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Western Spirits

von

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N'oubliez jamais II

Saber trat aus dem Bad. Sein Gesicht war etwas blass und einige Spritzer des Wassers, mit dem er sich gewaschen hatte, hingen noch auf seiner Stirn. Heute Nacht würde er bei Chily schlafen. So fern das nach dem Gesehenen noch möglich war, denn auch ihm hatte sich eben der Magen endgültig umgedreht. Im dem Zimmer, das an ihr Schlafzimmer grenzte, hatte sie ihm das Sofa hergerichtet und saß wartend darauf. Ein wenig besser fühlte sich der Blonde nun und setzte sich in seinen Boxershorts zu ihr. „Ich fühl mich, als hätten wir Colts Junggesellenabschied vorverlegt“, meinte er um das Gespräch zu beginnen, dass ihr augenscheinlich auf dem Herzen lag. Sie schenkte ihm einen verständnislosen Blick und erwiderte kopfschüttelnd. „Ich bezweifle, dass die Party auch nur im Ansatz so mörderisch wird.“ – „Aber der Morgen danach wird mindestens genauso übel“, entgegnete er trocken. Sie lehnte sich ein wenig von ihm weg. „Was für ein Vergleich“, meinte sie vorwurfsvoll. „Also ehrlich.“ Dass sie nicht so abgebrüht war, wie es vielleicht manchem erscheinen mochte, hatte er sehr deutlich zu sehen bekommen. Leicht tröstend legte er ihr eine Hand auf die Schulter. „Sorry. So etwas zu sehen ist... naja.“ Wie sollte er das in die richtigen Worte packen? Sie half nach: „Widerlich? Eklig? Abartig? Halt, warte. Es ist zum Kotzen.“Sie schüttelte sich angewidert bei der Erinnerung an den Anblick. „Wie kannst du nur so tun, als hätten wir lediglich eine plattgedrückte Schnecke oder so was gesehen?“ Die Gelassenheit, die er zur Schau trug, konnte sie nicht nachvollziehen. „Ich habe viel gesehen. Auch so etwas, “ erklärte er und lehnte sich ebenfalls zurück. „Jetzt weiß ich wieder, warum ich lieber Hebamme als Sani bin. Man sieht den Beginn von Leben und nicht das Ende, “ antwortete sie. „Naja, mit der Zeit stumpft man gegen so was ab. Zumindest ich hab mich einigermaßen daran gewöhnt, “ erläuterte er ihr und betonte dabei, dass er nur von sich sprach. April würde wohl immer noch ähnlich reagieren wie Chily. „Offensichtlich“, seufzte die. „Aber das ist nicht unbedingt zum Vorteil, wenn man abstumpft. Vielleicht ist das dein ...“ Sie brach ab. Nein sie würde jetzt nicht wieder in seinem Kopf lesen, egal, wie klar ihr die Dinge gerade erschienen. Stattdessen fragte sie. „Und was jetzt?“ Der Gefragte schloss kurz die Augen und überlegte. „Ruhe bewahren und Mund halten.“ Das war das Logischste. „Mund halten?“ wiederholte sie ungläubig. „Ja. Ich erstatte Bericht ans Oberkommando und alles andere bleibt unter uns. Wir halten uns an den bisherigen Plan, “ bestätigte er nüchtern. „Das ist nicht dein Ernst, oder? Das war einer von Colts besten Freunden und du willst ihm nicht sagen, dass Er tot ist?“ fuhr sie ihn an, aber er bliebt sachlich. „Ich weiß, ja. Und ja, Colt darf davon vorerst nichts erfahren. Willst du ihm die Hochzeit ruinieren?“ fragte er zurück. „Aber er ist doch auch eingeladen. Er hat bis jetzt weder zu- noch abgesagt. Glaubst du, Colt hat noch so viel Spaß an der Hochzeit, wenn er nicht weiß, warum ausgerechnet der nicht komm, der sein Trauzeuge werden sollte?“ Das hatte der Kuhhirte ihr beim Putzen erzählt. Nein, Sabers Vorschlag war nicht der Beste, so vernünftig er auch war. Er nickte, als verstünde er. „Aber wenn wir ihm erzählen, dass Er herzlos ist, wird er die Hochzeit komplett abblasen. Und er würde versuchen, den Täter alleine zur Strecke zu bringen, “ führte er ihr seine Sichtweise genauer vor Augen. „Wir müssen ihm ja nicht sagen, WIE er gestorben ist. Nur DAS er gestorben ist, “ beharrte sie auf ihrem Standpunkt. „Ah ja, und du glaubst, dass das Colt zufrieden stellt?“ konterte er ironisch. „Der wird nicht eher Ruhe geben, bis er den Täter erwischt hat! Er wird alles gefährden, “ mahnte Saber dann eindringlich. Ja, er hatte Recht. „Verdammt.“ Chily legte sich rittlings auf Sofa und schaute frustriert zur Decke.
 

Der Recke rutschte ein Stück zur Seite, damit sie bequemer liegen konnte. „Hab ich dich jetzt eines besseren belehrt?“ wollte er dann wissen. Sie setzte sich prompt wieder auf. „Tust du denn überhaupt was anderes, wenn wir mal allein miteinander sprechen?“ schnappte sie. Jetzt blickte er sie verständnislos an. „Ich rede nur mit dir, belehren wollte ich dich nie“, wehrte er den Tadel ab. „Dann hör dir doch mal eine Minute lang selber zu, wenn wir uns unterhalten“, seufzte sie und rutschte ein Stück näher an ihn. „Jetzt weiß ich wieder, warum du mich an die Geschichte von Herz und Vernunft erinnert hast“, meinte sie leise. Erneut rückte er von ihr weg und schuf den auch für das Gespräch nötigen körperlichen Abstand zu ihr. „Vernunft ist in der heutigen Zeit unabdingbar“, rechtfertigte er sich. „Aber du tust, als wäre ich jemand, der gerne Recht hat.“ Wieder kam sie auf ihn zu. „Ich würde dich nicht unbedingt rechthaberrisch nennen, aber vernunftsbetont“, gab sie zu. Er schob sich von ihr fort an die Sofakante. „Meine Vernunft ist das einzige, was mich und meine Freunde vor Schaden bewahren kann“, trotzte er. Außerdem konnte Vernunft auch sein Herz vor dem Brechen bewahren, betonte er sich selbst gegenüber. „Vernunft ist manchmal hinderlich. Du solltest dir diese indianische Geschichte nochmal in Ruhe durch deinen Kopf gehen lassen,“ flüsterte sie und glitt über das Laken so nah zu ihm, dass ihr Knie das seine berührte. Fluchtartig rückte er wieder ab. Das war gefährlich nah. Aber er glitt über den Rand und landete auf dem Hintern. „Ah“, grummelte er verstimmt vom Boden zu ihr rauf. „Was sagt deine indianische Geschichte dazu?“ Sie rückte auf seinen Platz auf. „Da sagt das Herz der Vernunft: „Aber wenn es um Liebe geht, unterdrückst du mich. Du wirst zum Lügner, weil du dich oft von der Angst täuschen lässt. Ich kann nicht lügen“, zitierte sie. „Was hat dir deine tolle Vernunft jetzt gebracht, hm? Du bist damit auf dem Hintern gelandet. Wirklich beeindruckend.“ Ein Grinsen umspielte ihre Lippen. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet er wie ein Schuljunge aufführen konnte? Der Recke hob die Braue. „Ich bin auf meinem Hintern gelandet, weil du dich so breit gemacht hast und nicht, weil sich Vernunft und Herz nicht einig werden, “ stritt er trocken ab. „Ich kann mich nicht breit machen, weil ich es nicht bin, “ wiegelte sie ab und schoss eine, für den Blonden unangenehme, Feststellung hinterher. „Aber du hast ganz offensichtlich Angst vor Nähe. Herz und Verstand müssen stets nur einen Weg finden sich einig zu werden, dann sind sie unschlagbar.“ Er stand auf, umrundete den kleinen Tisch hinter dem Sofa und nahm am anderen Ende wieder auf dem Polster Platz. „Angst vor Nähe? Was hab ich denn sonst noch? Bin ich gehemmt, oder habe ich Angst davor, jemanden mein Leben anzuvertrauen, “ knurrte er mürrisch zurück. Wenn sie doch endlich mal aus seinem Kopf verschwinden würde, wäre das Leben viel einfacher. „Tja, ich hatte dir eigentlich versprochen nicht in deinem Kopf rumzuspazieren, aber wenn du mir deine Gedanken wie ein aufgeschlagenes Buch präsentierst, würde ich sagen … genau das ist es.“ Sie unterdrückte ein Lächeln um ihm nicht das Gefühl zu geben, sie würde ihn auslachen. „Was sagen dir meine Gedanken noch? Vielleicht, dass ich jetzt zur Bar runter gehe und einen Magenbitter suche?“ Er wollte schon aufstehen, aber da huschte Chily schnell und geschmeidig zu ihm hinüber und saß auf seinem Schoss, ehe er begriff wie ihm geschah. Als er es verstand und sie heftig von sich weg schieben wollte, hatte sie ihn schon mit Armen und Beinen umschlugen. „Ich brauch auch einen“, grinste sie. Seine fast schon panische Miene erheiterte sie. „So komm ich aber nicht zur Bar“, erklärte er unwirsch und hoffte in dem Augenblick, dass die etwas hergab, womit er sich gehörig die Birne wegknallen konnte. Man, was tat sie ihm denn nur an? Ihre Haut fühlte sich seidig weich an, dort wo sie ihn berührte. Aber jetzt glitt sie von seinem Schoss und stand vor der Polsterbank. Sacht legte sie ihm den Finger auf die Lippen. „Pst, keine Bange, ich beiße nicht, Angsthase“, versicherte sie flüsternd. Er zog die Beine auf den Sitz. Mit einem „Hör auf damit“ griff er nach der Hand auf seinem Mund. „Ich tu gar nichts.“ Sie beobachtete ihn genau und wartete ab. Er konnte sie nicht mehr ansehen und schlug die Augen nieder. „Das sehe ich.“ Was zur Hölle machte sie da mit ihm? Wieso fühlte er sich gerade so hilflos? Sie nahm seine Hand in ihre und strich mit der anderen behutsam darüber. Doch der Recke konnte sich nicht entspannen. Viel zu sanft war diese Liebkosung. „Bitte lass mich los, Chily“, keuchte er, allmählich von der Situation überfordert. „Ich hör schon auf.“ Damit ließ sie seine Hand los, krabbelte flink zu ihm und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, Saber Rider.“ Dann wand sie sich ab und ging in ihr Zimmer.
 

