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Tenseigas Schutz - I

Wo Gegensätze sich berühren, beginnt die Vorstellungskraft
von

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Das Bündnis der Väter

N

ichts kommt ohne Interesse zustande. (Georg W. F. Hegel)


 

„Er wirkt so fürsorglich, findest du nicht?“, erreichte es Inu Yasha über seine Schulter.
 

Sie bemühte ein Flüstern, wie er annahm, um Rins Aufmerksamkeit nicht zu wecken. Kirara flog mit ihr wie stets nahe an seiner Seite, während die Schatten der Bäume in gewohnt rasantem Tempo an ihnen vorbeizogen.
 

„Wer?“, offenbarte, dass der Hanyō in seinen eigenen Gedanken vertieft gewesen war.

Also übte seine Miko Nachsicht und erklärte knapp: „Sesshōmaru.“
 

Sie hatten ihn mit seiner Gefährtin vor Kurzem erst verlassen. Und er stimmte mit ihr überein, seitdem sie hier war, verhielt sich der Ältere anders. Er wagte es noch nicht recht zu benennen, zu seltsam war es einfach noch. Außer Rin hatte der sich nie ernstlich um irgendwen geschert. Nicht, dass er wüsste zumindest. Jaken zählte nicht, der war nützlich.

Nicht, dass ihr Erscheinen Sesshōmaru freundlicher oder gar redseliger gestimmt hätte. Ganz im Gegenteil, hatte der sich doch nicht einmal ein `Danke´ an seine Kagome abringen können. Wahrscheinlich drückte sich sein Dank einzig darin aus, dass er sie nicht massakriert hatte: Kagome, weil sie zugelassen hatte, dass er seine Gefährtin `beförderte´ und ihn, weil er sie berührt hatte. Andererseits, war er am Ende vielleicht doch zu aufgebracht, um daran auch nur einen Gedanken zu verschwenden?
 

„Sollten sie sich nicht eigentlich meiden?“, Kaede-oba-chan hatte da mal etwas fallen lassen.
 

„Eigentlich hätte mein Vater nie mit denen paktieren sollen. Götter sind für einfache Dämonen ohne Belang und für die Herrscher unter den Dämonen ein Feindbild. Einlassen würde sich aber keiner von beiden mit denen.“
 

„Was meinst du, was für eine Göttin sie dann ist?“
 

„Keine Ahnung, warum ist das wichtig“, stieg Inu Yasha nicht durch.
 

Ihn trieb eine ganz andere Frage um, nämlich, warum kam man nach 4 Jahrhunderten einfach so zurück- wie aus dem Nichts, wenn man doch eigentlich auf der Welt nichts zu suchen hatte - lernen hin oder her?

Kagome war zu sehr in ihre eigene Verblüffung vertieft, als dass sie ihn für seine Begriffsstutzigkeit nun hätte tadeln können.
 

„Ich meine, was für ein Wesen verliebt sich in jemanden wie dei... Sesshōmaru“, verbesserte sie gerade noch rechtzeitig.
 

Denn, sie ging nicht davon aus, dass diese Verbindung ohne Emotionen geschlossen worden war. Dafür wirkte Sesshōmaru zu, ja, fürsorglich.

Vielmehr meinte sie sich jetzt immer klarer daran zu erinnern, dass die alte Miko einst angedeutet hatte, dass Götter und höhere Dämonen zwei gegenüberliegende Pole darstellten, wie Licht und Dunkelheit; Sonne und Mond.

Ein guter Punkt, wie Inu Yasha fand. Nicht, dass er die Liebe je verstanden hätte.
 

„Obwohl Miroku-sama erwähnte, dass manche Götter auch der dunklen Seite gewogen sein können. Also, was ist, wenn wir gar...“, sinnierte derweil Kagome in unheilvoller Ahnung auf seinem Rücken weiter.
 

Es mochte berechtigt sein – auch, wenn sie keine Schuld traf. Sie hatte nicht gewusst, wem sie da half. Wenn man sich allerdings ihren Gefährten besah... Dennoch, irgendetwas in ihm sträubte sich dagegen, auch nur anzunehmen, dass von der Partnerin seines Bruders irgendeine Gefahr ausging. So seltsam das anmutete. Bei sich war der Hanyō davon überzeugt, dass diese Göttin ihnen keinen Schaden bedeutete.
 

„Ich glaube nicht, dass sie gefährlich ist, Kagome. Dafür verhält sich Myōga-jiji viel zu merkwürdig.“
 

„Stimmt. Der kleine Angstfuß wäre schon längst auf und davon, nicht nur, weil er den Schwur fürchtet, den er da wohl geleistet hat; Er weiß, dass Sesshōmaru zurückkommt; dennoch bleibt er.“
 

„Ich denke, er sorgt sich um sie“, beendete Inu Yasha letztlich auch ihre eigene Vermutung, ehe er sie unweit des Feuers behutsam aus seiner Umarmung löste.
 

Sie glitt noch sanft an seinem Rücken hinab, während Rin bereits mit einem „Jaken-sama, wir haben es geschafft“ freudig auf die um das Feuer sitzende Truppe zueilte.
 

Ah-Uhn hob gleich beide Köpfe und schwang den überdimensionierten Schwanz gefährlich nahe der ersten Baumreihe, sodass Jaken sich hörbar meckernd seine Kappe hielt und machte, dass er auf Abstand ging. Letztlich erhob sich Kohaku und langte nach einem der Zügel, die unweit der eröffneten Nüstern ohne Funktion um den beschuppten Hals schwangen. Seine andere Hand tätschelte beruhigend den massigen Hals des Reitdrachens, als auch er Rin lächelnd begrüßte, während die unbekümmert auf ihren treuen Freund zustürmte.
 

„Wie es scheint, fühlt Kohaku sich sehr wohl bei ihnen“, kommentierte Miroku raunend Sangos Musterung im Augenwinkel.

Sie nickte einzig in Gedanken, ehe sie sich Inu Yasha und Kagome zuwandte, sobald die beiden an das Feuer herantraten.
 

