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It's cold outside.

von

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Once again, as olden days ♫

Nami Lindgren sehnte sich nach einem Drink.

Nach einer Autofahrt wie dieser, in der Robin am Steuer völlig abwesend schien, ihre Schwester einen zweiten Tobsuchtsanfall hatte und Ace sich als aufmunternder Clown versuchte, schrie alles in ihr nach einem kräftigen Schluck.

Sobald der Wagen geparkt war, schickte sie ihre Freundin postwendend nach oben. Die Turteltauben standen stramm und mussten versprechen, über diesen Vorfall Stillschweigen zu bewahren. Nami wollte nichts darüber hören, schon gar nicht von der älteren Garde. Für Olvia wäre es ein gefundenes Fressen.

Nachdem das geklärt war, steuerte Nami direkt auf die Küche zu. Ihr Glück war, dass niemand dort auf sie wartete. Geschickt durchstreifte sie die Regale auf der Suche nach dem perfekten Schluck und entdeckte eine Flasche Whiskey. Ihr Gesicht hellte sich auf. Der goldene Bernstein des Getränks spiegelte das warme Licht der Küche wider, und der intensive Duft erfüllte die Luft.

Sie schenkte großzügig ein, nahm das Glas und prostete sich selbst zu. Nach einem tiefen Schluck ließ sie den Whiskey auf der Zunge tanzen, bevor sie einen wohligen Seufzer ausstieß. Man konnte sagen, was man wollte, manchmal war es die beste Medizin.

Erst recht, als sich der Vorfall wieder vor ihrem inneren Auge abspielte. Ihr Blick allein hätte manche bereits eingeschüchtert, aber der Schlag? »Robin hat heute wirklich einen für mich rausgehauen«, murmelte Nami ungläubig vor sich hin. Noch ein Schluck. Ausgerechnet im schlimmsten Tief ihrer Beziehung! Wollte sie lachen oder weinen? Ihr feuriges Temperament schwieg dieses Mal ausgerechnet.

Gleichzeitig spürte sie jedoch, dass sie jetzt zu Robin hochgehen und mit ihr reden musste. Mit einem seufzenden Blick in Richtung der Treppe überlegte sie, wie sie das Gespräch angehen sollte, und der Whiskey würde ihr sicherlich helfen.
 

Nami stieg die Treppe hinauf und betrat das Schlafzimmer. Dort fand sie Robin im Badezimmer, beschäftigt damit, ihr Make-up abzunehmen. Sie beobachtete einen Moment lang schweigend, während Robin sie offensichtlich ignorierte. Die Stille zwischen ihnen schien eine Mischung aus Vertrautheit und Unaussprechlichem zu sein.

Nach kurzer Überlegung nahm sie Platz in einem der beiden Lesesessel im Zimmer, schenkte mit ruhiger Hand in beide Gläser ein. Sie setzte sich abwartend zurück und ließ die turbulenten Ereignisse des Abends in ihrem Kopf kreisen. Je öfter es sich abspielte, desto absurder wurde es.

Als Robin schließlich das Badezimmer verließ, trafen sich ihre Blicke. Nami hob leicht das Glas und lächelte. »Cheers!« Ein kurzes Zögern war erkennbar, dann trat Robin langsam näher und stieß mit ihr an, sodass für einen Moment lang das leise Klirren der Gläser hallte. Wie Nami vorhin selbst, trank sie in einem Zug aus und setzte sich erschöpft, mit einem Seufzer, in den zweiten Sessel.

Sie beobachtete Robin, die mehr einem Häufchen Elend glich. Müdigkeit und Stress zeichneten sich deutlich auf ihrem Gesicht ab. Ein Hauch von Mitgefühl durchzog Namis Gedanken.

Da schien ihr plötzlich die Ironie des Lebens klar zu werden, und Nami brach in einen unkontrollierten Lachanfall aus. Es war ein bittersüßer Moment, in dem die Absurdität der Situation sie schlichtweg übermannte. Die Vorstellung, dass Robin sie gegen Bellamy verteidigt hatte, während sie nun erschöpft neben ihr saß und erneut in das schweigsame Muster fiel, war einfach zu absurd, um ernst zu bleiben.

Und während sie sich vor Lachen krümmte, schaute Robin sie verwirrt an. Wenige Sekunden, und als hätte sie ihren Aha-Moment, konnte sie nicht länger widerstehen. Gemeinsam teilten sie diesen kurzen, aber intensiven Moment der Erleichterung inmitten all des Chaos. Manchmal war dann das Lachen die richtige Medizin, selbst in den merkwürdigsten Situationen.

Passend zu ihnen fing Robin sich zuerst wieder, und sie wurde zur stillen Beobachterin, während Nami sich zwischendurch mehrfach entschuldigte. »Gern geschehen«, murmelte Robin und schenkte nach.

»Kannst du es mir verübeln?«, fragte Nami, als sie endlich aufhörte zu lachen. »Von all den Szenarien, stand das nicht auf meiner Liste.« Überhaupt nicht. »Robin, ich weiß, das war ein verrückter Ausgang«, begann sie dann wesentlich ernster, »und ich danke dir wirklich für das, was du für mich getan hast. Aber ich denke, wir sollten darüber reden, was eigentlich vorgefallen ist.« Was auslösend für den Schlag war. Im Nachhinein hätte sie Bellamy gleich überfahren sollen (denken durfte sie) oder ihm wenigstens klipp und klar die Leviten lesen. Ihn erneut zu treffen, damit hatte sie nicht gerechnet. Schon gar nicht, dass er nach dem letzten Mal weiterhin dachte, er hätte eine Chance.

»Ja, wir können nicht so tun, als wäre nichts passiert«, gestand Robin und schwenkte nachdenklich das Glas. Der Ernst in ihren Augen signalisierte, dass sie bereit war.