Saber schlüpfte rasch unter die Decke und drehte sich auf den Bauch, um sicher zu stellen, dass sie nicht merkte, was ihr Kuss ausgelöst hatte. Gleichzeitig verschanzte er sich so wieder hinter seiner Mauer, was jetzt leichter war, da sie schon halb an der Tür war. „Findest du das lustig?“ knurrte er ihr hinterher. Sie wand sich zu ihm um. „Nein, eigentlich sehr traurig“, entgegnete sie aufrichtig. „Weshalb traurig?“ hakte er nach. „Du hast ein wunderbares Herz, Saber. Schade, dass du es lieber einmauerst, als es leben zu lassen.“ Ihre Miene unterstrich das Gesagte. Er zog die Bettdecke bis zum Kinn hoch. „Mein Herz lebt. Es lebt sogar recht gut, schlägt wie es sich gehört und macht immer noch alles mit, “ informierte er sie über die anatomische Seite des Organs. „Mein Herz braucht weder Fürsorge noch Mitleid, Chily, “ erklärte er dann kategorisch. „Schlaf gut.“ Sie drückte die Klinke hinunter. „Es braucht kein Mitleid, sondern Liebe. Aber auch ohne die: Schlaf gut, “ antwortete sie sacht. „Das werde ich, “ schnappte er und konnte sich eine kleine Spitze gegen sie nicht verkneifen. „Meine Vernunft ist ja da und passt auf.“ Aber sie ging nicht weiter darauf ein. „Oh“, meinte sie nur traurig, „dein armes Herz.“ Chily verschwand endgültig in ihrem Zimmer und er versuchte, seine innere Unruhe einzudämmen. Verdammt, das konnte eine Nacht werden, wenn sein Körper seiner Vernunft einfach nicht gehorchen wollte und ein Eigenleben entwickelte. Würde bitte … Er seufzte tief und stand auf. Einen Schnaps brauchte er dringender, als er gedacht hatte.
 

Liebevoll strich Robin Colt übers Kinn. Ihr Cowboy schlief noch selig und sie lächelte leicht. Seit der Termin der Trauung näher rückte, fiel ihr immer wieder auf, wie sensibel Colt eigentlich war. Alles, was er ihr seither gesagt hatte und vor allem, was er ihr seit nicht gesagt hatte, bewies es ihr. Dass sie immer noch nicht die Ranch seiner Eltern gesehen hatte, ließ sie ahnen, wie weh dem Kuhhirten die Erinnerung tat. Das wiederum hieß für sie, dass seine Eltern ihm sehr viel bedeutet hatten und sie ahnte, wie wundervoll sie gewesen sein mussten. Doch so lange ihr Zukünftiger sich weigerte darüber zu sprechen, war Chily die einzige Informationsquelle über dessen Vergangenheit.
 

Saber schritt auf Sincias Wohnung zu. Er war gespannt auf das, was ihn erwarten würde. Sie hatte ihn nicht besucht, nicht auf seine Briefe geantwortet und wenn er angerufen hatte, war niemand ans Telefon gegangen. Was los war, verstand er nicht. Entweder hielt sie ihn hin oder sie hatte keine Gefühle mehr für ihn. Er musste mit ihr reden. Diese Ungewissheit und die Zweifel, die ihn deshalb plagten, ertrug er nicht länger. Er klopfte. Die Tür öffnete sich. Ein Mann mit haselnussbraunem Haar stand darin und sah Saber an. Hinter der Tür kam Sincia hinzu und schlang ihre Arme um die Taille des anderen. Sie schmiegte sich an ihn und trat dann neben ihn. Ihr Blick fiel jetzt auf den Recken. Der wand sich ab und ging. Wozu noch erklären? Das war deutlich. Er beschleunigte seine Schritte. Warum musste er es so erfahren? Hastig lief er in einen Wald. Warum so? Warum hatte sie ihn nicht angerufen und es ihm gesagt? Alles wäre besser gewesen, als das. Er rannte durch das Dickicht. Nur weg von hier. Nur weg von ihr. Vielleicht wäre es weniger wahr, je weiter er von ihr fort war. Die Bäume lichteten sich. Er fand sich an einem Fluss wieder. Was war das? Sie stand unbekleidet bis zur Hüfte im Fluss, ihm den Rücken zu gewandt. Aus ihrem nassen Haar rann Wasser in Rinnsalen über ihren Rücken hinab zu der Tätowierung. Engelsflügel prangten oberhalb des Gesäßes auf der Haut und ihre Spitzen schienen um ihre Taille herum zu führen. Sie wand den Kopf zu ihm. Blaugrüne Augen schauten ihn an, als wüssten sie alles.
 

Saber fuhr auf und sah eben die Engelsflügel aus dem Zimmer verschwinden. Ungläubig wand er sich um. Chilys Schlafzimmer hatte zwei Türen. Eine führte durch dieses Zimmer und das andere vom Flur aus in den Schlafraum. Gewohnheitsgemäß ging sie wohl durch den Raum, in dem er genächtigt hatte, wenn sie ins Bad wollte. Er seufzte leise. Was für ein komischer Traum war das gewesen? Er schüttelte den Kopf. Erstmal aufstehen. Er schlug die Bettdecke zurück und stutzte. Schon wieder oder immer noch? Er legte die Decke wieder über seine Beine und sank ins Kissen zurück. Wenn sie also an ihm vorbeigelaufen war, hatte sie es sicher gesehen. Er rollte die Augen. Verfluchte Hormone. Nicht nur, dass sie tagsüber in seinem Kopf herum wanderte, jetzt suchte sie ihn auch des Nächtens in seinen Träumen heim. Was kam denn noch alles auf ihn zu?
 

Robin hauchte Colt einen Kuss auf die Stirn. „He Murmeltier, wach auf. Du verschläfst ja den ganzen Tag,“ flüsterte sie. Er schlug die Augen auf. „Ich schlafe nicht mehr richtig, seit du aufgestanden bist,“ murmelte er zurück. Lächelnd küsste sie ihn auf die Nasenspitze. „Dann hättest du ja wirklich aufstehen können.“ – „Mhm, mach ich doch jetzt.“ Colt richtete sich verschlafen auf, schlang Robin seine Arme um ihre Taille und zog sie an sich. Sie strich ihm sanft über die Locken. „Komm, Schatz. Wir wollten doch Chily helfen gehen,“ erinnerte sie ihn. „Chily braucht eigentlich keine Hilfe, aber wir gehen trotzdem hin,“ entgegnete er undeutlich, weil er seine Lippen an ihrem Bauch presste. Robin drehte seinen Kopf so, dass er sie ansehen musste. „Wie kommst du darauf?“ hakte sie nach. „Naja.“ Der Cowboy erhob sich. „Chily ist recht unabhängig und schafft so was eigentlich allein. Ich will nur sicher stellen, dass Dean-Bean sie nicht dabei stört.“ – „Soll ich dir jetzt den Kopf waschen, weil du ihr nicht helfen willst, obwohl sie die Arbeit nur wegen uns und der Hochzeit hat, oder dafür, dass du sie begluckst, obwohl du weißt, dass sie das nicht will?“ wollte sie dann mit tadelndem Unterton wissen. „Schatz, jetzt nicht. Ich bin ja grad erst aufgestanden.“ Er trollte sich ins Bad. Kopfschüttelnd sah sie ihm nach. Unverbesserlich.
 

Saber erschien zum Frühstück bei seinen Freunden, als wäre er eben angekommen. Fireball bedachte den Recken mit einem skeptischen Blick. Weder dessen kurzfristige Abreise, noch dessen Begründung dafür, nahm er so richtig ab. Er hatte allerdings nicht mehr die Möglichkeit, etwas dazu zu sagen, da in diesem Moment Colt und Robin in der Küche eintrafen und sich das Gesprächsthema in eine andere Richtung drehte. Bei der Arbeit auf der Adams Ranch war aufgefallen, dass es ebenso erforderlich war neu zu tapezieren. Deshalb waren die Jungs kurz nach dem Frühstück dabei, dort die Möbel im Wohnzimmer abzudecken, während die Mädchen in der Stadt nach neuer Tapete und Farbe suchten.
 

Während Colt Wasser holte um die Tapete abzuweichen, schoben Fireball und Saber ein Sideboard von der Wand weg. Der Schrank kantete an einer Unebenheit auf dem Boden und kippte. Eine Tür schlug auf. Fotoalben fielen hinaus. „Mist.“ Sie setzten das Board wieder ab. „Also ich finde das interessant, “ meinte Fireball, hob eines der Alben hoch und schlug es auf. „Das sind Weihnachtsfotos, “ stellte er fest. „Das ist privat, Fireball. Das geht uns nichts an, “ mahnte Saber. „Markier hier nicht den Moralapostel. Du bist genauso neugierig wie ich, “ versetzte der Rennfahrer spitz und traf den Nagel auf den Kopf. Saber umrundete das Sideboard und linste mit ihm auf die Fotos. Die ersten zeigten einen Mann mit dunkelblondem Haar und eine Frau mit rotblondem Schopf, die den Weihnachtsbaum dekorierten. Auf dem Sofa saßen ein Mann mit braunen Locken und einem Schnauzer und eine Frau mit dunkelblondem Haar. Zwischen ihnen hockten ein braungelockter Junge und ein hellblondes Mädchen, vielleicht vier oder fünf Jahre alt, und grinsten fröhlich in die Kamera. „Colt und Chily“, bemerkte Fireball. Ein Bild weiter trug Colt ein übergroßes Weihnachtsmannkostüm. Die Ärmel reichten ihm bis auf den Boden. Der Gürtel hing irgendwo in den Kniekehlen. Das Vorderteil des Kostüms war über der Brust des Knirpses gefaltet wie ein Bademantel und hinten lag es wie eine Schleppe auf dem Boden. Die Zipfelmütze war ihm bis auf die Nasenspitze gerutscht, aber darunter grinste der Dreikäsehoch fröhlich hervor. Es folgten Bilder vom Essen, davon, wie die Kinder die Geschenke auspackten und Händchenhaltend in der Tür unter dem Mistelzweig standen. Dann kamen mehrere Bilder, die offensichtlich rasch nacheinander aufgenommen worden waren. Chily und Colt standen immer noch unter dem Mistelzweig, sahen aber einigermaßen geschockt aus. Ungläubig schauten sie zum Zweig hinauf und sich dann erschrocken an. Widerstrebend und zögernd näherten sich dann ihre Gesichter einander an. Mit gespitzten Lippen, um sich ja nicht mehr als nötig zu berühren, küssten sie sich flüchtig und wanden sich gleich darauf angeekelt ab. Mit kleinen Fingern säuberten sie hastig, vom anderen weggedreht, ihre Münder, als hätten sie etwas Ungenießbares essen müssen.
 