„Er hat euch also gefunden“, und auf Kagomes irritierten Blick hin erläuterte die Dämonenjägerin weiter, „wir sahen einzig die Energiekugel die Richtung abrupt ändern.“
 

„Ja, ich hoffe nur, dass er weiß, was zu tun ist“, lenkte nicht nur Inu Yashas Augenmerk rasch auf Kagome, welche sich gerade neben Sango niederließ.
 

Sie sorgte sich natürlich auch weiterhin um ihre Patientin.
 

„Ich nehme an, dass ihre Verbindung ihm ermöglichen wird, zu erspüren, was sie braucht, Kagome“, wollte Myōga sie wohl beruhigen, ehe ihm sein Fehler wie Schuppen von den Augen fiel.
 

Natürlich hatte er sich damit unweigerlich die abermalige, alleinige Aufmerksamkeit aller gesichert. Selbst Jakens Glubschaugen ruhten für alle gut sichtbar auf Shippōs Schulter, als der fragte: „Was soll das heißen, Myōga?“
 

Er wollte gerade auskommen, zur Flucht ansetzen, da packten ihn die Klauen seines Meisters in lange geschulter Vorahnung. Genüsslich drückte der mal hier mal da und quetschte dabei das biegsame Antlitz des Flohgeists merklich.
 

„Nunja, Shippō, wenn Dämonen sich verbinden, dann ist das ein höchstmagischer Akt. Die Stärke ihrer Verbundenheit hängt dabei stark von der eigenen Macht der jeweiligen Dämonen ab. Vater hat einmal davon erzählt, dass er ein Dämonenpaar traf, welches die Macht besaß, sich in Gedanken auszutauschen“, erklärte Sango mit Blick zu Kohaku.
 

Nicht nur der Dämonenjäger erkannte den taktischen Vorteil. Er hatte längst mit Rin am Feuer Platz genommen. Beide Kinder hatten Ah-Uhn in ihrem Rücken.
 

„Und Sesshōmaru ist einer der mächtigsten Dämonen, die mir bis jetzt begegnet sind“, schloss sie mit Blick zu Inu Yasha, der dem wohl nichts hinzuzufügen hatte.
 

Auch er wollte gar nicht erst wissen, was dabei rausgekommen war.
 

„Der verstorbene Herr und ich vermuteten eine ähnlich starke Verbundenheit in Anbetracht des Potenzials, das in beiden schlummerte zu der Zeit, zumal sich die Fähigkeiten des Paares entwickeln können mit der Zeit“, bestätigte Myōga.
 

„Also, vielleicht weihst du uns mal etwas ein, wen wir da retten wollen, Flohgeist“, bekräftigte Miroku mit Blick zu Inu Yashas Klauen.
 

Es verriet Kagome und Inu Yasha, dass wohl auch ihre Freunde nicht recht wussten, wem sie da geholfen hatten. Myōga befand sich in einer zu beengenden Lage, um wütend zu werden. Dennoch konnte er das unmöglich so stehen lassen.
 

„Wenn ihr mich ausließet, Meister, so sähe ich mich...“, presste er also mit Mühe hervor.
 

„Na, bitte“, lächelte Miroku, „geht doch.“
 

„Ishizu-sama stellt keine Gefahr dar für euch, Mönch, falls du das andeuten möchtest. Ihr seid ihre Schützlinge“, Myōga wirkte ernstlich entrüstet.
 

Es blieb unkommentiert. Einfach ausnahmslos alle starrten auf den Kleinsten in ihrer Runde. Der machte es sich derweil auf Inu Yashas Knie bequem. Demonstrativ verschränkte er die Armpaare vor seiner Brust, ehe er ebenso in den Schneidersitz fand wie sein Meister in Rot. Inu Yasha schloss die Augen. Da seine Ohren jedoch aufgestellt waren, war auch den Freunden klar, dass er aufmerksam zuhörte – ebenso wie sie und die Begleiter des überraschenden Gefährten. Es war mehr als nur befremdlich. Surreal traf es eher, befand nicht nur Kagome.
 

„Also schützt sie uns...“, brachte Kagome überrascht hervor, nur um umso barscher von Jaken unterbrochen zu werden: „Sesshōmaru-sama würde niemals...“
 

Man verfiel in alte Muster, bemerkte nicht nur Inu Yasha, als sein leises Lächeln dem flackernden Feuerschein seine spitzen Eckzähne offenbarte. Sein Gelbgold traf funkelnd auf den Grünling, der daraufhin schluckend noch in derselben Sekunde verstummte.
 

„Wieso kennen wir dann ihren Namen nicht?“, richtete sich Miroku sogleich an Myōga auf der Suche nach einem Irrtum.
 

Und wieder konnte Jaken nicht an sich halten. Demonstrativ verschränkte diesmal der Grünling seine Arme vor der Brust, den Stab unbenutzt an seiner Seite. Er lehnte ebenso wie der Froschdämon gegen den beschuppten Rücken des Reitdrachen, welcher als einziger unbeteiligt wirkte.

Diesmal lagen alle Augenpaare allein auf ihm.
 

„Ist was, Jaken?“, reizte Inu Yasha.
 

„Klar, dass ihr Menschen das nicht wisst, so wie ihr einfach gar nichts wisst von euren `Göttern´, aber verehren tut ihr sie. Wenn ihr auch nur wüsstet...“
 

Weiter kam er nicht, als der Mönch nach endlos langer Zeit mal wieder die Fäuste sprechen ließ und Jaken mit einer Kopfnuss zu Boden ging.
 

„Hōshi-sama“, warf Sango zum einen überrascht zum anderen anklagend ein.

Immerhin schien Jaken ja mehr zu wissen. Kagome blickte ihn nicht minder irritiert an, sodass Miroku mit einem „Entschuldigung, aber das war allerhöchste Zeit“ an Sangos Seite fand.

Er rieb sich die Hand, welche das Kazaana beherbergte, während sein Blick das zustimmende Nicken Inu Yashas einfing. Immerhin einer war seiner Meinung.
 

„Worauf Jaken anspricht, ist wohl, dass ihr Menschen tatsächlich eine etwas eigene Art habt, etwas zum Gott zu erheben.“
 

„Wir erheben doch nichts...“, setzte Kagome verblüfft mit Blick zu Miroku an.
 

