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Schattenkrieg

von

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In letzter Sekunde

(Ich Depp hab glatt ne Szene vergessen und musste das letzte Kapitel jetzt teilen. Sorry...)
 

„Das sind Helikopter.“ Zu dem erstickenden Gefühl der Hilflosigkeit kam der fast übermächtige Drang wegzulaufen. Gegen Hubschrauber konnten sie nicht bestehen, sie konnten nicht entkommen. Gibbs fluchte laut.

Zeitgleich kamen Rufe in den Reihen der Soldaten auf. Hektische, panische Rufe und die Agents stellten verwundert fest, dass Unruhe in die vormals disziplinierte Vorgehensweise der Truppen kam. Ihr Vorrücken geriet ins Stocken, einige zeigten mit ausgestreckten Armen auf die herannahenden Helikopter, andere gaben sinnlose Feuersalven in den Himmel ab.

„Scheinbar sind es nicht ihre Leute, die diese Helikopter fliegen.“ Scully erhob sich in ihrem Erstaunen leicht aus ihrer Deckung, um einen besseren Blick auf die Soldaten zu erhaschen. Da erklang direkt über ihnen ein infernalisches Heulen, gefolgt von dem tödlichen Staccato eines Maschinengewehrs. Gestein und Sand spritze in einer schnurgeraden Linie auf, die zielgerichtet auf die feindlichen Truppen zuraste. Sie verfehlte diese nur um wenige Meter und machte damit deutlich, dass es sich um eine sehr ernst gemeinte Warnung handelte.

Scully schrie auf und warf sich zurück auf den Boden, als der Schatten eines Helikopters unerwartet über ihren Köpfen hinweg jagte und sie in einen Wirbel aus Staub und Sand hüllte. Eben noch waren sie weit fort erschienen, wie hatten sie diese Entfernung so schnell überbrücken können? Aus dem Augenwinkel sah sie eine zweite Maschine in einem mörderischen Bogen beidrehen, das Licht der langsam untergehenden Sonne schimmerte dumpf auf nachtschwarzer Lackierung. Dann eröffnete auch dieser Helikopter das Feuer auf die feindlichen Truppen. Die letzten verbliebenen Hunde, die nur noch wenige hundert Schritt von den Agents entfernt gewesen waren, stoben in blinder Panik davon.

Scullys Augen waren groß wie Untertassen, als sie den Apache beobachtete, wie er dicht über dem Boden auf die Linie der Soldaten zuflog, einen tödlichen Schwarm seiner Maschinengewehrgeschosse vor sich ausbreitend, und dann im scheinbar letzten Augenblick in einem schwindelerregenden Manöver abdrehte. Vereinzelte Geschosse der Bodentruppen trafen den Hubschrauber, doch ihre Wirkung verpuffte harmlos auf der Panzerung.

Sie erwachte erst aus ihrer Erstarrung, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte und Mulder sie auf drei weitere Helikopter in ihrem Rücken aufmerksam machte. Sie bemerkte, dass Gibbs bereits auf den Beinen war und sie heftig gestikulierend dazu aufforderte, ihm zu folgen. Um sie herum herrschte ein unfasslicher Lärm und so war eine Verständigung über diese Entfernung nicht möglich.

Der NCIS-Agent war gerade bei DiNozzo angekommen und wuchtete ihn auf die Füße, als sie erneut beschossen wurden. Blindlinks erwiderten sie das Feuer, bis der Schatten eines Helikopters über sie hinweg strich und das feindliche Feuer mit seiner übermächtigen Bewaffnung zum Schweigen brachte. Ihnen wurde klar, dass sie trotz des unverhofften Schutzes aus der Luft noch immer nicht in Sicherheit und gefährlich verletzlich auf der offenen Ebene waren.

