Zum Inhalt der Seite

Sammlers Squid Game

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Cedrics großer Tag

Cedric hatte seit dem magischen Unfall seiner Schwester, an dem man ihm die Schuld gegeben hatte, eine traurige Existenz gefristet. In alter Tradition war er dennoch der königliche Hofzauberer an der Seite König Rolands geworden, doch sein angebliches, spektakuläres Versagen von damals haftete an ihm, wie ein Stigma.

In seiner Not fasste er den Plan, es allen zu zeigen! Er würde das Königreich übernehmen und dann würde ihn niemand mehr auslachen! Niemand widersprach dem König! Er würde bekannt werden als König Cedric, der Große und man würde vergessen, was er zuvor gewesen war.

Viele Vorhaben waren gekommen und gescheitert.

Dann war Prinzessin Sofia mit ihrer Mutter ins Schloss eingezogen und hatte ... ja, was hatte die Kleine nur mit ihm angestellt? Sie war ihm völlig vorbehaltlos begegnet. Sie hatte Lob und Dank für ihn bei jeder Gelegenheit. So oft wie sie hatte ihn bisher nur seine eigene Mutter umarmt! Aber sie hatte auch das Amulett von Avalor und ein neuer Plan entstand in seinem bösen Geist. Er wollte das Amulett von Sofia stehlen und mit der Macht dieses lilafarbenen Schmuckstücks König werden!

Das Problem mit diesem vertrackten Ding war nur, dass es einen verfluchte, wenn man es sich umlegte und Böses tat. Cedric hatte keine Chance, es unter diesen Umständen für seine Ziele einzusetzen, doch das wurde ihm erst nach vielen, vielen Versuchen klar.

Trotz seiner vielen Attentate schöpfte die Prinzessin niemals den Verdacht, er könne etwas gegen sie im Schilde führen, und das obwohl sie sonst immer ein untrügliches Gespür für unlautere Personen hatte. Bei ihm versagte ihr Gespür auf ganzer Linie.

Oder - manchmal meldete sich diese kleine Stimme in seinem Verstand - vielleicht durchschaute sie ihn besser als er sich selbst.

Sein Hass und sein Rachedurst waren ja nicht von vornherein in ihm angelegt gewesen. Das hatte sich über viele, viele Jahre der Schmähungen und der Nichtachtung in ihm entwickelt. Er wollte sich eigentlich doch nur aus dem Status des Trottels und Nichtskönners befreien und endlich die Anerkennung erfahren, die er sich in so langer, mühevoller Arbeit verdient hatte.
 

Einmal hatte er es geschafft, den Thron an sich zu reißen. Es war eine Verschwörung der königlichen Hofzauberer gegen die Königsfamilien gewesen. Sie hatten alle gleichzeitig zuschlagen müssen, damit kein Land dem anderen zu Hilfe kam. Der Plan war simpel aber effektiv gewesen und Cedric hatte einen wunderbaren Moment lang König des Zauberreiches sein können. Doch dann war Sofia aufgetaucht. Ihre Worte hatten ihn erreicht und er hatte ... aufgegeben. Auf der Höhe seiner Macht hatte er es einfach sein lassen. Er war verhaftet und eingesperrt worden. Nun war sein Ruf nicht nur miserabel, sondern völlig zerstört.

Sofia brachte ihren Vater zwar dazu, ihm die Chance zu geben, sich zu rehabilitieren, aber es war ein steiniger und demütigender Weg gewesen. Roland wollte ihn einfach nicht als denjenigen sehen, der er war. Er glaubte lieber seinen Vorurteilen, zu denen nun auch noch ein begründetes Misstrauen wegen des Putsches kam.

Es bedurfte Sofias ganzer Unterstützung, damit Cedric wieder seinen Status Quo erreichte. Also den Status, aus dem er sich hatte befreien wollen. ...
 