Fireball und Saber lachten laut auf bei dem Anblick. „Was ist so komisch?“ Der Cowboy trat verwundert zu ihnen. „Es gab also mal eine Zeit, in der du Mädchen nicht küssen wolltest“, grinste der Rennfahrer und hielt ihm das aufgeschlagene Fotoalbum unter die Nase. „Das war bloß Chily.“ Der Recke hob die Brauen. „Bloß?“ hakte er nach. „Das klingt beinahe so, als wäre Chily keine Frau.“ Irgendwie missfiel ihm das. „Ist sie schon“, erwiderte der Kuhhirte. Es sollte ja schließlich nicht heißen, dass er sie abwertete oder so etwas in der Art. „Aber eben nicht so eine.“ Nicht eine von denen, die er so gedatet hatte. „Nicht so eine“, wunderte sich Fireball. „Mensch, anatomisch korrekter ist wohl kaum eine Frau“, neckte er dann. Er wusste schon, was Colt damit gemeint hatte, aber die Einladung ihn damit aufzuziehen, konnte er nicht ablehnen. Der tat ihm prompt den Gefallen darauf einzugehen. Colt hob skeptisch die Brauen. „Woher willst du wissen, wie atomisch korrekt sie ist? Hast du das kontrolliert?“ Saber unter drückte ein Grinsen. Colt und die Fremdworte würden wohl ewig miteinander auf Kriegsfuß stehen. „Na, sieht man doch, oder hast du krumme Linsen?“ fuhr der Rennfahrer vielsagend grinsend fort, den Cowboy hoch zu nehmen. „Erstaunlich, dass April dir deine noch nicht ausgestochen hat, wenn du nach anderen Frauen schielst. Noch dazu nach meiner Chily.“ Der schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Wie konnte der nur? Nun, der Japaner konnte problemlos zu lachen anfangen. „Irgendwohin muss ich schließlich schauen, und bevor ich deinem oder Sabers Bart beim Wachsen zusehe, lieber was Hübsches für die Augen.“ Er zwinkerte dem Scharfschützen zu, der prompt aufbrauste. „Dann glotz gefälligst deine Perle an. Chily ist und bleibt Tabuzone. Das sagte ich schon.“ – „Meine Perle?“ wiederholte Ramrods ehemaliger Pilot amüsiert. „Kann mich nicht dran erinnern, dass ich Perlentaucher bin.“ Es war einfach immer wieder ein Vergnügen für ihn, Colt zu sticheln „Tauch ab, bevor ich dich ersäufe. Und behalt bloß deine Finger bei dir, du Tintenfisch, “ schnaubte der. Er konnte es nicht so lustig finden. Es ging immerhin um Chily. „Sonst sagst du immer, ich hätte Stummelfingerchen, jetzt auf einmal Fangarme? Na, vielleicht sollte ich Chily mal fragen, ob sie mit mir mitkommt, auf einen kleinen Tauchkurs.“ Sein anzügliches Grinsen dazu erzielte die erhoffte Wirkung. Colt fuhr fast aus der Haut. „Spinnst du?“ Bevor es jedoch in die falsche Richtung schlagen konnte, schaltete sich der Recke ein. „Jetzt reicht es langsam wieder, Fireball. Du treibst Colts Puls sonst nicht mehr allzu lange nach oben, wenn du so weitermachst.“ Es war offenkundig, dass Colt nach wie vor eines wollte. Chily vor allen Männern beschützen, die sie womöglich verletzen würden. Späße damit verstand er wenig bis gar nicht. Es war sein wunder Punkt. „Für dich gilt das gleiche, Boss“, stellte Colt klar und versuchte sich wieder zu beruhigen. „Stimmt, bei Saber würd ich mir momentan mehr Sorgen machen, immerhin ist er ein einsamer Wolf und des Nächtens oft alleine“, stichelte Fireball prompt und heizte Colt damit noch einmal an. „Nee, Saber, denk nicht mal dran.“ Die Vorstellung gefiel ihm auch nicht besser. Immerhin schien Chily den Blonden ja von Anfang an symphytisch zu finden. „Vom Denken kriegt man eh keine Schwielen an den Händen, wenn du verstehst, was ich meine“, nutzte der Rennfahrer seine Chance auf eine neue Spöttelei. „Ist mir egal, so lange er seine Hände bei sich behält“, schnappte der Scharfschütze sogleich. „Seine Hände braucht er dafür nicht unbedingt“, streute Fireball verschmitzt noch Salz in die Wunde. Doch er traf nicht nur Colt auf diese Weise, sonder auch Saber waren die letzten Worte unangenehm. Sein „Könntet ihr zwei jetzt bitte aufhören?“ kam jedoch nicht wirklich in deren Köpfen an. „Was soll denn das jetzt wieder, heißen, Fire?“ Der Kuhhirte sah seinen Hombre zweifelnd an. Wollte er dessen Gedankengängen wirklich folgen? „Benutz deine Fantasie, Viehtreiber“, grinste der. „Vielleicht münzt du auch die ein oder andere Sache von dir auf Saber um und voila. Du verstehst mich dann schon.“ Das tat Colt allerdings und besser, als ihm lieb war. Er brauste heftig auf. „Vergesst es. Das könnt ihr euch aus den Köpfen schlagen, was auch immer da noch drin rumgeistert.“ Er wand sich an Fire. „Du bleibst gefälligst April treu. Und du“ Jetzt fuhr er Saber an. „nimm dir eine Gummipuppe.“ Er hatte seine Grenze erreicht. Noch ein falsches Wort mehr und er könnte für nichts mehr garantieren. „Mann, echt“ reizte der Japaner dennoch. „Jetzt veranstaltest du wegen Chily so ein Theater, dabei wäre es wohl eher in deinem Interesse, wenn wir von Robin die Finger lassen.“ Er sprach es so aus, als hätte er schon Versuche dieser Art unternommen und konnte sich das Lachen kaum mehr verkneifen. Und nur diese Tatsache machte Colt klar, dass es ein Scherz war, sonst hätte der Fireball eine gelangt. Trotzdem war Colt aufgebracht genug um drohend zu knurren. „Du wagst es nicht. Meins. Das sind meine Beiden. Lass bloß die Griffel von denen.“ Der Rennfahrer lenkte ein. Aus Spaß war eben Ernst geworden. „Schon gut, Schon gut“, entgegnete er versöhnlich. „Ich mein ja nur.“ – „Gar nicht gut“, grollte Colt. „Das mein ich verdammt ernst. Egal wen von euch ich sehe, wie er die Finger nicht von Robin oder Chily lassen kann, verliert genau das, was ihn zum Mann macht.“ Leicht genervt von dem Schlagabtausch klinkte sich Saber nun erneut ein. „Ihr zwei könnt einfach nicht anders, oder? “ bemerkte er kopfschüttelnd. „Ihr zwickt euch immer gegenseitig so lange an, bis aus dem Spaß ein handfester Streit wird. Als ob das nötig war.“ Der Rennfahrer lächelte versöhnlich. Wo Saber Recht hatte, hatte er einfach Recht. „Ich hab meine Stummelfinger bei mir, Kuhtreiber. Mir musst du das nicht sagen.“ Sofort bedachte der Scharfschütze den Schwertschwinger mit einem mahnenden Blick. Der parierte und hob abwehrend die Hände. „Jaja, Fireball bringt dich auf blöde Gedanken und ich muss es büßen. War ja vorher zu sehen.“ – „Du brauchst ihn nicht, um auf blöde Gedanken zu kommen. Die kriegst du schon, wenn du Chily auf den Hintern schaust.“ Wenigstens kam der Kuhhirte langsam wieder von der Palme runter. „Dann hätte ich bei jeder Frau blöde Gedanken, wenn ich einer nachsehe“, wiegelte der Recke ab. „Ich hab nur gemerkt, das und wie du ihr nachglotzt. Mehr als das, solltest du wirklich nicht tun.“ Damit hakte er das Thema ab. Er sprach schließlich mit Saber und damit waren solche Sachen schnell geklärt. „Keine Bange, hab ich nicht vor“, erwiderte der und hob das Album vom Sideboard hoch. „Wie alt ward ihr da eigentlich?“ wollte er dann wissen.
 

Colt warf noch mal einen Blick auf das Bild und erinnerte sich. „Vier. Wir waren vier. Ich hab so einen Spielzeugrevolver bekommen, den ich kaum noch abgenommen hab,” meinte er dann. „Er lag bei mir im Bett, wenn ich geschlafen hab. Griffbereit neben dem Kopfkissen. Für den Fall irgendwer kommt nachts.” Colt sah unablässig auf das Foto. „Wenn Chily bei uns übernachtet hat, hab ich das Ding immer unter dem Kissen versteckt. Sie hat sich geweigert mit mir in einem Bett zu schlafen, wenn der Ballermann darin lag.“ Er lächelte leicht. „Sie mochte die Dinger nie.“ Dann blätterte er ein paar Seiten weiter im Album. Die Aufnahme zeigte den Cowboy mit seiner besten Freundin schlafend im Bett. Sie lag auf dem Bauch, er ihr seitlich zugewandt. Er hatte einen Arm beschützend um ihre Schultern gelegt und hielt in der Hand den Spielzeugrevolver. „Dagegen hatte sie nicht?“ hakte Fireball spöttisch nach. „Den hab ich immer erst vorgeholt, wenn sie geschlafen hat“, erklärte der Kuhhirte und grinste seine Freunde an. „Einer musste ja auf sie aufpassen“, rechtfertigte er sich. Der Rennfahrer und der Recke schüttelten die Köpfe. „Ich glaube, dass kann sie allein auch ganz gut, “ erwiderte Saber und fragte sich, ob Colt von der Winchester wusste und wie es Chily schaffte die anzufassen, wenn sie Waffen so verabscheute.
 

„Ich wäre für Brautjungfern in dem hier.“ Robin tippte auf ein Kleid in einem Braumodenkatalog. Chily fuhr eben den Pick-up vom Parkplatz des Einkaufszentrums. April und die Lehrerin stöberten auf dem Rücksitz in Prospekten mit Hochzeits- und Abendkleidern, die sie aus einem Geschäft mitgenommen hatten, bevor sie die Farben und Tapeten besorgt hatten. „Ihr seid doch meine Brautjungfern?“ fragte sie nun. „Ja, klar gern“, rief April erfreut aus, aber Colts Jugendfreundin schwieg und schien sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren, weshalb Robin ihre Frage wiederholte. Erst dann antwortete sie leicht zerstreut: „Ja, Robin, mach ich gern.“ Die Wissenschaftlerin horchte auf. „Stimmt irgendetwas nicht? Du bist heute recht still.“ Chily setzte den Blinker und ordnete sich in die Linksabbiegerspur an der Ampel. „Hab nur schlecht geschlafen“, murmelte die. „Tut mir leid, wenn ich heut eine schlechte Gesellschafterin bin. Ist nicht bös gemeint.“ Die beiden Frauen auf dem Rücksitz tauschten einen kurzen Blick. „Noch wegen des Anrufers? Ist was passiert?“ hakte April nach. Die Ampel schaltete auf Grün und Chily gab Gas. ‚Wenn du wüsstest. ‘ – „Es lag wohl am Vollmond“, log sie und war froh, dass ihr die beiden nicht ins Gesicht sehen konnten. Das hätte sie sicher verraten. Robin genügte die Antwort und sie wand sich wieder dem Magazin zu. April schaute noch einen Moment auf Chily. Hatte deren Hand gezittert, als die nach der Gangschaltung gegriffen hatte? Wenn ja, warum?
 