»Okay, was war los?« Anders als zuvor wollte Nami das Gespräch nicht in eine Sackgasse lenken. Sie drängte nicht, gab Robin die nötige Zeit, und wenn sie diese so betrachtete, überlegte sie eindeutig. Ein schwerer Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, während sie vermutlich nach der passenden Formulierung suchte.

Schließlich lehnte sie den Kopf zurück und begann leise: »Ich könnte sagen, mich hat seine aufdringliche Art rotsehen lassen. Er wirkt wie jemand, der nur hört, was er hören möchte, aber wir wissen beide, dass das Problem tiefer liegt.« Leicht neigte sie den Kopf und betrachtete Nami mit einem traurigen Lächeln. »Unsere Situation ist belastend. Zuhause meiden wir uns, hier spielen wir das glückliche Paar. Aufgestauter Frust, gepaart mit einem schmierigen Kerl … du bist einiges für mich, Nami, aber nicht gleichgültig.«

Diese atmete sichtlich durch und nahm den nächsten Schluck, während sie tief in ihren Gedanken versank. Sie ging alles innerlich durch, was zwischen ihr und Robin schiefgelaufen war – der ständige Zeitmangel, der abgesagte Urlaub und besonders das einmonatige Verschwinden von Robin für die Ausgrabung. Diese Erinnerungen schienen wie ein schmerzhaftes Puzzlespiel, das Nami nicht so recht zusammensetzen konnte.

Die gereizte Art, wie sie in letzter Zeit miteinander umgegangen waren, spiegelte sich in ihrer Erinnerung wider. Die Unstimmigkeiten, die Unaufmerksamkeiten, all die kleinen Dinge, die sich zu einem großen Problem aufgetürmt hatten. Nami betrachtete das Whiskeyglas in ihrer Hand, als könnte es Antworten auf die komplexen Fragen liefern, die sich in ihrem Kopf tummelten.

Sie erinnerte sich daran, wie sehr sie Robin als Teil eines Paares vermisste. Die gemeinsamen Momente, das Lachen, die Nähe. All das schien in den letzten Monaten in den Hintergrund gerückt zu sein. Die Einsamkeit, die sie manchmal empfand, war schwer zu ertragen. Sie verstand den Frust. Von null auf hundert. Das Miteinander war schwierig, mit dem Unterschied, das Nami ihren Emotionen Raum ließ.

Da hob sie den Blick. »Ich vermisse uns«, sagte sie leise. »Ich vermisse die gemeinsame Zeit, in der wir einfach nur wir waren, ohne den Druck und die Spannungen.« Etwas wurde ihr hier klar. Vor der Abreise hatte sie alles in einem Tunnel betrachtet, auf ihre Weise. Das Schlechte hatte die Oberhand, und die Flucht schien die einzige Option zu sein. In den letzten Tagen jedoch, als sie gezwungen waren, einen normalen Umgang zu pflegen … es erinnerte an früher und weckte entsprechende Sehnsüchte.

»Nicht nur du«, murmelte Robin in ihr Glas. »Die Mistelzweige stoßen mir genauso auf. Sie sind die perfekte Erinnerung an eine unkomplizierte Zeit. Ich vermisse sie auch. Aber du weißt genauso gut wie ich, dass es nicht so einfach ist. Es ist, als ob uns die Zeit und die Herausforderungen auseinandergetrieben haben.«

Ein Blickkontakt reichte und Nami erkannte darin denselben Schmerz, den sie selbst empfand. Die Seite hatte sie oft ausgeblendet. »Die Küsse sind schwer geworden, weil wir sie nicht mehr einfach genießen können, ohne dass der Ballast mitschwingt. Wir haben schon lange keinen mehr gehabt, einen ohne all die Probleme.« Und wieder dachte Nami darüber nach, wann sie den letzten echten Kuss geteilt hatten.

Ein kurzer Moment der Stille lag zwischen ihnen, bevor Robin mit einem leicht traurigen Lächeln sagte: »Der Ballast, wie du sagst, ist bei allem mit dabei. Unser Umgang spricht Bände. Bis wir hierhergekommen sind.«

»Wir können uns schwer aus dem Weg gehen.« Eigentlich ihre oberste Priorität. Bislang hatte sie darin versagt. Die kurze Zeit am Board und der gestrige Vormittag. Den Rest verbrachten sie dennoch in nächster Nähe. Eine Zerreißprobe. Denn neben den anderen funktionierte es irgendwie. Normales Reden, einfache Gesten. Kaum waren sie allein, kehrten sie in die Realität zurück.

Dabei sollten sie dort weitermachen. Ständig ausweichen brachte sie nicht weiter, es zermürbte. Langsam glaubte Nami, dass sie das von Anfang an hätten tun müssen. Raus aus dem Alltag und konfrontiert werden. Abhauen und Whiskey. Das hätte ihnen manches erspart.

»Wenn wir diese Nummer durchziehen, muss ich ein Thema anschneiden«, begann Robin unverblümt. Nami spürte, wie ihre Nervosität wieder zunahm.

»Okay«, sagte sie zögernd. »Worüber genau möchtest du sprechen?«

»Warum unterstellst du mir eine Affäre?« Überrascht von der Direktheit vermied sie den Blickkontakt. Das Thema stieß ihr ungut auf. Ein Zusammenspiel mehrere Faktoren. Zusammen mit dem Umgang miteinander. Seufzend rutschte sie tiefer und trank einen Schluck. Vielleicht holte sie lieber eine zweite Flasche. »Nami.«

»Koala ist mir suspekt, okay? Sie himmelt dich an, dein einmonatiger Ausflug … die Telefonate … und oh, ich finde es merkwürdig, wenn sie dir haufenweise Herzen schickt.« Vorsichtig schielte sie zu Robin, deren Blick undeutbar war. »Ich habe nicht spioniert, okay? Dein Handy lag neben der Kaffeemaschine und da kamen haufenweise Herzen rein. In einer Zeit, in der wir uns längst gestritten haben, was würdest du denken?«

Einen Augenblick lang wurde sie von Robin schweigend angestarrt und das machte Nami unsicher. Gestärkt wurde das Gefühl, als Robin einfach aufstand und sie erneut glaubte, sie würde neuerlich flüchten. Nami wollte schon fluchen. Etwas, das sie gerade noch verkniff, denn in dem Moment sah sie, wie Robin in ihrer Handtasche kramte, bis sie ihr Handy fand.