Dann kam der Tag als Sofia mit ihrer Familie nach Avalor reiste und die in ihrem Amulett eingesperrte Prinzessin befreite. Es kam zu allerhand Verwicklungen und Auseinandersetzungen und diesmal ging Sofia nicht einfach als Heldin aus der Geschichte hervor. Sie wurde in ihr eigenes Amulett eingesperrt. Plötzlich war es an Cedric, die Prinzessin zu retten. Alle Erwartungen und Hoffnungen lagen plötzlich auf ihm. Cedric hatte unter den Augen des missgünstigen Königs - genau wie unter denen seines Vaters - noch nie richtig zaubern können. Es machte ihn nervös und dann vermasselte er es immer. Doch diesmal, nach allem was er mit Sofia erlebt hatte, hatte er Vertrauen in seine Fähigkeiten gehabt. Er hatte es geschafft und dafür endlich den lang ersehnten Titel "Cedric, der Große" erhalten.
 

Danach dauerte es nicht mehr lange bis er am Hofe König Rolands endlich geachtet wurde. Jetzt da das Missverständnis mit seiner Schwester endlich aufgeklärt worden war, er sich mit König Roland versöhnt sowie Prinzessin Sofia vor aller Augen aus dem Amulett befreit hatte und man ihm endlich etwas zutraute, wurde er mit Aufträgen, Bitten und Fragen überschwemmt. Er erntete nun nicht nur das Ansehen, das er verdiente, sondern wurde nun auch deutlich öfter frequentiert! Die Menge an Fragen und Aufgaben, denen er sich nun stellen musste, beschäftigte ihn beinahe täglich von früh bis spät. Auf einmal hatte er spürbar weniger Freizeit. Manchmal kam es ihm so vor, als ließe man ihn in seinem Turm überhaupt nicht mehr allein.

So viel Trubel um seine Person überhaupt nicht gewöhnt, ertappte sich Cedric immer häufiger bei dem Versuch, sich zu verstecken, um der allgemeinen Aufmerksamkeit zu entgehen, die ihm plötzlich zuteil wurde. Natürlich genoss er seine exponierte Stellung in vollen Zügen. Das Zaubern fiel ihm nun auch unter König Rolands Blicken immer leichter und er bewegte sich nun nicht mehr mit hängenden Schultern und gebückt durch das Schloss, sondern stolz und aufrecht, fast als wäre er selbst der König.

Dennoch war er es viel zu lange gewöhnt gewesen, teilweise Tage lang ungestört in seinem Turmzimmer Pläne auszutüfteln und Zauber vorzubereiten. Die Aufträge des Königs waren ihm immer eher eine lästige Ablenkung davon gewesen als eine Ehre, vor allem wenn es wieder geheißen hatte, er solle die Kinder mit Zaubertricks bespaßen. Jetzt aber kamen laufend ernstgemeinte Anfragen, Probleme und Aufträge herein, bis sich die Papiere und Gegenstände auf allen Tischen seines Turmzimmers stapelten.
 

Eines Tages fand ihn Prinzessin Sofia zusammengekauert im Gemüsegarten, wo sie gerade mit ihrem Kaninchen Kalle spazieren ging. Dort suchte ihn nämlich normalerweise nie jemand.

"Mister Cedric? Mister Cedric. Was machen Sie denn hier? Hat man Sie gebeten, das Gemüse zum Wachsen zu bringen oder mit einem Zauber die Schädlinge zu bekämpfen?", fragte das kleine Mädchen aufgeschlossen und freundlich wie immer. Cedric entfaltete seinen langen, dünnen Körper, um sie anzusehen und seufzte.

"Ach Prinzessin Sofia. Wie macht Ihr das nur, bei all der Aufmerksamkeit und Verantwortung, die Euch als Prinzessin zukommt, dass es Euch nie zu viel wird?", fragte er niedergeschlagen. Sofia sah ihn mit ihren großen Augen erstaunt an. Dann legte sie nachdenklich einen Finger an die Lippen. Neben ihnen tat sich Kalle an einer Karotte gütlich und kratzte sich mit dem hinteren Lauf an seinem rechten Schlappöhrchen. Plötzlich hob Sofia die Arme, legte den Kopf schief und zuckte mit den Schultern.

"Ich weiß auch nicht. Ich versuche einfach immer mein Bestes und gehe eine Aufgabe nach der anderen an.", meinte sie und ließ sich neben Cedric ins Beet sinken.

