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It's melting away from under my feet

von

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Die Begegnung

Hornig schrak aus seinen Gedanken auf, als der Kutsche mit lauter Stimme sagte: "Wir sind da!" und auf das sich vor ihnen erhebende Gebäude deutete. Das Schloss war nicht allzu groß und wirkte doch imposant. Es war von einer hohen Mauer umgeben, vor dem großen Tor patrollierten Wachsoldaten. Hornig fröstelte, das Gebäude machte auf ihn keinen einladenden Eindruck. Trotzdem ging er auf einen der Soldaten zu, erklärte ihm seine Lage und betonte auch seine Tätigkeit für den König. Der Soldat wies ihn an, ihm zu folgen und führte ihn ins Schloss. In einem Vorzimmer im Erdgeschoss bat er ihn, sich zu setzen, es würde sich sofort jemand um ihn kümmern. Mit diesen Worten verließ er den Raum, und Hornig begann zu warten. Nach einiger Zeit stand er auf und fing an, auf und ab zu gehen. Nachdem er eine ihm beinahe endlos vorkommenden Zeit gewartet hatte und er glaubte, die Einrichtung des Zimmers nun schon im Schlaf wiedergeben zu können, hielt er es für durchaus angemessen, den Raum verlassen zu dürfen und einen Lakeien oder sonstigen Ansprechpartner zu suchen. "Ganz offensichtlich haben sie mich vergessen!" dachte er etwas verärgert und trat auf den menschenleeren Gang hinaus. Er folgte ihm und stieß schließlich auf eine breite Treppe. Zwar hielt er es für unhöflich, alleine durch das Gebäude zu streifen, doch nachdem er niemanden erblicken konnte, ging er etwas zögerlich hinauf. Irritiert sah er sich um: Das Stockwerk war nicht weniger prunkvoll als das Erdgeschoss, jedoch waren die schweren Türen mit Schlössern und Luken, durch die man in die Zimmer sehen konnte, versehen. Offensichtlich galten diese Maßnahmen dem königlichen Bewohner des Schlosses, dem Prinzen. Hornig fühlte sich aus einem ihm nicht deutbaren Grund unwohl und spähte um die Ecke. Dort hinten saß ein Mann auf einem Stuhl neben der Türe und las Zeitung. Hornig wollte gerade zu ihm gehen, als er aufstand und in einem weiteren Gang mit eiligen Schritten verschwand - offenbar trieb ihn ein natürliches Bedürfnis auf die Toilette. Hornig verdrehte seufzend die Augen und versuchte, die Türe neben sich zu öffnen - sie war jedoch verschlossen. "Kruzifix, das gibt es doch nicht!" Er ging weiter und versuchte es bei der Türe, vor der der Mann gesessen hatte - überrascht trat er einen Schritt zurück, als sie tatsächlich aufging. Etwas zögerlich trat Hornig in einen dunklen Raum, der nur im Bereich der Türe von einer Lampe erleuchtet wurde. "Ähm...Ist dort jemand?" fragte er in die Dunkelheit hinein, doch niemand antwortete. "Dies wäre ja auch zu schön gewesen." dachte er enttäuscht. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, und er nahm ein Sofa in einer Ecke des Raumes wahr. Resigniert setzte er sich darauf und seufzte abermals. Wahrscheinlich würde er, wenn er denn nun endlich auf einen Menschen treffen würde, zu allem Überfluss noch Ärger bekommen, dass er alleine und ohne Erlaubnis durch das Gebäude gelaufen war. Flüchtig ließ er seinen Blick durch das große Zimmer schweifen - und erschrak fürchterlich, als er einen Schatten in dem Sessel neben dem Sofa wahrnahm. Dort saß jemand und starrte ihn an. "Oh Verzeihung, ich wusste ja nicht, dass hier jemand..." stammelte er verlegen, als er sich wieder etwas gefangen hatte. Doch der Mann antwortete nicht, betrachtete ihn stattdessen weiterhin. Richard Hornig wurde die Stille peinlich, doch gerade als er sich erheben wollte, stand der Mann unvermittelt auf, setzte sich neben ihn und sah ihn an. Auch Hornig konnte seinen Gegenüber nun besser erkennen: Der Mann wirkte durch sein Aussehen und einen etwas zerzausten Kinnbart älter, als er war - ganz offensichtlich war er noch ein junger Mann, dachte Hornig. Der Fremde griff sich mit den Händen an die Schläfen, als versuche er verzweifelt, ein Bild in seinem Kopf wachzurufen. Als ihm dies scheinbar nicht gelang, sah er bedrückt zu Boden, dann jedoch erneut zu Hornig; sein Blick wirkte ängstlich, beinahe panisch. Auf einmal wurde Hornig schlagartig klar, wer der seltsame Fremde war: "Prinz Otto?" fragte er zögerlich und unsicher. Beim Klang seines Namens lächelte der andere schwach. Er hob seine Hand, zog sie dann jedoch wieder zurück, als wisse er nicht, wohin er sie legen sollte. Schließlich senkte er sie aber auf Hornigs Arm nieder und ließ sie bis zu dessen Hand gleiten, als könne diese Berührung doch noch eine Erinnerung in ihm wachrufen. Sein Blick schien zu fragen: Kennen wir uns? Jedenfalls nahm Richard Hornig das an, und da er nicht wusste, wie er sich nun verhalten sollte, begann er einfach zu erzählen: "Ich bin Richard Hornig und eigentlich im Auftrag ihres Bruders, des König Ludwig II., auf dem Weg nach München." Bei Ludwigs Namen glaubte Hornig erkennen zu können, wie die Augen des Prinzen aufleuchteten. Obwohl er nicht wusste, ob Prinz Otto ihm wirklich zuhörte und folgen konnte, erzählte Hornig ihm von der Schwanenfigur und dem Achsenbruch der Kutsche. Als er geendet hatte, wendete Otto schweigend seinen Blick ab, sah ihn dann jedoch wieder an und drücke zu Hornigs Überraschung lächelnd dessen Hand.
 