Als Mulder und Scully endlich bei Gibbs ankamen, zog er sie kurzerhand dicht zu sich heran. Die Zusammenarbeit mit einer Staffel der Rettungsflieger unter feindlichem Beschuss erforderte äußerste Disziplin und absolutes Gehorsam. Die FBI-Agents hatten keine Ahnung auf was es ankam. Wollten sie überleben mussten sie ohne Wenn und Aber seinen Anweisungen folge leisten. Es war eine Chance, mit welcher keiner von ihnen gerechnet hatte. Nicht zu rechnen gewagt hatte und Gibbs würde nicht zulassen, dass jetzt, so dicht vor ihrer Rettung, noch etwas schief ging und sie womöglich noch einen von ihnen an den Feind verloren, allein aus Unwissenheit.

„Wir bringen Kate und Tony zum Medevac-Helikopter, damit er aus der Gefahrenzone verschwinden kann, verstanden? Nur die beiden gehen an Bord. Wir steigen auf einen der anderen Helikopter.“ Forschend schaute er ihnen in die Gesichter, in denen Angst und Verwirrung standen. Aber auch Entschlossenheit und Erleichterung. Sie schienen verstanden zu haben, was er von ihnen verlangte. Es war nie leicht in einer solchen Situation den Kopf klar zu halten und nicht daran zu verzweifeln, dass man die erste sichere Zuflucht nicht für sich in Anspruch nehmen konnte. „Wir werden die ganze Zeit über von den Apache gedeckt sein, aber verlasst euch nicht blind darauf. Zögert nicht, lasst euch nicht aufhalten. Wir können es schaffen. Also los jetzt.“

Sie sahen, wie der Medevac-Helikopter bereits herumschwenkte und an Höhe verlor. Seine Heckklappe öffnete sich, bereit die beiden Patienten in Empfang zu nehmen. Lange würde er in dieser Position nicht verharren können, da er ein lächerlich einfaches Ziel für die feindlichen Schützen bot.

Es war Eile geboten und so ignorierten die Agents die Schmerzen und die nagende Erschöpfung, die sie an den Boden zu ketten schienen, und rannten los. Scully übernahm den kaum noch ansprechbaren DiNozzo, während Mulder und Gibbs Kates reglosen Körper trugen. Der Weg war nicht allzu weit, doch die Rotoren des Helikopters wirbelten den Sand in einer dichten Wolke auf und machten ihnen das Atmen schwer, Windböen zerrten an ihnen und ließen sie straucheln. Kalte Angst pulsierte durch ihre Venen und ließ kaum einen anderen Gedanken zu als den des unmittelbar vor ihnen liegenden Weges. Um sie herum erklang das Rattern der Maschinengewehre, die Schreie der Soldaten und das Heulen der Flugmaschinen.

Mit einem Mal erzitterte der Boden unter einem ohrenbetäubenden Donnern und drohte ihnen das Gleichgewicht zu entreißen. Gleich darauf zuckte zu ihrer Linken ein greller Lichtblitz auf und wieder röhrte das Donnern.

„Was ist das?“ Scully konnte ihre Panik nur mühsam bezwingen. Sie war stehen geblieben und blickte mit schreckensstarren Augen zurück.

„Luftabwehr. Los weiter, wir müssen uns beeilen.“ Gibbs knirschte mit den Zähnen. Das war nicht gut. Gar nicht gut. Wer hätte ahnen können, dass diese Bastarde noch zusätzlich über eine derartige Abwehr verfügten?

Dann hatten sie den Helikopter erreicht und starke Hände nahmen Kate entgegen. DiNozzo, der es nicht mehr aus eigener Kraft auf die Laderampe schaffte, wurde an den Armen gepackt und angehoben, als wäre er nicht viel schwerer als ein Kind.

