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Der Wächter

von

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Unerwarteter Überfall

Sie saß im Unterricht und kritzelte geistesabwesend auf ihrem Block herum. Edward neben ihr spielte, wie immer, den Musterschüler. Warum er das tat, war ihr ein Rätsel. Dabei kannte er den Stoff doch schon lange auswendig, so oft, wie er diese Klassenstufe schon durchlaufen hatte in seinem Leben. Segen und Fluch eines Vampirs; sie alterten nicht mehr und so musste er sich als Schüler ausgeben, wenn er in der normalen Gesellschaft wandeln wollte.

Bella sah auf ihr Gekritzel und konnte, wenn sie den Kopf leicht neigte, sogar eine Form sehen. Es war die Karikatur eines Wolfes und sie seufzte ein leises: „Jake.“

„Also ich finde nicht, dass ihm dieses Gemälde ihm ähnelt, aber ich habe ihn mir auch noch nie so genau angesehen“, meinte ihr Freund trocken, nachdem er einem prüfenden Blick auf ihre Zeichnung geworfen hatte.

Erneut seufzte sie und schaute zur Tafel, wobei sie kein einziges Wort des Lehrers mitbekam. Ihr bester Freund Jake hatte ihr übel mitgespielt. Fast wäre er für Edwards Tod verantwortlich gewesen. Das war nun aber schon mehrere Monate her und ihrem nun festen Freund ging es gut. Sie konnte ihn retten, traf danach aber auf die Volturi. Ein übler und mächtiger Haufen Vampire.

Nach ihrer Rückkehr hatte sie kaum an Jake gedacht. Sie war bei ihrem Edward und mehr brauchte sie nicht, um auf Wolke sieben zu schweben. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wollte sie auch nicht an ihn denken, nach dem was er getan hatte. Das war nun aber schon lange her und sie machte sich langsam wirklich Sorgen.

Klar war Edward nicht gerade begeistert davon, dass „Sie sich Umgang mit einem Wolf wünschte“, wie er es gerne ausdrückte, aber er hielt sie auch nicht davon ab. Für ihn zählte nur, dass sie glücklich war. Wenn sie mit dem Hund Stöckchen holen spielen wollte, sollte sie das ruhig machen. Solange er sie wohlbehalten wiederbekam, konnte er sich mit diesem Arrangement abfinden.

Da Bella schon seit knapp zwei Monaten versuchte mit Jake in Kontakt zu treten, dieser jedoch nicht reagierte, wollte er schon selbst zu den Wölfen gehen. Aber der Vertrag verbot ihm den Zutritt in das Revier des Rudels. Wären diese Wilden etwas umgänglicher gewesen, hätte er es gewagt, um Bella glücklich zu machen, aber so konnte man nie wissen, was dieser Haufen tollwütiger Hunde anstellen würde. Doch fiel ihm kein anderer Weg mehr ein. Jake reagierte nicht auf Bellas Briefe und wenn sie anrief, hob immer sein Vater ab.

Es klingelte und Edward sammelte ihrer beiden Sachen ein. Seine Freundin war zu sehr in Gedanken und da wollte er sie nicht mit solchen Kleinigkeiten stören. Dann nahm er beide Rucksäcke an sich und schob Bella sachte aus dem Raum.

Da es die letzte Stunde war, trafen sie sich in der Halle mit dem Rest seines Zirkels und gemeinsam verließen sie das Gebäude. Anschließend teilten sie sich auf, weil er mit Bella in seinem Wagen fuhr und das Auto der andern ein gutes Stück entfernt stand.

Er hatte nur Augen für seine Freundin und achtete in erster Linie darauf, dass sie in ihren Träumereien nicht gestört wurde. Plötzlich nahm er einen seltsamen Geruch wahr und seine Nackenhaare stellten sich auf. Instinktiv wusste er, dass dieses Aroma nichts Gutes bedeutete. Auch, wenn er den Duft weder einem Vampir, Menschen noch einem Wolf zuordnen konnte.

Sofort stellte sich Edward vor Bella auf und streckte einen Arm aus, um sie am Weitergehen zu hindern. Dann sah er sich wachsam um und versuchte die Gefahr zu erspähen. An seinem Wagen wurde er fündig. Dort stand ein eigenartiger Mann.