»Schau sie dir an«, sagte sie ruhig und reichte es ihr. »Ich möchte, dass du dir selbst ein Bild machst. Hier sind alle Nachrichten mit Koala.« Sie öffnete die Nachrichten-App und zeigte Nami die Unterhaltungen. Merkwürdigerweise kostete es sie einen Augenblick Überwindung.

Ihr Herz pochte schneller, als sie durch die Unterhaltungen scrollte. Die Worte auf dem Bildschirm schienen wie ein Blick in eine Welt, die sie bisher nicht gesehen hatte. Die Bilder, die Koala geschickt hatte, zeigten Artefakte und Fundstücke, nicht romantische Gesten. Die Herzen, die sie zu Beginn so beunruhigt hatten, waren eher Ausdruck von Begeisterung und weniger romantisch gemeint.

Robin sah sie ernst an. »Nami, ich schwöre dir, da ist nichts zwischen uns. Ja, bei dem Projekt arbeiten wir eng zusammen. Und zwischendurch reden wir über Privates, wir kennen uns jetzt zwei Jahre. Aber sie und ich?« Dann fügte sie mit einem Hauch von Humor hinzu: »Übrigens, wenn du möchtest, kann ich dich Koalas Ehemann vorstellen. Vielleicht wird das die Dinge klären.« Sie zwinkerte Nami zu und versuchte, die Stimmung zu lockern.

»Was?«

»Ja, Ehemann und die Kinderplanung ist relevant geworden.«

Nami starrte auf das Handy in ihren Händen, während Robins Worte langsam in ihrem Kopf nachhallten.

»Ehemann und Kinderplanung?«, wiederholte sie schließlich, ihre Stimme klang leiser als beabsichtigt. Ihre Gedanken waren ein wirres Durcheinander aus Selbstvorwürfen und dem Bedürfnis, die präsentierte Wahrheit zu verstehen.

Robin nickte leicht: »Ja, sie wollen eine Familie gründen.«

Langsam gab sie das Handy zurück, ohne etwas zu sagen. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf, während sie realisierte, wie sehr sie sich in diese gefährliche Spirale der Unsicherheit verwickelt hatte. Vielleicht wollte sie in dem Moment einfach glauben, dass das der Grund für ihre Probleme war.

»Warum?« fragte Nami schließlich, ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Warum bist du ins Gästezimmer?«

Daraufhin hob Robin eine Braue. »Nachdem wir gar nicht mehr gesprochen haben? In dem Streit hast du mir das mit ihr an den Kopf geworfen, ohne zuzuhören – sicher, ich habe genauso beigetragen, aber bei der Spannung? Ich dachte, wenn ich einfach mal aus unserem gemeinsamen Raum verschwinde, könnten wir beide etwas Freiraum zum Nachdenken haben.«

In dem Punkt musste sie zustimmen. Während es eskalierte, hatte Nami keine Chance gegeben und war in erster Linie sauer, wegen der Vorwürfe ihr gegenüber. Nur, dass es dadurch eben nie besser wurde. Sobald sie getrennt schliefen, fanden sie genug Abstand, um keine ernsthaften Gespräche mehr zuzulassen. Kein Wunder, dass sie vor der Abfahrt am Durchdrehen war.

»Eine reicht nicht«, brummte sie und leerte das nächste Glas. »Während du fort bist, hat mich Carina zum Ausgehen überredet und irgendwie wurde es mein Katalysator. Dem Stress zwischen uns entkommen, abschalten, Frust raus tanzen.« Bei allem, was schieflief, war dieser eine Monat ohne sie für Nami das heftigste Tief (bis zu diesem Zeitpunkt). Zumal die Abreise nicht ohne Diskussionen auskam. Die ersten Telefonate beinhalteten die nächsten und wurden ständig von einer greifbaren Spannung untermalt. Mit der Rückkehr kam zwar ein kurzes Hoch, aber in Anbetracht ihrer Verbissenheit, von beiden Seiten aus, hielt es eben nicht.

Dann registrierte sie eine Bewegung und blickte auf. Robin ging vor ihr in die Knie. Sie hielt sich an den Lehnen fest und suchte Augenkontakt.

»Nami«, begann Robin, ihre Stimme ernst und aufrichtig, »es tut mir leid, wie alles gelaufen ist. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen, aber ich habe nicht aufgehört. Ich liebe dich, es gibt keine andere.«

Nami spürte, wie ihr Herz schneller schlug, und ein Gefühl der Wärme durchströmte sie. Nach all den schwierigen Monaten, in denen ihre Beziehung auf der Kippe stand, hörte sie die drei magischen Worte zum ersten Mal wieder von Robin.

»Wir haben beide Mist gebaut«, fuhr Robin fort, ohne den Blick abzuwenden. »Aufgeben wäre verständlich, sehr sogar. Was ich allerdings gemerkt habe, ist, dass unsere Gefühle noch da sind. Du kannst sagen, was du möchtest, aber ich weiß, dass manches nicht gespielt war, und ich behaupte, dass du bei jedem Kuss dasselbe gespürt hast, wie ich.«

Sie schluckte. Es stimmte. Deshalb hasste sie die Mistelzweige, weil sie verraten wurde. Jeder weitere brachte ihren Verstand in die Knie und ihr Herz gefährlich ins Stolpern.

»Was schlägst du vor?« flüsterte sie daher.

