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When you were young

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Inspired by When you were young by The Killers.

Mir gehört weder Weiß, noch das Lied. Dies ist ein Fanwork ohne Verbindung zum Original und ohne finanziellen Gewinn. Keine Beleidigungen oder Rechtsverletzungen beabsichtigt.

Immer wenn ich dieses Lied gehört habe, musste ich so sehr an Nagi denken, und sein Verhältnis zu Brad. Die letzte Szene war so unglaublich präsent für mich, dass ich nicht anders konnte als sie auf Papier zu bannen. Den Bogen dorthin zu spannen war allerdings nicht ohne. Ich hoffe es ist mir halbwegs gelungen. Viel Spaß!

Selbst probegelesen, es ist also sicher der Fehlerteufel unterwegs. Findet ihr etwas oder wollt etwas sagen, seit willkommen eine Nachricht zu hinterlassen. Ich freu mich, danke! Komplett anzeigen

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You sit there in your heartache

Waiting on some beautiful boy to

save you from your old ways

You play forgiveness

Watch it now ... here he comes!

~
 

Eine rote Pfütze begann sich langsam um den bewegungslosen Körper von Schwester Amamiya auszubreiten. Es war totenstill in der kleinen Kapelle, als ob schon ein einziger kleiner Atemzug, diese erdrückende Stille zerreißen könnte und damit den Wirbelwind an Gefühlen entfesseln, den sie fest und tief in sich barg.

Zwei Paar tiefblaue Augen bohrten sich förmlich ineinander mit ihren Blicken – seiner schmerzerfüllt und voller Reue, meiner entsetzt, voller Unverständnis.

„Verzeih mir, Nagi...“, wispert er noch und war im nächsten Augenblick schon wieder verschwunden, als wäre er nichts als ein Geist gewesen.

Ich konnte, wollte es nicht glauben. Dieser kaltblütige Mörder sollte Ken gewesen sein, mein Ken? Der Junge mit den fröhlichen Augen und dem warmen Lächeln, der mir immerzu versprochen hatte, dass er mich schützen würde?

Der einzige Mensch auf dieser großen, weiten Welt, der mein Schicksal kannte, der wusste, was die Leute mir alles angetan hatten, der einzige, den ich je so nah an mein Herz ließ? Ich hatte ihn schier nicht wiedererkannt. Es konnte doch einfach nicht sein. Er wusste doch, dass dieser Ort mir alles bedeutete, dass ich jetzt nirgendwo mehr hingehen konnte, nun endgültig alles verloren hatte.

Die Tränen die in meinen Augen brannten, zwangen sich frei, ließen das Zittern, das in meinem Inneren angestiegen war langsam, langsam nach außen dringen, bis zuerst der Boden, dann das ganze Bauwerk zu wackeln begann.

Ich sank auf die Knie, ergab mich meiner Trauer und dieser unnatürlichen Macht tief in mir, gegen die ich sonst so verbissen kämpfte. Es gab keinen Platz mehr für mich auf dieser Welt, keinen Grund mich noch länger durch sie zu quälen. Bewegungslos und still, die Augen geschlossen kniete ich dort, wie das Gebäude über mir einzustürzen begann. Gerade jedoch, als ich einen großen Brocken auf mich herunter sausen fühlte, wurde ich weg gezogen. Starke Arme waren eng um mich geschlungen, die zu einem Mann gehörten, der zwar weiß gekleidet, aber mit Sicherheit kein Engel war.....
 

~

He doesn't look a thing like Jesus

But he talks like a gentleman

Like you imagined when you were young

~
 

Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem warmen, sauberen Zimmer, auf dem weichesten Bett, das ich je gefühlt hatte. Normalerweise hätte mich diese nette Abwechslung durchaus erfreut, doch für jemanden, der seine komplette Existenz gerade verloren hatte, gab es so etwas wie Freude eben nicht mehr. Hastig zuckte ich weg von der Hand, die mir einen kühlen Lappen auf die Stirn legen wollte, fuhr hoch um befremdlich in das besorgte Gesicht meines Retters zu sehen.

Was ich vorher als Weiß gesehen hatte war nun tatsächlich mehr ein sattes Creme, in Form eines klassischen, maßgeschneiderten Anzugs, in dem ein Mann steckte, der zwar sicher noch in den 20ern war, aber eine viel zu ernste Aura um sich trug, die ihn gut 10 Jahre älter erscheinen lies. Die strenge Brille vor den faszinierenden amberfarbenen Augen, die trotz der warmen Farbe unglaublich kalt schienen, tat ebenfalls ihren Teil zu diesem Effekt.

„Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?“, hörte ich mich selbst geradezu lächerlich matt protestieren. Ein kleines, für mich nicht einzuordnendes Lächeln schlich sich auf die verhärtet wirkenden Züge, überraschte mich damit wie es sogar, wenn man ganz genau hinsah, warm und ehrlich wirkte.

Die Stimme die sich erhob war dunkel und samtweich, zeugte jedoch von lauernder Gefahr, die einem Gänsehaut bereitete.

„Mein Name ist Brad Crawford. Ich habe dich gerettet, da du großes Talent besitzt. Ich möchte dir ein Angebot machen, Nagi Naoe“

Nun gut, so langsam wunderte mich nichts mehr. Ich machte mir nicht mal die Mühe zu fragen, woher er meinen Namen wusste. Für einen Mann mit so einer allwissenden Ausstrahlung wäre das sicher eine Beleidigung gewesen.

Ein Kunststück war es nun wirklich nicht, den Namen eines einfachen Straßenkindes wie mir herauszufinden. Stumm nickte ich ihm zu, signalisierte ihm mir sein Angebot zu unterbreiten. Irgendetwas sagte mir, dass etwas großes am kommen war, dass sich viel ändern würde, doch ob das gut oder schlecht war, das konnte ich nicht beurteilen. Der Mann, Mr. Crawford wie er sich genannt hatte, strich sich eine schwarze Strähne seiner, für sein sonst so korrektes Auftreten, ein wenig zu langen Haare aus dem Gesicht und fuhr wie erbeten fort.

„Zu erst will ich, dass du weißt, dass du nicht der einzige mit solch ungewöhnlichen Fähigkeiten bist. Es gibt einige von uns, und jeder wurde von den Menschen geächtet, wie auch du, oder gar unterdrückt und systematisch vernichtet. Deswegen kämpfen wir, gegen die Menschen, für die Freiheit der Psi. Ich habe eine kleine Truppe um mich gescharrt, zu der auch du gehören würdest. Die Truppe nennt sich Schwarz und besteht außer mir aus Schuldig, einem Telepathen, und Farfarello einem Empathen. Ich bin im Übrigen präkognitiv. Mein Angebot lautet, freie Kost und Logie, dazu gute Bezahlung, dafür unterstehst du meinen Anweisungen und arbeitest für uns. Du wirst viel zu tun und zu lernen haben und auch töten wird normal sein. Denkst du du kannst das?“

Es kostete mich einige Minuten erst einmal zu registrieren und zu verdauen was ich da gerade eben gehört hatte. Es gab andere wie mich? Und sie nahmen mich einfach so auf, gaben mir einen neuen Grund zu leben? Ich würde lernen dürfen, nicht mehr dumm und wertlos sein? Obendrein würde ich mich an all diesen schrecklichen Menschen rächen können, verhindern, dass es anderen wie mir ergehen würde? Das alles klang viel zu gut um wahr zu sein.

Der Mann jedoch wirkte weder wie jemand der Humor hatte, noch wie jemand unehrliches. Dies war die beste Chance, die mir im Leben jemals geboten werden würde, und dumm war ich ja nun wirklich nicht. Zögerlich hob ich meinen Blick zu den kalten Amberaugen und nickte entschlossen.
 

~

Can we climb this mountain

I don't know

Higher now than ever before

I know we can make it if we take it slow

Let's take it easy

Easy now, watch it go

~
 

Seine erste Amtshandlung als mein offizieller Ziehvater war mich in eine schöne warme Badewanne zu packen. Ich hatte zwar oft von so etwas geträumt, aber diese Träume hätten die Wirklichkeit niemals auch nur erahnen lassen. Es war wundervoll gewesen, entspannt dort zu liegen, während angenehm warmes Wasser einen von oben bis unten komplett umschmeichelte und den dezenten Duft eines Badeöls um einen schweben ließ. Er hatte mir sogar einen schönen, weichen Pulli und eine bequeme Hose zurechtgelegt. Zu meinem Erstaunen passte beides wie angegossen und der leichte Farbstoffduft unter dem des Waschmittels bestätigte meine Vermutung, dass diese Kleider neu gewesen waren.