Rein optisch gesehen sah er aus wie ein Vampir, aber seine Haut war nicht blass und marmorartig. Auch die Augen passten nicht zu diesem Bild. Er hatte rotblonde kurze Haare, die ihm wirr vom Kopf standen und erstaunlich blaue Augen. Er sah genauer hin und konnte am Hals des Mannes die Venen pulsieren sehen. Auch hörte er dessen Herz schlagen. Also war es schon mal kein Vampir. Aber was war dieser Kerl dann?

Als hätte der Mann seinen Blick gespürt, sah er zu ihnen herüber und lächelte freundlich.

„Was ist denn los?“, fragte Bella, die wieder in der Realität angekommen war.

„Der Mann an meinem Auto riecht sehr seltsam“, flüsterte er und fügte hinzu: „Entweder denkt er nicht oder ich kann seine Gedanken nicht lesen.“ Diese Bemerkung galt nicht ihr, sondern den anderen Cullens. Auch wenn sie bereits in ihrem Auto saßen und bestimmt einhundert Meter weit weg waren, wusste Bella, dass sie ihn hören konnten.

Sie sah schnell in diese Richtung und betrachtete die Anderen, wie sie unbewegt kerzengerade dasaßen. Der Anblick wäre für alle anderen Schüler seltsam gewesen, wenn diese darauf geachtet hätten. Die vier sahen aus wie Statuen. Kein Härchen krümmte sich. Sie atmeten, aber auch nur, um etwas riechen zu können.

Dann wandte sie sich ab und dem Fremden zu. Dieser hatte sich ebenfalls nicht bewegt und lehnte immer noch an Edwards Auto. Offenbar wartete er darauf, dass sie zu ihm kamen. Diese Schlussfolgerung äußerte sie auch leise zu ihrem Freund.

Edward kam zu demselben Ergebnis und flüsterte: „Ich gehe allein und frage was er will, du gehst zu den Anderen.“

Bevor sie etwas erwidern konnte, schüttelte der Mann den Kopf. Dann deutete er auf sich und anschließend auf Bella.

„Das gefällt mir nicht“, murmelte Edward. Dieser Fremde hatte ihn gehört. Er war also auch kein Mensch.

Dann seufzte der Unbekannte, stieß sich locker vom Wagen ab und kam direkt auf sie zu.

Aus den Gedanken der anderen Cullens erfuhr Edward, dass sie ausgestiegen waren und ebenfalls zu ihnen kamen. Der Fremde war ihnen nicht geheuer und sie wollten kein Risiko eingehen.

Als sich alle trafen deutete der Mann eine leichte Verbeugung an und sagte mit einer melodischen Stimme: „Sei gegrüßt Bella. Ich bin Isaak. Ich würde mich gerne mit dir unterhalten.“

„Sie aber nicht mit dir“, blaffte Edward ihn unfreundlich an und stellte sich nun vollends vor Bella auf.

„Edward“, entrüstete seine Freundin sich und versuchte an ihm vorbei zu sehen.

Die Augen des Mannes blitzten gefährlich auf, als er seinen Blick auf den Vampir richtete. Dann sprach er mit ruhiger Stimme: „Ich habe nicht mir dir gesprochen, Vegetarier. Dein Verhalten ist sehr unhöflich. Aber was will man auch von einem der Deinen erwarten.“

Sprachlos wurde er von sechs Augenpaaren angestarrt. Dieser Mann kannte ihr Geheimnis.

Isaak kniff kurz die Augen zusammen und rieb sich die Nasenwurzel. Mit versöhnlicher Stimme sagte er: „Verzeih, auch ich vergaß meine Manieren. Ich bin kein Freund von deinen Verwandten und ich sollte euch nicht alle über einen Kamm scheren. Es liegt mir fern, einen Streit zu beginnen. Solange ihr euch an den Vertrag haltet, habe ich keinen Grund für Feindseligkeiten.“

Zu Bella Gewand sprach er einfach weiter: „Bella ich muss mit dir reden, es geht um Jake.“

Isaak hatte das magische Wort gesagt und Bella schob sich energisch an Edward vorbei. Dieser ließ sie gewähren, spannte aber die Muskeln an. Er und die anderen machten sich bereit jederzeit einzugreifen, um ihre Freundin zu schützen, wenn es sein musste.

„Was ist mit Jake?“, fragte Bella und achtete nur noch auf den Fremden.

