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Diplomatie im Auftrag seiner Majestät

von

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Epilog

Es war einmal ….

In den jungen Jahren, als Frankreich ein eigenständiges Königreich wurde, schenkte sein noch jüngerer Souverän, das Fleckchen Erde einen treuen Vasallen für seine Dienste. Dieser mag ihm vielleicht das Leben gerettet haben und das war sein Dank. Man weiß es nicht mehr, aber Heldengeschichten ruhmreicher Vorväter geben selten die Wahrheit wieder.

Der treue Vasall nahm das Land mit all seiner fruchtbaren Erde, seine Wälder, Hügel und Felder, seinen fetten Bauern und noch fetteren Kühen in Besitz. Er erbaute ein großes Haus, auf dem höchsten Hügel und hängte sein Schwert über den Kamin. Von da an widmete er sich dem Weinanbau und der Schafszucht und das Schwert begann langsam zu rosten. Ab hier wollte unser Märchen nicht mehr so gut enden, wie es begonnen hatte. Die Zeit verging und mit ihr wanderte das Land von Erbe zu Erbe, von einer Generation in die nächste. Was die Vorfahren erarbeitet hatten, zerrann unter gierigen Fingern. Die kommenden Landherren vergaßen wozu das rostige, alte Schwert über dem Kamin gedient hatte und meinte, das Land vermehre sich aufgrund ihrer privilegierten Stellung von alleine. Dem einfachen, unsteten Leben, wich ein verschwenderischer, träger Lebensstil, der der Erde und den Bauern ihr Hab und Gut abforderte, bis es nichts mehr zu geben gab. Die Kühe wurden mager und einige kalte Winter raffte die Hälfte der Bauern dahin. Bald war das alte rostige Schwert über dem Kamin, dass einzige, was den herrschaftlichen Salon von einst schmückte. Für eine wacklige Equipage war die Inneneinrichtung zum Pfandleiher gewandert und der Regen lief durch die Löcher im Dach.
 

Am Wegesrand stand wie ein lebendiger Grenzpfahl Simon Arlies. Gestützt auf den Stiel seiner Hacke, starrte er versonnen in die Ferne. Der Lärm von Pferdehufen erklang in der Ferne, schwoll an und verklang, als die beiden Reiter sich entfernten. Es waren zwei Männer. Einer dunkelhaarig, der andere blond und mit den Gesichtszügen einer Frau.

Eine Fliege setzte sich auf das ledrige Fleisch seiner Wangen, ein Hund hob das linke Bein und stillte den Harndrang seiner tierischen Bedürfnisse. Doch Simone Arlies stützte sich auf den Stiel seiner Hacke und starrte versonnen in die Ferne. Ein Fuhrwerk ratterte wenig später vorbei, bedeckte die reglose Gestalt mit Staub, rumpelte über einen mittelgroßen Stein, brach in einer Straßenfurche die Achse und kam knapp 10 Meter hinter Simon zu stehen.

Ärgerlich drehte sich der Fuhrmann um und starrte zu dem reglosen Simon, der zurückstarrte.

„Du da! Hilf mir mal!“ Simon Arlies regte sich nicht, sondern starrte, auf den Stiel seiner Hacke gestützt versonnen in die Ferne. Die Glocken der Kirche hallten zur achten Abendstunde. Simon Arlies erwachte aus seiner Erstarrung. Er schulterte seine Hacke und machte sich davon.

„Kerl, wo willst du hin?“, brüllte der Fuhrmann ihm hinterher. „Hilf mir mal!“ Simon Arlies drehte sich herum, zuckte bedauernd die Achseln und murmelte mit einer Stimme ohne verschwenderischen Gebrauch: „Meine Frau ruft zum Essen“ Und ging von dannen.

Sein Weg führte am Schloss des alten Adelsgeschlecht der de la Fere`s vorbei. Simons Weg zu Frau und Suppentopf war kürzer, wenn er direkt über das Anwesen der Grafenfamilie ging. Wieder traf er auf die beiden Reiter. Einer dunkelhaarig, der andere blond und mit den Gesichtszügen einer Frau, die beide fast andächtig das Schloss anstarrten.