In den folgenden Tagen wurde in jedem Raum der Adams Ranch die Tapete herunter gerissen und neue angebracht. Während Colt die alte Wandbekleidung herunter riss, klebten Saber und Fireball die neue darauf. Robin und Chily rollten die Farbe darüber und April beseitigte den entstandenen Schmutz. Die Arbeit verlief so recht zügig und mit Späßen. Dennoch fiel auf, dass Saber und Chily zurückhaltender waren. Colt argwöhnte Verliebtheit dahinter und wurde von allen ausgelacht. Dennoch stand für ihn fest, dass seinen ehemaligen Vorgesetzten und seine Jugendfreundin etwas mit einander verband. Er konnte es nicht erklären oder beweisen, aber er spürte es deutlich. Sein Unbehagen rührte aber nicht nur daher, sondern auch von der Tatsache, dass er Dooley nicht aufspüren konnte. Inzwischen hatte er ihn auch unter sämtlichen Decknamen, die sein früherer Mentor so verwendete, angeschrieben. Ergebnislos.
 

Seit Fireball und Saber sie so zufällig gefunden hatten, waren die Fotoalben die Attraktion schlecht hin, zumal Chily auch noch die Geschichten dazu erzählte. Jetzt sah der Kuhhirte seine beiden Number 1 auf der Veranda sitzend in einem blättern und die Bilder vom Spring Homecoming entdecken. Colt und seine Jugendfreundin waren gemeinsam dorthin gegangen. Kein Date in dem Sinne und das letzte Fest, auf dem sie gemeinsam waren. „Es muss dir doch unheimlich weh getan haben, dass Colt ging“, meinte Robin mit Blick auf die Fotos, die zwei wirklich gute Freunde beim Tanzen zeigten. „Doch sehr. Ich dachte, was fällt ihm ein, einfach so zu verschwinden, “ antwortete diese. „Aber dann fiel mir ein, was er auf der Beerdigung zu mir gesagt hat.“ Robin sah sie erwartungsvoll an. „Was war das?“ Chily starrte gedankenverloren auf den Hof. „Dass ich seine beste Freundin wäre. Er wollte wissen, ob ich immer da wäre und ich sagte: Ja. Heute weiß ich, dass dies seine Art war, sich zu verabschieden. Er wollte sicher sein, dass er jeder Zeit zurück kommen kann.“ Einen Momentlang schwiegen beide. Die Lehrerin, weil sie nicht wusste, was sie darauf sagen sollte und Chily, weil sie mit sich rang. Sie hatte versprochen zu schweigen, aber damit konnte sie Robin ins offene Messer laufen lassen, sollten sich einige Dinge unbeabsichtigt doch offenbaren. Irgendwie musste sie ihr einen Hinweis geben. „Ich hoffe, er hat diese Worte niemals für dich.“ Dann stand sie auf und verschwand im Haus, ehe Robin nachfragen konnte, was gemeint war. Das war seltsam. Worauf wollte Chily damit hinaus?
 

Sie benötigten noch eine volle Woche um das Haus wieder auf Vordermann zu bringen. In der zweiten Woche galt es sich um den Hof zu kümmern. Allerdings ohne Chily, die in dieser Zeit viele Termine hatte. Dafür unterstützte Donna Joe die Freunde. Als sie die Arbeit beendet hatte, entschieden alle, dass es Zeit für eine kleine Feier und etwas Abwechslung war. Für die Frauen hieß das, sich einen Vormittag beim Frisör und der Kosmetikerin zu gönnen. Chily ließ bei der Gelegenheit ihre inzwischen verwaschenen rotbrauen Strähnen bleichen und eine Färbung in ihrer natürlichen Haarfarbe darüberlegen. Nachdem die Kosmetikerin ihnen ein dezentes Make-up aufgelegt hatte, saßen die drei bei einem Kaffee zusammen und entwarfen Pläne für die Hochzeitsdekoration und die Kleider. „Hast du schon alles beisammen? Also die vier Dinge für die Hochzeit?“ fragte April. „Was neues, was altes, was blaues und was geliehenes? Na ja, fast. Mir fehlt noch das Alte und das Geborgte, “ erwiderte Robin. „Wofür braucht man das?“ wollte Chily wissen. „Das Neue steht für den Beginn und die Veränderung. Das Alte für die Tradition. Das Blaue für die Treue und das Geliehene für die Freundschaft, “ erklärte der weibliche Starsheriff. „Das Neue wird das Brautkleid sein. Das Blaue klassischerweise mein Strumpfband. Aber was die anderen beiden Sachen angeht, hab ich wirklich keine Ahnung, wo ich das herbekommen soll.“ Robin seufzte leicht. „Na ja, “ lächelte Colts Jugendfreundin leicht und geheimnisvoll. „Da hab ich schon eine Idee.“
 

Zur selben Zeit gab Saber dem kleinen Toto Reitunterricht auf Donna Joes Ranch. Colt und Fireball beobachteten vom Zaun aus, wie der Kleine auf Steed umher trabte und den Anweisungen des Recken brav Folge leistet. „Kannst du dir vorstellen Vater zu werden?“ fragte der Rennfahrer unvermittelt. „Schwer. Aber Robin wäre eine tolle Mum, “ antwortete der Kuhhirte. „Deine kleine Number 1 aber auch. Toto verehrt sie ja regelrecht, “ grinste Fireball. „Das hat ja noch Zeit, “ schnappte Colt sofort. „Oh man.“ Der Japaner schüttelte feixend den Kopf. „Und wenn sich Saber, so unwahrscheinlich das auch ist, in sie verknallt hat? Was dann? Willst du da echt dazwischen funken? Ich mein, hey, der ist ein Jahr Single und die Sache mit Sincia war wohl eine Wahnsinnspleite. Also, wenn sich da ernsthaft was entwickeln würde, solltest du dich für ihn freuen. Oder willst du einen Mönch aus ihm machen?“ Fireball hatte nicht so Unrecht. Das gab Colt gedanklich zu. Natürlich wollte er nicht, dass sein früherer Vorgesetzter unglücklich blieb. Aber seine Chily? Zu Fireball Erleichterung, konnte sich der Cowboy nur schwer gewöhnen an diesen Gedanken gewöhnen, was ihn davon abhielt, den Rennfahrer wegen des Gesprächsthemas näher in die Mangel zu nehmen.
 

Der Gedanke beschäftigte Colt noch, als alle in der Küche der Adams Ranch standen und jeder seinen Beitrag zum Abendessen leistete. Der Kochbereich war recht schmal und ein bisschen trat jeder dem anderen auf die Füße, aber es sorgte für Lacher. April, die die langen Schürzenbänder vorn verknotet hatte, verhedderte sich damit im Mixer. Colt wollte Fireball für einen frechen Spruch ein Ei an den Kopf werfen, ließ es versehentlich tatsächlich los und traf ihn an der Stirn. Der Rennfahrer dankte es dem offensichtlich altersschwachen Scharfschützen in dem er ihm die Locken bemehlte. Dann wieder kleckerte Chily mit dem Wasser. Als Robin sie dafür auslachte, bekam sie einen kleinen Schwab ins Gesicht. Bei solchen Späßen war es verwunderlich, dass sich später auf dem Tisch ein bunter Salat, eine knusprige Lasagne und Mousse au Chocolat einfanden. Ähnlich vergnügt verlief das Essen an sich. Unter kleinen Wortgefechten, lustigen Geschichten aus der Vergangenheit und vielen Witzen fanden sie sich anschließend in der Hausbar ein, hinter deren Tressen Colt und Chily die Barkeeper mimten.
 

„Hoffentlich machst du diesmal nicht wieder kurz vor dem Altar kehrt und haust ab“, meinte Chily fröhlich, als die Beiden sich vor der Bar auf die Hocker zu den anderen setzten. „Diesmal wird es ernst. Da hab ich noch nie gekniffen. Aber weißt du was?“ Jetzt wurde Colt ernster. „Ich bin enttäuscht von Dooley“, erklärte er dann. „Er reagiert nicht auf die Einladung, hat nicht einmal die Courage abzusagen.“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Das ist doch gar nicht wahr. Er hat bestimmt einen guten Grund. Vielleicht einen Todesfall in der Familie und deshalb meldet er sich nicht, “ versuchte Chily prompt die aufkeimende negative Meinung des Scharfschützen gegenüber seines Mentors abzuwürgen. „Aber dann würde er anrufen und was sagen! Ich glaube viel eher, dass es ihm nichts bedeutet, “ beharrte er. „Ich glaube, er wäre bereit dafür zu sterben, “ entgegnete sie mit Unbehagen. Nicht nur, dass sie sich in einer für sie brenzligen Situation recht unvorbereitet wieder fand, es war auch noch mehr wahres an ihrer Aussage, als ihr lieb war. „Ach, das ist doch gar nicht wahr. Dooley freut sich nicht für mich.“ Colt fuhr sich über die Stirn. „Doch. Aber er ... wird verhindert sein, “ versuchte sie vehement zu beschwichtigen, hatte sich aber endgültig in die Zwickmühle gebracht, denn Colt wurde hellhörig. „Woher weißt du das?“ fragte er sofort nach. „Wissen?“ rief sie erschrocken aus. „Ich weiß gar nichts“, wiegelte sie heftig ab. „Ich vermute nur.“ Aber Colt kannte sie gut genug um zu wissen, dass dies nicht die Wahrheit war. „Klar, und ich bin der Nikolaus“, schnaubte der Scharfschütze. „Raus mit der Sprache. Hat er dich angerufen?“ – „Nö.“ Das war immerhin nicht ganz gelogen. „Hast du ihn getroffen?“ bohrte er weiter.“ –„Nö.“ Colt musterte sie skeptisch und hakte nach, auch wenn er selbst nicht daran glaubte: „Hat er dir geschrieben?“ Beleidigt schnappte sie: „Bin ich in einem Verhör? Nein hat er nicht.“ Das war diesmal die volle Wahrheit. Colt zog die Brauen zusammen. Er spürte deutlich, dass etwas nicht stimmte und begann seine Jugendfreundin unter Druck zu setzten. „Ich sehe dir an, dass du mit ihm gesprochen hast oder ihn getroffen hast, also sag mir jetzt die Wahrheit, Chily“, knurrte er. „Also Colt. Ich wollte doch nur sagen, dass er vielleicht verhindert ist, weil tot, äh, krank. Also weil todkrank…“ Mist, der Versuch sich rauszureden war gründlich daneben gegangen. „Weil Tot?“ entfuhr es dem Kuhhirten ungläubig. „Todkrank.“ Noch einmal versuchte sie ihn von der richtigen Fährte abzubringen, auf die sie ihn selbst geführt hatte, doch seine Miene verriet ihr, dass er das ganz sicher nicht glaubte. „Saber, ich hab da ein Problem“, rief sie hilflos nach dem Recken. „Das glaub ich dir nicht, Chily.“ Colts anfängliche Fassungslosigkeit schlug allmählich in Wut um. Er baute sich vor ihr auf und machte so deutlich, dass er keine Ausflüchte wie ihr unsicheres „Ich vermute ja auch nur“ mehr duldete. Saber hatte sie gehört und trat mit einem unangenehmen Verdacht zu den beiden.
 