Dem Bad folgte ein, für mich, wahrhaftes Bankett der leckersten Dinge, die ich mir nur hätte vorstellen können. Ich kam mir vor, als wäre ich doch gestorben und im Himmel gelandet, aber Brad – wie ich alleine ihn nennen durfte – konterte mein stilles Staunen immer nur mit seinem leisen Lächeln und dem schlichten Kommentar, dass das alles „ganz normal“ sei.

Gleich am nächsten Tag brachte er mich zu einem Arzt, der ihm bestätigte, dass ich mich, abgesehen von einigen schlecht verheilten Knochenbrüchen und einer leichten Mangelernährung, bester Gesundheit erfreute. Nach außen hin unmerklich gut gelaunt von dieser Nachricht, nahm er mich mit auf einen ausgiebigen Streifzug durch eine riesige, teuer wirkende Mall.

Er dachte dabei wirklich an alles. Ein Friseurbesuch zum Auftakt, Maniküre und Pediküre dazu, Pflegemittel jeglicher Art und Weise, stundenlange Beratung bis ich von oben bis unten völlig neu eingekleidet war, Bücher und Spiele wurden besorgt, mit denen ich mich beschäftigen konnte und zu guter Letzt brachte er mich noch in einen Elektronikladen, wo er mich mit einem PC, einem Laptop und weiß der Kuckuck was nicht allem eindeckte. Ich würde ihr Computer-Ass werden und die Recherche leiten, erklärte er mir, bevor ich überhaupt nach dem Sinn fragen konnte.

Es brauchte mich nicht lange herauszufinden, dass Brad mir jeden Wunsch förmlich von den Augen las. Es war wirklich bizarr für jemanden wie mich so umhegt zu werden. Er bemerkte das wohl, denn zu meiner Erleichterung zog er sich, sobald ich mich etwas eingelebt hatte, den gröbsten Unterricht hinter mir und meine ersten Aufgaben vor mir hatte langsam immer mehr zurück, gab mir wieder den Freiraum, den ich benötigte. Er ließ mich arbeiten – ich war in der Tat, getreu seiner Vorhersage, sehr schnell sehr geschickt mit dem Computer geworden-, ich ließ ihn arbeiten, doch wenn auch immer es ein Problem gab war er sofort zur Stelle. Dem Rest von Schwarz, die nun wirklich sehr eigen waren, ging ich größtenteils schlicht aus dem Weg, worüber sich auch niemand beschwerte.
 

~

We're burning down the highway skyline

On the back of a hurricane that started turning

When you were young

When you were young

~
 

So gingen Wochen und Wochen ruhig und friedlich, von Farfarellos Austickern und Schuldigs gelegentlich mieser Laune abgesehen, ins Land und ich verstand langsam, was Brad damit gemeint hatte, dass dieser Luxus hier normal sei. Mittlerweile achtete ich schon gar nicht mehr richtig darauf, auch wenn es schade war, doch es gab einfach wichtigere Dinge. Zum Beispiel unsere erste gemeinsame Mission die für den Abend angesetzt war. Jeder hatte sich zurückgezogen, schien sich auf seine Art vorzubereiten. Brad hatte gemeint es sei nichts Großes. Nur ein leichter Auftrag, um sich aneinander zu gewöhnen. Dennoch lag trotz der Ruhe eine konzentrierte Spannung wie eine Gewitterwolke in der Luft.

Als die Nacht hereinbrach, sammelte Schwarz sich in dem großen Wohnzimmer, alle gerüstet bis unter die Zähne und sofort bereit loszulegen. Zugegeben, es war ein beklemmendes Gefühl, diese Leute kampfbereit zu sehen, die ich doch aus dem Alltag so ganz anders kannte. Farfarellos Lethargie war in eine lauernde Rastlosigkeit umgeschlagen und das goldene, gefährlich blitzende Auge war pausenlos auf wachsamer Wanderschaft, als wäre er ein Wolf auf Beutefang. Schuldigs immer präsentes, freches Grinsen war hässlich und herablassend geworden, mehr wie bei einem Hund der die Lefzen hochzog die Zähne zu zeigen, und seine humorvolle Lockerheit war zu einer bitteren, verbissenen Ernsthaftigkeit geworden, das neugierige Funkeln seiner Augen zu nackter, sadistischer Grausamkeit. Selbst Brad schien ein ganz anderer Mensch zu sein.

