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Starlight Express-Die Abenteuer von Casey Jones & Rusty

Nach Motiven des Musicals
von

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Die letzte Hoffnung

So, und jetzt geht es weiter. Sind diesmal auch wieder fast zwanzig Seiten geworden.
 

Kapitel 20

Die letzte Hoffnung
 

Als Giovanni am nächsten Tag von der Neuigkeit erfuhr, war auch er erleichtert.

"Vielleicht kann dieser Dottore wirklich helfen. Aber jetzt will ich Dir zeigen, wie Du Rusty selbst weiter behandeln kannst. Willst Du diesmal den Verband abwickeln?"

Der Junge nickte.

"Na komm, Kumpel, setz dich auf." sprach Francis.

Der Verband war schnell entfernt und Rustys Lider klebten nun nicht mehr zusammen. Er konnte seine Augen wieder ohne Probleme öffnen, doch sie waren trüb geblieben.

"Mmm...Du hast ja wirklich ganz schön was abgekriegt, Du Armer." murmelte Francis traurig.

"Der Heilungsprozess geht gut vorran, kein Rost hat sich gebildet. Und jetzt sieh her. Jeden Abend machst Du etwas von der Salbe auf die verletzen Stellen und Diese hier vorsichtig in die unteren Augenränder. Dann kommt wieder der schützende Verband darum. So lange, bis die Verletzungen ganz verheilt sind.“

„Giovanni!“

Tino, der Geselle, betrat den Raum.

„Ja, bitte?“

„Da sind die zwei Dottore aus Emmenthal am Telefon.“

„Sie wollen bestimmt wissen, wie weit die Genesung fortgeschritten ist. Ich komme.“
 

Dr. Sammer und Dr. Franco besprachen sich telefonisch mit Giovanni, um sich über den genauen Zustand von Rusty zu erkundigen.

"Unser Sonderzug fährt heute nachmittag vom Hauptbahnhof Emmenthal ab. In zwei-drei Tagen werden wir hiersein. Mein Kollege musste noch auf einige wichtige Instrumente aus Elektanis warten."

"Ich werde den Anderen Bescheid sagen."
 

Und so verließ am späten Nachmittag eine große Rätina-Lok mit einem Personenwaggon den Hauptbahnhof.

"Leg dich ins Zeug, Alligator, wir haben es eilig!" rief der junge Lokführer-Lehrling.
 

Als Casey am nächsten Morgen erwachte, war Rustys Schlafplatz leer.

„Rusty? Großer Starlight, wo ist er hin?“

Der Junge sprang aus dem Bett und eilte aus dem Raum. Er brauchte nicht lange zu suchen. Rusty tastete sich an der Wand entlang die Rampe hinauf.

„Wo willst Du denn hin? Du musst vorsichtig sein.“

„Ich muss mal wieder ins Freie. Und ich mag nicht immer nur herumliegen, meine Gelenke sind schon ganz steif. Wenn ich die Sonne schon nicht mehr sehen kann, so will ich sie doch wenigstens an mir spüren. Außerdem ist mein Aschekasten randvoll.“

„Oh je! Das haben wir in der Aufregung ganz vergessen!“

„Warte, leg deine Hand auf meine Schulter, ich führe dich.“

Gemeinsam stiegen sie die Rampe hoch, durchquerten die Werkstatt und stiegen die zweite Rampe zum Ausgang hinauf.

Schließlich standen sie wieder draußen in der Arena. Rusty atmete tief durch.

„Kannst Du irgendetwas erkennen?“

„Es ist jetzt etwas heller vor meinen Augen. Aber mehr nicht.“

„Na komm, da gehts zur Aschegrube."

Casey ergriff Rustys Hand und führte ihn langsam vorwärts. Die kleine Lok folgte unsicher, hatte wohl Angst hinzufallen, weil sie keine Hindernisse sehen konnte."

"Keine Angst. Ich seh jetzt für dich.-Achtung, da vorne kommen jetzt die Gleise."

Schließlich waren sie außerhalb der Arena angelangt.

"So, wir sind da. Transformiere jetzt, damit ich deinen Aschekasten leeren kann.“

Rusty konzentrierte sich, doch es ging nicht.“

„Was ist los?“

„Ich schaffe es nicht! Ob meine Verletzung daran schuld ist?“

„Das glaube ich nicht. Ich glaube, Du hast einfach zu viel Angst. Versuch es gleich nochmal.“

Doch es klappte nicht.

„Na macht nichts. Dann mache ich es eben in diesem Status. -Äh, da fällt mir ein, im Humanoid-Modus hab ich ja noch nie deinen Aschekasten geleert. Wo ist denn die Klappe?“

Rustys Wangen bekamen einen dunklen Schimmer.

„Was hast Du?“

„Im Humanoid-Modus habe ich das bisher immer selbst gemacht. Denn die Öffnung ist-“ er wies peinlich berührt auf die Stelle unterhalb seines Gurtes.

Jetzt lief auch Casey rot an.

„Ach so. Jetzt versteh ich. Na ja, ist eigentlich auch irgendwie logisch.“

„Du weißt ja, wir sehen euch zwar ähnlich, aber sind innen anders gebaut als ihr...“

„Und ihr habt da unten natülich auch nicht das, was wir Jungs haben, das hat Red doch erwähnt, als Du ihn in den Schritt getroffen hast.“

„Genau. Ob wir männlich oder weiblich sind, bestimmt einzig unsere äußerliche Körperform und unser äußerliches Aussehen.

„Wie dem auch sei. Der Protector vorne unterhalb deines Gurtes ist also die Öffnung. Dann lass mal sehen.“

„Nein, lass nur, das mach ich lieber selber.“

„Kriegst Du das hin ohne zu sehen?“

„Jaja, führ mich nur an eine geeignete Stelle.“

Casey wählte eine Ecke der Aschengrube, die der Mauer am nächsten war.

"Kann mich hier nicht jeder sehen?"

"Nein, Du stehst im Schatten. Du genierst dich ganz schön."

"Darf ich das nicht?"

"Dochdoch. Ich staune nur, wie ähnlich ihr uns immer wieder seid."

"Du kannst mich jetzt alleine lassen."

"Aber fall nicht rein, hörst Du?"

"Neinnein.."

"Und pfeife zwei mal, wenn Du soweit bist."

Als Casey langsam davonging, blickte er immer wieder kurz über seine Schulter. Rusty zögerte noch, sah immer in seine Richtung und versuchte am Geräusch herauszufinden, wie weit sein Lehrling schon weg war. Er wollte wirklich ungesehen sein. Wie hatte er das nur im Kommoran gemacht, ohne das die Diesel ihn beobachteten? Heimlich, nachts? Casey zuckte die Schultern, stopfte seine Hände in die Hosentaschen und tappte kopfschüttelnd wieder zum Eingangsportal.

"Ich bin jetzt ausser Sicht!" rief er.
 

„Wo ist Rusty?“ fragte Francis, als Casey in die Arena zurückkehrte.

„Er wollte etwas an die frische Luft. -Francis, er kann gerade nicht mehr transformieren.“

„Vielleicht ist der Schock daran schuld. Es ist sicher nicht leicht für ihn. Damals, nach dem schweren Unfall konnte er auch lange Zeit nicht mehr transformieren.“

„Das glaub ich auch.“

„Aber wo ist er gerade? Ist es eigentlich gut, das Du ihn in seinem jetzigen Zustand alleine gelassen hast?“

"Er macht seinen Aschekasten sauber.“

„Oh.....verstehe. Das wollte er wohl lieber alleine.“

Casey nickte.

"Jaja..auch Loks möchten manchmal nicht überall angefasst werden. Besonders wenn sie im humanoid-Modus sind."

"Sowas stand auch in den Notizen des alten Vincenzo. Er hat geschrieben, das Humanoid- Dampfloks es absolut nicht mögen, wenn man in ihre Feuerbüchse greift. Ist wohl ein reiner Schutzinstinkt. Rusty war auch ziemlich unruhig, als Giovanni das Feuer ersticken und die glühenden Kohlen herausholen musste, um die Temperatur zu senken. Na ja, und wer verbrennt sich schon freiwillig die Finger..."

"Da kommt er ja. Ein weißer Diesel führt ihn."

"Das ist Gallo."

Casey und Francis liefen ihnen entgegen.

"Ich habe deinen Neri draußen getroffen und ihn gleich mitgebracht. Ich konnte ihn noch rechtzeitig davor bewahren in die falsche Richtung zu rollen, sonst wäre er in der Aschegrube gelandet."

"Danke, Gallo. -Warum hast Du nicht gepfiffen Rusty, so wie vereinbart?" tadelte Casey seinen Freund.

"Wollte ich ja. Aber dann hab ich das Gleichgewicht verloren. Nur weil Gallo mich an meinen Kuppelringen festgehalten hat, bin ich nicht in die Aschengrube gefallen. Nichts zu sehen ist wirklich nicht einfach." seufzte die kleine Dampflok.

"Und wie Du aussiehst! Du hast dich beim Entleeren der Asche total eingesaut. Na komm, Du brauchst sowieso wieder einmal eine große Wäsche."