Scully kramte hektisch die Phiole mit dem Gegenmittel aus ihrer Tasche und drückte sie dem Soldaten in die Hand, als dieser sich schon wieder in den Helikopter zurückziehen wollte. Wild blickte sie ihm in die Augen. „Geben Sie ihm alles davon, direkt in die Blutbahn. Sofort! Und passen Sie verdammt noch mal gut darauf auf.“

Der verwunderte Soldat nickte, drehte das filigrane Fläschchen kurz in seinen Fingern und zog sich dann zurück. Der Hubschrauber stieg bereits wieder auf, schloss seine Heckklappe und gewann an Geschwindigkeit. Sie konnten nichts mehr tun, von jetzt an lag das Schicksal der beiden NCIS-Agents in den Händen der Militär-Ärzte und Scully konnte nur beten, dass ihre Anweisung befolgt wurde. Voller Sorge sahen sie der sich entfernenden Maschine hinterher. Eine Garantie, dass DiNozzos Organismus noch auf das Gegenmittel reagierte, gab es nicht und so blieb ihnen nur das bange Gefühl der Unwissenheit.

Jäh wurden sie in die Wirklichkeit des Jetzt und Hier zurückgerissen, als unmittelbar in ihrer Nähe das Geschoss eines Granatwerfers detonierte. Die Druckwelle holte Mulder von den Füßen und ließ die anderen taumeln. Gleich darauf erschütterte eine weitere Explosion die Erde.

„Lauft! Los lauft!“ Gibbs half dem FBI-Agent beim Aufstehen und trieb sie an, ihre Stellung, welche durch die Helikopter nicht mehr gesichert werden konnte, aufzugeben. Seine blauen Augen zuckten unruhig über das staubbedeckte Plateau. „Bleibt in Bewegung, sie werden uns einen neuen Korridor schaffen müssen.“

Blanke Angst trieb sie vorwärts. Jeder von ihnen spürte die Erschöpfung und die Schmerzen klar umrissen in seinem Geist, deutlicher als je zuvor. Gleichzeitig schienen sie abgesondert zu sein, fremd und ausgegrenzt von der Angst, als gehörten sie nicht wirklich dazu. Es war eine befremdliche Wahrnehmung, zumindest für die beiden kriegsunerfahrenen FBI-Agents.

Die Luft war geschwängert mit Staub und Rauch und verschleierte jede Bewegung auf der Ebene in absurder Weise. Die Sonne machte diesen Schleier durch ihre schräg einfallenden Strahlen zu einer wahren Barriere und nur das blitzende Mündungsfeuer verriet die Position der feindlichen Soldaten am Boden und der Helikopter am Himmel. Diese verwirbelten den Staub in undurchdringliche Windhosen, die einem jegliche Orientierung nahmen. Das Dröhnen ihrer Rotoren so nah über ihren Köpfen verursachte ein beklemmendes Gefühl der Unwirklichkeit. Wie sollten die Piloten in diesem Amargeddon erkennen, wer Freund und wer Feind war?

Plötzlich mischte sich unter den infernalischen Lärm ein tiefes, durchdringendes Grollen. Es war mehr zu spüren als zu hören und vibrierte durch die Füße der Fliehenden. Es steigerte sich zu einem lauten Brüllen, als unweit von ihnen eine unterirdische Detonation den Boden aufkrümmte bis er platzte wie eine überreife Frucht und eine Feuersäule gen Himmel spie. Gesteinsbrocken schleuderten als tödliche Geschosse davon und verursachten tiefe Krater, wo sie zurück auf die Erde stürzten. Instinktiv duckten sich Mulder, Scully und Gibbs, versuchten sich so klein wie möglich zu machen, um nicht von einem verirrten Stein getroffen zu werden. Anders als ihre Verfolger hatten sie mit dieser Taktik auch Glück, in deren Reihen gleich mehrere Soldaten getroffen zu Boden sanken.

Wo die Detonation den Erdboden aufgerissen hatte, brach immer mehr der Untergrund ein und fiel in die Tiefe. Heißer, tiefschwarzer Rauch quoll hervor und noch immer nahm das Grollen nicht ab. Die Erde zitterte unter ihren Füßen, als würde sie Höllenqualen leiden.

