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Western Spirits

von

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Hunting high and low

Hunting high and low
 

Atemlos betrat Chily die Küche von Donna Joe und fand Robin heulend in Aprils Arm vor. Fireball tigerte mit finsterer Miene durch den Raum. Das alles passte ihm nicht. Überhaupt nicht. Colt verschwand bei Nacht und Nebel nach einer Auseinandersetzung mit Saber und Chily. Jetzt erschien nur die und der Recke glänzte durch Abwesenheit. Dabei war offensichtlich, dass der mehr wusste, als er erzählt hatte. So wie Colt seine Jugendfreundin gestern angefahren hatte, wusste auch sie höchstwahrscheinlich genau Bescheid. Was der Rennfahrer nicht verstand, war: Warum sonst niemand? Warum nicht er und April? Kaum war Chily eingetreten, stürmte er auf sie zu. „Was zur Hölle geht hier eigentlich ab?“ fuhr er sie an. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück. „Außer Colt noch Saber, “ antwortete sie dann und ergänzte: „Er ist los und sucht Colt.“ Robin löste sich aus der Umarmung des weiblichen Starsheriffs und wischte sich die Tränen weg. Dann ging auch sie Chily heftig an. „Und wo ist Colt? Warum ist er gegangen und hat nicht mal gesagt, wohin? Was hat das alles mit Tim zu tun? Und wieso weiß außer dir und Saber keiner Bescheid?“ Die Gefragte schluckte schwer. Seit Dooley sie angerufen, ins Vertrauen gezogen und sie zum Schweigen verdonnert hatte, war der Schulfreundin des Scharfschützen unbehaglich zu Mute gewesen. Dass Saber mit der gleichen Situation anders, routinierter, umging, lag daran, dass er es als Starsheriff können musste. Er konnte aus Erfahrung eine Grenze zwischen ziehen, zwischen dem, was er tun wollte und dem, was er tun musste. Chily war dazu nur mit Mühe in der Lage gewesen. Der vorwurfsvolle und besorgte Tonfall, den sowohl Fireball als auch Robin angeschlagen hatten, war für sie so verständlich wie unerträglich. Kleinlaut gestand sie. „Weil Dooley mich darum gebeten hat.“ Der Rennfahrer und seine Freundin tauschten ahnungsvolle Blicke. „Dooley war der Anrufer“, meinte April und wollte nach Chilys bestätigendem Nicken wissen: „Was hat er denn gesagt, worum es geht und worüber ihr nicht sprechen dürft? Du und Saber?“ Chily setzte sich auf die Eckbank an der Tür. „Dooley“, begann sie. „Er hat herausgefunden, dass Colts Eltern nicht einfach nur Opfer eines Outriderangriffes waren. Tatsächlich fand dieser Angriff nur statt um sie zu töten, “ berichtete sie dann. Entsetzte Blicke richten sich auf sie. „Dooley hat außerdem bestätigt, was ich schon immer vermutet hatte. Auch meine Eltern wurden ermordet.“ – „Wie kommst du darauf und von wem?“ fragte Fireball perplex. „Man fand ihr Auto mitten auf dem Highway von der Ranch nach Tucson-City. Ihr kennt die Strecke inzwischen. Sagt mir, wie kann ein Auto mitten auf der Fahrbahn in Flammen aufgehen und ausbrennen? Dooley ist sich sicher, dass es der selbe Täter war und das es bei der ganzen Sache um Pennyrile geht.“ Sofort hakte April nach. „Was ist mit Pennyrile?“ – „Pennyrile sind Kohleminen aus denen schon ewig nicht mehr gefördert wird, weil sie leer sind. Aber Dooley ist auf einen Bericht gestoßen, der besagt, dass weit unter den alten Förderstollen möglicherweise Alkalit zu finden ist, “ informierte Chily. Erstaunt hob April die Brauen. „Alkalit ist sehr wertvoll und sehr gefährlich“, bemerkte sie. „Vor fünf Jahren, als Colts und meine Eltern ermordet wurden, soll es auch für die Outrider interessant gewesen sein. Doch weitere fünfundzwanzig Jahre davor noch nicht. Da war noch kein Krieg, “ überlegte Chily. „Dennoch. In den falschen Händen war und ist Alkalit gefährlich, “ betonte Fireball und wollte wissen: „Wie alt ist dieser Bericht, den Dooley gefunden hat?“ Die Gefragte fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Dreißig Jahre. Er stammt aus der Zeit, als Pennyrile aufgekauft und den Irokesen zur Verfügung gestellt wurde.“ Verstehend nickte der Rennfahrer. Also hatte Willcox Senior sich mit seinem Freundschaftsdienst an dem Stamm Feinde gemacht. Laut schlussfolgerte er: „Dann geht es hier also um Erb- und Besitzrechte. Nicht nur Colt ist in Gefahr. Auch du.“ Er musterte die Jugendfreundin des Scharfschützen. „Hast du eine Ahnung, wo die Urkunden sein könnten?“ Kopfschütteln. „Nicht bei mir im Haus. Ich hätte sie bei der Renovierung sonst gefunden.“ Jetzt stand sie auf und trat auf Robin zu, die sich während des Gespräches abgewandt hatte und stiller geworden war. „Er bringt ihn zurück, Robin. Saber bringt ihn zurück, noch bevor er was Unbedachtes tun kann.“ Statt einer Antwort schluchzte die Lehrerin auf. Tränen liefen ihr erneut über die Wangen. ‚Hoffentlich.‘ Sie wollte ihren Colt zurück. Die beiden Starsheriffs tauschten einen kurzen Blick, dann erklärten sie. „Wir folgen Saber.“
 