Seine unheimliche, undurchdringbare Kälte war nahezu spürbar, berechnende, stoische Härte im Blick, lies nichts von dem fürsorglichen, warmherzigen Mann zurück, den ich erst kürzlich kennengelernt hatte. Mit einem flauen Gefühl im Magen setze ich mich zu Farfarello auf die Rückbank von Brads E-Klasse und schon war die Mission im Gange. Kaum ausgestiegen stürmten wir das Gebäude. Ich blieb hinten, sicherte uns nach vorn und hinten ab, wie Brad befahl, sah mit trockener Kehle zu, wie Farfarello alles und jeden kreuz und quer aufschlitze, was ihm über dem Weg lief, ein irres Grinsen im Gesicht und Brad und Schuldig mit geübten Kopfschüssen gemütlich einen nach dem anderen ausschalteten, um Farfarello nicht zu viel Arbeit wegzunehmen - der eine mit einem Gesichtsausdruck, der jedem Pokerface spottete, der andere mit einem kalten, verächtlichen Grinsen.

Alles lief perfekt soweit und es war fast niemand mehr übrig, bis auf einen zitternden Mann in weißem Kittel, der sich ängstlich in die Ecke unter einen Labortisch geflüchtet hatte, als Brad plötzlich Einhalt gebot. „Nagi, komm her und sieh dir das an“, befahl er kühl und knapp wie beim Militär. Wortlos leistete ich Folge, trat an seine Seite und nahm den Computer und dessen Daten genauer in Augenschein. Es waren genaustens protokollierte Laborexperimente. Mit lebenden Psis. Menschen wie Schwarz, wie mir. Experimente wie sie unmenschlicher und grausamer nicht sein konnten.

Meine Augen weiteten sich immer weiter, füllten sich mit Tränen. Wie konnte es so etwas nur geben? Wer gab solchen Leuten solche Rechte? Ich nahm Brads Worte fast nicht wahr, wie er weiter zu mir sprach, doch zwei Dinge verstand ich klar und deutlich. „Er ist der Verantwortliche. Töte ihn“, hallte Brads Stimme in meinem Kopf wieder. Alles Leben wich aus meinen Augen, wurde ersetzt von innigem, vor sich hin brodelnden Hass. Alles wurde kalt in mir, wie ich mich zu dem um Gnade winselnden Professor umwandte. Betont langsam schloss sich mein telekinetischer Griff um den Hals des entsetzen Mannes, doch seine Panik konnte mir nichts an haben, nein, sie schürte nur mehr noch den Hass in mir, löste eine tiefe Befriedigung in mir aus, wie sich der Griff knackend immer enger zog, bis der Körper in meinem Griff so schlaff war wie ein nasser Mehlsack. Achtlos warf ich ihn nieder, drehte mich um und ging. Ich fühlte Crawfords Hand auf meiner Schulter, stumm tröstend und lobend. Es tat gut, es tat verdammt gut, doch es kam einfach nicht durch, zu mir und meinem Innersten, nicht jetzt, nicht so.

Die Heimfahrt war so schweigsam wie die Herfahrt, doch die Spannung war anders, nicht mehr so geladen, nein, mehr wie als ob das Gewitter gerade geendet hatte, gereinigt, befreit, doch ein wenig düster noch immer.

Kaum zu Hause angekommen verschwand ich sang- und klanglos in mein Zimmer, war beinahe so schnell schon eingeschlafen, wie ich auf das Bett gefallen war. Es war ein anstrengender, langer Tag gewesen, da war der Schlaf wirklich bitter nötig.
 

~

And sometimes you close your eyes

and see the place where you used to live

When you were young

~
 

Ich hörte Stimmen, die abfällige Worte riefen, die lachten, fühlte Hände die mich berührten wie man Kinder nicht berührt, die mich schlugen wegen einer Kleinigkeit, die mich anders machte, für die ich jedoch nicht mal etwas konnte. Sehen jedoch, tat ich nicht, alles war schwarz und egal wie sehr ich tastete, ich konnte nichts greifen, nicht mal die Hände an mir. In meiner Verzweiflung begann ich zu weinen und um Gnade zu betteln, doch wie immer lachten sie nur und machten weiter wie zuvor.

Plötzlich schrien die Stimmen, die Hände ließen mich ruckartig los, jemand bellte einige Worte, die wie Befehle klangen und plötzlich traf etwas Schweres meinen Körper, wurde von einem anderen gefolgt, bis ein regelrechter Hagel entstand. Mein ganzer Körper schien aus Schmerz zu bestehen und jeder Treffer machte es nur schlimmer und schlimmer. Weinend, schreiend, sank ich in die Knie, spürte mein Bewusstsein schwinden.