Ruhig und scheinbar ahnungslos schaltete er sich in das Gespräch ein. „Was habt ihr beide?“ – „Wieso kommt Tim Dooley nicht zu meiner Hochzeit?“ platzte Colt prompt heraus. Damit hatte der Recke seinen Vorahnung bestätigt bekommen. Vorwurfsvoll hob er die Braue und schenkte Chily einen strafenden Blick. „Du hast es ihm gesagt?“ Der war das höllisch unangenehm. Sie rutschte auf dem Hocker herum und wand sich bei der Antwort wie ein Aal. „Na ja irgendwie schon ... aus Versehen ... ein bisschen...“ Am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst. „Dann ist es wahr?! Dooley ist tot?“ Colt maß die beiden mit finsterem Blick. Saber blieb nüchtern während Chily schuldbewusst aus der Wäsche guckte. „Colt, es tut mir leid.“ Betreten wollte sie ihm die Hand auf die Schulter legen, doch der wischte sie heftig fort „Und du weißt es seit wann?“ fragte er düster. „Seit zwei Wochen“, gestand seine Jugendfreundin ganz kleinlaut. Saber rollte die Augen und knurrte sie leise und unwirsch an: „Gut gemacht, Chily.“ Der Scharfschützte starrte ihn entgeistert an. „DU auch?“ Das musste ein Scherz sein. Ein ganz mieser Witz. Niemals würden die beiden vor ihm … Doch sie würden. Und sie hatten. Denn Saber nickte seufzend. Rausreden brachte da doch nichts mehr. Geknickt rechtfertigte Chily das Schweigen bezüglich Dooleys. „Wir wollten nur nicht, dass du dich aufregst.“ – „Wie, wo, wann, warum? Und weshalb wisst ausgerechnet ihr beide davon?“ Colt versuchte sich zu beherrschen. „Dooley war der ominöse Anrufer“, gab sie zu. Saber legte ihr die Hand auf den Mund. „Hör auf jetzt“, mahnte er und überlegte rasch, ob er das ganze wieder unter Kontrolle bringen konnte. Schon schoss Colt die nächste Frage ab. „Und was zum Geier hat das ganze mit dir zu tun, Saber?“ Okay, dass würde gleich ausufern, denn „Das ist top secret“, musste er zwangsläufig antworten, da es nun mal den Fakten entsprach. Augenblicklich rastete der Cowboy aus und schrie. „Top Secret? Hast du irgendwas an der Waffel?“ Bevor er Saber an die Kehle gehen konnte, schob Chily sich zwischen die Beiden. „Bullet, bitte, hör mir doch mal zu…“ versuchte sie ihn zu beruhigen, doch er schnitt ihr das Wort ab. „Wenn du mal was erzählen würdest. Verdammt, ausgerechnet ihr beide, “ fluchte er.
 

Inzwischen waren auch Fireball, April und Robin auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden. So richtig hatten sie nur nicht mitbekommen, worum es sich dabei drehte. Aber Colt stand offensichtlich kurz vor einer ernsthaften Explosion. Also entschied Fireball sich einzumischen. „Was ist hier los? Was ist denn in dich gefahren, Colt?“ Der Gefragte knurrte wütend zurück: „Die Frage ist eher, was mir in den Rücken gefallen ist? Oder wer?“ Dabei warf er einen finsteren Blick auf Saber und Chily. „Das ist nicht fair. Niemand ist dir in den Rücken gefallen, Colt. Bitte, Kumpel, hör auf, “ wollte der Recke ihn beruhigen, aber der Cowboy hatte kein Ohr dafür. „Aufhören? Ich hab noch nicht mal angefangen. Und nicht anders als jemanden in den Rücken zu fallen würde ich das nennen. Was habt ihr euch dabei gedacht? Falls ihr gedacht habt, “ brüllte er ungehalten. Etwas ratlos schielte der Blonde auf Chily. Was sollte er darauf antworten? „Wir“, setzte er an, ehe er sich entschied die Schuld auf sich zu nehmen. „Ich... Das hättest du nicht verkraftet, Colt, “ verteidigte er sich dann. Chily unterstützte ihn. „So wie du dich grade aufregst“, erklärte sie und nahm ihren Teil der Schuld auf sich zurück. Das hatten sie beide verbockt und dafür würden sie beide grade stehen. „Das wollten wir dir nicht antun. Wir wissen doch, was Dooley für dich bedeutet, “ ergänzte sie dann so beschwichtigend wie sie konnte. Ihre Stimme zitterte leicht dabei. Colt konnte unter diesen Umständen nur schwer auf sie böse sein, deshalb knöpfte er sich seinen ehemaligen Vorgesetzten vor. „Und du dachtest, dass es so besser ist? Himmel, Arsch und Zwirn! Er kommt nicht zu meiner Hochzeit, “ keifte er. „Er kommt nie wieder!“ Dabei hatte er den Recken am Kragen gepackt. Der wehrte sich nicht sondern schwieg nur betroffen. Wieder drängte sich Chily zwischen die beiden und löste Colts Hand von Sabers Hemdkragen. „Bullet bitte. Das Geschrei bringt doch nichts.“ Hilflos schaute sie zu den drei Beobachtern. Fireball schob sie und Saber von dem Tobenden zurück. Robin und April hielten Colt. Egal wie sehr er in Rage war, den Unterschied zwischen einer Frau und einem Mann kannte er dennoch und würde niemals die Hand gegen eine erheben. „Worum auch immer es geht, kann man das nicht morgen früh klären?“ fragte der Rennfahrer um den Streit zu beenden. „Morgen früh? Wir können das auch gleich klären, denn es ändert nichts daran, dass ich hier grad zwei Verräter vor mir hab, “ bellte Colt. Jetzt versuchte die Lehrerin ihn zu besänftigen. „Colt, hör auf. Du bist wütend und verletzt, das verstehe ich. Aber was du gerade sagst, ist nicht wahr.“ Sie nahm behutsam seine Hand. „Komm mit mir, Schatz. Schlaf darüber, morgen sieht alles ganz anders aus.“ Energisch machte der sich von ihr los und kam drohend auf die beiden Verräter zu. „Was sollte ich denn noch wissen?“ grollte er. Chily suchte erschrocken hinter Sabers Rücken Schutz. Colts Zorn hatte sich noch nie gegen sie gerichtet und dass es nun der Fall war, machte ihr Angst. Der Recke baute sich schützend vor ihr auf, streifte Fireballs Hand von seinem Oberarm und blickte dem Cowboy ruhig in die Augen. „Morgen, Colt, morgen“, erklärte er bestimmt. Es war einfach das vernünftigste. „Jetzt, Saber, jetzt. Ich hab nämlich keinen Bock darauf, noch länger was vorgemacht zu bekommen, “ schrie der zurück und Fireball verstellte ihm rasch den Weg, ehe der Kuhhirte sich auf den Blonden stürzen konnte. „Keiner macht dir was vor. Aber es macht keinen Sinn, jetzt darüber zu reden, “ meinte Saber. Er hatte den Japaner auf seiner Seite. Nach drei Versuchen den Schotten anzugreifen, war es höchste Zeit Colt hier weg zu bringen. Darum legte der Rennfahrer dem Rasenden die Hände auf die Schultern und schob ihn in Richtung Tür. „So sieht es wohl aus. Gehen wir, Colt.“ Über die Schulter warf er Saber noch einen Blick zu. „Du solltest lieber hier bleiben“, schlug er vor. „Irgendwas sagt mir, dass er Mordgelüste hegt.“ Damit hatte er sehr wahrscheinlich sogar Recht. „Die hatte jemand anderer auch“, murmelte der Angesprochene vor sich hin. „Schlaft gut“, sagte er dann laut. „Und passt auf Colt auf, ja?“ Der Rennfahrer schleifte Colt unablässig aus dem Haus. „Machen wir. Gute Nacht.“ Von dem Streit ziemlich aufgewühlt folgten April und Robin den beiden. „Pass auf ihn auf, Robin. Denk an das, was ich dir gesagt hab, “ rief Chily ihnen nach. Die Lehrerin nickte nur. „Ich sollte meine Beerdigung vorbereiten“, stellte Saber trocken fest, als die Vier gegangen waren.
 

So wütend hatte Colt noch niemand gesehen, schon gar nicht Robin. Er fegte alles vom Tisch, was darauf stand und wetterte die Heiligen vom Himmel rauf und runter. Er tigerte durch das Zimmer und war nicht mehr zu beruhigen. Wieso hatten sie ihm das verschwiegen? Wieso? Ausgerechnet Saber und Chily? „Top Secret“, schnaubte er wütend. Er wusste nicht, wer von beiden ihn mehr enttäuscht hatte, von wem er sich mehr verraten fühlte. Sie hatten ihm beide nicht die Wahrheit gesagt. „Wir wollten nicht, dass du dich aufregst“, hatte Chily gesagt. Wie konnte er denn ruhig bleiben angesichts einer so ungeheuerlichen Lüge. Colt stützte sich auf die Tischplatte, vor Zorn bebend. Warum nur hatten sie das getan? Er fühlte Robins Hand auf seiner Schulter. Sanft, fast scheu war ihre Berührung. „Beruhige dich, Colt. Es wird nicht besser, wenn du so in Rage bist, “ mahnte sie eindringlich. Das Beben in ihm verebbte, aber nicht der Zorn. Das Funkeln in seinen Augen beunruhigte sie. Sanft schmiegte sie sich an ihn. „Bitte Colt, lass uns schlafen gehen“, murmelte sie. Sie musste ihn irgendwie zur Räson bringen, aber da sie ihn so nie erlebt hatte, wusste sie nicht so recht wie.
 