"Grrrmph! Nicht einmal jetzt bleibe ich davon verschont!"

"Nimms leicht, kleiner Neri. Ich werde fast jeden zweiten Tag gewaschen, wegen meiner weißen Lakierung." lächelte Gallo.

"Ich werde diesmal auch vorsichtig sein, wegen deiner Verletzungen." sagte Casey.
 

Rusty hielt die ganze Zeit still, während Casey und Francis ihn von Ruß und Schmutz befreiten. Tatsächlich gingen beide äußerst behutsam vor.

"Die Schrammen sind schnell verheilt. Nach zwei Tagen waren schon keine Verbände oder Pflaster mehr nötig." erklärte der Junge.

Dann bekam Rusty noch seinen Wassertank aufgefüllt.

"So, fertig. Jetzt kannst Du-Hey!"

Francis hatte einen Eimer Wasser über sein Mündel ausgekippt.

"Ich dachte, Du könntest eine Abkühlung gebrauchen." grinste er.

"Ich dachte eher an eine kalte Limonade." brummte Casey, zog sich sein nasses T-Shirt über den Kopf und wrang es aus. Und er konnte Rusty vergnügt grinsen sehen.

"Haha..sehr lustig." brummte der Junge.
 

Ein Lokführer kam aus dem Depot und zu den beiden herüber.

"Gut das ich euch treffe. Da ist ein Anruf aus Kommoran." sagte er. "Drüben, am Apparat im Depot."

"Für wen?"

"Für den kleinen Neri."

Der Mann wies auf die Dampflok.

"Was? Für Rusty? Wer ist denn am anderen Ende der Leitung?"

"Ein gewisser "Pop". Er will unbedingt seinen Freund Rusty sprechen, hat er gesagt."

"Ich geh mit Rusty. Du kannst dich hier so lange in der Sonne trocknen." schlug Francis vor."Na komm, der alte Pop wird sich riesig freuen, wieder deine Stimme zu hören."
 

Tatsächlich stand über tausend Kilometer entfernt im heimatlichen Lokschuppen die alte Dampflok am Telefon und wartete. Endlich drang die vertraute Stimme an seine Ohren.

"Hallo, Pop."

"Rusty, mein Kleiner! Wie geht es Dir? Kannst Du schon wieder aufstehen?"

"Es geht mir schon besser, alter Freund."

"Und deine Augen? Kannst Du wieder sehen?"

"Es wird langsam besser." log Rusty.

Das er so gut wie blind war, wollte er der alten Lok vorerst nichts erzählen. Sie sollte sich nicht noch mehr aufregen.

"Ist Francis schon angekommen?" fragte Pop.

"Ja, gestern Nacht. Und wie ist es bei euch?"

"Alles beim Alten."

Nach Rusty sprach Francis noch kurz mit der alten Lok und auch Casey ließ es sich nicht nehmen, mit seinem Freund ein paar Worte zu wechseln, während Francis mit einem Handtuch ihm die Haare trockenrubbelte.

"Ich hoffe, Du bist mir nicht böse, Pop."

"Wieso?"

"Das ich deinen Schützling in solch eine Lage gebracht habe."

"Na hör mal! Ich war doch auch dafür, das er die Liga-Rennen fährt, hast Du das vergessen?"

"Nein, Pop."

"Na also. Ich muss mir eher Vorwürfe machen. Aber Rusty geht es ja wieder besser."

"Uns allen geht es wieder besser." murmelte Casey.
 

Der Junge stieß geräuschvoll die Luft aus, als er den Hörer wieder aufgelegt hatte.

"Mir ist es auch nicht leicht gefallen, es vor ihm zu vertuschen. Aber es ist besser so. Und bald werden wir erfahren, ob es noch Hoffnung für Rustys Augenlicht gibt."
 

Als Casey durch die Werkstatt ging, um sich umzuziehen, sah er Tino an einer Werkbank arbeiten.

"Das ist doch Rustys Helm."

"Ich will ihn reparieren. Er liegt schon seit dem Unfall hier herum und der Kleine wird ihn sicher noch brauchen."

"Pop hat ihn mir kurz vor unserer Abreise geschenkt. Er hat dafür Meinen behalten. Wenn ich den aufgehabt hätte, hätte es mich noch schlimmer erwischt....“ murmelte Rusty leise, welcher mit Francis folgte.

"Hat dein Eigener keinen Gesichtsschutz gehabt?" fragte Tino.

"Nein, er sieht eher aus wie eine Mütze."

"So ein Helm ist bei Ligarennen gar nicht zulässig. Nur Helme die den ganzen Kopf schützen. Du hast ja erfahren, warum. Die Liga Leitung erwägt sogar, eine Helmpflicht oder einen Gesichtsschutz für Waggons einzuführen."

"Waggonmädchen mit Helm? Das wird lustig." bemerkte Dinah, welche gerade von unten heraufkam."Jungs, ich habe etwas zu essen für euch bestellt. Es wird in einer halben Stunde gebracht."

"Danke, Dinah."

"Aber zuvor ziehst Du Dir etwas trockenes an."

"Das wollte ich gerade."

"Und dann zeigst Du mir endlich einmal die Plaketten, die ihr bisher gewonnen habt."

"Stimmt. Hab ich in der Aufregung ganz vergessen."
 

Wenig später hockten Casey und Francis auf der Kante von Rustys Matrazte und der Junge öffnette die Ledermappe. Rusty hatte sich wieder hingelegt und hörte den beiden zu.

"Ho, nicht schlecht! Die hast Du alle gewonnen, Rusty? In nur einem Jahr? Kleiner, Du warst ja echt fleißig!" lobte Francis.

"Das verdanke ich nur Casey. Schade nur, das es hier nicht geklappt hat."

"Du kannst es nächstes Jahr noch mal versuchen. Oder ein anderes Mal, wenn Du meinst, es gegen Espresso zu schaffen."

"Zuerst einmal muss die OP gelingen." murmelte die kleine Dampflok.

"Auf jeden Fall darfst Du die Hoffung nicht aufgeben."
 

„Hallo, Leute! Ich bringe das Mittagessen! Frische Pizza aus der Stadt!“ rief plötzlich eine bekannte Stimme.

Die gelbe Lok rollte in den Raum und balancierte vier flache Kartons auf ihren Armen.

„Oh, hallo, Espresso! Das ist aber nett!“ lächelte Casey und nahm ihm einen der Kartons ab. "Bin gespannt wie die schmecken."

Die gelbe Lok lächelte.

„Scusi, aber ich bin nicht Espresso.“

„Nicht Espresso? Aber Du siehst genauso aus wie...“

„Ich bin sein jüngerer Bruder Pendolino. Ich heiße so, weil ich eine spezielle neue Neigetechnik in meinem Fahrgestell habe. So kann ich noch schneller in den Kurven fahren. Aber sonst bin ich genauso gebaut wie mein älterer Bruder.

„Er hat recht.“ nickte Rosa, welche nun hinter der Lok hervorkam „Du kannst beide nur an den Markierungen im Gesicht unterscheiden. Und an ihrer Fahrtechnik. Pendolino ist meine Lehrlok.“

"Hallo Rosa!-Weißt Du schon das neueste?"

"Das Rusty wieder sehen könnte? Davon hab ich gehört, Casey."

"Dr. Sammer mit seinem Kollegen müsste morgen abend hier eintreffen."
 

Und so war es auch. Im letzten Tageslicht rollte die Krokodillok aus Rätina in die Arena ein und hielt kurz vor dem Depot.

„Dr. Sammer! Was bin ich froh, sie zu sehen!“rief Casey und lief den gerade aussteigenden Fahrgästen entgegen.

"Hallo mein Junge. Darf ich Dir Dr. Franco vorstellen? Er wird sich nachher Rusty Augen ansehen."

"Guten Tag, Doktor. Ich hoffe, sie können meiner Lok helfen."

"Ich werde nichts unversucht lassen."

„Casey!“

„Loisel! Du hier?“

Der ältere Lehrling kletterte aus dem Führerstand.

„Ich hab die beiden mit Alligator her gebracht. Er ist die Schnellste unserer Loks. Und ich dachte mir, Du brauchst sicher etwas Beistand.“

„Danke, mein Freund. Jetzt kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.“

"Jungs, helft ihr uns mal mit dem Gepäck?" bat Dr. Sammer.

"Na klar, Doc!" nickte Loisel.

Aligator transformierte und streckte sich, das Waggonmädchen wartete noch damit, bis das ganze Gepäck ausgeladen war. Dinah und Francis kamen dazu und nach der üblichen Begrüßung machten sich alle daran, das Mitgebrachte in die Werkstatt zu schaffen.

Tino und Giovanni zeigten, wo die Instrumente deponiert werden konnten und der Werkstattmeister übergab die Unfallunterlagen an die beiden Ärzte.
 

Die rätinische Lok war inzwischen hinunter in den Ruheraum zu Rusty gerollt. Casey hatte heute das erste Mal den Verband weggelassen, die Verbrennungen heilten nun besser, wenn Luft hinkam. Rusty lag auf dem Rücken und hatte die Arme hinter seinen Kopf verschränkt. Mit seinen getrübten Augen starrte er schweigend an die Decke. Aligator seufzte traurig.