"Habt Ihr nie das Gefühl ... Euch verkriechen zu wollen?", fragte Cedric unglücklich. Er konnte es ja selbst nicht fassen. Endlich hatte er alles was er je gewollt hatte und nun brauchte er eine Auszeit davon. Die Arbeit wuchs ihm einfach über den Kopf. Sofia überlegte wieder. Dabei folgten ihre Augen den Wolken am Himmel.
 

"Hm. Nur wenn eine Aufgabe zu groß für mich zu sein scheint. Aber wissen Sie, was ich dann mache?"

Cedric schniefte.

"Was denn?", fragte er, "Setzt Ihr Euer Amulett ein?"

Sofia kicherte niedlich. Er mochte dieses unschuldige Kinderkichern und musste unwillkürlich selbst lächeln.

"Ja, das tue ich.", gab sie freimütig zu.

"Aber ich habe kein solches Amulett, Prinzessin Sofia.", gab der Zauberer zu bedenken.

"Und selbst wenn ich es hätte, würde es mich doch nur wieder verfluchen.", dachte er laut. Diese Erfahrung hatte er schließlich schon gemacht. Sofia schenkte ihm ihr bezauberndes Lächeln.

"Darauf wollte ich jetzt gar nicht hinaus. Ich wollte sagen: Auch wenn eine Aufgabe zu groß für mich ist, dann ist sie das noch lange nicht für uns alle zusammen. Ich bin auf meinen Abenteuern nie alleine gewesen. Ich habe Sie und Minimus und Amber und James und Helferich und Mama und Papa und Kalle, Rubi, Jade, Lucinda und ..."

Cedric unterbrach sie glucksend.

"Ja, ja, ich habe schon verstanden worauf Ihr hinaus wolltet."

"Genau! Und Sie sind auch nicht alleine. Jeder, der Sie gern hat, wird Ihnen auch helfen, wenn Sie nett darum bitten."

Cedric musste über diese kindliche Naivität einfach schmunzeln. Leider gab es im Schloss nur einen königlichen Hofzauberer. Er konnte seine Aufgaben nicht einfach delegieren oder teilen oder ... wenn er ehrlich zu sich war, dann wollte er nur die Macht nicht teilen, die ihm sein neuer Titel verschaffte.

"Danke, Sofia. Ihr habt mir sehr geholfen.", log Cedric und strich Sofia lächelnd über das braune Haar. Sofia kicherte glockenhell.

"Kann ich Ihnen denn bei etwas helfen? Ich bin inzwischen ganz gut im Zaubern.", bot Sofia an.

"Oh nein, vielen Dank, Prinzessin Sofia. Ich war nur ... etwas müde von all der neuen Verantwortung.", er streckte und reckte sich demonstrativ und zerrte sich dabei versehentlich etwas im Kreuz, "Argh ... Ähm, aber jetzt fühle ich mich wieder voller Tatendrang. Am besten gehe ich gleich in meinen Turm und stelle mich der nächsten Herausforderung. Zum Wohle des Zauberreiches und so weiter."
 

Er verabschiedete sich und machte sich auf den Weg in seinen Turm. Er vermisste Wurmwurz. Mit ihm war er sich einig gewesen. Ihm hatte er nichts vorspielen müssen. Aber Wurmwurz hatte ihn verraten und Sofia hatte immer zu ihm gestanden, daher war es gut so, wie es jetzt war, oder?

Tief in Gedanken schlurfte er durch das Schloss, an Helferich, Prinzessin Amber und Prinz James vorbei, die ihn alle ansprachen und irgendetwas von ihm wollten. Er winkte ihnen müde mit den Worten: "Ja, ja, ich kümmere mich darum.", und ging weiter, ohne ihnen zugehört zu haben. Dann jedoch trat ihm König Roland in den Weg. Aus schierer Gewohnheit krümmte Cedric den Rücken vor ihm und machte sich damit kleiner als er tatsächlich war.

"Cedric, was hat das zu bedeuten?", fragte der König mit dieser harten Stimme, die Cedric schon bis zum Erbrechen von ihm gewohnt war. Der Zauberer bemühte sich um Beherrschung und Servilität.

"Wie bitte, was meint Ihr, eure Majestät? Ich war nur kurz in dringenden Angelegen...", doch König Roland unterbrach ihn, indem er plötzlich sehr freundlich lachte und Cedric auf die Schulter klopfte.