Saber stand noch an der Eingangstür und starrte zur Einfahrt, durch die der tobende Colt von Fireball geschleift worden war. Der Cowboy hatte sich nicht einmal von Robin beruhigen lassen und Chily hatte das nicht gewagt. Sie hatte sich vor der Wut des Kuhhirten hinter Sabers Rücken in Sicherheit gebracht und stand auch jetzt noch hinter ihm. „Das war keine tolle Leistung von uns“, stellte sie leise fest. Der Recke seufzte unterdrückt. Was war wohl schlimmer? Mit dem rasenden Freund unter einem Dach zu wohnen, oder mit dessen bester Freundin, bei der er nur schwer einschätzen konnte, was er von ihr zu halten hatte. Erst las sie in seinem Kopf, als wäre es ihr eigner, und dann wieder zog sie sich merklich zurück und schenkte ihm scheinbar überhaupt keine Beachtung mehr. Wie bei einem Jo-Jo. Sabers Nacken begann zu prickeln. Sicher berührte sie ihn gleich. Er fuhr herum und sah sie an. Tatsächlich hatte sie ihre Hand nach seiner Schulter ausgestreckt. Nun hielt sie in der Bewegung inne und ließ dann den Arm wieder sinken. „Es tut mir leid“, murmelte sie betreten. „Jetzt ist es zu spät“, bemerkte er nüchtern. Sie brauchte sich nicht zu entschuldigen, weil sie sich verplappert hatte. Die Bombe war geplatzt und mit ihr Colt. „Dir geht es doch genauso wenig gut dabei, wie mir“, entgegnete sie. „Also tu nicht so als ob.“ Der Vorwurf in ihrem Blick unterstrich das Gesagte. Saber wirkte ruhig und gefasst, auch wenn sein Herz aufgebracht war und raste. Er war eben mit Colt an einander geraten. Das war an sich nichts Neues, weil es auch schon auf Ramrod vorgekommen war, aber nie so heftig wie eben. Saber konnte seine Entscheidung weder vor dem Scharfschützen, noch vor dessen bester Freundin oder sich selbst länger rechtfertigen. Das was der Kuhhirte ihm an den Kopf geworfen hatte, war eben so berechtigt wie schmerzhaft. Jetzt musterte Chily ihn auch noch. Das war zu viel. Saber wand sich ab und ging ins Haus. Sie folgte ihm. „Lass mich in Ruhe“, fauchte er. Sie sollte nicht wieder in seinen Kopf. Sie sollte sich von seinem Herzen fern halten. Er wollte sich nicht wieder wie ein kleiner Junge benehmen und vor ihr weglaufen. Abrupt blieb er stehen. Aber genau das tat er doch eben. „Gib wenigstens zu, dass es dir jetzt genauso beschissen geht wie mir“, hörte er sie sagen. „Wozu?“ fragte er zurück. Sie tat ja so, als wäre ihm dann geholfen. „Sag es“, beharrte sie. „Ich weiß es doch.“ – „Wenn du es weißt, warum soll ich es dann noch aussprechen?“ Saber wand ihr noch immer den Rücken zu. „Was ist so schlimm daran, wenn du es tust?“ bohrte sie. „Was wird besser, wenn ich es tue. Gar nichts, “ antwortete er und ging zur Hausbar, wo sein Scotch noch auf der Theke stand. Er nahm das Glas und trank es in einem Zug leer. Als er es absetzte, spürte er, wie zwei Hände sich behutsam auf seine Schultern legten. Schon wollte er herumfahren, da glitten diese Hände massierend über seine Schultern. Saber konnte sich nicht mehr bewegen. Vor ihm war der Tresen, hinter ihm Chily. Er hätte sie umrennen müssen, wenn er hier weg wollte. Erschwerend kam hinzu, dass seine Füße ihm nicht gehorchen wollten und wie angewachsen am Boden blieben. Das Schlimmste jedoch war, dass sein Herz meinte, diese Liebkosung sei eine Wohltat und ganz weich und empfänglich wurde. Irgendwie schaffte er es, sich zu ihr herumzudrehen. Ihre Augen ruhten besorgt auf ihm, und liebevoll. Er umgriff ihre Schultern und wollte sie zur Seite schieben, doch da sie ihn so ansah, konnte er es nicht. Stattdessen näherte er sich ihrem Gesicht, ihren weichen, rosigen Lippen. Chily schloss die Augen und reckte ihm leicht ihr Kinn entgegen. Schon konnte sie seinen Atem spüren. Aber dann schob er sie doch zur Seite. Sein Verstand hatte Saber gewarnt. Frauen rissen einem das Herz aus der Brust und sie war eine. Er verließ den Raum.
 

Schnell. Viel zu schnell. Als wäre er auf der Flucht. Er hatte die Treppe zum oberen Stock erreicht, da rief sie ihm nach: „Was an dem, was du dir wünschst, ist so furchteinflößend?“ Er blieb stehen, die Hand auf dem Treppenpfeiler. „Das böse Erwachen danach“, gab er knapp zurück. „Ach, du schläfst?“ stichelte sie ihn. „Stell dir vor! Und manchmal träume ich sogar, “ murmelte er mit gesenktem Kopf. Sie lief zu ihm und berührte ihn an der Schulter. „Und was bitte ist so falsch daran?“ wollte sie dann sanft wissen. „Träume zerplatzen.“ Saber schüttelte ihre Hand ab und wand sich zu ihr um. „Sie sind weder real noch hilfreich“, erwiderte er fest. Sie sah ihn mit großen Augen an. „Du kannst nicht loslassen. Du kannst dich vom Vergangenen nicht lösen. Kein Wunder bist du für Neues nicht offen, “ erkannte sie plötzlich. „Wovon kann ich mich nicht lösen? Wie meinst du das?“ Saber runzelte die Stirn. War sie schon wieder in seinem Kopf? „Von dem, was zwischen dir und deiner Ex-Nuss war. Denn könntest du endlich aufhören darüber nachzudenken, würdest du verstehen, dass wir Frauen nicht alle so sind wie sie, “ antwortete Chily ruhig. „Ich weiß, dass ihr Frauen nicht alle so seid. Aber es geht dich nichts an, was zwischen Sincia und mir war!“ entgegnete er heftig. Die Erinnerung daran schmerzte noch immer, ganz gleich, wie gern er es vergessen wollte. „Ich hab nicht danach gefragt, was zwischen euch war. Ich sage, dass du es endlich vergessen sollst. Vielleicht kannst du mich dann endlich mal normal behandeln und nicht so, als wäre es meine Schuld, “ warf Chily zurück. „Was bildest du dir ein?“ Fassungslos starrte er sie an. Wie sie auf die Idee kam, konnte er nicht sich nicht erklären. „Glaubst du, dass man alles so einfach vergessen kann? Es ist einfach nicht deine Sache, weshalb ich nicht vergesse und weshalb ich so bin. Würdest du dich benehmen, wie man es von einer Frau erwarten kann, würdest du nicht glauben, alles wäre deine Schuld, “ versetzte er. Da Frauen ja gern mit Männern spielten, konnte es natürlich nicht sein, dass sie so fühlte, weil sie tiefere Gefühle für ihn hegte. „Ich kann dir nicht mal die Hand auf die Schulter legen, ohne das du sie abschüttelst, als hätte ich eine ansteckende Krankheit“, begründete sie ihr gesagtes und fragte dann nach: „Oder findest du mich so abstoßend?“ – „Das hat mit abstoßend nichts zu tun“, antwortete der Recke sachlich. „Du dringst in meine Privatsphäre ein.“ Chily schüttelte ungestüm den Kopf. „Das ist nicht schwer, wenn es so offensichtlich ist“, wehrte sie den Vorwurf ab. „Deine Privatsphäre kann man ja gar nicht um gehen, sie liegt einem mitten im Weg. Ich muss ja zwangsläufig drüber gehen, wenn ich in deiner Nähe bin.“ Er war schon aufgewühlt genug, als das es ihm leicht fiel ruhig zu bleiben. „Das ist nicht wahr“, begehrte er nun auf. „Niemand sonst dringt dauernd darin ein, niemand sonst.“ Sofort schnappte sie zurück. „Bin ich etwa wie die anderen?“ Er wand sich ab und stieg die erste Stufe empor. „Das nicht, aber du könntest dich zumindest anpassen versuchen, “ brummte er zurück.
 

Das reichte Chily. Warum wehrte er sich so entschieden gegen sie? „Das wär auch Blödsinn, wenn du dich ändern würdest – das waren deine Worte. Warum soll ich mich jetzt auf einmal anpassen? Bloß weil du Angst davor hast, dass dich eine Frau lieben kann wie du bist, ohne dir das Herz zu brechen?“ rief sie trotzig und traf mitten ins Schwarze. „Du tust ja gerade so, als könntest du das. Als könntest du mich lieben wie ich bin. Das glaubst du doch wohl selber nicht.“ Erneut fuhr er herum. Wollte sie ihn ernsthaft für so dumm verkaufen? „Aber ich tu es doch“, antwortete sie schlicht und sah ihm in die Augen. „Haha“, kam es gekränkt von ihm zurück. „Und jetzt die Wahrheit.“ Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet und es verletzte ihn, dass sie es so überzeugt behauptete, wo sie ihn doch die ganze Zeit über wie ein Jo-Jo behandelte. „Dass ich nicht lügen kann, hast du wohl gemerkt, sonst hätte ich mich nicht so bei Colt verquatscht“, begehrte sie leidenschaftlich auf. „Wenn du mir egal wärst, würde ich auch nicht ständig das Gefühl haben“ Sie seufzte kurz und gestand: „dass ich ausbaden muss, dass deine Sincia offenbar ein Miststück ist.“ Schließlich hatte sie dieses Gefühl immer, wenn sie sich diesem Thema genähert hatten. Das war genug für Saber. Er schüttelte verstimmt den Kopf und schritt die Treppe hinauf. „Um etwas ausbaden zu müssen, müssten wir schon mehr sein, als zwei Bekannte“, meinte er leise. „Du glaubst, es würde mir helfen, wenn du mich dauernd darauf stößt, dass es andere Frauen als Sincia gibt. Aber die Wahrheit ist…“ Er blieb kurz stehen. Sie folgte ihm die Stufen hinauf. „Die Wahrheit ist, dass du es nur noch schlimmer machst!“ Er drehte sich zu ihr um und sah sie niedergedrückt an. Das hatte er so gemeint, wie er es gesagt hatte. Chily fuhr an die Wand zurück und schluckte überrascht. Sie hatte nicht gewollt, dass er diesen Eindruck bekam. „Und was erwartest du von mir, dass ich tun soll?“ wollte sie leise wissen. Verlegen wand er die Augen ab. „Ach, was weiß ich.“ Schon wollte er weiter gehen, aber sie hielt ihn an der Hand zurück und sah ihm fest in die Augen. „Du solltest es wissen und vor allem mir sagen. Es macht mir nämlich keinen Spaß, dir weh zu tun. Also, was soll ich tun?“ Sie blickte ihn aufrichtig an. Rasch löste er sich aus ihrem Griff und ging drei Stufen weiter um Abstand zu gewinnen. „Du tust es schon wieder! Spiel nicht mit mir, so wie du es die ganze Zeit über schon tust, “ verlangte er ruhig. „Ich spiele nicht, “ betonte sie energisch. „Warum sollte ich das?“ Das ergab für sie keinen Sinn, warum man mit den Gefühlen eines Menschen spielen sollte. Wieso warf er ihr solchen Unsinn vor? „Du tust es aber. Du setzt dich über Grenzen hinweg, die du nicht überschreiten solltest. So wie vor zwei Wochen, als du dich auf meinen Schoß gesetzt und mich geküsst hast. Nur um mich zu quälen, Chily. Denn nichts anderes tust du damit, “ erklärte er ihr dann. Jetzt stiegen ihr Tränen in die Augen. Ja, dass hatte sie getan. Aber nur, um ihm nahe zu kommen und die Mauer um sein Herz einzureißen. Als sie gesehen hatte, wie sehr es ihn überfordert hatte, hatte sie sich zurück gezogen und ihn in Ruhe gelassen. „Tut mir leid, dass du das so siehst“, murmelte sie und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. „Tut mir leid, dass ich dich gern im Haus hab und vor Aufregung nicht schlafen kann, weil du nebenan liegst. Tut mir leid, dass ich es genieße mit dir in einem Raum zu sein und zu hören, was du erzählst. Tut mir leid, dass es nichts Schöneres für mich gibt, als dir nahe zu sein. Aber so ist es nun mal. Egal, wie sehr du dir was anderes wünschst.“ Sie schluckte hart und wollte nun ihrerseits rasch von ihm weg. Doch dazu musste sie über die Treppe und an ihm vorbei. So weit kam sie gar nicht. Saber verstellte ihr den Weg und hielt sie an den Armen fest. „Meinst du das ernst?“ Ihre Geständnis und ihre Tränen hatten ihn aus der Bahn geworfen. Konnte es sein, dass er ihr Verhalten falsch gedeutet hatte? „Natürlich“, rief sie leidenschaftlich. „Aber das glaubst du mir ja doch nicht“, fügte sie unglücklich flüsternd hinzu und streifte seine Hände von ihren Armen. Wenn er so schlecht von ihr dachte, wie sollte sie da seine Berührung ertragen?
 