Am Rande meiner Wahrnehmung merkte ich noch, voll Entsetzen, wie diese Macht sich selbstständig machte, einige kurze Aufschreie dann Stille....
 


 

~

They say the devil's water, it ain't so sweet

You don't have to drink right now

But you can dip your feet

Every once in a little while

~
 

Schwer atmend und schweißgebadet, wie so oft nach diesen Träumen schoß ich hoch. Eine Hand rutschte meinen Arm hinunter und wurde eilig zurückgezogen. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich nicht alleine war. Alarmiert fuhr ich herum... und hätte beinahe erleichtert ausgeatmet. Als wäre dies vollkommen normal saß Brad auf einem Stuhl an meinem Bett und sah mich besorgt an.

„Du hast geschrien, da wollte ich nach dir sehen. Alles in Ordnung?“

Seine Stimme klang wärmer als üblich und das Lächeln, das wohl mal wieder nur in Tarnung anwesend gewesen sein muss, vertiefte sich. Zögerlich nickte ich ihm zu, sah ihn noch immer leicht skeptisch an. Warum sollte er sich denn bitte um mich sorgen? Ich war doch auch bisher immer alleine gewesen.

„Gut, ich hatte mich schon gesorgt. Kannst du weiterschlafen?“

Entschieden schüttelte ich den Kopf. Ich war immer schon einfach wach geblieben, wenn sich dieses Problem wieder einmal ergeben hatte, denn ich würde mich so oder so nur ruhelos herumwälzen. Ein leises Seufzen kam über Brads Lippen. „Nun gut, dann bleibt mir keine Wahl als für ein wenig Entspannung zu sorgen“, Nun gut, auch wenn er indirekt vorgewarnt hatte, was er wirklich meinte wurde mir erst klar, wie er aufstand und den seidenen Bademantel abband den er trug. Darunter kamen nichts als feine Seidenshorts an einem großen, breiten, hervorragend durchtrainierten Körper zum Vorschein, der einem zwangsläufig die Hitze in die Wangen treibt. Schuldig würde jetzt sicherlich darüber witzeln, dass es eine Todsünde wäre so einen wundervollen Körper unter einem unförmigen Anzug zu verstecken. Ich jedoch, konnte mich nicht so recht damit anfreunden, schon gar nicht wie Brad einfach zu mir unter die Decke schlüpfte.

Was dachte er sich nur dabei? War er vielleicht doch wie die anderen? Plötzlich zog er mich in seine Arme und ich versteifte mich automatisch, versuchte ihn von mir zu drücken, doch er ließ mich nicht.

„Schhh, beruhige dich, Nagi es ist alles gut. Ich werde dir weder weh tun noch sonst irgendetwas anfangen was du nicht willst. Ich möchte nur, dass du dich entspannst. Mach einfach die Augen zu und genieße nur. Denk gar nicht über mich nach“, diese Erklärung kam nahezu heiser an mein Ohr gehaucht, verpasste mir Gänsehaut. Allerdings konnte ich Brad ja schlecht widersprechen, so schloß ich, nach einem letzten, skeptischen Blick, in der Tat die Augen und überließ mich und meinen Körper damit seiner Gnaden.

Erstaunlicher Weise behielt er Recht und seine überraschend zärtlichen Hände ließen mich schnell dahin schmelzen. Ken mochte mich damals oft gehalten haben, doch so etwas hatte ich noch nie gefühlt. Zufrieden seufzend schmiegte ich mich an seinen festen, warmen Körper, genoß das Gefühl von Sicherheit, das diese starken Arme mir geben. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wohl und glücklich, und das nur durch ein paar simplen Gesten. Einmal neugierig geworden, schlichen meine Hände sich nun ihrerseits auf die breite Brust und sicherten mir gleich ein überraschtes Aufkeuchen.

„Nagi?“, Brad wirkte etwas verwirrt und das noch mehr wie ich errötete und ebenfalls meine Stimme erhob, reichlich leise und verlegen, „du fühlst dich... so gut an, da war ich... neugierig...“. Ein amüsiertes Glucksen, mehr war von dem Ami erstmal nicht zu hören, bevor wieder ein warmer Atemhauch mein Ohr streifte.