Ein Seufzen entrann Isaaks Kehle und er stellte die Gegenfrage: „Bist du immer noch wütend auf ihn?“

Irritiert schüttelte sie den Kopf und fragte sich woher dieser Mann das wusste.

Dann erklärte Isaak: „Es geht Jake nicht gut. Du bist seine beste Freundin. Er könnte deine Hilfe gut gebrauchen.“

„Was ist denn los?“, wollte sie unbedingt wissen. In ihrer Stimme schwang eine leichte Hysterie mit.

Nachdenklich sagte er: „Es steht mir nicht zu, dir diese Information zu geben. Er würde es nicht wollen. Du musst ihn schon selbst fragen.“

Abermals seufzte Isaak und fügte hinzu: „Du darfst ihm aber auf keinen Fall sagen, dass ich bei dir war. Glaub mir, dass wäre nicht gut. Ich vermute, Jake würde sofort die Flucht ergreifen.“

„Ich verstehe nicht.“

„Du wirst es verstehen. Geh zu ihm er braucht dich. Jetzt mehr denn je.“ Dann griff er in seine Hose. Bei dieser Bewegung zischten die Vampire und gingen in Kampfhaltung.

Isaak beachtete diese Drohgebärde gar nicht und fragte Bella: „Wie gut bist du im auswendig lernen?“

Das Gespräch wurde immer absurder und sie erwiderte verunsichert: „Ganz gut, wieso?“

Dann zog er einen eigenartigen Anhänger an einer dicken Goldkette hervor wobei er erklärte: „Gib ihm dieses Amulett. Das wird ihm helfen. Aber er muss glauben, dass es von dir kommt. Sonst wird er es nicht tragen. Sag ihm einfach du hättest es in Volterra auf dem Markt erstanden, weil es dich an ihn erinnert, oder sowas in der Art.“

Dieser Mann wusste Dinge, die er nicht wissen sollte, dachte Edward und fragte zornig: „Woher weißt du das alles?“

Isaak wandte sich ihm zu und plauderte so dahin: „Man schnappt so das eine oder andere auf.“

„Gehörst du zu den Quileute?“, mischte sich Rosalie wissbegierig ein und rümpfte die Nase.

Nachdenklich musterte der Fremde sie und sagte nur ein Wort: „Nein.“

Emmet fragte angespannt: „Was bist du dann?“

Der andere ignorierte ihn, sah zu der Menschenfrau und hob die Hand mit dem Kleingut. Bella hob ebenfalls eine Hand und Isaak ging einen Schritt auf sie zu. Nun knurrten die Vampire leise und bleckten ihre Zähne. Abermals beachtete der Mann sie nicht und übergab ihr das Schmuckstück. Dann trat er einen Schritt zurück und das Knurren aus fünf Kehlen erstarb.

„Was ich dir nun sage musst du dir gut merken. Es ist sehr wichtig, dass du Jake Folgendes sagst…“
 

Zehn Minuten später düsten sie in Edwards Wagen über die Straße und fuhren auf das Reservat zu. Nachdem sie sich alles gemerkt hatte, was Isaak erzählte, schärfte er ihr nochmals ein: „Sag ihm auf keinen Fall, dass die Kette von mir ist oder, dass ich bei dir war.“ Dann hatte sich der Mann einfach umgedreht und war in Menschentempo gegangen, ohne sich auch nur noch einmal umzusehen.

Bella hatte noch viele Fragen, aber wichtiger war Jake. Er brauchte sie und sie würde sich diesmal nicht abwimmeln lassen. Also setzte sie sich resolut gegen die Einwände der anderen durch. Edward, der seine bessere Hälfte gut genug kannte, knickte schlussendlich ein. Aber, er bestand darauf sie zu der Grenze zu bringen und ihr dann seinen Wagen zu geben. Anschließend würde er sich im nahen Wald verstecken und auf ihre Rückkehr warten. Er wusste, dass sie zu Jake gegangen wäre, egal was alle anderen auch sagten mochten. Zur Not wäre sie auch gelaufen, da war er sich sicher. So konnte er sie wenigstens einen Teil des Wegs im Auge behalten.

Bella fuhr dieses Auto selten und wünschte sich ihren Truck. Mit dem kam sie besser klar, als mit diesem PS-Monster. Auch wenn sie es eilig hatte, fuhr sie langsam. Sie trauten den ganzen Pferdestärken nur dann, wenn Edward die Zügel hielt. Er konnte sie auch beschützen, sollte mal was passieren.