„Warum kannst du das nicht gleich sagen, Chily? Warum nur lässt du mich in dem Glauben, dass du mit mir Achterbahn fahren willst?“ fragte er ernst. „Nein, dass hast du da rein interpretiert. Ich hab nur nach der Sache am Fluss versucht dir nicht mehr so nah zu kommen, weil du gesagt hast, dass du es nicht willst, “ rechtfertigte sie sich schwach. „Du liest doch sonst dauernd in meinen Gedanken. Ist da nicht irgendwo in Großbuchstaben und Leuchtfarben gestanden, wie ich mich fühle?“ Er schaute sie fragend an. „Du meinst an der Mauer um dein Herz, die so hoch ist, dass sie an den Turmbau zu Babel erinnert?“ hakte sie nach. „ Zum Beispiel, ja“, nickte er. „Genau dann hab ich mich zurückgezogen, wenn ich sie berührt hatte. Ich weiß, warum du die errichtet hast und ich wollte dir nicht das Gefühl geben, ich sei der Feind. War wohl kein so taktischer Rückzug, “ flüsterte sie kleinlaut. „Dann weißt du sicherlich auch, dass sie nicht unüberwindbar ist?“ Saber griff erneut nach ihrer Hand. „Für mich wohl doch, “ gab sie bekümmert zurück. Dass er den Druck seiner Hand ein wenig verstärkte, bestätigte ihre Befürchtung. „Es tut mir leid, Chily“, sagte er dann. Sie nickte verstehen. Offensichtlich hatte sie keine Chance bei ihm. So zumindest verstand sie das Ganze. Tapfer schluckte sie die Tränen hinunter und schob sich an ihm vorbei. Er ließ jedoch ihre Hand nicht los. „Bitte geh nicht“, hörte sie ihn raunen. Chily hielt in der Bewegung inne. „Bist du sicher, dass ich bleiben soll?“ Er nickte. „Warum auf einmal?“ Hatte sie etwas falsch verstanden? „Deine Gegenwart tut gut, deshalb“, gestand er nun leise. Einen Moment schwieg sie perplex, bis sie begriff, dass sie eben doch zu ihm durchdringen konnte. Zaghaft strich sie ihm von der Hand zur Schulter rauf. „Tut das auch noch gut?“ fragte sie. Er fuhr leicht zurück, aber schüttelte diesmal nicht ihre Hand ab. „Fühlt sich seltsam an“, erwiderte er. „Ungewohnt?“ Chilys Finger glitten zurück zur Hand. Er nickte atemlos. Ein wohliger Schauer breitete sich über seinen Körper aus. „Und jetzt? Immer noch?“ Sie wiederholte die Geste. „Es ist lange her, dass...“ Saber konnte ihr kaum ins Gesicht schauen. So angenehm, so neu. Sich völlig darauf einzulassen fiel ihm schwer. „Ich weiß. Für mich auch. Aber ich mag es.“ Sie liebkoste ihn gern. Sie hätte gern weiter gemacht, doch da er leicht angespannt wirkte, ließ sie ihre Hand auf seiner Schulter ruhen. Das machte den Blonden offener und gesprächig. „Ich hab mich verraten und verkauft gefühlt“, murmelte er bedrückt vor sich hin. Chily verstand ihn. Sie wusste, dass er von Sincia sprach und von dem, was geschehen war. Mit einem schlichten „Hm“ machte Colts Jugendfreundin deutlich, dass sie ihm zu hörte und er frei sprechen konnte. „Ich hab ihr mein Innerstes offenbart, aber sie hat mir nur was vorgemacht.“ fuhr Saber fort. Chily nahm seine andere Hand und beobachtete ihn genau. „Sincia hat mich nie geliebt.“ Chilys Hand glitt zu seiner anderen Schulter hinauf. „Sie hat nicht auf meine Anrufe, meine Briefe reagiert. Als ich sie besuchte, hat“ Saber schluckte schwer. „ein anderer die Tür geöffnet.“ Chily kam ein wenig auf ihn zu. Ihre Hände ruhten sanft und leicht auf ihm. „Seither“, wisperte er. „Jede Berührung schmerzt…“ – „Oh.“ Sofort ließ Chily von ihm ab. Das wollte sie nicht. Schüchtern lächelte er sie an. „Es wird langsam besser“, meinte er. Erleichtert erwiderte sie sein Lächeln. „Alles wäre soviel einfacher, wenn uns zwischen dem was wir meinen und dem was wir sagen, nicht die Worte in die Quere kämen“, meinte sie darauf. „Einfach wär doch langweilig“, entgegnete er. Sie legte ihm wieder die Arme auf die Schultern. „Ja, das ist wahr“, nickte sie schlicht und trat noch ein wenig näher an ihn. Vorsichtig, um auszutesten, wo seine Grenzen waren, bevor sie sie mal wieder überschritt. „Äh, auch was zu trinken? Lass uns in die Küche rübergehen, ja?“ schlug er vor und deutete auf den Raum. Ah, bis dahin also.
 

„Okay, ist ja noch genug zu trinken da.“ Damit wand sie sich ab und ging zwei Stufen runter. Langsam und nicht gekränkt. „Eben, das Zeug soll ja nicht schlecht werden. Wär doch zu schade.“ Saber folgte ihr. „Und was zu futtern ist auch noch übrig.“ Chily lief jetzt die Treppe schneller runter. Es war noch Mousse au Chocolat da, fiel ihr ein. Saber strich sich leicht über den Bauch. „Ich sehe schon. Wenn mein Urlaub hier vorbei ist, hab ich zwei Kilo mehr auf den Rippen, bei der Verpflegung, “ grinste er. „Nach dem, was du hier schon gearbeitet hast, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und wenn, was sind zwei Kilo? Zwanzig wären schlimmer, “ gab sie munter über die Schulter zurück. „Na, wenigstens muss sich meine Mutter dann keine Sorgen machen, dass ich verhungere.“ Damit trat der Recke zu ihr an den Esstisch. Sie hielt ihm einen Löffel des Nachtischs hin. „Magst du?“ Er wiegte den Kopf. „Bin ja eigentlich nicht so die Naschkatze.“ Spitzbübisch grinste sie „Ich werd dich nicht zwingen. Bleibt mehr für mich, “ und wollte sich den Löffel in den Mund schieben, aber der Recke drehte ihn rasch so, dass er auf seinen Mund zeigte. „Kosten kann ich ja mal, “ meinte er. „Bedien dich, “ kicherte sie. „Mhm, gar nicht mal so schlecht, “ befand er, nachdem er probiert hatte. „Sag ich doch. Ich weiß eben, was gut ist. Aber du ...“ Sie deutete auf seine Lippe. Er schaute sie verwundert an. „Du hast da noch was am Mund. Bist schon lange nicht mehr gefüttert worden, hm?“ grinste sie. „Seit etwas über zwanzig Jahren nicht mehr, “ stimmte er lächelnd zu. Langsam begann er sich in ihrer Nähe wohl zu fühlen, ohne das lästige Bedenken aufkamen. Seine Laune stieg rapid. Als sie jetzt ein wenig näher rückte, sträubte sich kein Zweifel in ihm dagegen. „Warte, ich mach es weg.“ Vorsichtig berührte sie seinen Mund mit dem Finger und wischte den Klecks Schokomousse weg. Er griff nach ihrer Hand und berührte sacht die Finger mit seinen Lippen. „Danke“, murmelte er und verursachte ihr einen Gänsehaut am ganzen Körper. „Gern geschehen, “ wisperte sie zurück und mahnte sich gedanklich „Weiter atmen“. „Willst du auch was von der Mousse?“ Nun hielt Saber ihr ebenfalls einen Löffel voll vor den Mund. „Immer. Dafür würde ich alles tun, “ verriet sie und ließ sich füttern. „Das lass mal keinen hören, dass du so leicht zu bestechen bist, “ lachte er. „Na, aber auch nicht von jedem.“ Sie schluckte den Nachtisch. „Außerdem ist es nicht meine Schuld, dass das so lecker ist“, rechtfertigte sie sich. „Jaja, der Koch ist Schuld, schon klar“, neckte er sie. Zu erst nickte sie überzeugt „Ja, genau“ dann wiegte sie grüblerisch den Kopf. „Oder liegt es an dem, der mich füttert?“ Der hob unschuldig die Schultern. Chily tauchte den Löffel leicht in die Mousse. „Du hast da noch was“, meinte sie grinsend. „Ach ehrlich? Wo denn?“ fragte er ungläubig. „Da.“ Sie tupfte ihm etwas von der Schokolade auf die Oberlippe. Er lächelte leicht. „Zu ärgerlich aber auch. Kannst du das bitte wegmachen?“ Damit näherte er sich ihr noch ein wenig. Sie grinste keck. „Gern“, und küsste ihm behutsam die Mousse weg. Hoffentlich war sie gerade nicht zu weit gegangen, aber schon zog Saber sie in die Arme und erwiderte den Kuss. „Danke“, murmelte er. Erleichtert schlang sie ihrerseits die Arme um ihn. „Jeder Zeit wieder, “ flüsterte sie und strich ihm zärtlich über den Rücken. Nein, dass sie sich mal so nah kommen würden, hatte sie schon nicht mehr geglaubt. Er hielt sie noch ein Weilchen im Arm. „Ich werd in Zukunft nur noch Süßes essen“, hörte sie ihn sagen. „Weil es dir schmeckt, oder weil du hoffst, dass es darauf hinaus läuft?“ fragte sie. „Letzteres.“ Saber drehte ihr Gesicht sanft zu sich und hauchte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. Es tat ihm wirklich gut, sie so zu halten. „Dafür musst du deine Figur nicht ruinieren. Das kannst du auch so bekommen, “ gab sie schelmisch zurück und glitt mit den Händen an seiner Taille vorbei und über seine Brust. „Da hat meine Figur aber noch mal Glück gehabt, “ stellte er fest.
 