»Wir müssen uns so oder so stellen. Entweder gehen wir getrennte Wege oder wir nutzen die Tage und reden offen miteinander. Nehmen unsere Probleme in Angriff und finden Lösungen.«

»Reden, ja?«, scherzte sie zur Antwort. »Entschuldige. Macht der Gewohnheit. Aber du musst sagen, es ist weiterhin passend. Während ich meinem Ärger Raum gebe, schluckst du. Dein Auszucken ist der beste Beweis.«

Überraschenderweise widersprach Robin nicht, sie nickte stattdessen. Ein Zugeständnis. Bei den Streitereien wurden sie beide laut, aber am Ende war Robin eben diejenige, die genug nicht aussprach. Und dieses Mal mussten sie zusammen an einem Strang ziehen, ganz gleich, wie unschön und schwierig es werden konnte.

»Was sagst du?«

Nami überlegte einen Moment, bevor sie Robins Gesicht umfasste. Sie zog sie näher und küsste sie zaghaft, ohne zu fordern. Wenn sie ihre Probleme angehen wollten, dann wollte sie einen ohne Spannung, ohne dass er gestellt war, einen echten.

Der Kuss war sanft, fast wie eine zarte Berührung. Nami spürte, wie ihre Lippen sich leicht öffneten, und ein Hauch von Vertrautheit kehrte zurück.

Die beiden lösten sich langsam voneinander, und Nami sah tief in Robins Augen. In diesem Moment erkannte sie das bekannte Knistern, das sie längst vergessen glaubte. Eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Hoffnung spiegelte sich in Robins Blick wider.

»Geben wir uns eine Chance«, flüsterte Nami. Ein Kribbeln durchzog ihr Inneres, und plötzlich wurde ihr bewusst, was sie all die Zeit über vermisst hatte. Die Vertrautheit, die Leidenschaft, das Gefühl von Geborgenheit. Es war, als ob sie einen verlorenen Teil von sich selbst wiederentdeckte und dieser Teil wollte gehört werden.

Und da spürte sie, wie der Impuls übernahm und ohne Zögern Robin zu sich zog. Ein intensiver Kuss entfaltete sich, angetrieben von einem unbezwingbaren Verlangen. Sie ließ alle Hemmungen fallen, hingebungsvoll und voller Sehnsucht, als ob sie die Zeit, in der sie voneinander entfernt waren, wieder wettmachten.
 


 

Ein unnachgiebiges Klopfen durchdrang die Morgenstille, und Nami wurde unsanft aus ihrem Schlaf gerissen. Die Sonnenstrahlen des neuen Tages hatten gerade begonnen, sich durch die Vorhänge zu kämpfen, als Nojikos energisches Rufen hallte.

»Raus aus den Federn! Die Piste wartet. Ace will Snowboarden lernen!«

Verschlafen rieb sich Nami die Augen, ein leises, genervtes Stöhnen folgte. Die Idylle der Nacht schien durch das energische Wecken ihrer Schwester zunichtegemacht worden zu sein. Sie war noch nicht bereit.

»Fahrt vor!«, giftete sie nach draußen, während sie gegen das grelle Tageslicht blinzelte. Was lief schief bei ihr?

Robin, die neben Nami lag, murmelte nur: »Wir haben es ihnen versprochen.« Dabei machte sie die Situation nicht besser, statt aufzustehen, drückte sie das Gesicht tiefer ins Kissen. »Du hast es«, erinnerte sie, als wäre Robin damit aus dem Schneider.

»Ace ist ganz aufgeregt, ihr habt keine Chance! Entscheidet euch, die sanfte oder die harte Tour! Soll ich reinkommen?« Brummend kämpfte sie sich aus den Decken. Die Kälte des Bergmorgens empfing sie.

»Untersteh dich! Gib uns eine halbe Stunde.« Wehe sie kam hereingeschneit, besonders nicht, nachdem Nami realisierte das sie nackt war, sie beide.

»Das wollte ich hören!«

»Ja, ja«, nuschelte sie, wissend, Nojiko hörte sie nicht. »Was haben wir uns eingebrockt?« Nami vergrub ihr Gesicht in den Handflächen. Verdammt. Nach der Nacht war es eindeutig zu früh! »Ich geh duschen.«

Robin brummte nur leise, woraufhin sie einen Blick über die Schulter warf. Mit freigelegtem Rücken lag sie da und Nami kam nicht drumherum, sie einfach anzusehen, bis sie schließlich seufzte. »Ich warne dich, wenn du einschläfst, schicke ich sie hoch.«
 

Unter der Dusche versuchte sie, den morgendlichen Nebel aus Schlaf abzuwaschen. Das warme Wasser prasselte auf sie herab und schickte kleine Dampfwolken durch das Badezimmer. Nami galt nicht gerade als Morgenmensch. Schon gar nicht, wenn man sie nach einer kurzen Nacht unsanft aus dem Schlaf holte. Genau den Mist hatte ihre Schwester früher gerne ausgenutzt.

Mit dem langsamen munter werden, drängten sich Erinnerungsstücke zurück. Das Eislaufen, das Essen. Bellamy. Die Rückkehr und das Reden bei einer Flasche Whiskey. Oh Gott, der Whiskey. Sie hatten danach nicht auf ihn vergessen.

Nami war resistent, aber manchmal war die Tagesverfassung entscheidend, sowie die Stunden Schlaf und die fehlten eindeutig. Brummend lehnte sie die Stirn an die Glaswand.

Und schließlich erinnerte sie an den Ausgang des Gesprächs. Ein einfacher Kuss, der rasant zu mehr geführt hatte. Hätte ihr vor ein paar Tagen jemand gesagt, sie würde mit Robin nicht nur auf einer vernünftigen Basis reden, sondern auch mit ihr schlafen … sie hätte jener Person den Vogel gezeigt.

Umso mehr gestand sie ein, dass sie ihn vermisst hatte. Sehr vermisst. Sich an einen letzten Kuss erinnern, war schwierig, aber den letzten Sex? Definitiv ein gutes Stück weiter zurück.

Tatsächlich verdrängten die Erinnerungsfetzen selbst die schlechte Laune. Die Nähe, die sie mit Robin geteilt hatte, war seltsam befreiend gewesen.