„Tu ruhig was auch immer du willst. Ich setzte dir keine Grenzen“

Geisterhaft nahezu glitten die warmen, weichen Lippen meinen Hals entlang, ließen mich aufkeuchen und wohlig erschauern. Mutiger nun, doch immer noch mit etwas zittrigen Händen liebkoste ich den wohl gebauten Oberkörper ein wenig, während ich mich ganz und gar Brads talentierten Händen überließ.

Brad war wieder einmal richtig gelegen und auch in mir wurde es immer ruhiger. Es war fast, als hätte er die ganze Welt aus mir ausgesperrt. Mit dieser Ruhe wurden meine Finger immer langsamer und träger, bis ich schließlich, erst dösend, in tiefen, festen und insbesondere ruhigen Schlaf über glitt.
 

~

You sit there in your heartache

Waiting on some beautiful boy to

To save you from your old ways

You play forgiveness

Watch it now here he comes

~
 

Der neue Morgen begrüßte mich mit warmem Sonnenlicht und fröhlich zwitschernden Vögeln. Obwohl ich lang nicht mehr so gut geschlafen hatte, konnte ich mich dennoch nicht so recht daran erfreuen. Zu sehr steckte mir das nächtliche Dèjavu meiner Träume noch in den Knochen. Ein warmer Körper der sich an mich schmiegte ließ mich hochschrecken und herumfahren.

Zwei leuchtende amberfarbene Augen blinzelten mir verschlafen entgegen und ein leises, leicht heiseres „Guten Morgen“ glitt wie selbstverständlich von hellen, schmalen Lippen, die sich gleich darauf zu einem kleinen Lächeln verzogen. Gerade wollte ich mich noch fragen, was in aller Welt gerade Brad Crawford, der immerhin mein Boss und Vormund war, in meinem Bett wohl suchen mochte, doch da fiel mir wieder ein, dass ich gestern wieder einmal aufgewacht war, und vor allem, wie Brad mich getröstet hatte. Der Gedanke ließ mich unweigerlich erröten und eine kribbelige, warme Gänsehaut über meinen Rücken laufen. Oh, wie ich es hasste so zu reagieren. Ich war doch zum einen mal sicherlich nicht Schuldig - der ja nun wirklich hinter jedem Arsch her war-, zum anderen viel zu jung, und obendrein war diese perfekte Verführung die sich da neben mir in meinem Bett räkelte quasi mein Vater, das konnte doch nicht...

Ein kleines, amüsiertes Glucksen ließ mich verdutzt aufsehen und erstaunlich weiche Finger strichen über meine Wange. „Ich sehe dir an der Nasenspitze an, dass du zu viel denkst, Nagi. Hör auf dir ständig Sorgen zu machen. Bei aller Dankbarkeit für deine harte Arbeit, aber du musst dir auch mal etwas gönnen. Hast du vielleicht Lust ein wenig auszugehen? Im Kino kommt sicherlich etwas interessantes. Wobei, warst du je auf einem Rummel?“

Meine Gedanken hingen irgendwo zwischen 'Ist das wirklich Brad?', 'Spinnt er jetzt völlig?' und 'Halluziniere ich?', und mein Gesichtsausdruck musste wohl entsprechend entgeistert gewesen sein, denn es entlockte ihm in der Tat eine Art kleines, kurzes Auflachen. Was für ein ungewohntes Geräusch seinerseits.

„Nun gut, offensichtlich nicht. Dann ist das beschlossene Sache“

Er rappelte sich auf, glitt elegant an mir vorbei aus meinem Bett und blieb dort, ungeachtet seiner relativen Blöße völlig gelassen vor mir stehen, um mir durch die Haare zu streicheln und dieses eigenartige Nicht-Lächeln zu lächeln. „Mach dich fertig, in 30 Minuten geht’s los“. Fast erinnerte er mich ein klein wenig an Schuldig, wie er sich nach dieser Ankündigung lässig den Morgenmantel über warf und Richtung Bad entschwand. Völlig bedröppelt guckte ich ihm hinter drein und wagte es erst gar nicht mich selbst zu fragen, was ich von dieser 'wundersamen Wandlung' halten sollte. Kopfschüttelnd rappelte ich mich also ebenfalls hoch und tat, wie immer, was mir aufgetragen war.
 

~

He doesn't look a thing like Jesus

But he talks like a gentleman

Like you imagined when you were young

(He talks like a gentlemen, like you imagined when)

When you were young

~
 

Entgegen all meiner Erwartungen hatten wir wirklich einen Heidenspaß auf dem Rummel. Abgesehen davon, dass er sich sogar dazu herabgelassen hatte T-Shirt und Jeans zu tragen, probierte er mit mir wirklich jede Attraktion aus die mich interessierte. Nicht mal steif wirkte er dabei. Kannte man ihn und seine übliche Art nicht, so hätte man ihn durchaus für einen ganz normalen Vater halten können, wie er schreiend und lachend mit mir die Achterbahn auf und ab sauste, wie er das Grinsen nicht unterdrücken konnte, während er scherzhaft missbilligend den Kopf schüttelte, wenn ich meine Kräfte als Unterstützung hernahm, gemeinsam fleißig die Schießbuden ab zu enräum, oder seinen tief befriedigten Ausdruck, wie er zufrieden an seiner Zuckerwatte kaute.

Erst als es bereits dämmerte und wir fix und alle waren, nachdem wir unzählige Dinge probiert und das eine oder andere gar noch wiederholt hatten, war es uns genug. Kandisäpfel knabbernd lümmelten wir auf einer Bank und besahen uns das bunte Lichterspektakel, bis er wiederum die Stille brach.

„Ich habe Hunger. Was hältst du von einem schönen großen Burger?“

Meine Augenbraue wanderte gen Haaransatz und meine Schultern hoben sich ein kleines Stück. Was Essen anging war ich grundsätzlich nicht sonderlich wählerisch, aß einfach, was eben da war, obwohl ich durchaus die japanische Küche vor zog, was sicherlich an meiner Herkunft lag. Auch sein Blick war skeptisch, wie er mich musterte. „Hast du denn überhaupt mal einen richtigen Burger probiert?“

Abermals hob ich die Schultern und sah ihn leicht hilflos an.

„Schuldig hat mir mal was von Burger King mitgebracht“

Offensichtlich angeekelt verzog mein Gegenüber das Gesicht.

„So einen Schund kann man doch nicht Nahrung nennen. Komm, ich zeig dir die richtige amerikanische Küche“

Gesagt, getan, keine Viertelstunde später saßen wir in einem stilvollen 60's Style Diner und meine Augen hatten in etwa die Größe von Golfbällen angenommen, als ich die Portion besah, die die Bedienung da anreichte. Wer sollte das denn essen? Das reichte ja für drei! Zumindest das war also schon mal in der Tat kein Vergleich zu den Winzteilen, die Schuldig angeschleppt hatte.

Noch mehr schockierte mich, dass Brad dieses Riesenteil einfach in die Hände nahm und herzhaft hineinbiss. Über diese scheinbar landesübliche Unsitte den Kopf schüttelnd werkelte ich umständlich mit meinem Besteck, mit dem ich mich nach wie vor noch nicht sonderlich angefreundet hatte, an dem Burger herum.

Den Mammutberg von Burger erst einmal besiegt, endlich kauend musste ich in der Tat zugeben, dass das schon eine ganz andere Klasse war als diese eingefärbte Pappe, die man in den Fastfood-Läden vorgesetzt bekam. So saßen wir also, unterhielten uns angeregt über Geschichte und Kultur der USA, schmunzelten über einige typische Übersetzungsfehler und Brad gab sogar ein paar Details zu seinem Heimatort und seiner Kindheit preis.

Es war wirklich mehr als nur eigenartig, diesen sonst so kalten Mann so ausgelassen zu erleben, doch irgendwie tat es verdammt gut. Ich hatte es noch nicht einmal bewusst wahr genommen, doch Brad ständig in seine Maske zurückgedrängt werden zu sehen tat mir tief im Innersten weh. Er hatte damit in der Tat niemals wirklich und ehrlich glücklich gewirkt. Jetzt jedoch schien er mit jedem Wort mehr und mehr zum Leben zu erwachen und jedes neue Lächeln lies mein Herz höher und höher flattern und meine Hand rutschte immer näher zu seiner hinüber. Was um alles in der Welt war das nur?

Einerseits war ich fast erleichtert, andererseits ein wenig enttäuscht, wie wir wieder im Auto heimwärts saßen. Das Schweigen hatte uns zwar wieder eingeholt, doch es war kein angespanntes, unangenehmes Schweigen, mehr eine Art gegenseitiges, non-verbales Verständnis. Völlig klischeehaft, wie in den Filmen von denen er erzählt hatte, brachte er mich bis direkt an meine Zimmertüre, ganz der Gentleman hielt er sie mir sogar auf. Verlegen trat ich ein und blieb neben ihm stehen. Es war Zeit sich zu verabschieden, doch keiner schien das so recht zu wollen.