„Hallo, Rusty. Was machst Du nur für Sachen...“

„Krokodil?“

Die kleine Lok setzte sich auf und sah in die Richtung, aus der sie die Stimme vernommen hatte.

„Hehe, nein, ich bins Alligator. Die beiden Docs hatten es verdammt eilig und ich bin ein bischen schneller als mein kleiner Bruder. Aber Loisel hat mich hergefahren.“

"Oh, da hat sich Casey bestimmt gefreut."

"Na klar. Die anderen kommen gleich nach."
 

Dr. Franco las sich die Berichte genau durch und besprach sie kurz mit Dr. Sammer. Dann besah sich der Augenspezialist genau den Patienten und stellte ihm einige Fragen. Dr. Sammer hielt sich diesmal mehr im Hintergrund.

Nach der Untersuchung zogen sich beide Ärzte wieder zu einer ausführlichen Besprechung zurück.

"Jetzt fachsimpeln die beiden schon gut eine Stunde miteinander." murmelte Casey. "Bin gespannt, was sie sagen werden."

Schließlich betraten die beiden Ärzte den Ruheraum. Casey sprang von seinem Platz auf und lief ihnen entgegen.

„Und? Wie sieht es aus?“

„Die Hornhaut beider Augen wurde durch die elektrischen Entladungen schwer in Mitleidenschaft gezogen. Aber man kann sie operativ durch zwei gesunde Komponenten ersetzen. In Technopolis hat man ein Verfahren entwickelt, diese Hornhaut künstlich aus Zellen heranzuzüchten. Dr. Franco hat entscheidend bei der Entwicklung mitgeholfen. Er ist der Beste auf diesem Gebiet.“

„Das heißt, wir haben eine Chance?“

„Ja. Aber erst nach der OP wird sich zeigen, ob er wieder richtig sehen wird. Ich habe das noch niemals bei einer Lok gemacht und ich weiß nicht, ob der Erfolg derselbe sein wird wie bei einem Menschen."

"Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert!" sagte Dinah. Casey nickte.

"Stimmst Du auch zu, Rusty?" fragte Dr. Sammer.

"Ja, ich will nichts unversucht lassen."

"Gut. Morgen beginne ich mit den Voruntersuchungen. Es sind einige Tests notwendig, um die genaue Beschaffenheit des Gewebes festzustellen. Damit die Komponenten später nicht abgestoßen werden." erklärte Dr. Franco.

"Verstehe." nickte Casey.
 

So umringten also am nächsten Morgen die beiden Doktoren mit Giovanni Rustys Lager. Für eine genaue Untersuchung wurde ein kleiner Teil der äußeren Hülle entnommen und ein wenig der öligen Substanz, die sie durchfloss. Die kleine Lok ließ alles geduldig über sich ergehen und keine Klage kam über ihre Lippen.
 

"So, jetzt haben wir alles. Wir werden die Proben nun auswerten, damit bei der OP nichts schiefgeht."
 

Unterdessen, in Kommoran...

"Ich hab sie!"

Steel kam über die Gleise gerollt und schwenkte eine Zeitung.

"Ah, die letzte Ausgabe der Eisenbahnerzeitung! Na endlich!" brummte Greaseball. Er lehnte mit Chrome und Lead an der Außenwand des Lokschuppens.

"Jetzt werden wir sehen, ob es einen Bericht gibt." meinte Steel und reichte sie seinem Anführer. "War gar nicht so leicht, an ein Exemplar zu kommen. Und keiner konnte oder wollte wegen dem Dampfer etwas sagen. Aber in der Lokführerkantine bin ich dann fündig geworden."

"Mal sehen...."Greaseball blätterte die Seiten durch." Wo sind denn die Rennligaergebnisse....ah, da! Mmmh...mhm...uninteresant...ah, sieh an, Turnov, die drubanische Pfeife, hat tatsächlich eine weitere Plakette gewonnen?"

"Hehe, als er mal gegen dich antreten wollte, hast Du ihn einfach vom Gleis in einen Stapel Gleischotter gestoßen! Das hat vielleicht gestaubt!" erinnerte sich Steel. Seine beiden Brüder lachten.

"Hmph! Das war ja noch vor meinem Aufstieg." meinte Greaseball abschätzend. "Ah, wartet mal! Hier! Schwerer Unfall beim Ligarennen in Torrone!"

"Schwerer Unfall? Hört sich gar nicht gut an...lies schnell weiter, Grease!" drängte Steel.

"Beim letzten Rennen um die Plakette von Via Coronna..."

"Ach ihr habt meine Zeitung! Da kann ich ja lange suchen. Gebt sie mal schön wieder zurück."

Die Stimme gehörte Digger. Er hatte Greaseball und seine Kumpane die letzten Minuten aufmerksam beobachtet. Bis jetzt war es ihm immer gelungen, mit Hilfe seiner Kollegen dafür zu sorgen, das weder Pop noch die Diesel eine der Zeitungen in die Finger bekamen. Vor allem wurde Stillschweigen über Rustys Unfall gewahrt. So lautete die Anordnung von Mr. Corell. Keiner wollte, das die alte Dampflok sich unnötig aufregte oder die Diesel über Rustys Unfall lästerten.

"Och mann! Dürfen wir vorher nicht den Artikel zu ende lesen?" murrte Chrome.

"Nein, ich habs eilig. Und die brauch ich noch."

Und schon hatte Digger dem überraschten Greaseball die Zeitung aus der Hand gefischt und schritt mit ihr davon.

"So ein Murks!" fluchte der Diesel wütend und stampfte mit einem Fuß auf.

"Die verheimlichen irgendwas! Keiner macht den Mund auf! Nicht mal Bobetta!" knurrte Steel. "Aber wir kriegens schon raus, verlass dich drauf, Alter!" grollte Greaseball Digger hinterher.
 

"Wenn ich wüsste, wer die Zeitung in der Kantine vergessen hat..." murmelte Digger, als er die Blätter zusammenlegte, während er hinüber zum Bahnhof stapfte.

In der großen Eingangshalle kam ihm Tingle entgegen.

"Hallo, Digger! Ich habe Neuigkeiten!"

"Gute oder schlechte?"

"Schwer zu sagen...Casey hat vorhin bei Mr. Corell angerufen. Er sagt, zwei Ärzte sind aus Emmenthal gekommen um Rusty zu helfen! Sie wollen Ihm durch eine Operation sein Augenlicht wiedergeben!"

"Beim Starlight! Das ist wirklich eine gute Nachricht. Wollen wir nur hoffen, das die Ärzte Erfolg haben."

"Ich wünsche es mir auch." nickte Tingle. "Unser Rusty ist nicht umsonst der Liebling aller Lokführer von Kommoran. Er hat schon so viel schlimmes mitgemacht und hat es immer wieder überstanden."
 

Ein weiterer Tag war vergangen.

"So, wir haben jetzt alle Tests durchlaufen. Und wir haben passende Implantate, die seinem Zellgewebe ähnlich sind. Die OP werden wir übermorgen durchführen. Bis dahin bringt ein Kurierflieger die Implantate aus dem Labor in Technopolis." erklärte Dr. Franco, als alle beim Abendessen zusammensaßen. Auch Mr. Shine war mit Tron und Lonzo anwesend.

"Oh je!" schluckte Rusty.

"Keine Angst, Rusty. Du wirst schlafen und von alledem nichts merken." beruhigte ihn Dr. Sammer.

"Das beruhigt mich nur wenig."

"Komm, wir besuchen Espresso und Cappuchina, das bringt dich auf andere Gedanken." meinte Casey. "Kommst Du mit, Loisel?"

"Na klar."

"Ich gehe auch mit und helfe Rusty."

"Lonzo!!" riefen Tron und Mr. Shine ernst wie aus einem Mund.

"Oh mann!" brummte die Viehwaggon.

"Ich geh mal besser. Du machst doch wieder nur Dummheiten, wenn Du Espressos Braut siehst." bemerkte Tron und ergriff Rustys freien Arm.

"Mach ich nicht!" protestierte Lonzo. Alle lachten.
 

Alle Loks und Waggons im Depot freuten sich über den Besuch.

Jeder versuchte, Rusty Mut zu machen und wünschte ihm Glück.

"Hör zu, kleiner Neri. Wenn Du das hier überstanden hast, dann bringe ich Dir ein paar von meinen Tricks bei. Damit Du dich in Zukunft besser wehren kannst." erklärte Espresso.

"Etwa Saltos schlagen?"

"Das wohl eher weniger. Aber ich kann Dir andere Kniffe zeigen."
 

Die restliche Zeit verging wie im Flug. Nach dem Aufstehen fuhren Casey, Loisel und Francis mit Aligator noch kurz in die Stadt um einige Einkäufe zu erledigen. Auf der Rückfahrt zum Depot bemerkten sie das kleine Flugzeug am Himmel.

"Das muss der Kurier aus Technopolis sein!" sagte Casey, der aus einem Seitenfenster sah.

"Stimmt. Er fliegt in die selbe Richtung."
 