»Ich hasse deine Schwester.« Ihre Mundwinkel zuckten vergnügt.

»Willkommen in meiner Kindheit.« Sie tauschten und die Atmosphäre war seltsam vertraut, fast so, als wären sie wieder in einer Zeit, in der sie einfach nur zwei Menschen waren, die sich liebten. Diesen verschlafenen, mürrischen Blick hatte sie lange nicht gesehen. Ja, Robin konnte morgens anders und irgendwie brachte es Nami zum Lächeln.

»Wir könnten die Türe absperren und sie ignorieren«, schlug Robin vor, während sie sich abtrocknete. Ein netter Gedanke, leider tickte ihre Schwester anders.

»Und riskieren, dass sie durchs Fenster kommt? Denk dran, sie hat einen Feuerwehrmann an der Seite!«

Nein, lieber durchbeißen. Gestern hatte sie ohne Bedenken zugesagt. Einen Tag am Board lenkte ab und man konnte getrennte Wege gehen. Woher wusste Nami, dass sich das Blatt wendete? Vor ihnen stand natürlich eine Menge Arbeit, aber erstmals spürte sie Hoffnung und ein neu entdecktes Gefühl der Erleichterung. Sie wollte es für den Morgen behalten.
 


 

Auf der Rückbank beobachtete Nami amüsiert Robin, die ihre verräterischen Augen hinter der Sonnenbrille verbarg und mit einem Thermobecher Kaffee neben ihr saß. Stur blickte sie geradeaus, und trotz der durchzechten Nacht sah Robin makellos aus.

Wer sie nicht kannte, hätte anhand ihres Äußeren nichts erkannt. Ihr Pech. Olvia hatte ihr Erscheinen amüsiert kommentiert. So schnell hatte Robin selten ihre erste Tasse ausgetrunken. Auf ein Frühstück verzichteten beide.

Bislang verlief die Fahrt ruhig, und die Turteltauben taten, was sie am besten konnten: flirten. Die beiden hatten eindeutig keinen nächtlichen Schlummertrunk eingenommen, zumindest keinen alkoholischen.

Dennoch war der Moment gekommen, in dem die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wurde. Ace warf ihnen im Rückspiegel ein verschmitztes Grinsen entgegen. »Na, wie war eure Nacht?«

»Interessant, könnte man sagen«, antwortete Robin und nippte an ihrem Kaffee, was Nami ein leises Lachen entlockte.

»Ja, sehr interessant.« Sie schüttelte den Kopf. Auf jeden Fall entgegen der Erwartung. Nojiko steckte den Kopf zwischen die Sitze und zwinkerte zweideutig.

»Ihr beide seht aus, als hättet ihr die Nacht eures Lebens gehabt.«

Robins Mundwinkel zuckten verdächtig. »So in etwa.«

Ace schüttelte amüsiert den Kopf. »Ihr seid wirklich nicht ausgeschlafen, was?«

Nami lehnte sich zurück und gähnte leicht. »Kann man so sagen. Wir haben Väterchen Frosts Whiskeylager geplündert.« Auf ihre Schwester ging sie gar nicht ein. Das hatte sie gelernt.

»Was?« Nojiko sah sie entrüstet an. »Uns schickst du ins Bett, und ihr habt ohne uns gefeiert? Dann habt ihr meinen Weckruf eindeutig verdient!«

»Als ob dich unsere Zweisamkeit gestört hätte«, kicherte Ace. Nojiko wurde leicht rot und setzte sich wieder richtig hin, während Ace lachend den Wagen lenkte. »Aber jetzt erzählt mal, was habt ihr beiden wirklich getrieben? Ich liebe Details!«

Ausgerechnet Robin lachte, während Nami energisch blockte: »Konzentrier dich lieber auf die Straße. Ich will heil ankommen.«

»Spielverderber! Aber denk dran, heute Abend gibt es keine Ausrede. Ihr verkriecht euch nicht im Bett!« Nami rollte die Augen über. Als ob sie darauf vergaß. Wenigstens gab sich Ace zufrieden und in ein paar Minuten würden sie endlich ankommen. Dann durfte sie eine Runde lachen.
 


 

Nebeneinander standen sie im Kinderhügel, die Skier bzw. das Snowboard fest in den Händen, und schauten fasziniert auf Nojiko und Ace. Ein wahrhaft unterhaltsamer Anblick. Ihre Schwester als Lehrerin, ihr Freund als Opfer.

Ace, voller Eifer und Enthusiasmus, versuchte sich auf dem Snowboard zu halten. Mit tapsigen Bewegungen und unsicheren Schritten kämpfte er sich den Hügel hinauf und versuchte dann, wenige Meter zu fahren. Doch bei jedem Versuch einer Kurve endete er mit einem mehr oder weniger eleganten Sturz im Schnee.

Nami konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, als Ace wieder einmal im Schnee landete. »Er gibt wirklich alles, oder?«

Robin schmunzelte. »Ja, das muss man ihm lassen. Nojiko tut ihr Bestes, um ihn auf die Beine zu bringen.«

»Ein Lehrer wäre besser … Sie sind geschult.« Neugierig beobachtete sie, wie Nojiko geduldig Anweisungen gab und Ace immer wieder aufhalf.

»Wenn ich richtig verstanden habe, ist heute ein Probelauf. Wenn er Gefallen findet, will er Unterricht nehmen«, erklärte Robin, die mittlerweile wesentlich munterer schien. Bevor sie den Fehler machten und sich unvorbereitet auf die Hänge wagten, nahmen sie lieber die Funktion als Zuschauer ein. Eine gute Entscheidung, die ihnen Schmerzen ersparte.

»Wollt ihr Wurzeln schlagen?«

»Du hast uns gezwungen mitzukommen«, rief Nami schulterzuckend zurück. Auf Dauer lag es wiederum nicht in ihrem Interesse, aber als vielversprechenden Anfang? Außerdem bekam sie langsam Hunger. »Was sagst du? Lassen wir die zwei und holen uns einen Snack?«

Robin schob die Brille vor und taxierte sie mit gehobener Braue. »Jetzt?«

»Ja, jetzt.«

Nach einigem Zögern willigte Robin schließlich ein, und sie machten sich auf den Weg zu einer der gemütlichen Hütten am Rand der Piste. Als sie drinnen waren, spürte Nami sofort die wohlige Wärme, die der knisternde Kamin verbreitete. Um die Uhrzeit hatten sie Glück, erst gegen Mittag begann der richtige Trubel.

Die Kellnerin kam, um die Bestellungen aufzunehmen, und Robin bestellte nur einen Kaffee und ein Wasser. Als die Kellnerin sich an sie wandte, bestellte Nami mit einem entschlossenen Lächeln eine Portion Pancakes und einen belegten Bagel.

»Dein dritter Kaffee auf nüchternen Magen … iss etwas!« Das war niemals gesund.

»Im Gegensatz zu dir, liegt mein Appetit noch im Bett.« Auf das Stirnrunzeln hin, lächelte Robin entschuldigend. »Ich habe keinen Hunger, okay?«

Nami blieb skeptisch, aber bevor sie etwas erwidern konnte, wurde ihr Essen serviert. Die dampfenden Pancakes und der Bagel mit Frischkäse dufteten verlockend. Nami konnte die Versuchung nicht widerstehen und steckte ihre Gabel in die fluffigen Pancakes, abgerundet mit Butter und Ahornsirup.

»Komm schon, probiere wenigstens ein bisschen«, drängte sie und hielt Robin eine Gabel mit einem mundgerechten Stück hin.

»Was genau ist dein Problem?«, fragte Robin über den Tassenrand hinweg, ohne die Gabel eines Blickes zu würdigen.

»Sie sind lecker und du brauchst genauso einen Happen.«

Robin zögerte einen Moment, bevor sie widerstrebend abbiss. »Besser?«

»Wow, deine Begeisterung ist ansteckend«, feixte sie und schob Robin provokant den Bagel zu. Ihn hatte sie mit einem Hintergedanken bestellt. »Mir wäre wohler, wenn du nicht mir leeren Magen fährst – Bitte?«

Offensichtlich rang Robin. Weniger mit dem Essen selbst, vielmehr darüber, ob sie länger gegen sie reden sollte und im schlimmsten Fall eine unnötige Diskussion heraufbeschwor. Es lag eben ein steiniger Weg vor ihnen, auf dem durchaus Stolperfallen lauerten – normal für ein Gespräch. Eine Nacht löschte eben nicht das Geschehene aus, aber sie nahmen es an. Robins Reaktion bewies Nami, dass sie versuchte.

»Okay, sollte ich mich später übergeben, bist du schuld.« Prustend nickte Nami.

»Ich verspreche, ich halte deine Haare, einverstanden?« Einen Moment lang sahen sie sich in die Augen, ehe Robin seufzend den Teller näher schob.

Kurzzeitig fühlte sie den Triumph, wurde aber nachdenklicher, als sie Robin genauer betrachtete. Ein besorgter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. Obwohl sie kaum Zeit miteinander verbrachten oder vielleicht sogar genau aus diesem Grund, war Nami die Gewichtsabnahme längst aufgefallen. Bislang hatte sie nie etwas gesagt. Eigentlich ein weiteres Argument, warum sie eine Kleinigkeit frühstücken sollte.

Übernahm der Stress, fiel Robin gerne in ungesunde Muster. Schlaf und Essen wurden zur untersten Priorität. In ihren fünf Jahren wurde es erst ein einziges Mal problematisch, und das war in ihrem ersten Jahr miteinander. Zwischendurch war Nami provokant eingeschritten. Ein weiteres Indiz für das Auseinanderdriften ihrer Beziehung. Kein Wunder, dass Robin am ersten Morgen länger geschlafen hatte. Dann fiel ihr etwas ein. Automatisch lehnte sie zurück und trank nachdenklich ihren Orangensaft.

»Ich glaube, ich verstehe, was du letztens gemeint hast.« Robin schenkte ihr einen fragenden Blick, während sie lustlos auf einem Stück Bagel kaute. »Du hast mich ohne Kontext gefragt. Was denkst du, warum ich trotzdem mitgekocht habe? Eigentlich hätte ich auswärts essen gehen können oder mir eine Kleinigkeit zubereiten.« Hätte sie. Vielleicht gingen sie sich gekonnt aus dem Weg. Vielleicht sprach Nami nichts an. Aber blind war sie nicht. Bis zu einem Grad hatte sie es schlichtweg ignoriert. Kein ruhmreicher Schachzug. Erinnerte sie sich aber an die Ausgangslage, durchaus verständlich. »Olvia hat dich darauf angesprochen, oder? Zusätzlich zu deinem Arbeitspensum.« Das sichtlich überforderte Blinzeln und das schwere Schlucken bestätigten Nami.

»Vielleicht«, nuschelte sie in ihr Wasserglas. Ablenkung, aber das funktionierte nicht ewig. »Möchtest du hier das Gespräch fortsetzen?«

»Nettes Ambiente, oder?« Provokant auffällig blickte sie umher. Sie ließ Robin zappeln, die alles andere als erfreut aussah. Schließlich lächelte sie aufmunternd. »Kam mir einfach in den Sinn, okay? Mein Plan endete, in dem Moment, in dem du gegessen hast.« Nein, ein tieferes Gesprächsthema hatte sie nie vorgehabt, es hatte sich in dem Fall ergeben. Sie stützte das Kinn an ihren verschränkten Finger ab. »Beantworte eine Frage, und wir hören auf. Deal?«

»Etwa die, die du mir letztens stellen wolltest?«

»Nein, die hast du mir heute Nacht beantwortet.« Nami lächelte sanft, während Robin uneinig war.

»Okay«, sagte sie schlussendlich und seufzte.

»Muss ich mir ernsthafte Sorgen machen?« Robin sah sie irritiert an und schüttelte den Kopf.