Langsam kam die Siedlung der Quileute mitten im Wald in Sicht. In ihrer Ungeduld ließ sie den Motor kurz aufheulen, dann bog sie auf den Weg ein, der zu Jakes Haus führte. Als sie dann, ohne einen Unfall zu bauen, ankam, sah sie ein Mitglied des Rudels im Wald verschwinden. Sie glaubte, dass es Paul sein musste, war sich aber auch nicht ganz sicher. Das Fell des Wolfs war sehr zerzaust gewesen. Aber Jake war es definitiv nicht. Ihn hätte sie ganz bestimmt erkannt.

Sie stellte das Auto neben dem Truck der Blacks ab, stieg aus und klopfte kräftig an die Tür. Warum hatten die Blacks eigentlich keine Türklingel, wie moderne Leute, fragte sie sich beim Wartete.

Dann plötzlich wurde die Tür so voller Wut aufgerissen, dass sie fast aus den Angeln sprang. Ein tobender Jake in einer kurzen schwarzen Hose kam zum Vorschein: „Paul, ich schwöre ich ziehe dir das Fell ab, wenn du nicht gleich…“ Er verstummte als er seinen Peiniger nirgends sah. Dann senkte er den Blick und fand Bella auf der Türmatte stehend vor. Er erbleichte und schmiss die Tür zu.

Aber damit hatte sie gerechnet und stellte ihren Fuß in den Spalt. Als die Tür sie traf durchzuckte sie ein stechender Schmerz und sie jaulte ein: „Aua.“

Sofort wurde die Tür wieder aufgerissen und Jake sah zu ihrem malträtierten Fuß hinunter. „Tschuldige“, nuschelte er verlegen und kniete sich hin, um ihre Verletzung zu untersuchen. Behutsam bewegte er das Gelenk und Bella zog scharf die Luft ein.

„Kannst du laufen“, frage er als er sie freigab.

„Geht schon“, antwortete die junge Dame und prüfte, ob das Bein ihr Gewicht trug. Sie dachte daran, wie sie das Edward erklären sollte. Er würde bestimmt gleich hier her rennen und Jake vermöbeln wollen. Andererseits sollte er es aber auch langsam gewöhnt sein, dass sie sich gerne mal aus Schusseligkeit verletzte.

Jake riss sie aus ihren Gedanken und blaffte: „Gut, dann geh jetzt wieder. Ich kann dich hier nicht gebrauchen.“

Abermals versuchte er die Tür zu schließen und abermals landete ein Fuß im Türspalt.

Wütend flog die Tür an die Hausinnenwand und er keifte: „Was soll das? Willst du etwa, dass ich dir weh tue?“

Stur, wie sie eben war, schritt sie nun auf die Schwelle, bohrte ihm einen Finger in die nackte Brust und motzte: „Nein, ich will nur wissen, warum du mich ignorierst.“

Er wich zurück und seine Mine wurde ausdruckslos als er sagte: „Du hast dich gegen mich entschieden. Warum glaubst du sollte ich noch Kontakt zu dir wollen?“ Jake wusste, dass seine Worte sie verletzen würden aber, dass war immer noch besser, als ihr die Wahrheit zu erzählen.

Isaak hatte sie gewarnt, dass Jake so etwas sagen könnte, um sie los zu werden. Deshalb war sie vorbereitet und schob sich einfach in das Haus. „Ich wusste, dass so etwas kommen würde. Aber, so leicht kommst du mir nicht davon, Mr. Bizeps.“

Kurz sah sie in das kleine Wohnzimmer und fand dort Billy vor, welche sie misstrauisch betrachtete. „Hi, Billy, wie geht’s dem Rücken?“, fragte sie ihn und der Mann erwiderte entwaffnet: „Hi, Bella. Wie immer schlecht.“

Jake war verunsichert. Damit hatte er nicht gerechnet. Sie würde sich wohl nicht so einfach verscheuchen lassen und er wollte ihr nicht mehr weh tun als nötig. Dennoch startete er einen zweiten Versuch: „Bella, du hast dich für einem Blutsauger entschieden. Wir sind natürliche Feinde. Geh einfach und mache es uns beiden nicht noch schwerer, als es ohnehin schon ist. Wir sind keine Freunde mehr, solange du mit denen rumhängst.“