Scully schrie entsetzt auf, als sich der Staub überraschend vor ihnen teilte, auseinander stob als besitze er ein Eigenleben und einen der Helikopter ausspie. Dicht über den Boden flog er dahin, direkt durch die aufsteigende Feuersäule hindurch und auf sie und ihre Gefährten zu und Scully war überzeugt, dass sie in den nächsten Sekunden wie eine Briefmarke an der gepanzerten Verkleidung der Maschine heften würde. Doch die Nase des Helikopters hob sich mit einem ohrenbetäubenden Heulen und der gedrungene Rumpf schwenkte herum, wandte den Agents seine Flanke zu und damit die geöffnete Schiebetür. Rufe drangen zu ihnen und Scully rannte los, auf die helfend ausgestreckten Hände zu.

Um sie herum starb der Forschungskomplex, langsam aber unaufhaltsam. Immer weitere Risse taten sich in der Erde auf, vergrößerten sich zu gähnenden Löchern die nur darauf lauerten, dass man einen falschen Schritt tat. Sie mussten fort.

In ihrem Rücken erklang das wütende Staccato der Maschinengewehre, sie sah die Soldaten im Helikopter das feindliche Feuer erwidern, hörte das Pfeifen von Querschlägern und Geschossen, die allzu dicht an ihrem Kopf vorbei folgen. Angst war alles beherrschend, Flucht das einzige was noch zählte. Sie hörte Mulder an ihrer Seite gequält aufheulen, als ein Mal mehr das Geschoss eines Granatwerfers in ihrer Nähe barst und die Splitter in sein linkes Bein eindrangen. Trotzdem erreichten sie gemeinsam den Hubschrauber und Scully spürte, wie Gibbs sie anhob und den Händen der Soldaten entgegen reichte. Jemand wollte sie weiter zerren, hinein in das Innere der Maschine, aber Scully riss sich herrisch los, drehte sich zurück zur Tür. „Mulder!“

Sie sah ihren Partner springen, nach der Kante des Einstiegs greifen und gleich mehrere Soldaten packten ihn und zogen ihn hinein, ehe er ein zu leichtes Ziel für die feindlichen Truppen werden konnte. Staubig wie ein Brotteig nach dem Mehlbad wankte er zu ihr, kämpfte um sein Gleichgewicht und Scully packte ihn, klammerte sich an ihn, als wäre er der letzte Anker für ihren entsetzten Geist. Sie hörte sich schluchzen.

Über die Schulter Mulders hinweg konnte sie die beiden Apaches sehen, wie sie als bedrohliche Wächter den Rettungshubschrauber flankierten und unablässig ihr Sperrfeuer aussandten. Fauchend jagte eine Abwehrrakete davon und ließ nur wenige Herzschläge später eines der Luftabwehrgeschütze in einem Funkenregen vergehen. Dennoch schlugen immer wieder Geschosse auf die Panzerung ihrer Maschine, sie konnte die näherrückenden Truppen jetzt deutlich erkennen. Ihre Zeit wurde knapp.

Der Soldat an der Einstiegsklappe drehte sich in diesem Moment um und beugte sich zu dem Piloten des Rettungsfliegers. „Sir, wir können die Stellung nicht mehr länger halten. Wir müssen verschwinden.“

Mulder und Scully tauschten einen schnellen, erschütterten Blick und Mulder packte den Soldaten unsanft an der Schulter. Der Blick seiner müden, geröteten Augen war wild, fast schon wahnsinnig. „Agent Gibbs ist noch da draußen. Wir werden nicht abdrehen, ehe er nicht an Bord ist.“

Der Soldat wollte schon widersprechen, da streckte sich der NCIS-Agent mit einem verzweifelten Sprung nach dem Helikopter. Er bekam den Rand der Einstiegsklappe zu fassen, aber seine schweißnassen Finger rutschen gefährlich. Er musste kämpfen um nicht wieder abzustürzen, als sich unerwartet ein beißender Schmerz in seine rechte Schulter bohrte und seinen Arm bis hinauf in die Finger taub werden ließ. Er heulte auf, verlor den festen Griff und zappelte verbissen, um nicht vollends den Halt zu verlieren, als der Helikopter beidrehte und an Höhe gewann. Wenn er jetzt stürzte, würde er den Aufprall am Boden nicht überleben.