Bei ihrer Rückkehr bemerkte Casey Espresso und Cappuchina in einem der Seitengänge der Arena. Sie knieten vor etwas, das eine Art Schrein zu sein schien. Langsam ging der Junge näher. Tatsächlich hielten die beiden ihre Köpfe etwas gesenkt und ihre Hände gefaltet, als beteten sie.

"Ich komm gleich nach, Freunde."

"Ist gut. Gib mir deine Taschen." sagte Francis.

Caseys Vormund brachte die Einkäufe in die gemeinsame Unterkunft, während die beiden Lehrlinge sich langsam und leise auf die beiden in Andacht versunkenen zubewegten.

In der Mauer befand sich eine Nische, in der eine etwa einen Meter große Statue aus demselben Gestein stand. Der Form nach sah sie wie eine Lok im Humanoid-Modus aus. Loisel stupste seinen Freund an und dieser räusperte sich verlegen. Lok und Waggonmädchen sahen auf.

„Was...tut ihr da?“ fragte der Junge.

„Wir bitten Cyrill Rusty Kraft zu geben und ihm beizustehen, damit die Operation ein Erfolg wird.“

„Cyrill?“

„Er wird vielerorts genauso verehrt wie der Starlight Express. Er war ein Neri wie dein Rusty, nur viel größer und stärker und lebte vor über 200 Jahren. Er ist der Schutzpatron vieler Loks.“

„Von Cyrill höre ich das erste Mal. In Kommoran haben sie mir nichts davon erzählt.“

„Er ist auch mehr bei den Zügen und Menschen der südlichen Länder des Kontinents bekannt. In den nördlichen Ländern wird mehr der Starlight Express verehrt.“

Espresso und Cappuchina erhoben sich wieder.

„Wir müssen los. Unser Dienst beginnt. Sag Rusty, wir sind im Gedanken bei ihm und wünschen ihm viel Glück.“

„Danke. Ich werds ausrichten, Cappuchina.“

Nachdem die Beiden davongerollt waren, blieben Casey und Loisel noch eine Weile vor dem Schrein stehen.

„Cyrill....weißt Du etwas über ihn?"

"Nicht viel. Ich weiß nur, das er ein großer Held war und in Technopolis gebaut wurde. Wir haben damals das Thema in Geschichte nur kurz behandelt. Aber er war ein echter Kämpfer."

"Ich hoffe, Francis kann mir mehr über ihn erzählen.“

Aber damit wollte er bis nach der OP warten.
 

"Der Kurier war wirklich vorhin da und hat die Implantate gebracht. Da sind sie drin. Tiefgefroren." sagte Francis, als Casey mit seinem Freund die Werkstatt betrat. Ein zylindrischer Metallbheälter stand auf einem Schränkchen. Mehrere Warnaufkleber waren an der Hülle angebracht.

Da es natürlich keinen geeigneten Operationsraum für solche speziellen Eingriffe in der Werkstatt gab war ein kleiner Nebenraum der Werkstatt speziell hergerichtet worden. Dieser durfte bis zur OP nicht mehr von normalen Leuten betreten werden, wegen der Keimfreiheit. Nur Dr. Franco und Dr. Sammer, der ihm assistieren würden, gingen dort ein und aus. Ersterer holte nun den Behälter.

"Die Implantate sind noch tiefgefroren. Ich werde sie jetzt langsam vorbereiten. Es befinden sich sechs Stück darin. Zwei Paar sind immer als Reserve gedacht, falls eines fehlerhaft ist."

"Verstehe. Wir gehen dann mal zu Rusty."

Als Casey in den Ruheraum kam und seinen Lokpartner erblickte, konnte er sich das Lachen nur mit Mühe verkneifen. Genauso erging es Loisel. Rustys Haare steckten unter einer hellblauen Haube, wie sie bei Operationen von der Ärzten und auch Patienten getragen wurde. Hier machte man offenbar keine Ausnahme.

Die kleine Dampflok zupfte nervös an der Haube und tastete auf ihrem Kopf herum.

"Was ist das für ein Ding?"

"Das tragen die Patienten im Krankenhaus auch immer." erklärte Casey und versuchte ernst zu klingen.

"Ich sehe bescheuert aus, nicht wahr?"

"Nein nein, überhaupt nicht?" schüttelte Francis den Kopf. Aber Casey merkte, das auch er Schwierigkeiten hatte, ernst zu bleiben.

Dr. Sammer betrat den Raum.

"Wir sind soweit. Ihr könnt Rusty jetzt nach oben bringen."

"Na dann komm."

Francis, Casey und Loisel halfen der Lok auf die Beine. Dr. Sammer nahm einen Arm, Loghead den anderen.

"Rusty...viel Glück. Wir drücken alle die Daumen." sagte Dinah. Dustin nickte.
 

Langsam ließ sich die Dampflok nach oben führen."

"Rutsty sieht irgendwie ulkig aus mit dem blauen Ding auf dem Kopf." bemerkte Dustin grinsend, welcher mit Dinah zurückblieb.

"Das hab ich gehört, Dustin!" knurrte Rusty von draußen. Dinah verpasste dem Tender einen Klaps gegen den Hinterkopf.

"Manchmal bist Du so taktvoll wie ein Rocky!"knurrte sie ärgerlich.
 

"In Ordnung. Ab hier übernehmen wir." sagte Dr. Franco als sie vor dem Eingang zum hergerichteten Operationsraum standen.

"Also, Kopf hoch, Kumpel. Und beiß die Zähne zusammen, wenn er Dir die Spritze gibt." sagte Casey und drückte Rusty die Hand.

"Bis später, Casey."

"Halt die Ohren steif." wünschte Loisel.

Ein sanfter Druck von Francis zum Abschid gegen die Schulter, dann gab sich Rusty in die Obhut der beiden Ärzte. Casey konnte noch einen letzten Blick auf seinen Freund erhaschen, bevor Francis die Tür fest verschloss.

"Jetzt heißt es warten."
 

"So, mein Kleiner, jetzt geht es los. Wie gesagt, wirst Du von allem nichts spüren." erklärte Dr. Franco. Gemeinsam bugsierten sie Rusty auf die zu einem OP -Tisch umfunktionierte Werkbank, über die ein hellblaues Laken .gebreitet worden war.

"Leg dich zurück...gut so."

Die obere Partie von Rusty, nämlich Kopf und Schultern, hatte man ebenfalls versucht, so steril wie möglich zu halten. Der Rest wurde mit einem großen, hellbauen Tuch abgedeckt, das in Höhe der Feuerbüchse ein Loch hatte, um die Lebensflamme im Auge behalten zu können. Das Kohlefeuer war wieder vorsorglich entfernt worden. Die für Menschen schädlichen Bakterien hatten zwar keine Wirkung bei humanoiden Loks, aber man konnte nie wissen. Und dies war schließlich das erste Mal, das bei einem biomechanischen Lebewesen eine solche OP durchgeführt wurde.

Dr. Sammer und Dr. Franco trafen die nötigen Vorbereitungen.

"Was riecht denn da so komisch?" knurrte die Dampflok unbehaglich.

"Das ist nur ein Desinfektionsmittel.- Ich werde dich jetzt betäuben. Hab keine Angst, Du wirst nur einen Stich in deinem Hals spüren, also keine Panik." sagte Dr. Sammer. Vorsichtig drehte er Rustys Kopf zur Seite, um besser an die Stelle am Hals zu kommen. Der Patient hielt ganz still, nur als er den Stich spürte, zuckte er etwas zusammen.

"Schon vorbei. Zähle jetzt langsam bis fünfzig."

Am Klang der Stimme konnten die beiden Ärzte den Zustand der Betäubung feststellen. Bei dreiundzwanzig wurde Rustys Stimme immer leiser, bei einunddreißig hörte er auf zu zählen und sein ganzer Körper entspannte sich.

"In Ordnung. Der Kleine ist im Land der Träume. Behalten sie immer wieder die Lebensflamme im Auge, Kollege." bat Dr. Franco.
 

Und draußen....

"Casey, Du bist ja schrecklich nervös." bemerkte Francis.

"Kein Wunder. Meine Mutter..."

"Ich weiß. Du hast mir davon erzählt."

"Sie wurde auch operiert. Aber es hat nichts genützt....sie ist trotzdem einige Tage später verstorben..."

"Armer Bursche..." murmelte Mr. Shine.

"Na komm, lass uns in die Kantine gehen." sagte Loghead." Hier können wir jetzt eh nichts tun."
 

Die Kantine hatte auch einen Außenbereich. Die beiden Lokführer und Lehrlinge nahmen unter einem der Sonnenschirme Platz , Mr. Shine spendierte vier Eisbecher. Eine ganze Weile fiel kein Wort, Casey stocherte zuerst lustlos in seinem Becher herum, begann aber dann doch zu essen.

"Sag mal, Francis, war Greaseball eigentlich schon immer so gemein?" brach der Junge schließlich das Schweigen.

"Oh nein. Ich habe es Dir ja schon einmal gesagt, als er mir zugeteilt wurde, war er noch eine normale Diesellok. Wir verstanden uns sehr gut, haben viel miteinander gelacht und als er von meinem Krafttraining erfahren hat, wollte er so etwas auch machen. Damit er noch viel stärker werden würde. Und das tat er dann auch."