Chily riss die Augen auf und entgegnete April einigermaßen entschieden: „Du bleibst hübsch da. Eine Schwangere geht nicht auf Verbrecherjagd.“ Da sprach die Hebamme aus ihr. Fireball nickte leicht, als hätte er Bestätigung für einen Verdacht erhalten, was seine Freundin noch mehr überraschte, als die Feststellung von Chily, die so völlig selbstverständlich ausgesprochen worden war. „Wie bitte was? Wie kommst du darauf?“ Perplex sah sie von einem zum andern. „Also, dass riech ich doch drei Meilen gegen den Wind. Was meinst du, warum ich dir die leichtere Arbeit mit dem Putzen zu geschanzt hab?“ erklärte Colts Jugendfreundin souverän. „Drei Meilen gegen den Wind also?“ wollte der weibliche Starsheriff noch immer geplättet wissen. „Wieso weißt du mehr als ich?“ Jetzt wurde der anderen klar, dass April von ihrer Schwangerschaft noch gar nichts bemerkt hatte. „Ich bin Hebamme, schon vergessen. Ich hab lange genug Erfahrung um so etwas ziemlich sicher erkennen zu können. Ich mein, man muss sich doch nur deine“ Sie deutete leicht auf Aprils Oberweite. „angucken.“ Der Blondine schoss die Verlegenheitsröte ins Gesicht. Du lieber Himmel, diese Chily wusste echt Sachen … als wäre es alles so offensichtlich. Dabei war April selbst nicht im Ansatz auf diesen Gedanken gekommen. Wieso nickte Fireball, als wüsste er auch Bescheid? „Hast du das auch gemerkt?“ fragte sie ihn deshalb und wies auf den Inhalt ihres BHs. Ebenfalls rot vor Verlegenheit stammelte der. „Ja, ich ... äh ... hatte so eine Vermutung. Aber ich dachte, ihr Frauen wüsstet eher Bescheid, als wir Männer. Ist ja euer Körper.“ Man, das war eine unangenehme Situation. April fühlte sich, als wäre sie unbekleidet, vor allem vor Chily. Die hatte so selbstverständlich erklärt, dass da etwas unter dem Herzen von Ramrods ehemaliger Navigatiorin war, als hätte der das auf der Stirn gestanden. Fireball hatte eine Vermutung davon bekommen, weil er erfühlt hatte, was die Hebamme mit den Augen wahrgenommen hatte. Nur war er selbstverständlich davon ausgegangen, dass seine Freundin selbst wusste, ob sie in freudiger Erwartung war oder nicht. Als April so etwas mit keinem Wort erwähnt hatte, war er davon ausgegangen, dass er sich irrte. Chily schlug sich leicht die Hand gegen die Stirn. Wie schon öfter in ihrem Leben, waren auch hier die Dinge für sie offenkundiger gewesen, als für die Betroffenen selbst. Und natürlich hatte sie es so selbstverständlich ausgesprochen, als gäbe es keinen Zweifel daran. Wie schaffte sie es nur immer wieder, solche Situationen heraufzubeschwören? An Hand der Reaktionen war für die Hebamme außerdem deutlich geworden, dass die beiden sich noch nicht über Kinder und alles, was damit zusammenhing, unterhalten hatten. Da hatte sie ja eine schöne Lawine ausgelöst. Peinlich.
 