Ein Dachziegel löste sich.

Er fiel im geraden Senkflug nach unten, schrammte an der stuckverzierten Außenfassade entlang, köpfte ein Cherubin, klatschte von Stein zu Stein, prallte hart auf den hohlen Schädel eines steinernen Löwen.

Der Schädel zersprang.

Ein Teil kippte seitlich, klatscht auf den obersten Treppen Absatz, schlug einen Krater in den Marmor und blieb liegen.

Der andere Teil flog, überschlug sich, prallte von der Treppenwand ab, steuerte in Richtung Fenster, zerschmetterte eine Scheibe und blieb dann liegen.

Das ganze Schloss schien zu ächzen.

Simon Arlies schlürfte am Schloss vorbei. In seinem Rücken war den beiden Männern, der eine dunkelhaarig, der andere blond und mit den Gesichtszügen einer Frau, die Fassung aus dem Gesicht entglitten. Staub senkte sich auf Simons Arlies hängende Schultern.

Mit gewichtiger Langsamkeit kippte der steinerne Rest des Löwen …
 


 

Die Krähe kreiste, mit schrillem Schrei über die bläulich schimmernden Dachgiebel des Louvre. Sie setzte sich auf einer der steinernen Figuren an der Dachkante und blickte auf die spät mittelalterliche Welt der Stadt Paris.

Sein menschliches Äquivalent saß an seinem Schreibtisch und trommelte nachdenklich mit den Fingern auf der polierten Tischplatte. Die Bürde der langen Amtsjahre, hatten Richelieu in eine Krähe verwandelt. Der hagere Körper in grau gehüllt, die stechenden Augen, unter den buschigen Braunen und die scharf hervorstechende Nase in dem länglichen Gesicht. Seine Augen sahen alles, seine Augen hörten alles, sein Geist vergaß nie ein Detail. Geschult in unzähligen Jahren des Machtkampfes und der Intrige. Wissen war Macht und Heerscharen von Spionen sorgten dafür, dass die Macht Frankreichs nur durch seine Finger rann. Zweifellos wusste, Ludwig XIII von Richelieus Intrigen und unersättlichen Machtgelüsten, aber er wusste auch, was Frankreich dank Richelieu war und so blieb die Macht beim Kardinal.

Weil der erste Minister Frankreichs eine Macht besaß, die die des Königs überstieg, setzte er nach seinem Belieben, seinem Gutdünken und seinem Ermessen seine Beamten ein. Frankreichs Verwaltungsapparat floss in seine Hände und jeder wusste, was er dem Kardinal zu verdanken hatte. Sei es, dass der Kardinal ihm nicht seine spezielle Aufmerksamkeit widmete. Richelieu wurde es auch nicht müde, sie das nicht vergessen zu lassen.

Rochefort steckte den Kopf durch die Tür zum Arbeitszimmer des Kardinals. Vor ihm saß die graue Eminenz, der Kardinal, die Sturmkrähe Frankreichs. Er näherte sich dem Kardinal mit vorsichtig tänzelnder Schritte, eine Choreographie der Unterwürfigkeit, Respekt und bedingungsloser Hingabe.

Dabei winkte er aufgeregt mit der Depesche in seiner Hand. Paris war in den letzten Monaten, ja die gesamten letzten Jahre langweilig geworden. Das politische Pflaster bot nur noch ein Mindestmaß an Intrigen an.

Seit Aramis und Athos den Musketierchor verlassen hatten, hatte das Gespann um die feindlichen Auseinandersetzung der unterschiedlichen Gardetruppen, seine Antriebskraft verloren. Der Kapitän der Musketier zog sich stückchenweise zurück und überließ das Kommando seinen älteren Gardemitgliedern, bis die Zeit D`Artagnan zum richtigen Kapitän geschliffen hatte und dem Jungen endlich ein Bart wuchs. Seit die neue Verantwortung auf den noch recht jungen Schultern ruhte, war er für Rocheforts Meinung ekelhaft ernst und gemessen geworden. Porthos war nach Auflösung des Vierergespanns der Appetit genommen worden. Er stillte seinen Hunger mit einer drallen Witwe und einer schlecht geführten Fechtschule, die lediglich sein legendärer Name in Bewegung hielt, aufpoliert unter reichlich ausgeschmückten Heldengeschichten.