Wutentbrannt stieß Mulder den vor ihm stehenden Soldaten zu Seite. „Ihr Bastarde.“ Die empörten Ausrufe der Marines um sich herum ignorierend, warf er sich flach auf den schwankenden Boden des Helikopters, griff mit beiden Händen hinaus und verhinderte so gerade noch rechtzeitig, dass Gibbs Finger von dem Metall der Ladekante abrutschten. Eisern hielt er den Agent fest, frei über dem immer weiter unter ihnen abfallenden Boden. Seine Muskeln protestierten mit beißendem Schmerz ob dieser unerwarteten Belastung.

Dann endlich kamen ihm die anderen zur Hilfe. Sie packten Gibbs und zerrten ihn zusammen mit Mulder in den Schutz des Hubschraubers. Hinter ihnen wurde die Schiebetür zugeworfen und sperrte den Lärm des Feuergefechts aus. Keuchend vor Erschöpfung blieb Gibbs liegen wo er war und suchte geistesgegenwärtig nach Halt, wohl wissend dass sie noch immer nicht außer Gefahr waren.

Keinen Herzschlag später hörte er die Motoren kreischen, ein Soldat bellte ihnen zu, dass sie sich festhalten sollten, dann bäumte sich der Helikopter auch schon auf und zirkelte in einem übelkeiterregenden Manöver zur Seite. Gleich darauf sackte der Boden unter ihnen weg. Sie hielten sich fest wo sie nur konnten, aber ihnen fehlte die Kraft und so wurden sie trotz aller Vorsicht schmerzhaft umhergestoßen.

„Gott, bitte lass es vorbei sein.“ Scully krallte sich mit blutigen Fingern in das Gepäcknetz neben ihrem Kopf und presste die geschlossenen Augen gegen ihren Arm. Ihr war speiübel und das Kreischen des Motors, das Heulen der Rotoren und Geschrei der Soldaten machten sie halb wahnsinnig. Sie würde nie wieder eine Nacht ruhig durchschlafen, dessen war sie sich sicher.

Dann endlich hörte das Dröhnen der gegen die Panzerung schlagenden Geschosse auf, der Helikopter wurde ruhiger und pendelte sich schließlich in gerader Flugbahn ein. „Wir haben die Luftabwehr durchbrochen.“

Noch nie zuvor hatten Worte eine so große Erleichterung bedeutet wie in diesem Moment. Sie konnten aufatmen. Endlich aufatmen und die Agents tauschten ein müdes, aber glückliches Lächeln. Sie waren tatsächlich entkommen.

Zwar schien an Ruhe vorerst nicht zu denken zu sein, sie alle waren aufgeputscht vom Adrenalin der Flucht und der Angst. Die Verletzungen bereiteten ihnen Schmerzen und die Sorge um DiNozzo und Kate war kaum zu ertragen. Doch als sie endlich einen von dem Rest der Soldaten abgesonderten Platz für sich gefunden hatten, forderte die Erschöpfung ihren Tribut. Kraftlos ließen sie sich auf dem blanken Boden nieder, kaum mehr in der Lage auf den eigenen Beinen zu stehen. Jetzt endlich konnten sie dieser Schwäche nachgeben und rasten. Es war vorbei.

Scully schaute aus dem kleinen Fenster an ihrer Seite und beobachtete abwesend die tief unter ihnen vorbeihuschenden Wellen des arabischen Meeres. Schneller als sie zu hoffen gewagt hatte, war das Festland hinter ihnen zurückgefallen und für den Moment schien es, als existiere nur sie und der endlose Ozean. Es war ein friedlicher Gedanke nach all den Tagen und Wochen entsetzlichen Unfriedens. Sie seufzte leise. Die Stille um sieh herum wirkte befremdlich nach dem unfasslichen Lärm ihrer Flucht. Noch immer war sie angespannt bis in die Haarwurzeln und nur langsam entspannten sich ihre Muskeln, gestatteten ihrem Geist Ruhe zu finden. Ruhe, die Raum für weitere, wandernde Gedanken ließ.