"Nicht so schüchtern, mein Bester. Ich nehme Sie doch nur ein wenig auf den Arm. Sie dachten wohl, wir hätten es vergessen, nicht wahr?"

Cedric war vollkommen überfordert.

"Vergessen? Was denn?"

"Ihren Geburtstag, Cedric! Ihren Geburtstag. Na kommen Sie schon mit. Im Thronsaal wartet Ihr Geschenk auf Sie.", erklärte der König aufgeregt und ging voraus.

"Ihr schenkt mir den Thron?", fragte Cedric halb verwirrt, halb hoffnungsvoll. Glücklicherweise überhörte Roland das. Er folgte König Roland und tatsächlich warteten im Thronsaal der halbe Hofstaat nebst Cedrics Eltern, seiner Schwester, seiner Nichte und offenbar allen, denen er je geholfen hatte.
 

Cedric konnte es nicht fassen.

"Was wird das hier?", fragte er kleinlaut an den König gewandt, doch da eilten bereits die Kinder auf ihn zu und beglückwünschten ihn zu seinem Geburtstag. Ihnen folgte die Gratulation des Königspaars, seiner Eltern, seiner Schwester und vieler, vieler weiterer. Eine Menge Leute überreichten ihm Geschenke, bis er sie alle mit einem Wink seines Zauberstabs zu einem Paketeturm stapeln musste, um der Gabenflut Herr zu werden. Die Musik spielte auf und das Buffet wurde eröffnet. Da sich zuvor nie jemand gefragt hatte, was Cedric an Essbarem eigentlich gerne mochte, hatte man eine große Vielfalt an Speisen und Getränken aufgefahren.
 

"Cedric, wollen Sie mit mir tanzen? Ach was frage ich, natürlich wollen Sie das!", gab sich Prinzessin Amber die Ehre, Cedric zum ersten Tanz aufzufordern. Wahrscheinlich tat sie das nur, weil Cedric als Ehrengast der erste Tanz zustand und Amber von allen gesehen werden wollte. Sie hatte sich für den feierlichen Anlass ein Ballkleid schneidern lassen, das an eine Zaubererrobe erinnerte, ohne dabei an Eleganz zu verlieren. An ihren Ohren baumelten kleine Zauberstäbe aus Obsidian mit funkelnden Brilliantspitzen und ihr Diadem war einem Zauberhut nachempfunden. Ihrer Vorliebe gemäß war ihr Outfit rundherum mit Sternbroschen ausstaffiert worden. Selbst im Haar trug sie Sterne.

Cedric konnte sich gegen Ambers höflich-herrische Art schlicht nicht wehren. Er wurde von ihr überrumpelt und tief gebückt auf die Tanzfläche gezogen. Als Amber anhielt, konnte er sich endlich wieder aufrichten. Doch da nahm sie ihn bereits wieder bei der Hand. Die Musik fing einen Walzer an und Amber übernahm kurzerhand den führenden Part, da Cedric offensichtlich nicht recht wusste, was er tat. Doch es dauerte nicht lange, da hatte Cedric sich in die ungewohnte Situation geschickt und ließ sich von Amber die Führung abtreten, was diese auch mit Freuden tat, denn so konnte sie sich frei drehen und ihr Kleid zeigen.
 

Obwohl für Cedric alles so überraschend kam, fing er langsam an, sich zu amüsieren. Nach dem Tanz verneigte sich Amber artig vor Cedric und Cedric verbeugte sich. Dann zauberte er den Kindern eine Rutschbahn in den Thronsaal, den Damen ein Spiegelkabinett und den Herren einen großen Tisch mit Bauklötzen und Zinnsoldaten, an dem sie sich Schlösser bauen und sie verteidigen konnten. Nachdem er auf diese Weise alle abgelenkt hatte, zauberte er sich selbst eine gemütliche Sitzecke und gönnte sich eine Verschnaufpause. Glücklich und erfüllt von einer Wärme, die ihm lange versagt gewesen war, schaute er der Gesellschaft dabei zu, wie sie sich über seine Zauber freute und Spaß hatte.
 

Seine Eltern setzten sich zu ihm und legten je eine Hand auf die seinen. Liebevoll blickten sie ihn an.