»Nein. Normalisiert sich wieder, sobald ich zurückschalte.« Nami beobachtete Robin aufmerksam, während ihre Gedanken kurz abschweiften. Der Stress, den beide in ihren jeweiligen Lebensbereichen hatten, war zweifellos spürbar. Aber etwas in Robins Reaktion ließ Nami daran zweifeln, dass es nur das war. Es war, als ob ein unsichtbares Gewicht auf Robins Schultern lastete, das über die beruflichen Anforderungen hinausging.

»Robin. Du müsstest dir den Stress nicht antun, oder?«

Diese senkte den Blick und spielte nervös mit der Tasse. Nach einem Moment des Schweigens seufzte sie und gestand leise: »Du weißt, warum ich ab einen Punkt gefühlt nicht mehr zu Hause bin. Unser Umgang ist belastend und dann vergräbt man sich in anderem. Ja, es hat mich mitbeeinflusst.«

Nami spürte einen Kloß in ihrem Hals. Es war keine Überraschung, aber die Bestätigung schmerzte dennoch. Jetzt war es an der Zeit, nicht nur die Oberfläche zu kratzen, sondern die tiefen liegenden Probleme anzugehen, wenn ihre Beziehung eine Chance haben sollte.
 


 

Der Schnee knirschte unter Namis Snowboard, als sie den steilen Hang hinabfuhr. Die kalte Bergluft biss in ihr Gesicht, und die verschneite Landschaft dehnte sich vor ihr aus.

Normalerweise genoss sie die rasante Abfahrt, fühlte die Freiheit und den Nervenkitzel des Sports. Doch heute war alles anders.

Ihre Gedanken waren wie wild gewordene Pferde, die sich nicht einfangen ließen. Immer wieder kehrten sie zu dem Gespräch mit Robin zurück, zu den offenen Worten.

Nami versuchte sich zu fokussieren, ihre Sinne auf das Snowboarden zu konzentrieren, aber das Gesagte ihrer Freundin drängten sich hartnäckig in den Vordergrund.

Kein Wunder also, dass Nami mehrmals drohte, aus dem Gleichgewicht zu geraten, doch sie konnte sich jedes Mal wieder fangen. Der Schnee flog ihr ins Gesicht, während sie sich den Berg hinunterzwängte.

Die Leichtigkeit war verflogen. Hätte sie lieber den Mund gehalten. Aber kam es eben genauso wie erwartet. Redeten sie und versuchten ihre Beziehung zu kippen, würden Höhen und Tiefen abwechseln. Was in Monaten aufgebaut wurde, rissen sie nicht in einem Tag wieder ab.

Und irgendwie musste sie auch gestehen, dass sie bereits nach einer Wohnung gesucht hatte. Im Grunde gestand sie Robin, dass sie von ihrer Seite längst aufgab. Plötzlich sah sie darin eine vorschnelle Handlung, obwohl die Situation ihre Entscheidung durchaus verständlich machte.

Dass das der ungünstigste Moment für Überlegungen war, verstand Nami in dem Moment, in dem Robin ins Sichtfeld kam. Unwillkürlich bremste Nami abrupt ab, Schnee wurde aufgewirbelt und der Sturz schien unausweichlich. Dieses Mal rettete sie sich nicht. Prompt folgte eine harte Landung, für die sich ihr Rücken bedankte.

»Verdammt!«, fluchte sie laut. Die Frustration über ihre eigene Unfähigkeit, sich zu fokussieren, mischte sich mit den ausgelösten Emotionen.

Nami lag einen Moment im Schnee und atmete tief durch. Die klare Bergluft fühlte sich erfrischend an, aber sie konnte den Knoten in ihrer Brust nicht lösen. Wenn sie so weitermachte, konnte sie gleich abschnallen und gehen. Beim Aufsetzen blickte sie den Hang hinunter und erkannte weiter unten Robin, die wartete.

Brummend wischte sie etwas Schnee aus dem Gesicht, rappelte sich auf. Energischer klopfte sie die Kleidung ab, als würde sie somit zurück in die Spur finden. Es sollte ihr helfen, nicht alles komplizierter machen!

Mit einem weiteren tiefen Durchatmen fuhr so weiter, wesentlich gemächlicher, bis sie oberhalb von Robin stehen blieb.

»Alles in Ordnung?«, fragte diese mit einem Hauch Sorge.

»Ja«, lachte sie verlegen. »Schätze, die kurze Nacht rächt sich.«

»Willst du eine leichtere Strecke nehmen? Oder pausieren?« Pausieren klang perfekt, aber sie hatten gerade erst angefangen. Lieber den ersten Vorschlag. Anders als Nami, liebte Robin auch bei den ersten Fahrten sofort die Herausforderung.

»Vielleicht nehmen wir die vordere Abfahrt und dann sehen wir weiter?« Ihr Anspruch war deutlich geringer und dachte sie darüber nach, konnte sie dabei den Kopf freibekommen. Nach und nach. Irgendwie musste es gehen. »Sorry, dass ich nicht auf der Höhe bin.«

Robin schmunzelte. »Passiert, ist kein Beinbruch – okay, der kann in dem Fall schneller kommen.«

»Robin! Mal den Teufel nicht an die Wand!«
 


 

»Verdammt, Ace!«, fluchte Nami lautstark. Von Beginn an kam er ihr ständig in die Quere. Dieses Mal schubste er ihren Yoshi eiskalt von der Bahn.

Schadenfroh lachte er und zwinkerte: »Happy wife, happy life – schon vergessen?«

»Ich gebe dir gleich ein glückliches Leben«, knurrte sie leise und versuchte seinen angerichteten Schaden zu beheben. Ace räumte absichtlich die Strecke auf, um Nojiko den Weg zu ebnen. Diese war voll in ihrem Element, und setzte alles daran, schon wieder als Erste über die Ziellinie zu rasen.