Francis zeigte Casey ein paar alte Fotos.

"Siehst Du? So sah Grease früher aus.-Diese Fotos dürfte ich euch gar nicht zeigen, wenn Greaseball davon erfährt, macht er mir die Hölle heiß! Sein früheres Leben vor der Weiterentwicklung existiert für ihn gar nicht!"

"Keine Angst. Wir halten alle dicht.-Hey, da hatte der noch nicht mal seine Tolle!-Hehe, der hat da nen Wuschelkopf wie Pewter." grinste Casey.

"Dann bemerkten Mr. Correl und ich seine Rennqualitäten. Vielleicht könnten wir aus ihm einen Favoriten machen. Kommoran hatte bis dahin noch keinen Geeigneten gehabt. Wir meldeten uns für die Liga und reisten herum, wie Du jetzt. Hier in Torrone waren wir auch schon. Damals hieß der Favorit allerdings noch Continent Star. Beim Rennen gegen Ihn hat Greaseball seine siebte Plakette gewonnen." schwelgte Francis in Erinnerungen."Und dann, vor dem Rennen zur zehnten Plakette ist es geschehen. Zuvor hatte er zwei Mal gegen den Favoriten Volta aus Elektanis verloren und war durch Elektroattacken verletzt worden. Doch sein unbändiger Drang zu siegen hat ihm schließlich die Weiterentwicklung ermöglicht. Und er konnte Volta schlagen."

Francis Gesicht verdüsterte sich plötzlich.

"Aber nach seiner Verwandlung hatte er sich total verändert. Hochmütig ist er geworden und machte einen auf hartem Typ. Ich war auf einmal nur noch ein Klotz am Bein." seufzte Francis traurig."Er hat sogar behauptet, ich sei nicht mehr klug genug für ihn."

"Was? So ein mieser Kerl! Nach all dem was Du für ihn getan hast! Durch dich ist er erst zu dem geworden, was er heute ist, da wette ich!"

"Und dann kam das große Finalrennen...Greaseball schlug alle Gegner und wurde Champion. Ab da lief natürlich gar nichts mehr. Er duldete mich nur noch als Lokführer, weil Mr. Corell es so wollte. Auch drei Jahre später ging er als Champion hervor und Volta steckte eine herbe Niederlage ein. Seitdem glaubt er, das keine andere Lok ihn je schlagen wird."

"Na der wird sich noch wundern, wenn er eines Tages auf die Nase fällt!" brummte Casey und knabberte an seiner Eiswaffel. Und er nahm sich fest vor, mit Rusty Greaseball diese Niederlage zu bescheren. Sein Freund musste nur sein Augenlicht wiederbekommen.
 

Als Rusty wieder die Augen öffnette, sah er vor sich nur undurchdringliche Schwärze.

"Wo bin ich hier? Es ist so dunkel...oder hat die Operation etwa nicht geklappt?"

Angst machte sich in ihm breit.

"Hallo? Ist da jemand?"

"Rusty!"

Der Gerufene wandte sich herum. Ein Schatten löste sich plötzlich aus der Schwärze, wurde zu einer grünen, eindeutig weiblichen Lok. Einer Dampflok.

"Ich kann wieder sehen!"

Die rothaarige Fremde lächelte nur.

"Wer bist Du?" bohrte Rusty weiter.

"Kennst Du mich nicht?"

"Nein....aber ich glaube, dich schon irgendeinmal gesehen zu haben....in anderen Träumen und Erinnerungen...aber seit meinem Unfall habe ich einen Teil davon verloren! Bitte sag mir, wer Du bist."

"Das musst Du selbst herausfinden. Ich bin auch nur ein Bruchstück deiner verlorenen Erinnerungen. Suche weiter nach deinen Wurzeln."

Die Erscheinung vor Rusty begann langsam zu verblassen.

"Nein! Geh nicht weg! Bitte! Nein-"
 

Rusty schüttelte sich -und erwachte!

"Ho, ho, ganz ruhig, mein Kleiner." vernahm er plötzlich Dr. Sammers Stimme. Rusty brauchte nicht lange, um zu bemerken, das er wieder wach war. War die Operation bereits vorbei?"

"Mein Augen..."

"Stecken noch unter einem Verband. Der kommt erst morgen wieder herunter. Dann wird sich zeigen, ob wir Erfolg hatten." hörte er jetzt Dr. Franco zu seiner Rechten. Er fühlte, wie eine Hand sanft seinen rechten Arm berührte.

"Dann hab ich es schon...hinter mir?"

"Ja, das hast Du, mein Kleiner. Du hast drei Stunden geschlafen. In dieser Zeit haben wir die Implantate eingesetzt."

Rusty atmete erleichtert aus.

"Bleib noch etwas liegen, bis die Nachwirkungen der Betäubung ganz weg sind. Dann bringen wir dich wieder zu deinen Freunden." erklärte Dr. Sammer.

Die kleine Lok blieb still liegen und lauschte den Geräuschen in ihrer Nähe. Er hörte die beiden Ärzte leise miteinander reden und das klappern von Instrumenten, die eingepackt wurden.
 

"So...dann komm mal..."

Rusty wurde aus seiner liegenden Position in eine Stehende gebracht.

"Kannst Du wieder richtig stehen? Kein Schwindel?" hörte er Dr. Sammer zu seiner Rechten. Eine Hand zog ihm die hellblaue Haube vom Kopf und ordnete dann etwas die wirren Haare.

"Geht schon wieder."
 

"Da sind sie!" rief Casey, als er die beiden Doktoren erblickte, welche langam mit ihrem Patienten hinunter in den Ruheraum kamen.

"Und?" fragte Francis.

"Er hat es gut überstanden. Jetzt müssen wir bis morgen warten. Dann kommt der Verband weg.-Rusty, hör mir gut zu. Solltest Du plötzlich starke Schmerzen oder etwas anderes Unangenehmes im Augenbereich spüren, sage sofort Bescheid! Deine Freunde werden uns dann rufen." erklärte Dr. Franco. "Ich und Dr. Sammer haben unsere Zimmer ja weiter hinten am Gang."

Rusty nickte.

"Möchtest Du ein paar von deinen Kohlen?" fragte Casey, als sich die beiden Ärzte zurückgezogen hatten.

Die kleine Lok schüttelte den Kopf.

"Wie gehts Dir?"

"Soweit ganz gut. Aber ich bin schrecklich nervös! Morgen wird sich entscheiden, ob es geklappt hat!"

"Ich weiß. Das Warten ist immer das Schlimmste."
 

Auch in der Nacht brachte Rusty kein Auge zu. Glücklicherweise traten keine Beschwerden auf und die leichten Schmerzen ließen nach.
 

Und dann war es soweit. Jeder, der konnte, wartete vor dem Ruheraum oder oben in der Werkstatt auf das Ergebnis der Implantation. Rusty konnte kaum ruhig sitzen, als Dr. Franco langsam den Verband abwickelte. Casey saß neben ihm auf der Matratze und hielt seine Hand. Er war genauso aufgeregt. Hing doch der Erfolg davon ab, ob sie auch nächstes Jahr wieder auf Reisen gehen und Rusty gegen andere Loks rennen konnte.

"Es...es wird heller..."murmelte die kleine Dampflok.

"Ein gutes Zeichen..es fällt wieder Licht in das Innere deiner Augen..."erklärte Dr. Franco."Ich glaube...so."

Der Arzt nahm langsam die Verbandauflage ab und trat zurück.

Casey beugte sich nach vorne und blickte in Rustys Augen. Sie waren nicht mehr trüb, sondern so klar und blau, wie er es gewohnt war.

"Rusty?" fragte er leise. Die Lok blinzelte einmal, blinzelte zweimal.

"Ich..ich seh wieder was!"

"Kannst Du alles klar erkennen?" fragte Dr. Franco und besah sich die Augen mit einer Spaltlampe.

"Nein...ist noch alles etwas unscharf...bleibt das so?"

"Mach Dir keine Sorgen. Die Implantate müssen sich erst an deine Augen gewöhnen und sich justieren. Das ist normal. In ein paar Tagen müsste deine Sehkraft wiederhergestellt sein."

"Dann war die Operation wohl erfolgreich, Herr Kollege." bemerkte Dr. Sammer.

"In der Tat. Es funktioniert also auch bei biomechanischen Lebewesen."

Rusty fiel ein Stein vom Herzen. Er würde wieder seinen Dienst normal verrichten können.

"Hast Du das gehört, Loisel?"

"Dem Starlight sei Dank!"
 

Jetzt waren die Anwesenden nicht mehr zu halten. Sie brachen in Freudengeschrei aus, Dinah fiel Dustin um den Hals, Casey umarmte Rusty. Genauso war es auch im Gang vor dem Ruheraum und es setzte sich bis nach oben in die Werkstatt fort. Espresso schickte ein Dankgebet zum Himmel und verlieh dann seiner Freude lautstark Ausdruck. Auch die anderen Loks stimmten mitein. Das Echo der Signalhörner hallte von den Wänden wieder und durch die Gänge.