„Bedauere Kagome, aber alles, was euch magisch vorkommt, ist rasch bei euch `göttlich´- wir Dämonen dagegen präzisieren da etwas mehr. Wie auch immer, Ishizu-sama ist nicht einfach nur das, was wir als `Göttin´ bezeichnen. Sie ist die Tochter des Herrschers der Götter, den wir Dämonen nur als `Gott der Götter´ kennen. Sie wird ihm und seinen Geschwistern einst als Herrin über die Welt nachfolgen. Ergo wird sie auch über eure Geschicke richten und walten. Dafür soll sie, anders als ihre Verwandten eure Lebenszyklen kennen. Es gehört sozusagen zu ihrer Ausbildung, zu leben, wie ihr es tut und zu ihrem Wesen, das Leben von Sterblichen kennen und verstehen zu lernen. Denn, da muss ich Jaken Recht geben, eure `Götter´ haben keine Ahnung, was ein sterbliches Leben bedeutet. Mit einer der Gründe, warum die höheren Yōkai den Göttern den Krieg erklärten. Sie teilen ihr Wissen nicht mit den Irdischen und neigen nicht dazu, ihre Belange zu verstehen. Sie sind zu lange bereits den irdischen Belangen enthoben, um zu fühlen wie wir Sterblichen.“
 

Auch wenn Inu Yasha stumm blieb, so vermutete doch nicht nur er vielmehr die Banalität, dass Götter ihr Wissen um die Welt nicht teilten, als ausschlaggebenden Grund für den Hass der höheren Yōkai auf ihre Vetter. Zu gut kannte er bereits die Artgenossen seines Vaters – und Halbbruders.
 

„Klar, wer keine Endlichkeit kennt und keinen Verlust erlebt...“, sinnierte Miroku derweil laut.
 

„Wenn sie nicht fühlt wie wir und Götter mit den Dämonen verfeindet sind, warum verbindet sie sich dann ausgerechnet mit Sesshōmaru?“, bewies wieder Shippō seine kindliche Neugier.
 

Schließlich konnte somit weder eine Liebesbeziehung noch eine politische Allianz dahinterstecken. Nicht nur Kagome entglitt ein Lächeln.
 

„Unter anderem, wenn ihr mich ausreden ließet!“, stimmte Myōga letztlich wetterend Miroku zu.
 

Er seufzte schwer. Natürlich war das alles andere als leicht. Es war ein Balanceakt noch nie gekannten Ausmaßes- und er konnte einzig hoffen, dass er nicht in den tödlichen Abgrund gestoßen wurde – vom sicher überempfindlichen Gefährten.
 

„Ishizu-sama fühlt wie ihr, um, wie bereits erwähnt, euch besser verstehen zu können, was wohl das Problem mitbegründet hat. Denn anscheinend war das der Grund, warum das Gesuch ihres Vaters den Euren, Inu Yasha-sama, erreichte. Sie sollte, wie Ihr schon richtig erkannt habt, lernen, wie die Erben unseres dunklen Schöpfers leben. Und nach reichlichem Überlegen ließ sich der verstorbene Oyakata-sama auch darauf ein. Was letztlich mir und dem gesammelten Hofstaat die Ehre zuteil werden ließ, ihre außerordentlich inspirierende Bekanntschaft machen zu dürfen...“
 

“Wir nennen es Drachenblut”, verklang der sonore Bass hoch über seinem rundlichen Kopf.
 

Myōga saß wie stets auf der Schulter seines Meisters. Die längliche Halle war in das dämmrige Licht der flackernden Kerzen getaucht, welche in den Schalen brannten. Von draußen brach das milchige Licht ihres Himmelskörpers durch die Finsternis. Der Wind drang durch die geöffnete Reihe an Shōjitüren herein und bog die kleinen Flammen im Rhythmus seiner sanften Berührung, als wollte er die seltsame Gesellschaft, welche sich hier, in der Halle seines hochverehrten Meisters zusammengefunden hatte, mit all seinem Charme umschmeicheln. Die Luft surrte unter der Fülle an gegensätzlichen Energien, während das angenehme Gemurmel von dem friedlichen Austausch kündete. Es war fast surreal, befand der Flohgeist. Er hatte einen Konflikt erwartet- noch am ersten Abend. Doch noch war alles ruhig und die fremde Gesandtschaft schien willkommen. Nun gut, sein verehrter Meister hatte sich auch alle Mühe gegeben- hatte sogar die hochverehrte Fürstin miteingebunden.
 

„Ein eigentümlicher Name, wenn Ihr mir gestattet, Herr über die Hundedämonen. Ihr habt doch nicht...?“, erhob Myōgas Blick hinauf in das Gelbgold seines Meisters.
 

Es funkelte regelrecht vor Belustigung. Er erlaubte sich den Zug um seine Mundwinkel den guten Gastgeber mimend. Einen hauchdünnen Tanz damit über das Seil vollführend, welches straff über den schier bodenlosen Abgrund zwischen ihren Kulturen gespannt hing. Noch nie hatte es eine solche Zusammenkunft gegeben, wollte der Flohgeist meinen.
 

„Nein, kein Blut. Es soll den beißenden Geschmack betonen, der die Kehle hinabbrennt, Waldgöttin“, wirkte auch wahrlich amüsiert.
 

Allgemein musste Myōga feststellen, dass Götter den Dämonen in Vielem tatsächlich optisch sehr ähnlich waren.

Sie hatten dieselben spitzzulaufenden Ohren, waren hochgewachsen und wiesen oft schlanke aber kräftige Gliedmaßen auf. Einzig der Koloss von Kriegsgott neben der Göttin vor ihnen schien die Ausnahme. Er überragte selbst seinen Meister um gut einen Kopf. Sein ganzer Brustkorb war massig, breit und von wahren Muskelbergen gezeichnet. Er trug eine weiße Hakama und einen Haori, welcher die muskulösen Arme offen zeigte. Dagegen wirkte seine schlanke Schwester in dem seltsam gebundenen Gewand winzig klein.
 

„Unseresgleichen nennt mich Arya, Herr über den Westen. Und in der Tat. Ganz anders als unser Honigwein - weniger süßlich“, hustete die schlanke Hünin.
 