Chily hatte ihn genau beobachtet und hielt in der Bewegung ihrer Hände inne. Die Grenze schien erreicht. Er nahm ihre Hände von seiner Brust und strich ihr noch kurz über die Arme. „Das nenn ich mal einen Mitternachtsimbiss. Jetzt noch einen Drink und ich bin glücklich.“ Sie senkte kurz den Blick. Sie hätte ihm gern noch ein paar Streicheleinheiten mehr geschenkt. Dann hob sie sah sie ihn wieder an und fragte leicht. „Noch einen Scotch.“ – „Hast du sowas noch im Haus?“ – „Klar, reichlich. Ich liebe das Zeug.“ Sie trat einen Schritt von ihm zurück und ging zur Hausbar. „Was du nicht alles liebst“, schmunzelte er und zählte auf. „Mousse, Scotch...“ Sie ergänzte: „Dich.“ Er folgte ihr und blieb vor der Theke stehen während sie dahinter verschwand und nach zwei Gläsern und der Flasche suchte. Aber jetzt sah sie ihn nicht mehr an und hielt den Kopf gesenkt. „Chily?“ Sie sah ihn an. „Bedrückt dich was?“ fragte er, weil sie genauso wirkte, als hätte sie etwas auf dem Herzen. „Ähm ... ja, “ gestand sie. „Ich wollte dich eigentlich noch um was bitten, aber ich fürchte, dass ist dir zu viel auf einmal.“ Sie platzierte zwei Gläser auf dem Tresen und goss das Getränk ein. „Worum möchtest du mich bitten?“ Sie räusperte sich verlegen. „Na ja ... das ganze heute Abend war ... äh ... bescheiden. Also, der Streit mit Colt, mein ich ... und es ist heiß wie in der Hölle ... und du bleibst über Nacht ... Das alles sind so Dinge, die mir so ganz unwesentlich das Schlafen schwer machen ... ich dachte ... also ... ich wollte,“ Ihre Stammelei machte deutlich, wie schwer es ihr fiel diese Bitte auszusprechen. „Das kann ich verstehen, mich belastet das auch ein wenig“, gab Saber zu. Was immer sie auf dem Herzen hatte, würde ihm nicht ganz so leicht fallen ihr zu erfüllen. „Vielleicht... ich meine...“ Jetzt bekam Chily auch noch einen roten Kopf dazu und er ahnte, worauf das alles hinauslaufen würde. „Ich hab gehört, ein heißes Bad soll Wunder wirken.“ Verlegen starrte er in sein Glas. Sie nickte und räusperte sich wieder. „Früher hab ich dann immer bei meine Eltern im Bett geschlafen, dass hat auch immer gut getan, “ winkte sie mit dem Zaunpfahl und es war deutlich genug. Aber irgendwie sträubte er sich noch ein wenig gegen so viel Nähe. „Geht mittlerweile ja schlecht“, räumte er ein und machte einen Gegenvorschlag. „Vielleicht ein kleiner Spaziergang?“ Sie blickt ihn scheu an und lächelte, noch immer verlegen. „Gern, das wird wohl auch schon helfen“, meinte sie dann. Sie war nicht beleidigt oder verletzt. Mit solch einer Antwort hatte sie schon gerechnet. „Die Nachtluft bringt klare Gedanken“, entgegnete er. Er war in den vergangenen Monaten öfter allein spazieren gegangen. Am liebsten nachts, weil er dann an besten verdrängen konnte, dass er allein gehen musste und der Anblick verliebter Pärchen ihn nicht noch zusätzlich quälen konnte. „Einverstanden.“ Chily kam hinter der Bar vor und reichte ihm etwas unbeholfen die Hand. Er nahm sie und führte sie nach draußen.
 

Die Nachtluft war warm, aber der leichte Wind wirkte angenehm beruhigend. Im Haus dagegen stand die Hitze des Tages. Chily genoss es, mit Saber spazieren zu gehen, auch wenn er jetzt recht schweigsam war und seinen Gedanken nachhing. Sie wollte ihn darin nicht stören. Immerhin war sie ihm endlich näher gekommen. Dem Recken tat dieser nächtliche Spaziergang gut, auch wenn die Gefühle in ihm och ungewohnt waren und es ihm schwer war, sich darauf einzulassen. Nachdem Sincia ihn so verletzt hatte, war er Frauen gegenüber sehr vorsichtig geworden. Aber er hatte auch erkannt, dass Chily anders war. Vielleicht war sie spontan, unberechenbar und emotional, aber sie war echt. Ihre Gefühle und das was sie sagte – sie meinte es so und würde weder etwas tun, noch etwas aussprechen, ohne davon überzeugt zu sein. Ihre Art war sicher gewöhnungsbedürftig, aber herzlich und aufrichtig.
 

Als sie zurückgekehrt waren und Chily ihm ein Gästezimmer hergerichtet hatte, während er sich wusch, wartete er in dessen Türrahmen, bis sie ebenfalls das Bad verließ. Dass sie Panties und ein leichtes Top trug, erleichterte ihm seine Entscheidung. Er streckte die Hand nach ihr aus. Verwundert griff sie danach und noch verwunderter folgte sie ihm in sein Zimmer. „Zeit zu schlafen“, meinte er und schob sie sanft zum Bett. Dann umrundete er es und schlüpfte auf der anderen Seite unter die Decke. Sie verstand sofort und kroch ihrerseits auf die Schlafstatt, hütete sich aber davor, sich an ihn zu schmiegen. Auch wenn sie das gern getan hätte. Sie war froh, dass er überhaupt zuließ, dass sie bei ihm schlief. So segelte sie schnell ins Reich der Träume. Der Recke tat sich etwas schwerer. Sie lag hier neben ihm. Auch wenn sie sich beherrschte, seine Zurückhaltung respektierte und auf ihrer Seite blieb – sie lag neben ihm. Wie lange war das her, dass eine Frau an seiner Seite ruhte. Lange. Er drehte sich auf die Seite, so dass er sie betrachten konnte. Sie war so rasch eingeschlafen. Er musste schmunzeln. Langsam tat es ihm gut, breitete sich ein angenehmes Gefühl in ihm aus. Er schloss die Augen. Das Gefühl blieb und beruhigte ihn. Er atmete ein paar Mal tief ein, sog ihre Gegenwart auf und folgte ihr dann ins Reich der Träume.
 

Wie Robin es geschafft hatte, Colt weit nach Mitternacht ins Bett zu bekommen, wusste sie nicht so recht. Sie hatte sehr unruhig geschlafen, denn nicht nur Colts Wutanfall hatte sie in Aufregung versetzt, sondern auch, was er vor dem Einschlafen gesagt hatte. „Ich liebe dich mehr, als alles auf der Welt.“ Im ersten Moment hatte sie sich erleichtert an ihn geschmiegt, dann hatte er gefragt: „Wirst du immer da sein?“ – „Natürlich“, hatte sie überrascht geantwortet, konnte sich aber nicht erklären, warum in ihrem Herzen die Alarmglocken zu schellen begannen.
 

Jetzt, als sie aufwachte, schellten sie noch lauter. Verschlafen stellte sie fest, dass das Bett neben ihr leer war. Schlagartig war sie hellwach. Sie sprang auf, sah ins Bad, dann in die Schränke und begann zu weinen. Colts Sachen fehlten. Seine Waschutensilien, seine Kleidung, seine Reisetasche – alles war verschwunden, so, als wäre er nie dagewesen. Ihr fiel wieder ein, was Chily ihr über Colts Art sich zu verabschieden erzählt hatte. Er hatte sich von ihr verabschiedet, erkannte sie. Wieder war er einfach verschwunden, ohne zu sagen wohin und für wie lange. Das bedeutete, er hatte sich in Gefahr begeben. Einem Impuls folgend griff sie zum Telefon und wählte Chilys Nummer. Es schien ewig zu dauern, bis diese abnahm. Robin sagte nur drei Worte. „Colt ist weg.“ Im ersten Moment glitt dessen Jugendfreundin der Hörer aus der Hand. Rasch hob sie ihn auf und erwiderte: „Ich komme sofort.“
 

Saber war, wie Chily, vom Läuten des Telefons geweckt worden und mit ihr hinunter ins Wohnzimmer geeilt. Ihre Reaktion während des kurzen Gespräches ließen ihn schlimmes ahnen und ihr Blick, als sie sich jetzt zu ihm umwand, machte es nicht besser. Sorge und Angst lagen darin. „Colt ist fort“, informierte sie tonlos. Saber wäre beinahe der Kiefer ins Bodenlose geklappt, aber er beherrschte sich. Jetzt war genau das eingetreten, was Dooley hatte vermeiden wollen. Colt nahm die Sache selbst in die Hand und handelte unbedacht. Damit brachte er sich in Gefahr. Dooley hatte Chily und Saber beschworen, den Cowboy aus allem raus zu halten. Der Recke legte ihr die Hände auf die Schultern. „Ich geh auf die Ranch und kümmere mich um Robin. Fireball und April werde ich alles erzählen und du suchst Colt, “ meinte sie. Es war genau das, was Saber hatte sagen wollten. Sie strich ihm zärtlich über die Wange. „Pass auf dich auf“, bat sie leise. „Versprochen. Ich bring ihn zurück. Sag das Robin.“ Damit hauchte er ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. Wenig später ritt Chily mit Demon zur Ranch von Donna Joe. Saber machte sich mit Steed auf den Weg zum KOK. Er musste Bericht erstatten, dann würde er nach Colt suchen.
 

Colt war aufgewühlt und hätte nicht benennen können, woran es genau lag. Da war die Enttäuschung von Saber und Chily, die Trauer um Dooley und das schlechte Gewissen gegenüber Robin. Er war gegangen. Er konnte nicht bleiben. Es gab nur einen plausiblen Grund für die Geheimniskrämerei seiner Jugendfreundin und des Recken um Dooleys Tod. Es war weder ein Natürlicher, noch ein Unfall, denn das hätten sie ihm gesagt. Also blieb nur noch eine Möglichkeit für das Ableben seines einstigen Mentors. Er war ermordet worden. Das stand fest. Und damit auch, dass Dooley nach etwas gesucht und etwas gefunden hatte, was besser verborgen geblieben wäre. Was immer es war, Colt würde es herausfinden. Wer immer für Timothy Dooleys Tod verantwortlich war, er würde dafür bezahlen. Das war Colt seinem Vaterersatz schuldig. Er hatte dem Freund viel zu verdanken. Er hoffte nur, dass Robin das verstehen, dass sie warten würde. Er konnte nicht vor den Altar treten, ehe er Dooleys offene Rechnung beglichen hatte. Also musste er nun herausfinden, wem oder was Tim auf der Spur war. Colt kannte ein Motel, in dem sein Lehrer oft abgestiegen war, wenn er ermittelte. Dort würde Colt anfangen. „Ich hab viel von dir gelernt Dooley. Das war nicht umsonst, “ murmelte er vor sich hin.



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