Plötzlich hörte Hornig draußen auf dem Gang Schritte, der Mann, der vor der Türe gesessen hatte und offensichtlich eine Wache für den Prinzen war, kehrte zurück. Hornig stand hastig auf. "Ich...ich muss hinunter! Sicherlich wäre man nicht erfreut, mich hier bei Ihnen vorzufinden." Er sah besorgt zur Tür: "Wie komme ich nur unbemerkt wieder hinaus?" Da stand auch Prinz Otto auf und schob den verdutzten Hornig zur Tür, so dass er, wenn diese sich öffnete, hinter ihr stand. Prinz Otto setzte sich wieder in seinen Sessel und sah Hornig noch einmal lächelnd an. Dann blickte er zur Tür und rief in verärgertem Ton: "Wasser!" Schon ging die Türe auf und die Wache eilte auf den Prinzen zu. Hornig nutzte den Augenblick, schob sich unbemerkt auf den Gang hinaus und eilte so rasch er konnte in das Zimmer zurück, in dem der Soldat in zurückgelassen hatte. Erleichtert seufzend ließ er sich auf einen gepolsterten Stuhl sinken und schloss für einen Moment die Augen, als die Türe sich öffnete und ein Lakai hereintrat. Dieser erklärte Richard Hornig, dass er selbstverständlich die Nacht hier im Schloss verbringen könne, während man sich um die Kutsche kümmern würde. Er führte Hornig zu einem Zimmer im Erdgeschoss im entgegengesetzten Flügel des Schlosses, brachte ihm das Gepäck und erklärte ihm, dass er nur zu läuten brauche, damit man seinen Wünschen nachkommen könne. Daraufhin ließ er Hornig alleine.
 

Dieser sah sich in dem geräumigen Zimmer um und spähte durch einen Türe, die ihn in einen weiteren Raum führte, in dem er ein Bett und Waschutensilien vorfand. Müde von der Reise zog er seine noch immer nasse Kleidung aus und sein Nachtzeug an und ließ sich auf das Bett sinken. Erschöpft schloss er die Augen und dachte noch einmal über die seltsame Begegnung mit dem Prinzen nach. Er war relativ überzeugt davon, dass Prinz Otto ihn verstanden hatte, als er ihm von sich um dem König erzählt hatte. Aber hatte Otto ihm auch bewusst geholfen, unbemerkt aus dem Zimmer zu gelangen, oder war es nur ein Zufall gewesen? Für Hornig war es eine merkwürdige Situation gewesen, so unvermittelt Ludwigs Bruder gegenüberzustehen, über den der König selbst nie mit ihm gesprochen hatte. War in Ludwigs Leben wirklich kein Platz für seinen schizophrenen Bruder? Hatte der König ihn tatsächlich verdrängt? Bevor sich Hornig selbst eine Antwort darauf geben konnte, schlief er jedoch erschöpft ein.



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