Und so war es ruhig geworden. Ohne Miladys unausschöpflichen Reichtum an wirklicher Boshaftigkeit, schien der alternde Kardinal nicht einmal die Kraft wirkliche Gaunerei zu finden.

Der einzige böse Bube im Spiel blieb der halbblinde Lord, dem seine Gegenspieler fehlten.

„Eure Eminenz?“

„Was wollt Ihr Rochefort?“

Rochefort wedelte hündewürfig mit dem Schreiben in seiner Hand.

„Dies ist angekommen … Eure Eminenz. Der Bericht, Sire.“

„Oh, schön schön, man hat diesen unseeligen Verräter Broussard aufgegriffen“, erklärte seine Eminenz und nahm das Schreiben entgegen.

„Wen meinen, Eminenz?“

„Den Mann, den ich Aramis bei seiner Mission in England zuwies. Diese Made, die mich betrogen hat.“

„Und Kardinal lassen sich nicht betrügen“, schmetterte der augenlädierte Lord.

„Richtig, Gnade dem der es wagt. Meine getreuen Dirigenten haben Broussard zum Singen gebracht.“

Rocheforts Auge begann zu glänzen. „War es die Streckbank oder die Daumenschraube, Eminenz. Das Feuer gar?“

Der Kardinal hob die Braue.

„Ihr sabbert Rochefort.“

„Entschuldigung, Eure Eminenz. Ich war erregt.“

Bedächtig las sich seine Eminenz den Bericht durch und rümpfte missmutig die Falkennase in seinem Gesicht.

„Unser Chorknabe ist noch einmal Aramis begegnet und scheint sich an ihm gerächt haben zu wollen. Er beschuldigte Aramis ein Protestant zu sein und schürte so den Hass der Bauern, die daraufhin Aramis verbrennen wollten.“

„Und dann?“ Der Lord bekam große Augen und blinzelte fasziniert.

„Nun, ..“, Der Kardinal scheuchte die Tatsache wie eine lästige Fliege hinfort. „Athos tauchte wohl auf und rettete Aramis. Beide verschwanden daraufhin.“

„Nun seht euch dies an, Rochefort“, knirschte der Kardinal zwischen seinen Zähnen hervor. „Dieser Bericht spricht von einem Grafen de la Fere, der wenig später in seiner Grafschaft auftauchte, wie der verlorene Sohn im Evangelium. Das Kirchenregister zeigt einen Eintrag der Hochzeit des besagten Graf de la Fere, wenige Wochen danach.“

„Ach“, sprach da der Lord und wusste noch immer nicht, worauf der Kardinal hinauswollte.

„Hier ist knapp ein Jahr später, ein weiterer Eintrag im Kirchenregister mit einer Taufe.“
 


 

Monsieur De Anglies war der Verwalter der Länderein der Familie de la Fere. Schon sein Vater übte diese Funktion aus und hatte sie, mit der Charakterschwäche der Veruntreuung zusammen, seinem Sohn vererbt. Der alte Graf hatte nichts von Zahlen und Verwaltung verstanden. Sein Reichtum war für ihn eine begründete Gottesgabe und den Rest regelten vier ganze Felder im Wappen und einen Stammbaum der bis in die ersten Kreuzzüge zurückreichte. Monsieur De Anglies verstand es, einen erheblichen Teil in seine Tasche zu verwalten. Und mit den Schuldenberg, Anleihen und Krediten des alten Grafen, vermehrte sich das Vermögen des Monsieur De Anglies. Monsieur De Anglies trug sein Vermögen in seiner Kleidung, einem sich überschlagenden Doppelbauch und einem prachtvollen Reittier, der Serienaustattung `Luxusmodell´, aus reinrassiger Zucht, mit genügend PS unter den Hufen und satt schimmerndem Fell im Außenlack. Leider schien er nicht reiten zu können. Sein Reittier schaltete von 100 auf 0 und lediglich das gut abgefederte ABS-System bewarte ihn mehrfach vor einem halsbrecherischen Absturz. Das schlanke Tier schnaufte gelegentlich unter seiner schweren Last. So näherte sich Monsieur De Anglies mit seiner charakteristisch fetten gedrungenen Gestalt von korrupten Verwaltern dem alten Schloss, um nach dem Rechten zu sehen, nichts ahnend, das der kommende Graf de la Fere zum Quell unendlicher Erniedrigung für ihn werden würde.
 