Schon bald würden sie an Bord der USS Ronald Reagan abgesetzt werden, wie einer der Soldaten hatte verlauten lassen, und amerikanischen Boden unter den Füßen haben. Mulder und Gibbs würde geholfen werden und auch Tony und Kate würden eine bessere ärztliche Versorgung genießen können als in dem Medevac-Helikopter. Scully war guter Dinge, dass keiner von ihnen bleibende Schäden zurückbehalten würde und das allein sollte schon ein Grund zur Freude sein. Doch sie empfand keine Freude. Sie kehrten nach Hause zurück und das wieder einmal mit leeren Händen. Sie mussten im Gegenteil sogar dankbar sein, dass sie keine Verluste erlitten hatten.

Scully rieb sich die müden Augen. Sie war so schrecklich erschöpft und doch konnte sie ihren Geist nicht davon abhalten, über zukünftige Probleme nachzusinnen. Es war frustrierend. Mittlerweile dürfte auch das FBI von ihrer außerplanmäßigen Aktivität Kenntnis haben und sie konnte sich schon jetzt bildhaft das Zusammentreffen mit Director Skinner ausmalen. Die Konsequenzen für sie und Mulder waren nicht abzusehen. Trennen konnte man sie ja schließlich nicht mehr.

Vielmehr jedoch nagte der noch frische Frust an ihr, dass das Syndikat zum wiederholten Mal gewonnen hatte. Dass der Krebskandidat noch immer lebend auf dieser Erde wandelte. Dass sie nichts hatten ändern können. Gar nichts.

Natürlich, sie könnten eine zweite Expedition losschicken um ihre Berichte über eine geheime Forschungseinrichtung in den Bergen Pakistans zu beweisen... nur war sich Scully sicher, dass diese Expedition nichts finden würde. Möglicherweise stünde der Komplex sogar noch, sofern er nicht von dem durch sie verursachten Feuer vernichtet worden war. Aber das Beweismaterial - Proben, Versuchsobjekte, schriftliche Dokumente über die Forschungen - würden unlängst beseitigt worden sein. So lief es schließlich jedes Mal.

Sie riss den Blick von diesen düsteren Gedanken und dem tröstlichen Blau der Wellen los und schaute statt dessen hinüber zu Gibbs. Er saß ihr und Mulder schräg gegenüber, den rechten Arm notdürftig versorgt in einer Schlinge, und starrte mit versteinerter Mine hinaus. Offenbar wurde auch sein Geist von nagenden Fragen und Zweifeln heimgesucht wie der ihre und gönnte ihm den dringend notwendigen Frieden nicht. Was würde er tun? Jetzt, nachdem er von der Niederträchtigkeit des Syndikats erfahren hatte.

Im Grunde war das keine Frage, die sie stellen musste. Sie kannte die Antwort darauf bereits. Gibbs hatte keinen Hehl daraus gemacht. Das Syndikat hatte sich einen neuen Feind geschaffen. Einen zielstrebigen, erbitterten Feind der tödlicher sein konnte als sie vielleicht bislang ahnten. Und er würde weniger leicht zu manipulieren sein als Mulder es war.

Als habe er ihren Blick gespürt, schaute er zu ihr. Ein schwaches Lächeln huschte über seine Züge, bedauernd, fast schon ein bisschen melancholisch. Die Unruhe und Sorge, die von Scully abstrahlte, war für ihn deutlich wahrzunehmen und auch wenn sie bislang nicht mit ihm darüber hatte sprechen wollen, wusste er was sie neben all den vordringlichen Sorgen bedrückte. Und was ihn bedrückte.

Sein Blick wanderte von Scully zu Mulder, der über seinen Schmerz an der Seite seiner Partnerin eingeschlafen war und jetzt friedlich atmete. Er hatte sich zusammengekauert und war gegen sie gesunken, lehnte an ihrer Schulter und Scully hatte trostspendend einen Arm um ihn gelegt. Abwesend streichelte sie dabei seine Schulter. Es war ein friedlicher Anblick, der mehr sagte als tausend Worte. Ein Anblick, der Gibbs Herz schmerzhaft zusammenzog und ihm eines deutlich vor Augen führte.