„Toga. Ich hätte Euch wohl früher warnen sollen, Arya-sama“, tat sie bereits mit erhobener Hand lächelnd ab, während ihr Koloss von Bruder mit seiner ihren zarten Rücken tätschelte.
 

Besagte Hand erinnerte gut und gerne an die Pranke eines kleingewachsenen Oni. Nur fehlten ihr die Klauen. Auch sein Teint war alabasterfarben und verlor jegliche Lebendigkeit im Mondlicht. Sie wirkten fast wie Dämonen im Licht des dunklen Sohnes ihres finsteren Schöpfergottes.

Den Langbogen über Aryas Rücken sparte er dabei großzügig aus. Auch seinen Rücken zierten die beiden Himmelsschwerter, deren wuchtige Griffe, der eine golden der andere silber, nur mäßig von seinem geflochtenen Feuerrot verdeckt wurden. Natürlich waren Waffen auch heute Abend erlaubt, wagte doch niemand, den Hausherrn offen herauszufordern.

Dennoch war es nicht nur bei ihm auf Missfallen getroffen, dass sich sein Herr und Meister gerade dabei unnachgiebig gezeigt hatte. Auch seine Fürstin hatte ihm eindringlich davon abgeraten. Es war bezeichnend, dass sie dem heutigen Ereignis fernbleib, für alle dämonischen Gäste.
 

„Ach, das verträgt sie schon“, polterte sein dunkler Bass über den Singsang der unterschiedlichsten Gespräche um sie herum, sodass Myōga ein eiskalter Schauer ergriff, sobald dessen tiefes Blau ihn streifte.
 

Nicht nur der feuerrote Gottesstein auf seiner Stirn bezeugte eindeutig ihre Andersartigkeit. Es war nicht mehr als eine schmale Raute, welche in unterschiedlichen Farben auftrat. Ganz anders als die dämonischen Male wirkten diese Energiesteine fast unscheinbar. Dennoch erkannte jeder Dämon die gegensätzliche Zeichnung.

Götter hatten entweder grüne oder blaue Augen, das wusste Myōga. Ihre Pupillen waren rund, wie die ihrer menschlichen Schöpfungen, doch die Farbe ihrer Iris drängte diese fast gänzlich in den Hintergrund. Ihre Augen wirkten so unergründlich wie die See.
 

„Alles gut, Toga-sama, ich hatte schon Schlimmeres probiert“, erhob die Waldgöttin dann ihre helle Stimme schwingend vor Belustigung.
 

Das Grün ihrer Augen war so saftig an Farbe wie das Blätterdach ihres Waldes im glitzernden Sonnenlicht. Ihr Gottesstein war von ähnlicher Farbe, ihr Haar schimmerte fast golden im flackernden Kerzenschein. Sie trug einen Pony. Auch ihr Haar hatte sie in einem langen Zopf geflochten, welcher neben dem Langbogen in ihrem Rücken verschwand. Letzteren hatte sie wohl nicht entbehren können. Nur die Pfeile hatte die Waldgöttin Zuhause gelassen. Myōga beschlich die Ahnung, dass wohl auch die Götter keine Provokation hatten riskieren wollen.
 

„Wenn ihr mir die Frage gestattet, ihr tragt sehr unterschiedliche Namen in den verschiedenen Kulturen“, trat der Urquell allen Übels, der ihn auch jetzt wieder in diese Misere verwickelt hatte, offen zu Tage.
 

Die grenzenlose Neugier seines ach so begabten und mächtigen Meisters. Es traf auf ein offenes Lächeln - zumindest bei der Waldgöttin. Ein kurzer Blickwechsel unter den mächtigen Geschwistern und man hatte sich geeinigt.
 

„Wir reagieren auf die Gesuche unserer Schöpfungen, welche wir als unsere Kinder verstehen. Wenn wir uns in ihren Bitten wiedererkennen, übernehmen wir ihren Schutz“, erklärte Arya da.
 

„Also wählen die Schöpfungen den Namen“, schlussfolgerte der Hundeherrscher.
 

Es war auch Myōga ersichtlich, dass es ihn verblüffte. Handhabten Dämonen das doch völlig anders. Der Name ihres Schöpferkamis blieb stets derselbe – und jeder Dämon tat gut daran, diesen niemals zu vergessen.
 

„In der Tat“, wurde mit einem offenen Lächeln bestätigt, ehe das laute Klirren ihre Unterhaltung schlagartig brach.
 

Ein Blick aus Gelbgold und Myōga war schnurstracks auf dem Weg Richtung westliche Terrasse. Es entging ihm, wie die mächtigen Geschwister einander ansahen, so rasch war er zwischen den unterschiedlichsten Schultern entlanggehüpft, um sodann im schneeweißen Fell der einzigen Hundeartigen im Raum Platz zu finden. Wie er wusste, konnte die Gottesdienerin ihre Erscheinung auf Erden nicht ändern. Sie hatte die einer Wölfin gewählt und stand treuergeben neben ihrem Schützling, deren Seite sie seit ihrer Ankunft im letzten Strahl des Tageslichts nicht verlassen hatte. Er spürte sie unter sich erbeben. Sie schien jedoch unschlüssig, wie sie reagieren sollte. Kurz überflog sein Augenpaar daher die Szenerie. Das Erste was sich ihm erklärte, war das klirrende Geräusch. Die Vase lag in Scherben am Boden. Damit erschloss sich ihm auch bereits die menschliche Dienerin, welche die Stirn eisern gen Boden gepresst unweit von ihm kniete. Sie zitterte wie Espenlaub.

Die blankpolierten Schuhe in Verbindung mit der weitausgestellten Hakama hätte es nicht gebraucht. Es war klar, dass der Sohn seines Meisters absolute Perfektion um sich wünschte. Umso mehr überaschte Myōga die Bestimmtheit in der erschreckend betörenden Frauenstimme.
 

„Erhebt Euch in die Senkrechte. Ihr habt nichts getan, was derlei Strafe bedürfe“, es klang mehr nach einer Bitte, typisch wie es für Götter wohl war.
 

Sie stand zu ihrer Seite. Zwischen dämonischem Herrn und menschlicher Dienerin.