Das traf sie dann doch etwas und sie zuckte kurz zusammen. Isaak hatte also recht gehabt: Hier war eindeutig was im Busch, so vehement, wie Jake sie verjagen wollte. Sie warf ihm schnell einen bösen Blick zu und wandte sich vom Wohnraum ab. Anschließend ging sie einfach weiter auf Jakes Zimmer zu. Als sie bemerkte, dass sich ihr bester Freund nicht rührte sagte sie spitzbübisch: „Bei Fuß, Jake.“

Dieser grollte und sah zur offenen Tür. Das entging seinem Gast allerdings nicht und Bella sagte: „Wenn du abhaust, dann niste ich mich so lange in deinem Zimmer ein, bis du bereit bist mit mir zu reden.“

„Das würdest du nicht machen“, versuchte er sich selbst zu überzeugen.

„Ich würde Sam um die Erlaubnis bitten, dass mir einer meiner Freunde meine Schulsachen vorbeibringt und mich zwischen hier und der Schule chauffieren darf.“ Nachdenklich fügte sie hinzu: „Vielleicht sollte ich als erstes Mal nachsehen, was die Herren so im Vorratsraum haben. Dann kann man auch gleich noch eine Einkaufliste erstellen. Ich nehme mal nicht an, dass ihr auf Frauenbesuch eingestellt seid, oder?“

Aus dem Wohnzimmer kam eine miesepetriger Konter: „Bella, ich habe auch noch zwei Töchter.“

„Stimmt ja. Dann wäre das geklärt. Billy was willst du zu Abend essen?“, fragte sie und wusste genau, dass sie gewonnen hatte.

Bevor der Hausherr antworten konnte, schloss Jake die Tür und sagte: „Ist ja gut. Ich komme schon. Kein Grund meinem Vater zu drohen.“

„Hey, ich kann kochen?“, platzte es aus Bella heraus. Aber sie hatte bekommen was sie wollte und ging in sein Zimmer. Dort schob sie mit den Füßen ein paar Kleidungstücke zur Seite, um sich Platz bis zum Bett zu verschaffen, wo sie sich anschließend niederließ.

Jake schloss auch die Zimmertür und warf sich falsch herum auf seinen alten Bürostuhl, sodass die Stuhllehne vor ihm war. Dieser ächzte und quietschte, als ob er schon sehr lange nicht mehr bewegt worden wäre. Oben auf der Lehne verschränkte er die Arme, legte den Kopf darauf nieder und starrte zu Boden. Dann herrschte Schweigen.

Die junge Dame besah sich ihr Gegenüber genauer. Jake sah schlecht aus. Dunkle Augenringe zeigten seine Müdigkeit und sein sonst so strahlendes Gemüt hatte sich in eine depressive Miene verwandelt. Zudem hatte er überall blaue Flecken, Kratzer und Bisswunden. Jedenfalls an den Körperpartien, die sie sehen konnte. Das fand sie sehr irritierend, wusste sie doch von den starken Selbstheilungskräften der Wölfe.

Nach den Abdrücken der Zähne zu schließen, hatte er sich entweder mit einem Rudel wilder Tiere angelegt, oder… Sie dachte an Paul, den sie gesehen hatte und Jakes Reaktion bei ihrem klopfen. Dann zählte sie eins und eins zusammen und verzog wütend das Gesicht. Für sie stand eindeutig fest, dass Paul für diese Wunden verantwortlich war.

Wenn sie den in die Finger bekam, würde sie ihn rund machen. Wobei sie sich nicht sicher war, ob Jake ihr das übel nehmen würde. Männer tickten eben anders und er könnte sich in seiner Ehre gekränkt fühlen, wenn sie sich einmischte. Sie seufzte schwer. Ja, das würde Jake ähnlich sehen.

Dennoch sah ihr bester Freund schlimm aus. Das konnte doch kein normales Gerangel sein, wie sie es schon so oft gesehen hatte. Da war doch noch mehr im Busch, sagte ihr ihre Intuition, welche überraschenderweise mal aus ihrer Lethargie erwachte. In der sie sich sonst immer versteckte. Immerhin war sie so „dumm“ sich in eine Killermaschine zu verlieben und ihre Intuition hatte einfach desinteressiert zugesehen.