Diese beiden Menschen waren mehr als nur Partner. Viel mehr. Sie verband etwas, das er kaum noch für möglich gehalten hatte und das stärker war als jede körperliche oder geistige Zuneigung zweier Individuen. Beinah war es schon unheimlich. Wie konnte er dazwischen stehen und ernsthaft glauben, dass Scully ihn als Mann an ihrer Seite akzeptieren würde? Sie hatte auf ihn reagiert, hatte seine offene Zuneigung freudig willkommen geheißen. Aber er täuschte sich wenn er wirklich glaubte, dass dies Mulder ersetzen würde. Oder er auch nur einen Platz neben ihm einnehmen könnte.

Er hielt Scullys Blick einen Moment mit seinen blauen Augen gefangen. Sah sie erschauern und erstaunt die Augenbraue heben. So wie sie es oft tat. Sie hatte nicht erwartet, dass der NCIS-Agent überhaupt so behutsam sein konnte. Sie so sanft und liebevoll ansehen konnte. Und mit so viel schmerzhafter Zuneigung. Er nickte nur schwach, dann wandte er sich ab und schaute zurück durch das Fenster. Er hatte sie freigegeben.

Scully schluckte, erschüttert und gerührt zugleich. Sie wusste nicht, was sie empfinden sollte. Ihre Emotionen lagen ohnehin blank und so traten ihr Tränen in die Augen. Zitternd atmete sie ein.

Mulder murmelte irgendetwas an ihrer Brust, schlang seinen Arm fester um ihre Mitte und lenkte sie ab, erlaubte ihr, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten. Dankbar schmunzelte sie auf ihn herab und strich behutsam ein paar widerspenstige Strähnen aus seiner Stirn, dann wühlte sie ihre Nase in sein dichtes Haar und schloss die schmerzenden Augen. Washington konnte kommen. Sie und Mulder hatten schon schlimmeres durchgestanden.
 

„Sir, sie sind außer Reichweite.“

Schnaubend stieß der Angesprochene den heißen Dampf seiner Zigarette aus. Ein deutliches Zeichen der Missbilligung in der sonst reglosen Gestalt des Rauchers. In seinem Rücken plärrte das unerträgliche Durcheinander der verschiedensten Alarme, irgendwo brannten Kabel und Qualm stieg auf, beißender Gestank breitete sich aus. Männer liefen umher und riefen sich etwas zu. Doch er blieb an dem großen Fenster des Kontrollraumes stehen und blickte durch Feuer und Rauch dem Geschwader der Rettungsflieger hinterher. Frustriert. Wütend.

Apaches. Man hatte es wirklich gewagt ihn mit amerikanischen Black Hawks anzugreifen. Dieser Verrat schnitt tiefer als der Verlust der Bundesagenten. Sie hatten schweren Schaden angerichtet. Die Luftabwehr war ursprünglich dazu errichtet worden, pakistanische Rebellen abzuwehren. Nicht aber die Macht des amerikanischen Militärs. Es würde dauern, bis der Schaden an der Forschungsstation behoben sein würde. Wenn man sie denn beheben würde.

„Machen sie meine Maschine abreisefertig. Ich will in zehn Minuten abfliegen.“

Perplex starrte der Soldat den Rücken des Mannes an. „Sir, ich denke nicht...“

„Tun Sie, um was ich Sie bitte, Gefreiter.“ Kalt musterte der Raucher den jungen Mann. „Zehn Minuten.“ Er ließ die nicht einmal zur Hälfte gerauchte Zigarette fallen und verließ den Kontrollraum. Bevor er in seinen Helikopter stieg, musste er erst noch etwas anderes erledigen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2011-11-11T20:58:13+00:00 11.11.2011 21:58
Hammer Kapi^^
Freue mich aufs nächste kapi^^


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