Der Mario-Kart-Abend war in vollem Gange. Während Robin, Bellemere und Genzo nach ein paar Rennen eine Pause einlegten, war Nami wild entschlossen, ihre Schwester endlich in die Schranken zu weisen. Wenn ihr Freund nicht ständig dazwischen wäre!

Denn Olvia und Kuzan stellten keine Konkurrenz dar, vielmehr verlorenen sie sich in einem erbitterten Duell, jeder mit dem festen Willen, den anderen zu übertrumpfen. Leider war das jetzt alles egal, denn Nojiko brachte ihre Führung souverän ins Ziel. Peach ging ihr gehörig gegen den Strich!

Ace jubelte mit ihrer Schwester und als sie verliebt »Eskimo-Kuss« riefen, würgte Nami provokant. Das taten sie extra! Mit finsterem Blick beobachtete sie die Turteltauben. Besonders fest hielt sie dabei den Controller und überlegte, wo sie ihn Ace hineinstecken könnte. Ihr Blick fixierte ihn, während sie innerlich brodelte.

»Robin …«, sagte sie mit gefährlichem Unterton. Diese saß vor ihr am Boden und lehnte mit dem Rücken an die Couch und schüttelte sich just in dem Moment.

»Da kam gerade so ein kalter Windzug«, kommentierte sie leise. Nach einem von Namis extra lauten Räuspern, legte sie den Kopf zurück und zeigte ihr charmantestes Lächeln. »Ja?«

»Greif mir gefälligst unter die Arme! Siehst du, was die machen?« Gelassen hob Robin eine Augenbraue.

»Soll ich sie festhalten, oder was möchtest du?«

»Gute Idee … ohne seine Hilfe ist sie machtlos.«

»Ach, komm. Ist ein Sp-«

»Happy wife, happy life … schon vergessen?«, unterbrach sie mit einem diabolischen Grinsen. Robin quittierte das mit einem ihrer Ist-das-dein-Ernst-Blick. Nami nickte bekräftigend. Es war ihr todernst. Sie wollte Revanche.

Bellemere prustete: »Deshalb spielen wir kein Monopoly!«

»Weil sie schummelt, hast du vergessen«, warf Nojiko unschuldig in den Raum und prostete ihrer Schwester zu, die ihr einen giftigen Blick schenkte.

»Du meinst, weil ich dich ausnehme.« Das tat Nami. Bei jeder Gelegenheit. »Also … was sagst du?«, fragte sie wieder an Robin gewandt und legte ihre Hände auf deren Schultern. Ihr Lächeln sollte bezaubernd wirken, aber es hatte auch etwas leicht Bedrohliches.

»Psst … Robin«, hörte sie Kuzan »Wenn du Hilfe brauchst, ein Zeichen reicht, okay?«

Ihre Hand winkte den Kommentar ab, während sie nichtssagend zu Nami aufblickte.

»Du bist unmöglich«, seufzte sie schließlich und löste sich aus dem Griff. Schwungvoll stand Robin auf und holte den Controller vom Tisch. »Ein Rennen und dann mache ich definitiv Schluss.«

»Wir hören erst auf, wenn Nojiko verloren hat!«, protestierte Nami. Jetzt, da sie sich festgebissen hatte, konnte sie unmöglich vorher aufhören.

»Eines reicht dafür«, entgegnete Robin siegessicher, woraufhin Nojikos Zunge schnalzte.

»Ganz schön überheblich – Ace, mach dich bereit!« Normalerweise würde Nami daran glauben, aber ob ein Rennen reichte? Zumal es galt Ace in Schach zu halten? Was sie aber mehr überraschte, war, dass sich Robin provokant zwischen das Paar setzte und das war überhaupt nicht begeistert. Gekonnt ignorierte sie die Proteste. Stattdessen warf sie einen Blick an Ace vorbei und zwinkerte Nami aufmunternd zu.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Unschwer erkennbar hat sich Nami das Kapitel an sich gerissen, auweh. Bis zum abschließenden Teil wünsche ich Frohe Weihnachten :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  BurglarCat
2023-12-24T16:21:08+00:00 24.12.2023 17:21
wenigstens reden sie endlich miteinander!
Das macht durchaus Hoffnung auch, wenn es nicht einfach wird und da doch einige Probleme vorhanden sind. Gerade auch, wie Robin körperlich unter all dem leidet. Kein gesunder Umgang mit all dem, der doch eigentlich dafür sprechen sollte, dass eine Lösung dringend gebraucht wird.
Gleichzeitig genießt man diese schönen Momente zwischen den beiden und hofft einfach nur, dass das bald wieder zu einem Alltag gehören kann. Ich bin schon gespannt, wie du das ganze auflösen wirst. Ob wir etwas mehr Klarheit bekommen oder mit einem Ausblick auskommen müssen? Das wird sicher spannend. Noch spannender wird es, wie lange es nun bis zum Abschluss dauern wird xD
Es war auf jeden Fall wohltuend damit in die Weihnachtstage zu starten, vielen Dank dafür!
In diesem Sinne; Frohe Weihnachten!
Antwort von: robin-chan
25.12.2023 09:54
Den Abschluss gibt's am 31. :) Und es wird durchaus ein Ausblick auf ihre Zukunft geben, dann ist Schluss. Obwohl es leider wieder genug Ideen gibt, aber nein, Seasons wartet ja schon brav xD
Von:  TiaDraws
2023-12-24T07:18:45+00:00 24.12.2023 08:18
Das Kapitel ist echt der Hammer geworden ❤️ da hat sich die Plackerei doch echt gelohnt. Es ist so schön zu sehen, dass ich beide endlich gemeinsam am Riemen reißen und kommunizieren. Was mich allerdings am meisten beeindruckt hat, war die Tatsache, dass Robin ihr das Handy gegeben hat. Normalerweise steigen hier die meisten Paare aus.

Mario Kart ist doch echt die Krönung des Abends, und dass sich Robin dann genau zwischen Ace und Nojiko setzt... Perfekter Schachzug!

Frohe Weihnachten 🎄🥰


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