"Oh mann! Meine Ohren!" stöhnte Loisel und hielt sie sich zu.

"Hörst Du, wie die sich alle für dich freuen?"

Rusty war gerührt. "Das habe ich noch nie erlebt. Das sind wirkliche Freunde."
 

"Du musst in den nächsten zwei Tagen noch sehr vorsichtig sein, Rusty. -Casey, mach ihm jeden Tag diese Topfen drei mal täglich in die Augen. Das desinfiziert und beschleunigt den Heilprozess. Und Du solltest darauf achten, das Du die ersten Tage deine Augen nicht wirbelnden Sand und Staub aussetzt. Also halte dich mehr im Inneren auf." erklärte Dr. Franco als die größte Aufregung sich gelegt hatte. "Und vermeide größere Anstrengungen."

"Verstanden." nickte Rusty.

"Ich weiß nicht, wie ich ihnen danken soll, Doktor." sagte Casey."Und auch ihnen, Dr. Sammer. Sie waren es ja, der alles in die Wege geleitet hat."

"Ich konnte euch doch nicht im Stich lassen. Außerdem ist es meine Pflicht als Arzt, in Notfällen zu helfen."

Natürlich kamen alle vorbei, um dem Patienten zu beglückwünschen.

Später, am Abend, besah sich Rusty sein Gesicht in einem Spiegel. Die Verbrennungen an seinen Schläfen waren fast verheilt. Die Haut war an diesen Stellen viel heller, doch sie würde sicher mit der Zeit nachdunkeln. Dr. Sammer hatte gesagt, das keine sichtbaren Narben bleiben würden, die intensive Behandlung mit der Salbe hatte alles gut abheilen lassen. Darüber war Rusty froh. Er wollte nicht vernarbt wie ein alter Haudegen aussehen.

"Oh mann! Ich mach mir Sorgen um mein Aussehen? Bin etwa doch eitel?"dachte er.
 

Die beiden Ärzte blieben noch zwei Tage, dann war es an der Zeit, Abschied zu nehmen. Dr. Franco stellte mit Zufriedenheit fest, das die Implantate gut mit dem übrigen Gewebe verwuchsen und Rusty von Tag zu Tag besser sehen konnte.

"Du nimmst die Augentropfen bis sie aufgebraucht sind. Und vermeide noch, in zu helles Licht zu sehen." erklärte der Augenspezialist.

"Wann können wir wieder weiterreisen?" fragte Casey.

"Wartet noch zehn Tage. Wenn es keine Probleme gibt, kann Rusty wieder seine normalen Dienst verrichten. Aber mit den Rennen solltet ihr noch einige Monate warten."

"In Ordnung. Für uns wird es sowieso Zeit, nach Hause zurückzukehren."
 

"Alles gute, ihr Beiden. Und viel Glück auf eurem weiteren Wegen." wünschte Dr. Sammer.

"Kommt uns mal wieder besuchen." sagte Loisel und stieg in Alligators Führerstand.

"Auf jeden Fall, wenn wir Aligator herausfordern." lächelte Casey.

Die Krokodillok ließ zum Abschied noch einmal ihr Signalhorn erschallen, dann rollte der kleine Zug aus der Arena.
 

Am nächsten Tag...

"Na, bereit für ein kleines Training?"

Espresso kam in die Werkstatt gerollt. Rusty besah sich gerade seinen frisch reparierten Helm.

"Oh, dein Helm ist auch wieder heil." lächelte die gelbe Lok.

"Ja, Tino hat ganze Arbeit geleistet. Vielen Dank."

"Keine Ursache. -Setz ihn am besten auf, wenn Du draußen einige Runden drehen willst. Dann sind deine Augen besser geschützt." riet der Mechaniker.

"Eine prima Idee. Ich bin schon ganz steif von dem langen herumliegen." bemerkte die kleine Dampflok.

"Dann komm mit. Lass uns ein kleines Wettrennen versuchen."

"Espresso, der Dottore hat noch keine Anstrengung erlaubt! Und der wirbelnde Staub ist auch nicht gut für seine Augen!"mahnte Tino.

"Dann zuckeln wir eben." meinte die torronische Lok achselzuckend.
 

Also drehten beide kurz darauf mit Cappuchina einige gemütliche Runden. Rusty war hinter Espresso angekuppelt, damit der Fahrtwind ihm möglichst nichts in die Augen wehte.

"Das tut richtig gut, wieder sicher rollen zu können. Ich sehe zwar noch immer alles verschwommen, doch es ist schon besser geworden." erklärte die kleine Dampflok.
 

"Gut. Und jetzt komm einmal her." sprach Espresso nachdem sie sich durch das Laufen aufgewärmt hatten. "Nimm deinen Helm ab."

Rusty tat wie ihm geheißen.

"Puh, wird auch ganz schön heiß darunter mit der Zeit. Die Sonne ist ziemlich stark hier." schnaufte er und hängte den Helm an einen Signalmast.

"Stell dich gegenüber von mir auf."

"Und jetzt?"

"Schlag zu, Rusty."

"Wirklich?"

"Nun tu schon, was Espresso sagt. Zeig ihm, wie fest Du zuschlagen kannst." lächelte Cappuchina , legte ihre Hände auf seine Schultern und schob ihn sachte vorwärts. Aufmunternd strich sie ihm mit den Fingern ihrer rechten Hand über die Wange und lächelte dabei Espresso verschmitzt zu. Der nickte lächelnd zurück.
 

"Grrrmbl! Lok müsste man sein!" knurrte Lonzo, der das Ganze aus sicherer Entfernung beobachtete und ließ sich auf einen Stapel alter Schwellen nieder. Espresso war die Anwesenheit des Viehwaggons nicht entgangen und deshalb ließ er es zu, das Cappuchina so liebevoll mit Rusty umging. Sie freuten sich jedes Mal, wenn sie Lonzo damit so richtig eifersüchtig machen konnten.

"Hier steckst Du! War ja klar. Dein Blick klebt noch immer an Espressos Braut!" meinte Tron, welcher hinter dem Stapel auftauchte.

"Ich könnte in die Luft gehen! Schau nur, wie lieb sie zu dem kleinen Dampfer ist! Warum kann sie auch nicht zu mir so nett sein?"

"Ganz einfach: Du bist nicht ihr Typ. Uns sie mag deine Art nicht, Casanova!" grinste die E-Lok.

"Willst Du keine Freundin oder Partnerin?"

"Hab noch nicht die Richtige gefunden."
 

Rusty holte aus und ließ seine Faust auf Espressos vorgestreckten Arm niedersausen. Espresso verzog keine Miene.

"War das mit voller Kraft?"

"Äh..."

"Traust Du dich nicht? Hau mal richtig zu! Ich hab kaum was gespürt!"

In den nächsten Schlag setzte Rusty all seine Kraft.

"Ja, jetzt hab ich auch was gespürt. Aber da steckt wirklich nicht viel Mumm dahinter. Das werden wir üben. Deine Gegner lachen sich ja kaputt, Du sollst sie schlagen, nicht streicheln."

Und Espresso zeigte Rusty, wie er mehr Kraft in seine Schläge bringen konnte. Besonders eindrucksvoll demonstrierte er es, indem er mit der bloßen Faust eine alte Holzschwelle in zwei Teile spaltete. Dabei grinste er Lonzo herausfordernd zu. Der wollte schon aufstehen und zu Espresso um ihn zu zeigen, das er genausogut eine Schwelle zertrümmern konnte, doch zum Glück kam Mr. Shine und rief ihn und Tron zu sich.

"Siehst Du, Rusty? Schon ein Schlag mit deiner vollen Kraft könnte einem Menschen den Arm brechen. Aber wir haben ja ein Stahlskelett und vertragen wesentlich mehr. "erklärte die gelbe Lok.
 

"Espresso! Was macht ihr da? Rusty soll sich doch noch nicht so anstrengen! Seine Augen sind noch nicht ganz ausgeheilt!" rief Giovanni, welcher über den Platz gestapft kam.

"Ich pass schon auf, Maestro, machen sie sich keine Sorgen."

"Und hier draußen kann er noch zu viel Verunreinigungen in seine Augen bekommen, wie Sand oder feiner Staub. Außerdem ist es heute recht windig."

"Si, Maestro. Scusi, daran hab ich nicht gedacht. Dann machen wir eben im Lokschuppen weiter."

"Ich wollte euch sowieso holen. Die Rennleitung hat endlich eine Entscheidung getroffen."
 

Im Lokschuppen hatten sich gerade alle dienstfreien Loks und Waggons versammelt. Der Stationsvorsteher mit seinem Gehilfen wartete, bis es ruhig geworden war. Dann, nach einer kurzen Ansprache bekam Tron feierlich die Plakette von Torrone überreicht.

Das Klatschen lockte auch Casey und Francis an.

"Schaut mal." lächelte Tron.

"Die Plakette! Hat man deinen Sieg doch für gültig erklärt!" freute sich Casey.

"Ich habe ehrlich gewonnen.-Wie gehts Dir, Rusty?"