"Ich bin ja so stolz auf dich, mein Ceddilein!", sagte seine Mutter, schlang ihre kurzen, molligen Arme um ihn und knuddelte ihn mit der ganzen Herzlichkeit einer liebenden Mutter. Sie hatte ihn immer unterstützt, egal was für Ziele er sich gesetzt hatte. Doch sie genoss es sichtlich, ihn endlich glücklich und erfolgreich zu sehen.

"Du machst unserer Familie wirklich Ehre, mein Sohn.", lobte der Vater wesentlich gesetzter, aber nicht weniger aufrichtig als die Mutter und klopfte Cedric anerkennend auf die Schulter.

"Danke Mutter, Danke Vater.", sagte Cedric gerührt und sein Lächeln verbreitete sich über sein ganzes Gesicht.
 

Das war sein großer Tag!

Noch am Morgen hatte er Zweifel gehabt, ob er dem Leben, das er jetzt führte, gewachsen war. Doch jetzt wusste er mit Bestimmtheit, dass es sich lohnte!
 

Den ganzen Tag lang blieb er der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und ging völlig darin auf. Niemand fragte ihn, wie es um all die Anfragen stand, die sich in seinem Turmzimmer stapelten. Alle wollten nur wissen, ob es ihm gut ging und ob er Spaß hatte. Vor lauter Trubel und Heiterkeit kam er nicht einmal dazu seine Geschenke auszupacken und als die Gäste fröhlich lachend gegangen waren, schaffte es Cedric nur noch mit Sofias Hilfe ins Bett und schlief fast sofort mit einem breiten, glücklichen Grinsen auf den Lippen ein.
 

Als er am nächsten Tag erwachte und nach dem Aufstehen wie gewohnt zur Arbeit in sein Turmzimmer ging, stellte er fest, dass man ihm all seine Geschenke hier herauf gebracht hatte. Auf einem eigens dafür herangeschleppten Beistelltischchen stand ein Tablett mit einer lila Blume in einer schlanken Vase und einem reichhaltigen Frühstück. Der Tee war in einer süßen, runden Teekanne unter einem Teewärmer versteckt, damit er nicht kalt wurde. Unter der silbernen Servierhaube befand sich ein Teller mit Blaubeerpfannkuchen. Sirup, Honig, Schlagsahne und Pflaumenmus standen dabei, ebenso wie ein Schälchen Joghurt mit Früchten. Cedric traute seinen Augen kaum. Er bekam dasselbe Frühstück wie die Königsfamilie!

An die schmale Vase gelehnt fand er eine Karte, auf der ihm Helferich einen schönen Morgen wünschte und ihm mitteilte, dass König Roland Cedric heute frei gegeben hatte, damit er sich von dem rauschenden Fest gestern erholen und in Ruhe seine Geschenke auspacken konnte.

In Cedrics Augenwinkel funkelte eine winzige Träne der Rührung. Nach nunmehr fast drei Jahrzehnten behandelte ihn Roland endlich wie einen Freund!
 

Glücklich schniefend, probierte er die Pfannkuchen, aß einen Löffel voll Joghurt und trank von dem heißen Tee. Gestärkt für den Tag machte er sich flugs daran, seine Geschenke auszupacken. Ein Wink mit dem Zauberstab ließ Päckchen für Päckchen in seine Hände schweben, Papier und Schleifen wickelten sich ab und zurück blieb nur der Inhalt. Er bekam unter anderem eine schicke neue Robe, einen roten Kamm von seiner Nichte, ein magisches Haarpflegepulver von seiner Schwester, ein neues Paar Schuhe, ein Kästchen mit einer Auswahl an großen Kragen-Schleifen und Bücher jeder Art.
 

Prinzessin Sofia hatte ihm einen niedlichen Taschenkalender gebastelt, damit er seine vielen Aufgaben ordnen und im Blick behalten konnte. Prinzessin Amber hatte ihm eine kleine Krone anfertigen lassen, in die mit goldenen Schnörkeln die Worte "Cedric der Große" eingearbeitet waren. Voller Stolz setzte er sie auf. Von Prinz James kam die handliche Tischversion einer Konfettikanone. Sicher hatte man ihn davon abbringen müssen, eine Kanone in waffenfähiger Größe für Cedric einzupacken. Dafür war genau so eine gestern mehrmals im Thronsaal losgegangen. Cedric musste ein wenig lachen, als er die kleine Kanone sah und daran dachte. König Roland hatte ihm einen Orden machen lassen, der Cedric als den besten königlichen Hofzauberer des Zauberreiches auszeichnete und Königin Miranda hatte ihm die dazugehörige Schärpe genäht.