Dem Flohgeist erschloss sich sofort die Brenzligkeit hinter diesem Befehl. Untergrub die Göttin damit doch unweigerlich die Verfügungsgewalt des Inuyōkais über die Untergebene seines Vaters.

Oh, er hatte so sehr gehofft, dass das noch etwas Zeit hatte.

Rasch wagte er einen Blick hinauf in ihr Antlitz. Wieder verschlug es ihm den Atem wie bereits bei ihrer Ankunft, als die Waldgöttin ihrer jüngeren Schwester das fliederne Tuch vom Kopf genommen hatte. Er nahm an, dass dies eine göttliche Tradition war. Natürlich hatte sie unbeabsichtigt alle Blicke voller Neugier in das so atemberaubend schöne Gesicht ihres wohl seltsamsten Gastes gelenkt. Sie war auch jetzt atemberaubend schön. Mochte ihr kleines Stupsnäschen auch in deutlichem Missfallen gekräuselt, ihre feingeschwungenen rosa Lippen vor Anspannung ganz schmal sein. Mochte ihr Meeresblau auch vor Empörung glitzern. Einzig die Tatsache, dass sie ausgerechnet dem Raubtiergold des Dämonenprinzen so begegnete, ängstigte den Flohgeist. Sesshōmaru kannte kein Erbarmen - und war natürlich in keiner Weise angetan gewesen von der neusten Idee seines Vaters. Wohl mit ein Grund für seine gereizte Stimmung.

Noch lag sein dämonisches Gold in scheinbar stoischer Ausdruckslosigkeit auf der ganz in Flieder Gekleideten. Eine trügerische Sicherheit, wie Myōga sehr wohl erkannte.

Ihr Verhalten war nichts, was der verwöhnte Sohn seines Vaters lange dudelte. Natürlich verteidigte sie die Schöpfung, ihr Menschenkind. Offensichtlich erst recht vor zu Unrecht überhöhter Strafe. Oh, seufzte Myōga schwer in Gedanken, das konnte noch sehr unangenehm werden.
 

„Demnach respektieren Götter Fehlerhaftigkeit“, schnitt sein Tenor in einer solch grausamen Präzision durch das hintergründige Stimmenwirrwarr, dass es einer einzigen Drohung gleichkam.
 

Ein jeder hätte sie erkannt. Ein jeder, der den Dämonenprinzen kannte.

Der Streitanlass war keine Überraschung. Für Götter war jedes Leben zu respektieren, wohingegen Sesshōmaru einzig Perfektion respektierte. In seinen Augen hatte die Dienerin sich demnach als untauglich erwiesen, in dem Moment, in dem sie die Vase umgestoßen hatte. Jeder bei Hofe wusste das. Jeder, bis auf der väterliche Ehrengast natürlich. Wohl der einzige Grund, warum er ihr noch mit Vorsicht begegnete.

Denn in seinen Augen verdiente die Dienerin in keiner Weise einen respektvollen Umgang, den die Göttin hier so vehement einforderte. Er nahm an, sie hatte es nicht mitansehen können, dass er sie wegen so einer Lappalie strafte, wie er das gerne tat, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Da der ganze Abend ihm bereits seit Tagen gegen den Strich ging, war die jetzige Situation rückblickend betrachtet weniger überraschend.
 

„Also glaubt ihr Euch ohne Fehler, Yōkaiprinz?“, war gefährlich mutig - lebensmüde traf es für Myōgas Geschmack auch ganz gut.
 

Es wurde Zeit, dass sein Meister hier erschien, befand er. Spätestens, als das leise Lächeln über die ansehnlichen Züge des Dämonenprinzen huschte. Ihm brach der Schweiß aus.
 

„Huh, was das Heben einer Vase betrifft?“, war auch für die Göttertochter als das zu erkennen, was es undeutbar war: vor Hochnäsigkeit triefender Sarkasmus.
 

Eine ungute Wahl, wie Myōga umgehend an der Verhärtung ihrer Züge erkannte. Es war zu spät, um einzugreifen.
 

„Habt ihr denn jemals zuvor auch nur eine in der Hand gehalten?“, war vorprogrammiert.
 

Innerlich klatschte eine der Hände des Flohgeists laut gegen seine Stirn. Das wurde kindisch. Doch zur großen Verwunderung des alten Winzlings, stieg Sesshōmaru nach einem endlos scheinenden Moment des Fixierens darauf ein.
 

Mit einem gefährlichen Funkeln in den Dämonenaugen umfasste er unter der genauen Musterung seiner Gegenüber die Vase, welche die andere Wandseite flankierte und hob sie provokant fragend vom Boden ab: „Ihr, Götterprinzessin?“
 

Es trieb selbst dem dämonischen Vater die Braue in die Höhe, als der mit seinen beiden hohen Gästen herankam. Myōga hüpfte fast augenblicklich zurück auf die Schulter seines ehrenwerten Meisters, der sein Gelbgold auf dem eisigen Gold des Sohnes beließ. Eine deutliche Warnung darin, die den gehorsamen Sohn die Vase behutsam abstellen ließ. Ein Neigen des Kopfes genügte und das junge Menschenmädchen machte sich in ehrerbietigster Weise davon. Etwas, das die Ehrengäste mit mehr oder weniger ausgeprägtem Interesse verfolgten. Wie sie dazu standen, war für den Flohgeist nicht ersichtlich.
 

„Am Ende lernst du hier noch nützliche Dinge, Schwesterchen“, wollte wohl der ältere Bruder die Stimmung auflockern.
 

Es ging gehörig daneben, als es einzig das eisige Gold in selten gekannter Ungerührtheit auf die Züge des breitschultrigen Riesen lenkte. Die zierliche Göttin wirkte neben dem übergroßen Bruder umso schmächtiger, nahezu verletzlich. Nichtsdestotrotz vermeinte nicht nur Myōga ihren Blick nicht minder vernichtend. Das schiefe Grinsen erlosch noch darunter von seinen Zügen und offenbarte so deutlich die wahren Machtverhältnisse. Mit einer Ehrerbietung gegen den Gastgeber und dessen Nicken wand sie sich kommentarlos ab. Die weiße Wölfin treuergeben an ihrer Seite verschwand sie durch die geöffneten Türen, verfolgt im Augenwinkel von dem regungslosen Gold. Myōga vermeinte förmlich seinen abfälligen Kommentar ob ihrer verwöhnten Allüren in seinem Kopf verklingen, ehe sich der Erbe mit einer leisen Verbeugung gegen den Vater zu verabschieden gedachte. Letzterer schien nicht gewillt, ihn so leicht auszulassen.
 