 

Es herrschte lange Schweigen im Arbeitszimmer seiner Eminenz. Nachdenklich sah der Kardinal zum Fenster hinaus und trommelte mit dem Zeigefinger auf seiner Unterlippe.

„Broussard fand heraus, dass Aramis sich in Beaumont-de-Lomagn aufhält, den Landgut, dem der König ihn vermachte und treibt sich dort herum. Und auch er sah eine Hochzeit und wenig später eine Taufe, nur ist der Graf nicht Aramis und eine Unbekannte, sondern Athos und die Frau Aramis.

Also handelt es sich bei Aramis um eine Frau“, schloss er logisch.

„Ach“, sagte Rochefort und zu mehr war er nicht fähig. Nach einer schweigsamen Pause und einer Stille, in der man deutlich das Gewinde in Rocheforts Schädel hören konnte, fragte er schließlich: „Geht denn das?“

Die Ruheminuten, die nun folgen waren genauso lang und bedeuteten, wie ihre Vorgänger.

„Sie muss es wohl die ganze Zeit gewesen sein.“ erwiderte der Kardinal mit hochgezogener Augenbraue, erhob sich und wanderte zum Fenster.

„Eine Frau bei den Musketieren?“

Rochforts Augen begann zu leuchten. „Einen Frau bei den Musketieren …“ griff er auf und versuchte seinen nachfolgenden Gedanken zu greifen.

Richelieu sortierte seine Erinnerungen. Steckte mehr dahinter, als nur eine verkleidete Frau, überlegte er. Wussten womöglich alle davon? Athos wusste davon. D`Treville musste es wissen … wusste es der König? Nein, sicherlich nicht. Er hätte es ihm gesagt … hätte er doch ….“

„Nun, der König befahl Aramis als Frau zu leben, richtig.“

„Eine Frau bei den Musketieren!“ Rochfort hatte es geschafft, den nachfolgenden Gedanken zu greifen, konnte ihn aber noch nicht sprechen.

Was wenn der König es ihm nicht gesagt hätte. Nein, entschied Richelieu, der König vertraute den Schutz seiner Person keinem Weibsbild an. Für ihn waren Frauen das unablässige Gurren und Schnattern der Hofdamen.

„Da entpuppt sich unter unseren Augen ein Musketier als Frau und wir haben es nicht bemerkt.“ Der Kardinal begann sich über sich selbst zu ärgerte. Er wusste doch sonst alles, sah alles, hörte alles, las alles. Er war der Lauscher hinter der Tür, das Auge in der Wand, der ungebetene Gast im Schlafgemach.

„Eine Frau bei den Musktieren!“ Rochfort sprach nun in Ausrufezeichen. Misstrauisch drehte sich der Kardinal seinem Untergebenen zu.

„Irgendwie lässt die Sache uns nicht gut aussehen.“

„Eine Frau bei den Musketieren!“, sagte Rochfort.
 


 

Es war der zweite Sommer in Beaumont-de-Lomagne als Madam de Estouville nach Paris reiste und dem König und der Königin auf einem Spaziergang durch die Tuillerin begleitete. Wie ein Schwarm bunter Paradiesvögel folgte der Tross aus den obersten Adligen und Würdenträgern dem Königspaar. Die mittelmäßige Landaristokratin schwamm glücklich mit im Pulk aufgeregter Hochnasenträger. Der Neid und die Anerkennung in Beaumont-de-Lomagn waren ihr sicher und sie würde ein Lebtag davon zerren. Sie zupfte gerade unglücklich an ihrem neuen Kleid, dessen Schnitt es bei der zweiwöchigen Reise nicht geschafft hatte on vouge zu bleiben und dem neusten Modediktat zu folgen, als der Pulk stehen blieb, eine Gasse bildete, an dessen Ende sie der Königin vor die Füße warf. Sie fiel mehr in sich zusammen, als das sie zum Hofknicks sank.