Nach einer Weile seufzte Bella und sagte: „Ok, du willst nicht anfangen, dann mache ich das.“ Sie machte es sich bequem. Dieses Gespräch würde wohl einige Zeit benötigen, so wie Jake dreinschaute. „Jake, sieh mich an.“ Sie wartete bis er den Blick hob und zuckte zusammen. Seine Augen waren stumpf und abgekämpft. Allgemein wirkte er dem Zusammenbruch gefährlich nahe.

Was war hier nur los, fragte sie sich und versteckte ihre Reaktion in einem gekünsteltem Hüsteln. Hätte sie Billy nicht vor wenigen Minuten noch gesehen, dann hätte sie geglaubt, er sei gestorben, und das der Grund für das Auftreten seines Sohnes. Aber Jake hatte noch andere Geschwister. Bella dachte kurz darüber nach ihn darauf anzusprechen, entschied sich aber dagegen. Was auch immer in ihm vor sich ging, war etwas, das er anscheinend vor ihr zu verbergen versuchte. Gäbe es einen Todesfall in der Familie, dann hätte er sich bestimmt nicht so abgeschottet, entschied sie innerlich.

Von ihrem Vater wusste sie, dass Harry Clearwater an einem Herzinfarkt gestorben war, aber auch das schloss sie als Ursache aus. Sie musste wohl oder übel warten bis er mit der Sprache rausrückte.

„Jake, ich bin nicht mehr böse auf dich“, eröffnete sie und sah irritiert, wie er desinteressiert schnaubte, als ob das sein kleinstes Problem gewesen wäre. So langsam beschlich Bella eine dunkle Vorahnung. Jake war in sie verliebt und hatte bisher keinen Hehl daraus gemacht. Auch, wenn er es ihr nie ins Gesicht gesagt hatte, wusste sie es doch. Deshalb konnte diese Reaktion nur bedeuten, dass sich seine Gefühle ihr gegenüber geändert hatten, aber warum?

„Was ist los?“, versuchte sie einen Vorstoß.

Jake wandte sich von ihr ab und sagte nicht sehr überzeugend: „Nichts. Alles in bester Ordnung.“

„Jake, wir kennen uns doch schon so lange. Ich sehe es dir doch an, dass da etwas ist.“

Er schwieg ertappt, machte sich aber nicht die Mühe es zu leugnen. Das war sowieso sinnlos. Bella würde weiter bohren, egal was er sagte.

Erneut seufzte sein Besuch schwer. Dann schlug sie eine andere Taktik ein und wollte erstmal die Stimmung lockern. Mit einem Lächeln auf den Lippen offenbarte sie: „Ich habe dich vermisst, Jake. Du bist doch mein bester Freund. Und deshalb, habe ich dir etwas mitgebracht.“ Schnell griff sie ihn ihre Hosentasche und holte eine kleine Schatulle hervor.

Edward, geistesgegenwärtig, wie er eben war, hatte noch kurz einen Abstecher zu einem Juwelier gemacht und dort dieses Kästchen erworben, bevor Bella selbst daran gedacht hatte. „Ein Geschenk muss doch ordentlich verpackt sein“, hatte er gesagt. Und genau für solche Dinge liebte sie ihn über alle Maßen. Sie wusste genau, dass er das nur für sie tat. Damit es ihr gut ging.

Jake hingegen sah nicht mal auf und schnaubte nur: „Ich brauche nur meine Ruhe. Wenn du einfach gehen würdest?“

„Nein, je mehr du dich sträubst, desto mehr bohre ich nach. Du kennst mich doch. Egal. Nachdem ich Edwa…“ sie verhaspelte sich. Es war wohl keine gute Idee seinen Namen, oder den der anderen Cullens, vor ihm zu nennen. Schnell korrigierte sie sich: „Als ich über den Markt in Volterra schlenderte, habe ich das hier gesehen und musste an dich denken. Ich konnte gar nicht anders und habe es einfach für dich gekauft. Ich fand es würde dir gutstehen. Hoffentlich gefällt es dir.“

Nun war sein Interesse geweckt und Jake sah auf. Er sah auf das kleine Kästchen, welches Bella ihm hinhielt. Vorsichtig, als wäre es sehr zerbrechlich, nahm er ihr das Geschenk ab und öffnete die Klappe. Seine Augen wurden groß und er zog das Kleingut an einer großgliedrigen Goldkette heraus.