„Nun denn, es war wirklich wundervoll heute mit dir, Nagi, ich danke dir“

„Ja, das war es wirklich, doch danken muss wohl mehr ich dir“

Ich war ihm so nah, wie ich dort stand, scheu den Blick zu ihm hob, fühlte mein Herz bis zum Hals schlagen und kam mir prompt vor wie ein verliebtes Schulmädchen. Wo wir doch schon bei klischeehaft waren, fiel mir ein weiteres Detail zu diesen Filmen ein, von denen er mir erzählt hatte, färbte meine Wangen blaßrosa. Ich fühlte mich wirklich so sehr danach, obwohl ich wusste dass es furchtbar unangebracht war. Mein Körper aber ließ mir gar nicht erst die Chance einer Entscheidung. Bevor ich mir überhaupt im Klaren darüber war, was ich da gerade tat, hatte ich schon die Augen geschlossen, mich zu ihm gelehnt und ihm einen sachten Kuss auf die Lippen gehaucht.

Wie als hätte er nur darauf gewartet, hielt er meine Lippen fest, erwiderte den Kuss unglaublich zärtlich, vertiefte ihn langsam immer weiter, bis er mit seiner Zunge um Einlass bittend über meine Lippen strich. Zögerlich ließ ich es zu, fühlte alles in mir wohlig warm und kribbelig werden, wie seine Zunge meine so liebevoll umspielte. Erst als wir kurz vor dem Ersticken waren, ließen wir endlich und auch nur unwillig voneinander ab.

Irgendwann im Verlauf des Ganzen hatte ich mich so eng an ihn geschmiegt, dass kein Blatt Papier mehr zwischen uns gepasst hätte, nun trat ich aber wieder einen Schritt zurück, ohne jedoch meine Hände zu lösen, die sich im wahrsten Sinne des Wortes an seinen Armen vergriffen hatten. Auch Brad verstand den Wink und ließ mich bereitwillig los.

„Ich verabschiede mich dann besser, oder möchtest du dass ich bleibe“

Seine Stimme war leise und warm, aber leicht rau, von... nein, da wollte ich jetzt wirklich nicht hin denken. Es reichte schon mehr als genug zu wissen, dass ich diesen Tonfall sehr genau von Schuldig kannte und ebenfalls, wann er diesen an den Tag zu legen pflegte. Mit roten Wangen schüttelte ich energischer als nötig den Kopf und senkte de Blick.

„Nein... Ich meine, noch nicht.. ich... verzeih“

Er lächelte leise und hob mein Kinn sachte an, dass ich gezwungen war ihm in die funkelnden, viel wärmer wirkenden Augen zu sehen.

„Es ist in Ordnung, ich wollte dich nicht bedrängen. Gute Nacht Nagi“

Diese beruhigende Versicherung lohnte ich ihm mit einem schwachen, dankbaren Lächeln und gewährte ihm noch einen letzten kleinen Kuss.

„Gute Nacht Brad“

Die Tür fiel leise hinter ihm ins Schloss und bot mir soliden Halt wie ich mich langsam gegen sie sinken ließ, ein seliges Lächeln auf meinen Lippen. Meine Augen schlossen sich träumerisch und meine Hände legten sich über mein noch immer Saltos schlagendes Herz. Dieses Gefühl, ja, das musste Liebe sein. Jetzt verstand ich auch, warum Schuldig und Farfarello nie die Finger voneinander lassen konnten und warum in all diesen Büchern immer so davon geschwärmt wurde sich seinem Liebsten hin zu geben. Noch gestern oder heute, währe es einfach zu früh gewesen, doch nun wusste ich mit Sicherheit, dass ich es wollte. Mein Herz besaß er schon und bald, vielleicht gar schon Morgen, würde ich diesem Mann auch meinen Körper schenken. Diesem Mann, der sich Brad Crawford, das „Oracle“ nannte...

Es war Zeit den Lauf der Dinge zu ändern, und wenn es ein Risiko war, doch ich glaubte an ihn. Von heute an, würden meine Träume endlich andere sein.
 

~

I said he doesn't look a thing like Jesus

He doesn't look a thing like Jesus

But more than you'll ever know

~
 

Ende



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