"Madam de Estouville, richtig?"

Madam de Estouville zitterte wie ein kleines Vögelchen. Sprechen konnte sie nicht.

"Ihr kommt doch aus Beaumont-de-Lomagn?" Madam de Estouville zitterte und nickte.

"Dann grüßt bitte, meine Freundin die Gräfin de la Fere, wenn ihr zurückkehrt" Der König hob nur verwundert eine Augenbraue. Die Königin lächelte und der Pulk tuschelte. Und Madam de Estouville büßte 3 Lebensjahre

ein, weil ihr Herz für wertvolle Sekunden zu schlagen aufhörte
 


 

Es könnte so schön sein ….

Meins, mein, alles meins … Rochfort sang innerlich. Im frohlockenden Lobgesang einer baldigen Jagd

… Ein Musketier ging mir in die Fänge,

langestreckt durch Madam Streckbank, auf doppelte Länge.

Bald kennt ihn kein ein`zges Kind,

vermodert im Kerker langsam vor sich hin,

durch seine Rippen pfeift der Wind.

Meins, meins, meins … alles meins.

Rochfort spürte die Witterung der aufgenommenen Verfolgung in den Nasenflügeln, die Erwartung auf Treiberei und Hetzjagt im flatternden Herzmuskel, die Erregung einer ins Netz gegangen Beute im Hosenstall.

„Und nun? Was werden wir unternehmen?“ Meins, meins, meins, sang er. Rochfort lechzte nach einem kardinalischen Lutscherbonbon, ein Spielzeugauto fürs Böse-Buben-Spiel, ein bisschen Ringereihe mit ein klein wenig Folter, den Auftrag mit einer handvoll Männer ausrücken zu dürfen. So wie in der guten alten Zeit.

Das folgeschwere Dokument lag noch immer auf dem Schreibtisch.

Meins, meins, meins ….

Zu Rochforts größtem Entsetzen, faltete der Kardinal bedächtig das Pergament zusammen und zerriss es in kleine Fetzen.

Rochforts triumphal, erregender Gesichtsausdruck, fiel in die weiche Masse völligem Unverständnisses zusammen.

„Dieses Schreiben hat nie existiert!“

„Ich verstehen nicht, Eure Eminenz!“ Stotterte sein Untergebener und versuchte mit Gewalt den Blick von den Pergamentfetzen zu lösen.

„Ihr braucht nicht zu verstehen, Rochfort. Ihr sollt vergessen!“, erwiderte der Kardinal lakolisch und brannte seinen Blick in das Gedächtnis seines Gefolgsmannes.

„Aber, dass Schreiben …“, stotterte Rochfort. „Sein Inhalt … „ Rochforts Stimme brach… „ wir könnten sie vernichten“, hauchte er weinerlich.

„Ihr habt dieses Schreiben nie gesehen, Rochfort! Habt Ihr mich verstanden!“

Rochforts Körper zog sich stramm. „Ich habe das Schreiben nie gesehen. Ich habe verstanden!“

Der Kardinal schärfte seinen Blick. „Ihr versteht nicht! Ihr sollt das Schreiben vollständig aus Eurem Gedächtnis löschen!“

„Doch, ich habe verstanden, Eure Eminenz“, beeilte sich Rochfort eilfertig zu versichern, mit eifrig-freudigem Ausdruck auf dem Gesicht, seine Hausaufgaben zu erledigen. „Ich weiß nicht, dass es das Schreiben gab, hab es nie gewusst!“

„Nein, Ihr habt nicht verstanden, Rochfort!“

„Nicht?“ Rochfort geriet ins Taumeln.

„Ihr vergesst SELBST den Boten, der es brachte!“

„Doch, ich verstehe“, widersprach dieser hilflos. „Ich werde das Schreiben und den Boten vergessen!“

Der Kardinal schüttelte den Kopf.

Rochfort war verwirrt: „Ich verstehe nicht?“ … und doch keimte langsam der Samen des Verständnisses.

„Welches Schreiben?“, fragte er mit dümmlichem Gesichtsausdruck. Der Kardinal nickte zufrieden.

„JETZT habt Ihr verstanden.“

„Es interessiert Euch gar nicht, Eure Eminenz.“, Rochfort war fassungslos.

„Was interessiert mich eine läufige Hündin aus der Provinz.“

Richelieu hatte den Gedanken irgendwelche Vergeltungsmaßnahmen in die Wege zu leiten abgewogen, seinen Klang auf der Zunge geschmeckt und ihn wiederverworfen. Zuviel Aufmerksamkeit, zuviel Gerede, zu unangenehm. Die Königin war schwanger. An diesem Brocken hatte seien graue Eminenz viel mehr zu knappern. Er würde seinen Schüler Marzzini auf die Königin ansetzen. Er sollte ihr Vertrauen gewinnen, ohne das die Spur zu ihm reichte. Ja, das war ein guter Gedanke. Damit wendete er sich ab und schien Rochfort vergessen zu haben.

„Aber ist Euch damit nicht klar, was Ihr gegen den König in der Hand haltet.“ „Gar nichts werdet Ihr.“ Der Kardinal fuhr wütend zu seinem Untergebenen herum und seine Glieder schrien schmerzhaft auf. „Ich warne Euch, Rochfort. Ihr haltet Stillschweigen.“

„Aber warum?“

Die Stimme des Kardinals war schneidend. „Seid Ihr wirklich so ein großer Narr, der Ihr gerade vorgebt zu sein? Für das Volk ist sein König unantastbar. Dies gilt auch für seine unmittelbaren Untergebenen. Es wird nie erfahren, dass dem König den Faupax beging, fälschlicherweise eine Frau bei seinen Musketieren aufzunehmen.“

Der König wäre der Lächerlichkeit preisgegeben und das Volk würde womöglich ihre Hoffnungen auf eine schwangere Königin und den kommenden neuen König legen, auf die der Kardinal keinerlei Einfluss hatte. Die ihm sogar mit Hass begegnete. Nein, erst musste die Bauernfigur des jungen Geistlichen Marzzini in das Spiel geschickt werden. Richelieu seufzte. Voll Wehmut dachte er an Milady zurück. Das war eine Frau von Kaliber. Oder wenn er einer der drei Musketiere als Untergebene gehabt hätte, mit etwas mehr Hang zu Hinterhältigkeit und Täuschung, wie weit hätte er es bringen können. Stattdessen hatte er … nun ja, eben Rochfort und die Gicht.
 

Und so endete die Sache. Sie blieb im Zahnrat der Ereignisse einfach hängen. Sie geriet in Vergessenheit, denn das Gedächtnis der Mächtigen mag sich nur bis zu einem gewissen Grad mit seinen Spielfiguren beschäftigen. Und das Leben konnte zuweilen genießerisch langweilig sein. Spät am Abend dieses schicksalsschweren Tages,

lief Rochfort Rachegedanken geschwängert durch die Straßen von Paris. Nicht zu Unrecht fühlte er sich hintergangen. Der Lord hatte nicht nur an halber Sehkraft schwer zu tragen, sondern auch an altem verstaubten Familienstolz und seit Generationen gefüttertem selbstübersteigendem Selbstwertgefühl. Hinzu kamen epochenbedingte gottesgleiche Anspruch des männlichen Geschlechts an der Weltordnung. In Rochfort kämpften seine Magensäfte gegen den unverdauten Brocken der ewig glänzenden Musketiere und seinen persönlichen Auseinandersetzungen mit Athos, Porthos und Aramis.

Er rieb sich innerlich die Hände. Das glanzpolierte Image der Musketiergarde hatte einen herben Riss bekommen. Er knirschte mit den Zähnen, wenn er daran dachte, wie oft er in den vergangen Jahren mit diesem vermeidlichen Weibsbild und seinen Kameraden aneinandergeraten war. Wenn erst öffentlich bekannt werden würde, dass einer der Musketiere eine Frau gewesen war, wäre deren Ruf auf immer ruiniert. Zum ersten Mal, war Rochfort dabei, die Anweisungen seines Auftraggebers mit Absicht zu missachten. Er wollte Aramis nach Paris schleifen und der Öffentlichkeit die wahre Identität der Metze präsentieren …

Einen Moment später tauchten aus dem Schatten der engstehenden Häuser mehrere dunkle Gestalten auf. Nichts Gutes im Sinne und die Augen lüstern auf den Schweren Geldbeutel des Lords. Und nichts ahnen stolperte der Lord direkt in ihre Arme ….



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  blubbie
2011-06-26T22:43:36+00:00 27.06.2011 00:43
Na du bist ja fies!^^
Schöner Epilog...und jetzt gehe ich mit happy-End-Träumen schlafen. Gute Nacht!
Von: abgemeldet
2008-02-24T17:37:42+00:00 24.02.2008 18:37
Ich freue mich wahnsinnig über den Epilog, passt perfekt. Ganz im Stile der Geschichte. Ein wirklich angemessenes Ende, wobei ich doch etwas Mitleid mit Rocheford habe (obwohl er ein Böser ist XD).
Ich hoffe, du setzt noch die andere Geschichte fort, ich bin ganz vernarrt in deinen Schreibstil.
Von: abgemeldet
2008-02-18T20:24:35+00:00 18.02.2008 21:24
Dein Epilog ist dir wundervoll gelungen. Du gibst uns einen kurzen, aber durchaus vielsagenden und völlig ausreichenden Einblick in das zukünftige Leben von Athos und Aramis, dass sie nun fortan zusammen führen werden, sodass es unser aller Fantasie überlassen wird, was sie in den kommenden Jahren noch alles erleben könnten :)
Dein Ausdruck und deine vielen stilistisch eingesetzten Mittel, wie Vergleiche und Metaphern, sind wie eh und je hervorragend und machen diese FF damit zu etwas ganz besonderen. Auch finde ich es toll, dass du nochmal einen Fokus auf Richelieu im Epilog setzt, da deine FF schließlich auch mit dem Treffen der Mächtigen begonnen hatte :)
Und im Gegensatz zu den anderen hier, muss ich zugeben, dass Rochefort mir im Ende doch leid getan hat. Natürlich, hätte er seinen Plan aufgeben müssen, sich an den beiden zu rächen, aber wir wissen doch alle, dass er die Musketiere doch sowieso nie besiegt hätte ;) Daher finde ich das Ende um ihn, doch etwas schade :)
Ich hoffe, dass du zukünftig vielleicht doch wieder eine FF zu unser aller Lieblingsthema schreiben wirst. Freuen würde ich mich jedenfalls sehr darüber :)
LG Milagro
Von:  amacie
2008-02-18T15:46:03+00:00 18.02.2008 16:46
Ja! Und endlich gibt es doch noch einen schönen Epilog zum Abschluss.
Gefällt mir richtig gut. Vor allem die Gespräche zwischen Rochefort und dem Kardinal kann ich mir so richtig gut vorstellen. *g* Obwohl einem der arme Rochefort am Schluss fast ein wenig leid tun könnte, naja aber eben nur fast.^^
Von: abgemeldet
2008-02-18T11:11:55+00:00 18.02.2008 12:11
Wow! Ich bin sprachlos... Es ist wirklich fantastisch, dass die Story jetzt vollständig ist. Ich hätte nie gedacht, dass der Epilog noch kommt. Danke !!!
Von:  Tach
2008-02-17T20:30:50+00:00 17.02.2008 21:30
Damit hätte ich ja nach so langer Zeit nicht mehr gerechnet. Umso schöner! Ein voll und ganz zufriedenstellendes Ende, wenngleich mir der gute Rochefort fast ein bischen Leid tut x] Die Geschichte um den Gutsverwalter schreit ja fast schon nach ner eigenen..naja, Geschichte halt.
Danke für dieses tolle Betthupferl =]


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