„Worum hatte ich dich gebeten, Sesshōmaru?“, ging längst an Myōga vorbei.
 

Sein Interesse galt den beiden mächtigen Geschwistern, die gerade die Köpfe zusammensteckten. So wechselte er die Schulter.
 

„...mit Hochnäsigkeit kann sie ja so gut“, kicherte Arya gerade.
 

„Welch eigentümliche Lektion“, brummte der Koloss abfällig zur Antwort.
 

„Mehr eine interessante Herausforderung für unsere kleine Gerechtigkeitsfanatikerin“, schmunzelte die Waldgöttin nahezu mütterlich, ehe Myōga beschloss, der jungen Hime nachzukommen.
 

Das klang weniger nach Verständnis seiner Meinung nach. Also sprang er alsbald in das silbrige Mondlicht hinaus auf die hölzerne Balustrade, welche die Veranda vom tieferliegenden Innenhof abgrenzte. Der Wind riss an vereinzelten Strähnen ihres pechschwarzen Haars. Sie trug es in einer befremdlichen Art und Weise aufwendig hochgesteckt. Es schimmerte im fahlen Licht des gegensätzlichen Himmelskörpers. Sie wirkte blass, ihr Atem erfolgte ruhig und doch verriet die hauchzarte Röte auf ihren hochliegenden Wangen die leise Erregung. Ihr Blick war auf einen ihm unbekannten Punkt in der Weite gerichtet, welche sich unter ihnen auftat. Vielleicht auf einen der vielen Höfe, welche sich die Anhöhe zum Schloss des Westens hinaufwanden.

Sein dezentes Räuspern beorderte ihr unergründliches Blau letztlich zurück auf ihn. Wieder war ihm als vergäße er alles mit einem Schlag. Sie hatte eine Anmut an sich, die selbst den alten Flohgeist beeindruckte. Eine Unschuld, die er schon lange nicht mehr erlebt hatte, begleitete eine jede noch so unbedeutend erscheinende Bewegung der äußerlich jungen Göttin und machte sie umso majestätischer. Er war bei Weitem zu erfahren, um nicht zu erahnen, dass der äußerliche Schein trog, maßen die Götter ihr Alter doch in Zeitaltern.
 

„Ihr seid ein Flohgeist“, zeigte sie echte Überraschung.
 

Sie schien ihn nicht in dämonischer Gesellschaft erwartet zu haben. Er empfand es als Ehre, schließlich waren die Wenigsten in der Lage, ihn eindeutig einzuordnen.
 

„In der Tat, Megami-sama. Wenn Ihr erlaubt, mich vorzustellen, man nennt mich Myōga“, seine Verbeugung zauberte ihr ein leises Lächeln auf die zartrosa glänzenden Lippen, das ihn doch für den ersten Moment ins Stocken geraten ließ.
 

„Wenn Ihr mir ferner erlaubt, mich für die befremdliche Art unseres Prinzen zu entschuldigen“, lenkte ihre erwärmende Aufmerksamkeit zurück in die schier undurchdringliche Schwärze.
 

Wieder legte sich das Schweigen zwischen sie, in dem er sich die Prinzessin eingehender von der Seite besah. Nicht nur ihr Gewand, an dem der Wind zart riss, bezeugte, dass sie hier nicht hergehörte. Es war befremdlich um ihren zierlichen Körper geschlungen. In einer einzigen Lage, die ihrer wohlproportionierten Figur schmeichelte. Sie war schlank und doch zierlicher, als für eine Dämonin üblich.

Die Fackeln, welche die Höfe nur notdürftig erhellten, reflektierten ihren flammenden Tanz gespenstisch auf ihren makellosen Zügen – wie auf einer weißen Leinwand. Die Lampions schwangen leicht im Wind hin und her und warfen so ihr rot-oranges Dämmerlicht mal hierhin, mal dorthin. Es wirkte friedlich. Nur hintergründig ereilte sie das Rauschen des Meeres, der stete Rhythmus ihrer Welt in Abhängigkeit der Gezeiten.
 

„Sind alle Dämonen so, Herr Myōga?“, traf ihn beinahe unvorbereitet.
 

Erst da wurde es für ihn offenkundig, dass sie wohl ihren Aufenthalt fürchtete. Natürlich hatte auch ihr Volk Vorbehalte gegen das seines Meisters. Und er nahm nicht zu Unrecht an, dass der Dämonenprinz viele davon bestätigt hatte. Ihre Geschwister würden nach dem heutigen Abend gehen – zurück dorthin, wo sie ein Zuhause hatte. Bis auf ihre Wölfin wäre sie allein in einer ihr so fremden Welt. Er konnte gar nicht anders, als ihr den Respekt zuzugestehen, den ihm die würdevolle Art, mit welcher sie ihrer Aufgabe scheinbar entgegensah, abverlangte. Hatte sie sich dem Abbild ihres naturgegebenen Erzfeindes doch so vehement entgegengestellt, kaum, dass sie ihre Überzeugungen in Gefahr gesehen hatte - und trug die Enttäuschung darüber, ihm begegnet zu sein, mit Fassung.
 

„Myōga-oji-san, wenn Ihr erlaubt, Ishizu-sama“, bemühte er umsichtig.
 

Es raubte ihr abermals ein entzückendes Lächeln. Da lenkte das Aufjaulen zur ihrer Seite beider Aufmerksamkeit auf die schneeweiße Begleiterin. Ihr Gold war dem der Dämonen nicht ungleich. Auch sie hatte spitze Pupillen. Myōga meinte sich zu erinnern, dass ihre Art beide Merkmale tragen konnte. Ihr Blick schien dem ihrer Göttin treuergeben zu begegnen, ehe Ishizu den Ihren zu ihm erhob.
 

„Ai wünscht sich ebenfalls vorzustellen.“
 

„Hocherfreut, Ai-sama“, wagte Myōga eine abermalige Verbeugung - sehr zur Belustigung der Göttin.
 