"Ganz gut. Meine Sehkraft wird täglich besser. Der Doc hat gemeint, meine Augen brauchen noch eine Weile, bis sie sich richtig justiert haben. In sieben Tagen können wir aufbrechen."

"Wir brechen heute nachmittag auf. In Arrosia wartet man schon ungeduldig auf unsere Rückkehr."
 

Also hieß es noch einmal Abschied von guten Freunden nehmen. Espresso und Cappuchina fuhren ein Stück auf dem Nebengleis mit, da ihr Dienst wieder begonnen hatte. Und bevor sie sich trennten, gab das Waggonmädchen Lonzo zum Abschied im Vorbeifahren einen ordentlichen Klaps auf sein Hinterteil!

"Sie steht doch auf mich!" seufzte der Viehwaggon und sah den Beiden nach.

"Spinner! Sie macht sich doch nur über dich lustig!" knurrte Tron genevt. Mr. Shine lachte.

"Na komm, Lonzo, transformiere auch, damit wir endlich nach Hause fahren können."
 

Casey war mehr als froh, das alles noch einmal gut ausgegangen war. Aber in Zukuft würde er noch mehr auf Rusty achten und das Trainig verbessern.

Die letzten Tage vor der Abreise vergingen wie im Flug. Espresso und Cappuchina waren immer mit ihnen zusammen, wenn sie frei hatten. Und sie unternahmen auch kleine Ausflüge mit ihren Gästen.

Rustys Sehfähigkeit verbesserte sich immer mehr. Bald konnte er wieder alles so klar und deutlich wie früher erkennen.

Der Augenarzt, der zuerst keine Hoffung mehr hatte, das die kleine Lok wieder ihr Augenlicht zurückbekommen konnte, war auf Giovannis Wunsch noch einmal vorbeigekommen um einen letzten Sehtest zu machen.

"Dr. Franco hat wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Die Augen des kleinen Neri sind wieder in Ordnung. Im Prinzip kann er ab morgen seine Arbeit wieder aufnehmen."

"Sehr gut. Dann können wir nach Kommoran zurückkehren." sagte Francis erleichtert.

"Dann werden wir dies morgen an eurem letzten Tag ausgiebig feiern!" rief Espesso.

"Eine Abschiedparty? Wo?"

"Das wird noch eine Überraschung." zwinkerte die gelbe Lok schelmisch.
 

Ein Hochplatteau über der Stadt war am nächsten Tag das Ziel von Espresso, Cappuchina und ihren Gästen. Eine mit unzähligen Mosaiksteinen gepflasterte Straße wand sich den Berg hinauf. Francis war in die Stadt gefahren um noch einige Dinge zu erledigen.

"Scheint noch so ein antiker Bau zu sein." bemerkte Dinah.

"So, wir sind da." sagte Espresso schließlich.

Vor ihnen lag eine großer, Platz, umrahmt von unzähligen Säulen, der Boden war mit Marmormosakien gefliest. In der Mitte befand sich ein rechteckiges, flaches Becken mit einem kleinen Springbrunnen.

"Wow! Wo sind wir hier?"

"Das hier war in alten Zeiten ein Tempel. Die Säulen wurden restauriert, sie haben früher einmal das Dach getragen. Früher wurden hier die alten Götter verehrt. Doch heute wird hier jemand anders geehrt."

Die Freunde folgten Espresso und Cappuchina bis an das andere Ende des weitläufigen Platzes. Dort stand ein großer Sockel, darauf die steinernen Figuren zweier Personen.

"Aber das ist doch..." Casey hatte eine der Gestalten erkannt.

"Das hier ist Cyrills Frieden. Ein großer Teil der damaligen Getreuen, die mit ihm gegen den Tyrannen zogen, waren Torroner. Zu Ehren all jener und für unseren Helden und seiner Gefährtin wurde dieser Ort erwählt.-Dies ist auch der beste Ort, um zu tanzen."

"Tanzen?" fragte Rusty verwirrt." Hier? -Übrigends: Ich tanze nicht."

"Das bringe ich Dir schon bei. Es ist ein Teil des Trainings, was ich Dir versprochen habe. Wo lernt man besser bewegtlicher zu sein, als im Tanz."

"Hör ich das erste Mal." brummelte die Dampflok.

"Ach, das wird bestimmt lustig. Gut das ich meine Inliner mitgenommen habe! So viel Freifläche zum herumflitzen!"

"Genau!" lächelte Cappuchina und stellte den Radiorecorder auf einer Säule ab. Dann drückte sie einen Knopf und Musik beschallte den großen Platz.

Als erstes ergriffen sich alle an den Händen und bildeten einen Kreis.

"Zuerst einmal einfach im Kreis herum." sagte Espresso.

"Na toll, Ringelreihn! Sind wir jetzt kleine Kinder?" brummte Rusty, der sich ziemlich albern vorkam.

"Das ist nur zum Aufwärmen!" lächelte Espresso. Dann trennte er sich aus dem auflösenden Kreis und ergriff Rustys Hand. "Und nun gib gut acht! Jetzt zeige ich Dir, wie wir Torronischen Loks fahren, wenn wir nicht im Dienst sind!"

Die gelbe Lok zog die Kleinere mit sich mit, schwang sie herum, sodaß ihr fast ganz schwummerig wurde.

"Langsam Espresso! Nicht so heftig! Woaaaah!"

Espresso ergriff mit seiner Hand eine dünne Säule, schwang herum und ließ wieder los.

"So kann man Kurven viel schneller nehmen.-Versuche es selbst einmal."

"Das kann ich nicht!" klagte Rusty.

"Versuch es doch einmal. Du musst Dir einen wendigeren Fahrstil angewöhnen. Dann kannst Du auch viel besser auf Gefahren reagieren. Rennen zu fahren, bedeutet nicht nur stur die Gleise entlangzurauschen! Ein bischen Fantasie gehört auch dazu. Und mehr Risikobereitschaft."

"Mehr Risikobereitschaft? Deswegen habe ich beinahe mein Augenlicht verloren!" grollte Rusty. "Ich denke eher, mehr Vorsicht walten lassen ist eher angebracht!"

"Wenn Du das was ich Dir zeige, weiter trainierst, kannst Du beim Rennen mehr riskieren, wenn Du diese Fähigkeiten richtig einsetzt."

"Grrmph! Na schön! Ich probier mal die schnelle Kehrtwende. Aber wozu soll die Gut sein? So kurvige Gleise gibts gar nicht!"

"Du glaubst nicht, wie dir so etwas manchmal von Nutzen sein kann. -Also: Du kannst jeden Signal oder sonstigen Mast dafür nutzen. Nur stabil genug muss er sein."

Rusty versuchte es ein paar Mal, bis er genug hatte.

"Schau nur, dein kleiner Lehrling kriegt das schon prima hin.- Und jetzt zur zweiten Lektion. Kannst Du eigentlich springen?"

"Springen?"

"Na, zum Beispiel, wenn ein Hindernis auf der Strecke liegt."

"Na ja, nicht sehr gut. Ich halte da lieber an. Außerdem geht springen im Maschinenmodus schlecht."

"Oder einen Spin."

"Was ist das denn?"

"Das geht so." lächelte Espresso, stellte sich auf die Vorderräder und begann sich schnell und elegant um die eigene Achse zu drehen.

"Eine Pirouette." erklärte Casey.

"Wozu braucht man so was? Wir sollen doch Waggons ziehen, kein Ballett aufführen!" brummte Rusty. "Greaseball und die anderen lachen sich kaputt, wenn sie mich so die Gleise entlangwackeln sehen!"

"Oh, Du weißt also nicht, das diese Figuren auch für Attacken eingesetzt werden?"

"Wirklich?"

"Kombiniere einmal eine solche Drehung mit einer Feuerattacke. Was hast Du dann?"

"Wow! Er hat recht! Das wäre so etwas wie eine Feuerspirale oder so ähnlich!" rief Casey, der es sich in seiner Fantasie gut vorstellen konnte.

"Richtig, kleiner Lehrling!"

"Ich kann aber keine Feuerattacken. Dann nutzt mir das auch wenig."

"Es ist aber nicht schlecht, es zu können. Und irgendwann lernst Du auch Feuerattacken zu gebrauchen. Komm, probier es. Wenn Du dann richtig sicher bist, kannst du es sogar nur auf einem Bein machen. Das geht dann so. Siehst Du?"

"Toll, lass Dir alles von Espresso zeigen!" nickte Casey. "Je mehr Du weißt, was eine Lok mit ihren Rädern noch alles machen kann, desto besser."

"Na schön." seufzte Rusty.

"Also, auf die vorderen Räder stellen-und nun versuch dich zu drehen."

Beim ersten Versuch wäre Rusty beinahe hingefallen, doch Espresso fing ihn auf.

"Nicht aufgeben! Gleich nochmal!"

"Schade, mit meinen Rollerblades ist das nicht möglich." sagte Casey, der es zwei Mal versucht hatte.

Espresso ließ während Rusty übte, die kleine Lok nicht aus den Augen. Er wollte auf keinen Fall das er hinfiel. Nicht nachdem er erst kürzlich operiert worden war.