Der Anhänger hatte die Form eines Schildes oder Wappens: Oben abgerundet, unten spitz gezackt zulaufend. Es bestand aus einem dunkelroten, schuppenähnlichen Material, umfasst von einem mattgoldenen Rand. In der Mitte des etwa drei Zentimeter großen Anhängers war ein goldener Wolfskopf eingraviert. Erstaunt bemerkte er, dass die Augen des Wolfes aus Bernstein bestanden. Sie hatten dieselbe Farbe, wie seine eigenen in Wolfsgestalt und schienen von innen heraus zu leuchten. Kein Wunder, dass Bella bei diesem Schmuckstück an ihn hatte denken müssen.

Undeutlich nuschelte er ein „Danke“ und strich zärtlich über sein Geschenk, als liebkose er etwas ungemein Wertvolles.

„Ach, nichts zu danken“, winkte Bella ab.

Dann schüttelte Jake den Kopf und besann sich anders. Er legte den Anhänger zurück in die Schatulle und streckte den Arm zu ihr aus. „Ich kann das nicht annehmen. Das ist viel zu wertvoll.“

Bella verschränkte die Arme und bluffte: „Wenn du ihn nicht nimmst, werfe ich ihn weg.“ Beschwichtigend fuhr sie fort: „Der Anhänger war nicht teuer. Die hatten dort eine Menge von dem Zeug. Billiger Touristenkrempel eben. Bin mir nicht mal sicher ob das wirklich Gold ist, bei dem Preis. Ich konnte auch keinen Goldstempel finden, als ich nachgesehen habe. Die Kette allerdings ist aus Gold, denn sie ist von meiner Mutter. Ich habe sie aber nie getragen. Sie ist mir zu lang und liegt nur dumm rum. Ich fand schon immer, dass es eher eine Männerkette ist.“

Bedächtig zog Jake die Hand zurück und holte die Kette wieder hervor. Auch er fand keinen Stempel auf dem Anhänger. Die Kette hatte aber einen. Da dieses Geschenk nicht so wertvoll war wie angenommen, hatte er keinen Grund mehr abzulehnen. Es erfüllte sein Herz mit Freude, dass Bella an ihn gedacht hatte, nachdem was er ihr angetan hatte. Auch wenn es nur Tand war, für ihn war es sein wertvollster Besitz in diesem Moment.

„Als ich den Preis erfuhr, habe ich den Anhänger erst enttäuscht weggelegt. Ich wollte dir keinen Müll mitbringen. Aber der Verkäufer erzählte mir eine interessante Geschichte und da konnte ich dann nicht mehr an mich halten“, erzählte sie und tat so, als ob das wirklich geschehen war. Dann erinnerte sie sich an den auswendig gelernten Text und begann:

„Der Legende nach soll in der Gegend mal ein Drache gelebt haben. Mutige Männer erschlugen das Ungetüm und machten aus seinen Schuppen Schmuck. Dieser Schmuck soll erfüllt gewesen sein von der Macht des Drachen und so wurden die Dinger zu einer Art Aberglauben. Wer auch immer einen solchen Anhänger trägt, soll vor dem „Bösen Blick“ geschützt sein. Der Wolfskopf steht zudem für Stärke und Ausdauer. Sogar den Augen sagen sie mystische Kräfte zu. Die Bernsteine sollen helfen den Geist gegen jede Beeinflussung von außen zu schützen. Der Legende nach soll der Anhänger seinen Träger schützen und für Gesundheit sorgen.“

Sie lachte kurz auf. Das war ebenfalls Teil von Isaaks Anweisungen. „Nur schade, dass sie keinen Krebs heilen können oder unsterblich machen. Dann hätte ich mehr davon mitgebracht.“ Innerlich seufzte sie. Damit hatte sie ihre Rolle gespielt. Auch wenn sie nicht verstand, warum der Fremde so genaue Instruktionen gegeben hatte. Aber, so konnte sie Jake eine Freude machen und ihr schlechtes Gewissen beruhigen, weil sie keinen einzigen Gedanken an ihn verschwendet hatte, nachdem sie und Edward wiedervereint gewesen waren.

Der junge Mann musste einfach schmunzeln. Der Aberglaube mancher Leute war sehr erheiternd. Erneut dankte er ihr und machte Anstalten den Anhänger anzulegen. Aber seine Männerhände waren zu ungeschickt für den kleinen Verschluss und er schaffte es nicht die Öse einzuhängen. Schmunzelnd nahm Bella ihm das Schmuckstück ab und legte es ihm um.



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