Er sollte lange nichts Betörenderes vernehmen als ihr verhaltenes Kichern, das sie hinter ihrer Hand versteckte.
 

„Ai genügt, Myōga-oji-san. Sie ist keine Göttin.“
 

Es war wenig überraschend, dass die Göttertochter das Suffix kannte, das ihre Schützlinge wählten, um die Ihren zu adressieren. Scheinbar fehlte ihr nur der Überblick über die anderen Anreden. Ein Umstand, der sicher mit Leichtigkeit zu beheben war. Da hegte der Floh keinen Zweifel, ehe die machtvolle Präsenz nicht nur seinen Blick ehrfürchtig senkte.

Sein Meister gewährte sich den Moment der stillen Betrachtung, hatten die Verhandlungen zwar einzig sie zum Thema gehabt, sich jedoch bis jetzt nicht der rechte Augenblick ergeben, um sich die einzigartige Tochter der Götter von Nahem zu betrachten. Ihre göttliche Ausstrahlung war selbst für ihn zu bemerken, wusste er sich auch weit mehr zu behelfen als sein Berater. Nahezu geräuschlos trat er also an die Balustrade zwischen Flohgeist und Göttertochter heran - nicht minder interessiert verfolgt aus göttlichem Meeresblau.
 

„Ihr seid eine Göttin, Ishizu-sama. Ihr steht über jedwedem irdischen Protokoll“, senkte sein Gelbgold über seine Schulter auf ihre ansehnlichen Züge.
 

„Ich wünsche nicht, anders behandelt zu werden. Ich bin hier, um zu lernen“, senkte ihren Blick erneut – diesmal wohl schuldbewusst, hatte sie doch ihr Widerwort gegen den Sohn und Prinzen erhoben.
 

„Seid unbesorgt, mein Sohn handelte gegen seine Erziehung. Ich muss Euch um Entschuldigung bitten“, reichte er ihr die krallenbesetzte Klaue.
 

Sie schien verblüfft, als sie ihre schmale Hand mit den runden Fingerkuppen zuerst nur zögerlich in die so gegensätzliche Klaue mit den messerscharfen Krallen legte. Leicht wie eine Feder ließ sie sich dann behutsam zurück in die Senkrechte ziehen. Ihr Götterblau wanderte dabei überrascht über die zu einem leisen Schmunzeln gespannten Zügen, welche den Erzfeind im Licht seines Himmelskörpers schonungslos enthüllten. Über die beiden blauen Streifen auf den Wangen, die Spitzaugen, welche in der Finsternis gefährlich funkelten und doch jeglicher Feindseligkeit zu entbehren schienen, bis hinauf an seine leere Stirn, welche von den gelockten Ponyfransen offenbart wurde.
 

„Dennoch sollte Euch bewusst sein, dass wir keinen leichten Weg vor uns haben, Prinzessin. Vorbehalte räumen sich nicht über Nacht aus dem Weg“, wich seine federartige Berührung von ihr wie der Wind den Rauch schlagartig vertrieb.
 

Ihr entglitt ein zaghaftes Lächeln. Sein Meister zeigte damit offen, dass er an einer x-ten Wiederholung der traditionellen Feindschaft nicht interessiert war. Sonst hatte das Alles hier keinen Sinn. Sonst war das Alles nur eine weitere Farce auf dem Weg hin zur Vertiefung des altbewährten Grabens zwischen ihren Völkern. Es schien ihr zu gefallen.

Zumindest meinte Myōga, sie eine Entscheidung fällen zu sehen, als die Göttertochter sich daraufhin kaum merklich noch ein Stück aufrichtete - unter der aufmerksamen Musterung durch seinen Herrn.
 

„Wenn dem so ist, empfiehlt es sich wohl, Euch wissen zu lassen, dass mein Schutz den vereinbarten übersteigen kann.“
 

Sie hielt dem kurzen Zucken ungerührt stand, welches die Züge des Hundeherrschers für den flüchtigen Moment im alten Argwohn überkam, als er die Finte des Göttervaters erkannte. Er hatte ihm nicht getraut. Es war nicht leicht, alten Mustern zuwiderzuhandeln, das hatte sie wohl auch bereits beobachten können, oder es gar erlebt. Es schien sie nicht zu schrecken, dass in dem Dämon für den ersten Augenblick der bittere Geschmack des Verrats durch den Göttervater aufkam.

Myōga zeigte sich vor allem erstaunt. Er erkannte, was sie da tat - Vertrauen schaffen, indem sie das väterliche Misstrauen – und die daraus resultierte Verschwiegenheit bewusst offenlegte. So gefährlich es war, so einzigartig war die Chance, welche sie ihnen beiden damit, abermals mutig, eröffnete. Es überraschte ihn nicht, dass sein Meister schlau genug war, auch diese Gelegenheit nach dem ersten Anflug zu ergreifen, als er ihn wenig später lächeln sah.
 

„Erlaubt mir eine Bitte, Prinzessin der Götter“, und da sie ihn schweigend ansah, führte er aus, „bleibt genau so, wann auch immer einer der Meinigen Euch widerspricht.“
 

Es versprach seine ausnahmslose Unterstützung. Alle Anwesenden wussten, wen der Vater wohl im Sinn hatte, als die Göttertochter ihren Blick kurz zurück zum angeregten Treiben unweit von ihnen in die Halle lenkte.
 

Sie hatte ihn sofort ausgemacht. Er stand mit einer weißhaarigen Dämonin von atemberaubender Schönheit etwas abseits des Geschehens - scheins in ein Gespräch vertieft. Als ihr Götterblau das dämonische Gelb seiner Gesprächspartnerin traf, beorderte ihr höflicher Knicks sein Gold regungslos auf sie. Nur kurz erfasste er ihre Gestalt, ehe er sein Raubtiergold nicht minder ungerührt wieder ablenkte. Die Dämonin war etwas kleiner als er, sodass er sich zu ihr leicht herabsenken musste, um ihr seine Erwiderung in die spitzzulaufende Ohrmuschel zu entgegnen. Das Funkeln in ihrem raubtierhaften Gelb wurde listig, als sie sich die Göttin noch einmal besah, ehe auch sie sich mit einem höflichen Nicken umwandte. Es war nicht nur für Myōga offensichtlich, was in der jungen Prinzessin vorging. Offenkundig brauchte sie erst gar nicht zu hören, was die Hochnäsigkeit über seine bornierten Lippen getrieben hatte. Der Flohgeist war sich sicher, dass sie gerade erkannte, dass der Dämonenprinz gewohnheitsmäßig eben den Respekt von ihm Schutzbefohlenen einforderte, den er anderen nicht zugestehen konnte. Und augenscheinlich war es genau das in Kombination mit seinem gut ausgeprägten Selbstbewusstsein, das der Göttertochter die Röte der Empörung ins attraktive Gesicht zurücktrieb.
 