"Ich mag nicht mehr! Mir ist schon ganz schwindelig! Machen wir ne kleine Pause!"

"In Ordnung. Schwindelig soll Dir ja nicht werden.- Aber schau uns mal zu. Wir können noch ein paar andere Dinge. Die machen wir einfach zum Spaß. Und mann wird dabei noch sehr sicher auf den Gleisen."

Also setzte sich Rusty auf eine Säule. Espresso winkte Cappuchina zu sich und beide nahmen sich an der Hand.

Staunend sahen Rusty und die anderen zu, wie Espresso und seine Partnerin fast synchron nebeneinander einen Drehsprung vorführten.

"Wow, das ist ja wie beim Eiskunstlauf! Die zwei haben echt was drauf! Kein Wunder, das Espresso so verrückt fahren kann." meinte Casey.

"Hast Du gesehen, Rusty? Versuche das einmal."

"Springen und sich um sich selbst drehen? Das kann ich nicht!"wehrte Rusty ab. Aber es half nichts. Espresso und Cappuchina übten so lange mit Rusty, bis er begriffen hatte, worauf es ankam. Er schaffte zwar noch keinen richtigen Drehsprung, doch der Ansatz zum Trainieren war da.

"Du musst nicht alles stur von uns nachahmen. Entwickele deine eigenen Techniken oder wandle sie ab, für den Zweck, für den Du sie benötigst." riet Espresso.
 

Casey machte es großen Spaß, mit den anderen über den weiten Platz zu jagen. Manchmal hing er sich bei Dinah oder Dustin ein, manchmal bei Cappuchina. Sie waren hier oben ganz unter sich. Auf dieses Hochplatteau schien sich kaum jemand zu verirren. Wie gesagt, schien.

Auf einmal sah Casey zwei Männer, einen Hochgewachsenen und einen kleineren, Rundlicheren, zwischen den Säulen auftauchen. Sie blieben kurz stehen, dann kamen sie langsam näher. Der Junge rollte neugierig näher, etwas an der Art, wie die beiden Männer sich bewegten, machte ihn stutzig. Als er dann nahe genug war und die Kleidung der Männer sah, hielt er sich erschrocken die Hand vor den Mund, raste zurück und schaltete blitzschnell das Cassettengerät aus.

"Was ist denn?" wunderte sich Espresso und drehte sich herum. Als er die beiden menschlichen Personen entdeckte, erbleichte er.

"Espresso! Ich würde mal sagen, die Beiden da sehen aus wie...Priester. Verheimlichst Du uns etwa was? Ist das hier etwa ein heiliger Ort?" zischte er.

Wie ein Junge, der etwas angestellt hatte, rollte Espresso den beiden Männern entgegen. Die übrigen rollten schweigend zusammen.

"Wer sind die beiden Männer?" fragte Rusty leise.

"Der Hohepriester und sein Vertreter." antwortete Cappuchina schuldbewusst.

"WAS?"

"Shhht!"
 

"Pontefice...wir...haben sie nicht so früh erwartet..." stammtelte Espresso.

"Du hast es wieder gewagt, Cyrills Frieden mit deinen Umtrieben zu stören?!" wetterte der kleinere Mann.

"Scusi, Prete ..wir wollten keinen Frevel begehen. Dem ehrenwerten Cyrill und seiner Gefährtin macht es bestimmt Freude uns von oben zuzusehen."

"Lass es gut sein, Leonardo. Ich denke auch, das es Cyrill ihnen nicht übel nehmen wird." antwortete der größere der beiden Männer.

"Wie ihr meint, Hohepriester."

"Wie ich sehe, hast Du heute Besuch dabei. Ist das nicht dieser kleine Neri, der beim letzten Rennen sein Augenlicht verloren hatte?"

"Si, Pontefice. Aber seit der Operation kann er wieder sehen."

"Das ist sehr gut. Würdest Du uns miteinander bekannt manchen?"

"Aber sicher, Pontefice. Kommen sie."

Während sie auf die kleine Gruppe zugingen, atmete Espresso erleichtert auf. Das war noch mal gutgegangen.
 

"Warum hast Du uns nicht gesagt, das das Platteau noch immer ein Tempel ist? Bei mir laufen wir auch nicht in der Kirche Rollschuhe!" brummte Casey, als sie sich auf den Rückweg machten. Sie hatten sich mit den beiden Männern noch ein wenig angeregt unterhalten und waren zum Glück nicht ausgeschimpft worden.

"Dieser Ort ist die meiste Zeit wie ausgestorben! Die Priester kommen nur selten dort hinauf! Und nur zu den Erinnerungsfeiern ist es dort oben wirklich voll. Und ich denke, das der alte Cyrill nichts dagegen hat, wenn wir seinen Ehrenplatz für unser Training nutzen."
 

Und am abend stieg wie versprochen in der Mitte der Arena auf dem freien Platz eine Abschiedsparty unter dem klaren nächtlichen Sternenhimmel. Menschen, Loks und Waggons waren gleichermaßen anwesend. Es wurde gegessen, gescherzt und gelacht. Musik spielte und wer wollte und konnte, schwang das Tanzbein.

Casey entfernte sich nach einer Weile von den Feiernden und stieg die Ränge hinauf. Dort blieb er eine Weile reglos stehen und sah zum Himmel.

"Danke, Starlight Express, das Du meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt hast." murmelte er.

Francis Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

"Ach hier bist Du. Ist etwas?"

"Nein. Ich habe nur einem guten Freund gedankt."

Francis verstand und lächelte.

"Nimm auch meinen Dank, großer Zug der Sterne."
 

Später am Abend, als Casey sich an das Packen machte, brachte Espresso Casey ein kleines Buch vorbei.

"Dies ist ein kleines Abschiedsgeschenk von mir und Cappuchina. Hier drin findest Du alles über Cyrills Leben, was bis heute überliefert wurde. Was wahr und was Legende ist, kann ich nicht sagen. In den Wirren der kontinetalen Kriege gingen viele Aufzeichnungen verloren."

"Danke, Espresso. Das ist echt toll."
 

"Es gab also auch hier dunkle Zeiten..." dachte sich Casey, als Espresso wieder gegangen war und er die erste Seite aufschlug.

Sie zeigte ein sehr altes Foto der legendären Lok, eines der ganz wenigen, die bis heute erhalten geblieben waren. "Werde mich eingehender mit der Geschichte dieses Kontinents befassen müssen, wenn ich zurückkehre. Offensichtilich ist diese Welt auch nicht von Kriegen verschont geblieben." Er seufzte. Das Paradies, wo alle Wesen friedlich und im Einklang miteinander auskamen, gab es wohl nirgendwo. Nicht einmal in einer anderen Dimension.
 

Endlich war alles bereit für die Heimreise. Francis verstaute noch das restliche Gepäck.

Espresso und Cappuchina hatten es sich nicht nehmen lassen, bei der Verabschiedung dabeizusein.

"Hier sind alle Unterlagen über Rustys Behandlung. Du gibst sie am besten Mr. Corell." erklärte Giovanni.

"Mach ich. Und nochmals vielen Dank für alles."

"Zu helfen ist die oberste Pflicht eines jeden Werksmeisters. Vor allem wenn ein Lehrling und seine Lok in Not sind."

Gerührt umarmte Casey jeden seiner neu gewonnen Freunde. Von Cappuchina bekam er wieder rechts und links zwei Küsschen auf die Backen.

"Oh mann, dieser Arrosianer Lonzo würde platzen vor Neid, wenn er das jetzt sehen könnte." grinste der Werkstattmeister.

"Ciao, Rusty. Halt die Ohren steif. Und übe das was ich Dir gezeigt habe. Die höheren Ligen verlangen mehr Herausforderungen. " erklärte Espresso. "Und pass gut auf deinen kleinen Lehrling auf. Ihr beide seid ein tolles Team. Solch einen intensiven Zusammenhalt habe ich schon lange nicht mehr gesehen."

"Nochmals vielen Dank für alles, was sie für die beiden getan haben, Giovanni." sagte Francis und beide Männer gaben sich die Hand.

Das Signal für die Abfahrt sprang auf Grün. Der kleine Zug transformierte und Francis und Casey bestiegen das Führerhaus.

Rusty stieß zwei fröhliche Pfiffe aus, dann setzte er sich schnaufend in Bewegung.

"Ciao Freunde, ciao!" rief Gallo und winkte.
 

"Endlich geht es wieder zurück nach Kommoran. Ich kanns gar nicht erwarten, Pop und den anderen unsere Plaketten zu zeigen!" sagte Casey und schwang eine Schaufel Kohle in Rustys Feuerbüchse.
 

"Meinst Du, sie schaffen es bis ins Finale?" fragte Cappuchina und sah zu, wie Dustin als letzter durch das Portal der Arena und in einer Kurve verschwand.

"Das weiß nur der Starlight Express, cara mia."
 

Fortsetzung folgt..
 

Fremdsprachen-Glossar:
 

Sucsi: italienisch (torronisch) für „Tut mir leid“, „Entschuldigung“

Maestro: Meister

Pontefice: (italienisch)Hohepriester

Prete: (italienisch) Priester



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