte mit ihr los.

Erneut erklang das Kampfgeschrei der Dämonen.

Weiterlaufen!

Mit Serena kam Vitali jedoch nicht schnell genug voran. Das funktionierte nicht.

Er stoppte.

„Wir müssen kämpfen.“

Serena starrte ihn fassungslos an. Im Licht der Straßenlaternen wurde ersichtlich, dass er weder die Statur noch eine geeignete Waffe hatte, um sich gegen diese Monster zu wehren.

In diesem Moment erreichte Ariane sie. Ihr folgten Vivien und Justin.

Serena wunderte sich, wo sie auf einmal alle herkamen.

„Wir sind umzingelt.“, teilte Justin mit.

Zum Verstecken war es längst zu spät.

Aus allen vier Himmelsrichtungen strömten die Kreaturen. Je näher sie kamen, desto behutsamer wurden ihre Bewegungen. Langsam und vorsichtig pirschten sie sich an ihre Beute heran wie Raubtiere, die zum entscheidenden Sprung ansetzten.

Die fünf drängten sich dichter aneinander, sahen zu, wie die übermächtige Horde sie immer enger einkreiste.

Nur noch wenige Schritte.

Die Bestien begannen Kreise um sie zu ziehen, als wollten sie einen grotesken Reigen um die fünf tanzen.

Schließlich gingen ein paar von ihnen, die auf der zur Baustelle gelegenen Seite standen, beiseite und bildeten einen schmalen Gang.

„Wir sollen da lang gehen.“, interpretierte Vivien.

„Nicht mit mir!“, rief Vitali bestimmt und trat in einem Anflug von Heldenmut einen Schritt nach vorn.

Er bereute es sofort.

Eines der Wesen schnellte nach vorne und hätte ihn fast mit seinen Fangzähnen erwischt. Entsetzt sprang Vitali gerade noch rechtzeitig zurück und hätte dabei fast die anderen zu Boden gerissen.

Keiner von ihnen leistete mehr Gegenwehr.

Eng aneinander gedrängt gingen sie langsam durch die Reihe Dämonen.

Sorge, dass sich die Bestien auf sie stürzen und sie bei lebendigem Leib verschlingen würden, machte ihre Bewegungen steif und abgehackt.

Wie hypnotisiert stierten sie auf die Scheusale, im steten Wahn, jede Regung sei die letzte, die todbringende.

Wieder verzog eine der Kreaturen ihre Fratze und spuckte stinkenden Geifer auf sie. Einen Schreckensschrei ausstoßend, blieb die fünfköpfige Gruppe reflexartig stehen. Ein weiteres Ohren zerfetzendes Brüllen durchfuhr jede einzelne Faser ihres Körpers, als wolle es ihre Knochen zum Bersten bringen. – Der Befehl weiterzugehen.

Verstört torkelte das Menschenknäuel weiter. Der Weg führte sie direkt zurück auf die Baustelle.

Als sie den Grund betreten hatten, immer noch eng aneinander gedrückt, nahmen die Kreaturen plötzlich einen größeren Abstand ein.

Was…

Jäh brach eine schwarze Masse aus dem Boden hervor.

Die Substanz schoss wie eine Fontäne in die Höhe, traf sich über ihren Köpfen und formte dort eine feste schwarze Kuppel.

Sie schrien, konnten nicht flüchten. Das Gebilde schrumpfte und die Wände und Decke kamen immer näher.

Unversehens hob sich der Boden unter ihren Füßen.

Des Gleichgewichts beraubt, stürzten sie um, prallten gegen die schwarzen Wände der inzwischen gebildeten Kugel. Kälte strömte auf sie ein. Sie wurden immer mehr aufeinander gepresst, fürchteten, zerquetscht zu werden.

Endlich kam es zum Stillstand.

Dann ein Ruck.

Und die Kugel samt ihrer Gefangenen setzte sich in Bewegung.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Falls jemand sich wundert: Wenn die Schatthen doch einfach unter einem Türschlitz durchflutschen könnten, warum machen sie das nicht bei dem Angriff auf Justin und auf Vitali? In einem späteren Kapitel wird das ein bisschen erklärt. Die Schatthen setzen nämlich trotz allem lieber ihre körperliche Stärke ein.

Das nächste Kapitel folgt nächsten Freitag, 15. Mai 2020.

Bis dann! (^.^)/ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  CMH
2022-06-18T19:33:26+00:00 18.06.2022 21:33
Huch, und jetzt? Da muss ich wohl weiterlesen! 🤗
Von:  totalwarANGEL
2020-05-08T19:29:37+00:00 08.05.2020 21:29
Der Typ hat doch schon genug Minions. Was will er denn mit den 5? ;)
Antwort von:  Regina_Regenbogen
09.05.2020 00:26
Mit denen kann man halt so schlecht Gespräche führen. Und versuch mal so einem Schatthen Schach beizubringen! ;D


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