Andächtig legte er die Ehrenbekundungen an und sah sich dann nach seinem Standspiegel um, der normalerweise in seinem Turmzimmer stand. Unglücklicherweise war er vollkommen verstellt, sodass zu ihm kein Durchkommen war.
 

"Na ja, halb so schlimm. Ich werde mich schon durchgraben.", murmelte Cedric zu sich selbst und ließ das nächste große Geschenk auf sich zufliegen. Es war beinahe größer als er selbst und stammte laut einem Zettel am Papier von seinen Eltern.

"Hoffentlich nicht wieder ein Porträt.", dachte er laut und ließ die Verpackung verschwinden.
 

Zu seiner großen Verwunderung war es ein unendlich wertvoller Zauberspiegel. Er kannte so etwas nur aus seinen Büchern. Seine Eltern mussten viele alte Gefallen eingefordert haben, um ihn zu bekommen. In einem kunstvoll geschnitzten Rahmen aus dem Holz des Zauberbaums, gebeizt mit Jungbrunnenwasser und maßvoll lackiert mit goldenem Feenglanz, prangte ein Spiegel aus Kristallkugelglas mit einer hauchdünnen Schicht Einhornsilber. Solche Spiegel konnten die Zukunft voraussehen und jeden Punkt der Welt zeigen. Es war ein Fenster, das durch Raum und Zeit blickte.
 

Cedric war sprachlos. Nicht nur dass der Spiegel wahnsinnig kostbar war, er spiegelte auch einen Cedric wieder, der auf dem Höhepunkt seiner Träume angelangt war. Seine Robe war neu und glänzte, seine Haare strahlten in kräftigen Farben, er trug eine Krone, eine Schärpe und einen Orden auf der Brust und nichts davon hatte er stehlen müssen. All das war ihm in Anerkennung seines Könnens geschenkt worden.

Cedric kippte hinten über in einen vergoldeten Thronsessel, der ebenfalls unter den Geschenken gewesen war, als ihm aufging, dass der Spiegel noch gar nichts magisches tat. Er spiegelte lediglich Cedric wider und zwar genau so wie er gerade dasaß. Also König unter den Zauberern.

"Ich hab's geschafft.", murmelte Cedric, "Ich hab's tatsächlich geschafft. Bei Merlins Zauberhut."

Nachdem er sich einigermaßen von diesem Schock erholt hatte, zog er den Zauberstab aus seinem Ärmel und tippte den Spiegel nach kurzem Zögern damit an.

"Zauberspiegel, zeig mir die Zukunft.", sagte er. Er wollte wissen, ob er alles, was er jetzt besaß, würde behalten können.
 

Die Oberfläche des Spiegels kräuselte sich und das Bild füllte sich mit Rauch. Der Rauch ballte sich zusammen, wurde schwarz und farbige Blitze begannen darin zu zucken. Cedric stand von seinem Thronsessel auf und stellte sich so nah vor den Spiegel, dass seine lange Nase fast das Glas berührte.

"Was bedeutet das?", fragte er mit gerunzelter Stirn. Ein Blitzschlag flimmerte über das Glas und Cedric stolperte erschrocken zurück, stieß mit der Wade gegen den Thronsessel, machte einen Satz nach vorn, um nicht zu stürzen und fiel frontal in den Spiegel. Sein Körper glitt durch das Glas, wie durch Wasser. Der Spiegel verschluckte seinen Oberkörper und zog den Rest von Cedric nach, bis er komplett darin verschwunden war. Der Schwebezauber, den Cedric beim Auspacken auf den Spiegel gelegt hatte, verpuffte. Der Spiegel sank zu Boden und lehnte sich an den verbliebenen Geschenkeberg. Dann war alles still im Turmzimmer.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück