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Diplomatie im Auftrag seiner Majestät

von

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Verschwörung der Leichen

Das Licht flackerte in den Kerzenhaltern entlang der Wand, doch ihr Schein bot der Dunkelheit keinen Widerstand. Der Schankraum des 'Le Equites' lag immer im Halbdunkel verborgen. Das war der Grund, weshalb seine Gäste das 'Le Equites' aussuchten und keines der anderen zahlreichen Spelunken Paris. Hier vermied man es von seinem Bier aufzusehen, wenn die Tür aufging oder Stimmen laut wurden. Wer etwas zu verbergen hatte, der verbarg es hier. Wer etwas verbotenes tat, der tat es hier. Männer des Schattens und der Unterwelt kehrten hier ein.

Um so irritierter sah Athos auf D'Artagnan's Begleiter nieder. Seine Verblüffung wich der Erschütterung, als dieser sich auf die lange Sitzbank setze und mit großer kindlicher, völlig unangebrachter Neugier umsah. Die kurzen Beine baumelten gute zwei Fuß über dem Boden.

"Was machst du hier, Jean?" fragte Athos.

"Er wollte nicht bei Monsieur Bonacieux bleiben. Ich hab wirklich alles versucht", warf D'Artagnan hilflos ein.

"Warum denn nicht?" fragte Jean stur und verschränkte die Arme.

Bei D'Artagnan läuteten die Alarmglocken.

Bei Athos nicht.

"Hör mal, Jean! Du bist noch ein Kind und ..."

"Stimmt nicht!"

"Stimmt doch!"

"Ich habe euch die ganze Zeit geholfen! Das habe ich doch!? Sag ihnen, D'Artagnan, dass ich euch geholfen habe!" sagte Jean grollend.

"Ja, das hast du", räumte Athos ein, "aber ..."

"Und auf Bell-il-on-mer? War ich nicht auch auf Bell-il-on-mer?"

"Ja, du warst mit uns auf der verfluchten Insel."

"Und als D'Artagnan nach Calais wollte? Habe ich da nicht Milady die Papiere gestohlen?"

"Ja, das hast du!" Athos warf ihm einen bitterbösen Blick zu. Diesem Jungen fehlte eindeutig eine Mutter.

"UndhabichnichtAramisausdemGefängnisgeholfen undhabichnichtmitgegenMiladygekämpft undhabich..."

"In Ordnung!" wandte er ein und bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. Jean's Gesicht lag im Halbdunkeln verborgen, aber es gelang ihm, der wortlosen Unterdrückung mit einem bemerkenswerten Maß an Trotz zu begegnen.

"Dann bleib hier!"

"Was machen wir hier?"

"WIR treffen uns hier mit einem Arzt. DU solltest im Bett liegen!" sagte Athos schneidend.

Jean holte Luft ...

"Ich weiß, ich weiß, ohnedichhättenwirdasallesnichtgeschafft und jetzt Schluss!"

... die Luft entwich pfeifend.

"Außerdem sind wir hier ungestört", erklärte Athos weiter. "Überall wimmelt es von Rochforts Rotröcken, bei denen zur Zeit die Ohren immer länger werden. Es herrschen Zustände, wie bei der Verfolgung des Eisenmanns. Jeder will zuerst den Fall lösen."

Der Wirt kam.

"Ein Bier bitte!" sagte Jean. Athos klappte der Kinnladen runter.

Der Wirt hob eine Augenbraue.

"Kinder sind hier nicht gern gesehen, Kleiner!" sagte er, während er mit seiner speckigen Schürze einen Becher polierte. Im ,Le Equites' besiegten sich die Bakterien gegenseitig. Die Mägen seiner Gäste brauchten für seine Getränke Übung, für seine Speisen eine extra Ausbildung.

"Ich bin kein Kind."

"Kleine Mensche sind hier nicht gern gesehen, Kleiner!" sagte er, ohne das Polieren zu unterlassen. Der Wirt verstand sich auf Diplomatie ...

"Sie werden hier meist nicht mehr größer!" ... oder das, was er für Diplomatie hielt.

Porthos erhob sich. "Werden sie schon, wenn sie große Freunde haben", sagte er und blickte auf den Wirt runter.

"Vier Bier, kommen sofort!"

"Also, wer ist dieser Arzt?" fragt Porthos.

"Dr. Porte, der Arzt, der die letzte Leiche untersuchte. Er bat mich, ihn heute Abend hier zu treffen", erklärte

Athos und zuckte die Schultern. "Warten wir ab, was er uns zu erzählen hat."

Der Wirt kam, stellte die vier Bierhumpen auf den Tisch. Er betrachtete nochmals den Jungen, der mit glänzenden Augen vor einem der Krüge hockte, zuckte die Achseln und wischte den Dreck auf der Tischplatte gleichmäßig breit.

"Da ist Dr. Porte."
 

Der Mediziner war gerade hereingekommen und setzte sich zu Athos. Das Gesicht mit der arbeitsbedingten ungesunden Farbe sah misstrauisch Athos Begleiter an. Seine Augenbrauen zogen sich ärgerlich zusammen.

"Ich bat Sie doch, mich alleine zu treffen!"

"Das sind auch Musketiere. Sie können ihnen vertrauen", sagte Athos ruhig.

"Seit wann nehmen die Musketiere Kinder in ihren Reihen auf?" fragte der Arzt.

Jean rutschte schmollend tiefer in die Sitzbank.

"Auch Jean können Sie vertrauen, Dr. Porte", erklärte D'Artagnan und klopfte seinem kleinen Freund mitfühlend auf die schmale Schulter.

Dr. Porte sah sich ruckartig um. Seine Pupillen waren in ständiger Bewegung, dass sein Gegenüber in nervöse Zuckungen verfiel. Das Wort ,Schizophrenie' stand in Großbuchstaben auf seiner schweißnassen Stirn gedruckt.

"Hören Sie zu", flüsterte er nervös, "vielleicht riskiere ich hier Kopf und Kragen." Die Akustik seiner Stimme sank noch tiefer. "Ab und zu treffe ich mich mit Monsieur Fuelly, um einen zu trinken. Er gehört zu den Leichengräbern des städtischen Friedhofes. Es gibt Sachen, die Arzt und Leichengräber im Alkohol vergessen müssen. Der Alkohol hat schon immer die Zunge meines Freundes Fuelly gelockert und bei unserem letzten Treffen trank er einiges mehr als sonst. Er erzählte, dass der Tote von Saint Michel schon Aufgebahrt in der Kapelle bereit lag, als unbekannte Männer kamen und den Leichnam mitnahmen."

"Wie könnten sie die Leiche einfach mitnehmen?" fragte Porthos.

Der Arzt zuckte die Schultern. "Männer kommen mit den zuständigen Papieren, sie kommen mit dem entsprechenden Auftreten, sie kommen zur richtigen Zeit. Die Anweisung soll direkt von Kardinal Richelieu gekommen sein. Gut, der Kardinal lässt öfters einmal seine dreckige Wäsche durch seine Handlanger verschwinden. Nachdem die Leiche verschwand und auf keinem anderen Friedhof auftauchte, wurde Fuelly's Kollege misstrauisch. Er fragte zu viel ... Fuelly warnte ihn noch, seine Nase dort zu behalten, wo sie hingehört, aber er wollte nicht hören ... jetzt ist er verschwunden, ebenso wie Fuelly. Auch bei mir tauchten Männer auf und als ich am nächsten Tag zum Dienst antrat, war auch der Tote von Saint Antoine verschwunden. Wieder waren Männer mit den nötigen Papieren dort gewesen."

"Angebliche Verschwörung der Protestanten, Selbstjustiz am Brückenpfeiler, Korruption, verschwundene Leichen", sagte Athos. "Was ist bloß los in dieser Stadt?"

"Es war pures Glück, dass ich einen Tag früher zum Dienst zurück war. Sonst hätte auch die letzte Leiche mein Kollege untersucht."

"Offenbar erhielt Ihr Kollege von jemanden Anweisungen", sagte Athos. "Wir sollten ihn befragen."

"Das ist keine gute Idee, Monsieur", erwiderte der Arzt mit fester Stimme. "Er hat nichts gesehen und nichts gehört." Athos hob eine Augenbraue.

"Woher wollen Sie das wissen, Sie haben ihn doch gar nicht befragt?"

"Ich bin mir ziemlich sicher. Er hat nichts gesehen und nichts gehört."

"Obwohl man ihm Anweisungen gab, den Bericht zu fälschen?"

"Ja, Monsieur."

"Ich verstehe. Niemand ist so taub wie derjenige, der nicht hören will."

"So ungefähr. Leichen müssen nun einmal so bald wie möglich beerdigt werden und nicht jeder Arzt fasst Indizien mit der gleichen Gründlichkeit auf. Fuelly ist noch immer nicht aufgetaucht und ..."

"... und Sie haben Angst?"

"So ist es Monsieur. Wenn der Kardinal seine Finger im Spiel hat, dann ist mir die Sache zu heiß."

Athos nickte. "Ich werde den Kapitän bitten, Sie durch die Musketiere im Auge zu behalten." Dr. Porte nickte dankbar. Er hüllte sich in seinen Mantel und verschwand in die Nacht.
 

"Was haltet ihr davon?" fragte Athos, als sie wieder alleine waren. Der Wirt servierte noch eine Runde Bier. "Jemand ist mächtig damit beschäftigt die ganze Sache zu vertuschen", sagte Porthos finster und sah düster von seinem Bier auf. "Jemand, der Dr. Porte's Kollege entweder verschrecken oder bestechen konnte und vier Menschen verschwinden ließ. Ob zwei davon noch am Leben sind, bleibt Spekulation."

"Wer weiß, ob es nicht bald fünf sind. Wir sollten Dr. Porte wirklich im Auge behalten", fügte D'Artagnan hinzu.

"Der Kardinal könnte für das Verschwinden der Leichen verantwortlich sein", erklärte Athos. "Wie du schon sagtest, Porthos: Jemand will etwas vertuschen. Der Kardinal hasst die Protestanten und das Edikt von Nantes hat für ihn keine Bedeutung. Das Volk glaubt, dass der Mörder ein Protestant war. Das passt wunderbar in seine Pläne und Richelieu möchte nur zu gerne, dass es das weiterhin glaubt. Was aber, wenn die Indizien zeigen, dass die Handschrift eine andere ist? Erst dachte ich, der alte Protestant von der Brücke redet nur wirres Zeug, aber jetzt bin ich ganz anderer Meinung."

"Du meinst ,die Hure des Teufels' ..."

"... Fingernagelspuren auf dem Rücken des Toten, die offene Hose des anderen."

"'Mächtige Männer schützen sie' ..."

"... Leichen verschwinden und Ärzte werden bestochen."

"Wir können den alten Mann nicht mehr fragen", wandte D'Artagnan ein. "Er hat die Stadt verlassen."

Athos nickte. "Die Protestanten wissen etwas, aber aus Angst Schweigen sie. Gut ...", seine Augen funkelten angriffslustig. Er spürte, dass er sich in Richtung Lösung bewegte, auch wenn sie noch nicht da war. Seine Instinkte waren freigeschaltet.

"Leiche eins wurde mit heruntergelassener Hose gefunden, bei Leiche zwei können wir sicher sein, dass er in einem Freudenh...," Sein Blick fiel auf Jean.

"... Haus der käuflichen Zuneigung war", verbesserte er sich, "Porthos du siehst dich in den Borde ... Häusern der käuflichen Zuneigung um und zeigst das Profilbild des Toten."

Porthos rieb sich die Hände. Ein Auftrag nach seinem Geschmack. Er wandte sich an D'Artagnan.

"Wir versuchen Monsieur Fuelly und sein Kollege zu finden und Dr. Porte vor einem frühzeitigen Tod zu bewahren." Jean rutschte langsam von der Bank unter den Tisch. D'Artagnan sah in Jean's Krug. "Nach nur zwei Schluck Bier. Das machen wir das nächste Mal gleich!"
 

Madam Bofrait gähnte hinter vorgehaltener Hand und fächerte sich träge etwas Luft zu. Es war schon zwei Stunden nach Mitternacht und die meisten ihrer Kunden hatten sich zu ihren Ehefrauen zurückgezogen. Man sah es dem schlichten Gebäude von außen nicht an, aber die Innenausstattung entsprach in allen Details den allgemein gültigen Vorstellungen der Kundschaft im Horizontalen Gewerbe. Das Tageslicht hätte abgenutzte Polster, fadenscheinige Vorhänge, zerkratztes Holz und Goldrahmen mit grüner Patina offenbart. Das Kerzenlicht tauchte Madam Bofrait's Räume in sinnenbetäubende Farben und Bilder. Gemälde mit nackten Göttinnen in zartem Hellrosa, satte Dunkelrottöne in den Polstermöbeln, glänzendes Gold als Stuckverkleidung und dunkles Braun in den Möbeln. Aus der Tiefe der Räume klang helles Mädchenlachen, gedämpftes Stöhnen und das rhythmische Quietschen von Bettgestellen. Zu Madam Borfrait's Betten gehörte das metallene Quietschen zur serienmäßigen Ausstattung. Wegen der späten Stunde und der wenigen Kundschaft war der übliche Geräuschpegel gesunken. Das einzelne Stöhnen der Hure auf Zimmer drei hörte sich eher verloren, als stimulierend an. Wieder gähnte Madam Bofrait, schlenderte träge zur Tür. Die Hand auf die herausgeschobene Hüfte gestützt, den spärlich verhüllten Busen vorgereckt, stand sie am Türrahmen und starrte in die Dunkelheit. Das leise Tröpfeln des nächtlichen Regens schläferte ihre Sinne ein. Ihre Kasse hatte schon bessere Abende gesehen, aber alles in allem zog die Nacht keine schlechte Bilanz. Sie beobachtete unter halbgesenkten Lidern den dunklen Schatten, der die wenigen Stufen zu der Tür hochstieg. Licht gab der dunklen Gestalt Konturen und ein Gesicht. Ein sehr müdes Gesicht, mit dunklen Augenrändern und ungeordnetem Haar.

"Willkommen bei Madam Bofrait's Töchtern", begrüßte sie ihn und hakte sich unter. "Wenn ich das sagen darf, Süßer, Ihr seht furchtbar aus. Kommt setzt Euch." Madam führt die nicht unbeträchtliche Gestalt zu einem der Sofa's und ließ sich neben ihm nieder. Was dieser Mann brauchte war ein tiefer Einblick in ihr Dekollete, ihr Knie dicht bei seinem Knie und eine flinke Hand, die wie zufällig über die richtigen Stellen strich. Ihr Gast saß mit zusammengesunkenen Schultern neben ihr und sah müde in ihr Dekollete.

"Wie heißt Ihr, Monsieur?"

Ein feines Lächeln zeichnete sich auf seinen gutmütigen Zügen ab.

"Porthos", erklärte er den weichen Formen im Spitzenausschnitt. Er schnüffelte leicht. Der Geruch nach süßlichem Parfüm und schwerem Opiumduft, welches er mit einem Freudenhaus assoziierte, war bei Madam Bofrait besonders ausgeprägt.

"Oh, Porthos", hauchte sie und riss die Augen in gespieltem Erstaunen auf, ohne das es der Mühe wert gewesen wäre, da der Musketier ihrem Gesicht keine Aufmerksamkeit schenkte. "Der Musketier Porthos?"

Porthos nickte.

"Mit wem kann ich Euch dienlich sein?" Ihre Hand tätschelte zuvorkommend sein Knie.

"Mit niemanden, Madam, ich bin nur zur Ermittlung hier."

"So, so, zum Ermitteln."

Pothos nickte.

"Und für was ermittelt Ihr, Monsieur Porthos?"

"Wegen des Mordfalles am Saint Antoine."

Sie lächelte spöttisch.

"Schlimme Sache, aber da ermittelt Ihr bei mir?" sagte sie und kicherte. Porthos zuckte die breiten Schultern.

"Wir müssen jedem Indiz nachgehen, Madam!"

"Seid Ihr sicher, dass Ihr nicht doch ... praktisch ermitteln wollt?"

Porthos zögerte und räusperte sich schließlich.

"Nun ... ich hatte eine sehr anstrengende Nacht hinter mir ..."

"... vom vielen ermitteln?"

"Ja, vom vielen ermitteln. Ich fühle mich ... erschöpft , wenn nicht gar ... ausgelaugt." Bei diesen Worten hoben und senkten sich seine Brauen mehrmals. Mit erwartungsvoller Hilfsbereitschaft hatte er sich auf ,Indizsuche' begeben. Leider hatte er die männliche Kondition überschätzt. Ein Fehler, der allen Männern früher oder später unterlief.

"Nun, ich weiß nicht, ob unter unseren Kunden ein Mörder ist", erklärte sie kummervoll. "Bisher wurde meinen Mädchen kein Leid zugefügt."

"Es geht uns auch eher um eine Frau, Madam."

Madam Bofrait zog entrüstet ihre Hand zurück. "Monsieur Porthos, ich kann Euch versichern, dass meine Mädchen niemanden etwas zu leide tun. Bei uns wird der Kunde zuvorkommend behandelt", betonte Madame Bofrait gekränkt "Es sei denn, es entspricht den persönlichen Wünschen des Betreffenden. Dann scheuen wir keine Mühen, um unsere Gäste zufrieden zu stellen."
 

Bevor Porthos weiterfragen konnte, ertönten laute Stimmen und Poltern aus der oberen Etage. Männer stritten miteinander. Es krachte, Holz splitterte, eine Frauenstimme kreischte auf.

"Oh, nicht schon wieder", jammerte Madam Bofrait und eilte in Richtung Treppe. Eines der Mädchen kam halbnackt heruntergeeilt. "Madam, sie streiten sich um Angelique. Sie zertrümmern die Einrichtung."

"Aber Angelique ist doch gar nicht hier", gab Madam zurück. Porthos schob die beiden leichtbekleideten Damen beiseite und stapfte die Treppen hinauf.

Er traf gerade ein, als einer der Männer einen Stuhl auf den Rücken des anderen zertrümmert. Stöhnend krümmte er sich am Boden und versuchte langsam aufzustehen. Die blutunterlaufenen Augen zeigten, dass dem hochprozentigen Alkohol schon reichlich zugesprochen war. Schwankend standen sich beide gegenüber und starrten sich hasserfüllt an. Wie ein verwundeter Stier brüllend, rannte der vom Stuhl getroffene los und rammt seinen Kopf in den Magen seines Gegners. Beide Männer prallten gegen einen mannshohen Spiegel, der splitternd zersprang. Madam Bofrait kreischte auf. Mehrere Mädchen hatten sich hinter ihrem Rücken versammelt und starrten fasziniert in das zertrümmerte Zimmer. Einer der Männer rappelte sich unter dem Scherbenregen auf und zückte mit zittrigen Händen ein Messer.

"Aufhören", brüllte Porthos und seine Stimme hallte im Zimmer wieder. Die Kontrahenten glotzten ihn mit dumm-idiotischen Ausdruck auf den Gesichtern an.

"Wer b-bbbist du?" fragte einer von ihnen lallend.

"Dein schlimmster Alptraum, Freundchen", gab Porthos wieder.

"Isch b-bbin nischt dein Freund."

"Er ist Musketier", wagte Madam Bofrait, angesichts ihrer zertrümmerten Einrichtung, einzuwenden.

Der Gedanke, das Ende der Nacht in einer Arrestzelle verbringen zu müssen und die noch erschreckendere Erkenntnis, dies ihren wütenden Ehefrauen erklären zu müssen, wirkte ernüchternd, wie ein Fass Wasser und ein dunkelschwarzer Kaffee. Die Gegenwart der Musketiers bewirkte, dass der Kampf allmählich nachließ und die Teilnehmer versuchten möglichst unschuldig zu wirken.

"Messer? Welches Messer? Oh, dieses Messer? Ich wollte es nur meinem Freund hier zeigen, nicht wahr ... Freund?" Unter Porthos strengen Blick, ließen sie bei Madam Bofrait alles zurück, was sie an Barschaft besaßen und versprachen wiederzukommen, um den Schaden zu bezahlen. Sichtlich bedrückt zogen sie ab.

Strahlend schmiegte sich die Bordellmutter an ihren starken Helden. Porthos konnte es nicht vermeiden, wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen.

"Ich danke Euch, Monsieur." Ihre manikürten Finger strichen bewundernd über Porthos Oberarme. Mit anerkennend hochgezogener Braue maß sie die Muskelschicht unter dem dünnen Stoff seines Wams. Wenn Porthos die Oberarme anspannte, mussten die oberen Bizeps beiseite weichen, um den unteren Platz zu lassen.

"Dafür sind wir Musketier da, Madam." Die herumstehenden Mädchen kicherten.

"Aber sind Musketiere nicht für den Schutz des Königs verantwortlich?"

"Der König schützt sein Volk, Madam und damit letztendlich auch wir", sagte Porthos und sonnte sich in der Woge der weiblichen Aufmerksamkeit. "Wer ist denn nun Angelique?"

Madam Bofrait seufzte schwer. "Sie ist nicht direkt eines meiner Mädchen", erklärte sie. "Angelique arbeitet nur ab und zu in meinem Bordell." Sie rang hilflos die Hände. "Der Teufel weiß, wo sie sich sonst herumtreibt. Vielleicht ist sie bei Tage eine brave Bürgerfrau oder die Mätresse eines Mannes. Vielleicht will sie ihre Haushaltskasse aufbessern oder benötigt mehr als nur die Zuwendung EINES Mannes. Mir soll es recht sein. Dieses Mädchen hat das Gesicht eines Engels und den Körper einer Göttin. Ihr seht, wie tollwütig sich die Freier wegen ihr benehmen. Sie bringt mir gutes Geld. Selbst in den wenigen Stunden, die sie hier arbeitet." Die Hure tätschelte Porthos Hintern. "Glaubt mir, Monsieur Porthos, wenn Ihr sie sehen würdet, würdet Ihr schon wieder zu Kräften kommen. Kein Mann kann ihr widerstehen."

Porthos seufzte und entsann sich an einen Freund, der im anderen Land verweilte.

"Darauf würde ich es gerne ankommen lassen, Madam", sagte er.

"Seid Ihr fertig mit Euren Ermittlungen, Monsieur?"

"Eins noch, Madam!" Porthos zog ein arg in Mitleidenschaft genommenes Blatt Papier hervor und entfaltete es. "Kennen Sie diesen Mann, Madam."

Madam Bofrait kniff die Augen zusammen und beugte sich näher.

Sie nickte. "Er war öfters hier. Ist er das, der Tote von Saint Antoine?"

"Ja. Ich danke Ihnen. Sie sind die erste Spur, die wir haben."

Madame Bofrait lachte leise und senkte die Stimme verheißungsvoll.

"Ich danke Euch, Monsieur. Ich danke Euch! Seid Ihr sicher, dass Ihr zu erschöpft seid? Ich verspreche Euch Entspannung in höchsten Maßen. Ihr müsstet rein gar nichts tun."

"Ich nehme Sie beim Wort, Madam!"

Wenig später quietschte eines der Bettgestelle sein gewohntes Lied in höchst entspannender Weise und Madam Bofrait bewies, dass sie Wort hielt. Porthos dachte noch daran, dass er mit seinem Kapitän über die Rückerstattung seiner Spesen sprechen musste, dann gab er das Denken auf.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2004-06-14T10:31:58+00:00 14.06.2004 12:31
Das Szenario für die Ermittlungen ist definitiv gut gewählt, das Geschehen bleibt abwechslungsreich und anschaulich.
Lass dir mit der Fortsetzung also nicht zu lange Zeit.
Von:  Tach
2004-05-19T20:05:52+00:00 19.05.2004 22:05
Hach ja...du weißt ja XD
Von:  Kajuschka
2004-05-19T11:07:22+00:00 19.05.2004 13:07
Ja, ja Porthos und seine ganz schön eigenwillige Methode den Fall zu untersuchen. Es wird immer spannender. Also bitte schön weiter schreiben...


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