Damit traf ihr Götterblau entschlossen das raubtierhafte Gelbgold, welches stumm auf ihr verweilt war. Es überraschte weder Myōga noch den Herrn über die Hundedämonen, dass die Prinzessin der Götter daraufhin nickend ihr Einverständnis gab.
 

Auf der Lichtung war einzig das Knistern der sich nährenden Flammen zu hören, als der Flohgeist seine Erzählung beendet hatte. Rin hatte sich bereits der späten Stunde geschlagen geben müssen. Zur Überraschung aller ohne Murren. Man war darin übereingekommen, dass dies wohl Sesshōmarus Einfluss war. Eingemummelt in Kagomes Teddybärendecke schlief sie nach wie vor tief und fest, als Kohaku kurz seinen Blick prüfend neben sich richtete - einen Kopf des Reitdrachens zu ihrer anderen Seite. Sango begegnete ihm mit einem verzückten Lächeln, welches er schwach erwiderte. Es war ihm unangenehm, dass sie seine Fürsorge für die Kleine so entzückte.

Alle anderen schienen stumm dem Flammenspiel vor sich zuzusehen, ehe Miroku als Erster die Stille brach.
 

„Als Göttin kann sie nicht auf Erden wandeln, das hattest du bestätigt, Myōga.“
 

Der Angesprochene schwieg so lange, dass schon keiner mehr mit einer Antwort rechnete – und Inu Yasha sich abermals dazu genötigt sah, gefährlich Luft zu holen.

Letztlich hatte der Flohgeist die vage Hoffnung, dass Ishizu erwachte – und ihren Gefährten zurückpfiff, sollte der dieses Detail ernstlich als Gefahr identifizieren.
 

„Für gewöhnlich gebiert ihr die Mutter Erde einen sterblichen Körper. Sie lebt dann ein menschliches Leben.“
 

„Also war sie ein Mensch, als sie zu Inu Yashas Vater kam?“, bewies Shippō mal wieder sein helles Köpfchen.

Er war nicht allein mit seiner Verwunderung.
 

„Nein, das habe ich doch gerade erzählt. Sie war in ihrem eigenen Körper, aber, da ihre Kräfte versiegelt waren, durfte sie auf Erden wandeln. Der verehrte Herr und ich nahmen an, damit sie nicht ganz schutzlos ist, tatsächlich aber hatte der Vater ihr weit mehr Kräfte zugestanden, als uns mitgeteilt worden war. Wir gingen davon aus, dass diese Versiegelung ihrer Göttlichkeit eventuell die Bindung ermöglichte.“
 

Als Inu Yasha prüfend die Nase gen Himmel reckte, blickten sich die Freunde alarmiert um.
 

„Regen“, war beruhigend – und kündigte das erste Donnergrollen an, lange bevor es in einiger Entfernung verhallte.
 

Nicht unweit der Lichtung war der Wetterumschwung ebenso wenig unbemerkt geblieben. Dennoch verharrte Sesshōmaru ungerührt inmitten des Flussbetts. Laut plätschernd umspülte ihn das langsam dahinfließende Nass, während er nur mehr ihre nackten Füße in das Wasser hielt. Es umspielte sie in kleinen Wirbeln, machte ihre zierlichen Füße so zum Zentrum ihres Weges. Noch war sie nicht ausgekühlt. Noch erspürte er ihre so lange schon vermisste Wärme unter den Lagen an Stoff. Er reagierte instinktiv darauf. Alles Leben bestand aus Wasser, hatte sie ihm einst gesagt. Er glaubte zu wissen, warum sie danach verlangt hatte. Sie nutzte es als natürliche Ressource zu ihrer Lebensenergie. Damit hob er sein in der Dunkelheit funkelndes Raubtiergold zurück auf ihr ansehnliches Gesicht. Die ersten dicken Quellwolken zogen drohend über ihnen auf und warfen ihre Schatten auf ihre ebenmäßigen Züge.

Als der Donner direkt über ihm grollte und die ersten dicken Tropfen dumpf auf seinen Schultern aufschlugen, erhob er sein Dämonengold hinauf gen dunkles Firmament.

Offensichtlich hatte ihre Verbindung auch diese Abmachung zwischen Vater und Tochter nichtig gemacht. Er sah jetzt, was geschah – und war dennoch dazu gezwungen, nicht einzugreifen, solange sie nicht in Lebensgefahr schwebte.

Sein gefährliches Lächeln spannte über diese Erkenntnis seine Züge – und verblieb eisern auf ihnen, als sich der erste Blitz wutentbrannt in einem der Bäume in seinem Rücken entlud und die Dunkelheit taghell erleuchtete.

Natürlich zürnte er - und musste dennoch machtlos mitansehen, wie er sie in seinem Arm hielt, wollte er den Schwur der ungleichen Brüder wahren. Damit senkte sich sein Spitzaugenpaar erneut auf das so vertraute Antlitz. Mittlerweile erfolgte ihr Atem ruhig, ihre Miene war entspannt. Sie mutete beinahe schlafend an.

Doch, was bewog sie dazu nach 4 Jahrhunderten hierher zurückzukehren? Bedeutete es, dass sie es geschafft hatte? Dass er sie hatte leben lassen? Und wenn ja, wo war sie dann jetzt?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Wen er da wohl sucht?...
Danke für dein Interesse und deine Zeit. Ich hoffe, sie war gut genutzt.
Eine angenehme Woche.

Es grüßt
A.-chan Komplett anzeigen

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