„Und was habt ihr jetzt vor?“ fragte Robin. Colt hatte sie vor den hellseherischen Fähigkeiten seiner Jugendfreundin vorgewarnt, weshalb, und auch, weil sie selbst nicht betroffen war, sie einigermaßen gefasst bleiben konnte. „Jetzt stehen sie erstmal auf dem Kiefer“, stellte Chily fest und musterte das Pärchen. „Hey, Moment mal, ja...“ hob Fireball zu Protest an. „Jedenfalls geht April nicht auf Verbrecherjagd. So viel ist mal klar. Da brauchst du gar nicht mit "Moment mal" kommen, “ erklärte die Hebamme kategorisch und biss sich gleich darauf auf die Zunge. Das klang wie ein Befehl und sie hatte nicht das Recht, den beiden etwas vorzuschreiben, daher wunderte sie sich nicht über die gereizte Antwort des Rennfahrers. „Haha, soweit war ich auch schon“, schnappte der. „Ihr drei bleibt also hier und ich sehe zu, dass ich die zwei Scherzkekse auftreibe“, meinte er dann. „Ich dachte eigentlich einen Schritt weiter. Wie wär es mit zusammenziehen?“ erwiderte Robin. Chily rechtfertigte noch rasch ihre Aussage. „Da brauchst du gar nicht so zu tun, Fire. Nicht für jeden Mann ist das selbstverständlich. Leider.“ Dann wandte sie sich an Robin. „Aber zusammen ziehen? Jetzt? Ich halte das für keine gute Idee, “ erklärte sie und sprach als die Geburtshelferin, die sie nun mal war, und erweckte prompt wieder den Eindruck, sich ungefragt einzumischen und Vorschriften zu machen. „Wir beide.“ Fireball wies auf April und sich. „regeln das, wenn ich die zwei heimgebracht hab, “ erklärte er entschieden um die kleine Hellseherin in ihre Schranken zu weisen. „Das halte ich für besser. Jetzt einen Umzug anzufangen ... ich meine, mit der Belastung durch den Fall und die Ungewissheit, dann auch noch einen Wohnortswechsel halte ich gerade in den ersten Monaten nicht für ratsam, “ stimmte diese ihm zu. „Dürfen wir beide“ Jetzt war es April, die auf sich und ihren Freund deutete. „das dann bitte selbst entscheiden, was wir wann, wo und wie machen?“ schnaubte sie. Das war ja dann doch etwas zu viel des Guten. Chily mochte es ja nur gut meinen, aber sie vermittelte den werdenden Eltern das Gefühl bevormundet zu werden. Deshalb biss sie sich auf die Lippe und unterdrückte eine Antwort, bevor sie es noch schlimmer machte. Donna Joe, die an der Küche vorbeilief, hatte halb etwas von Schwangerschaft mitbekommen und steckte kurz den Kopf zu den Vieren hinein. „Nur kurz. Wer auch immer schwanger ist, sollte auf Chilys Rat hören. Sie weiß, wovon sie spricht.“ Damit war die Rancherin auch schon wieder verschwunden. Die kleine Hebamme wand sich ein wenig und schaute April entschuldigend an. „Sorry, wenn das jetzt so klang, als wollte ich euch rein reden. Es war nur ein fachlicher Rat. Mehr nicht. Selbstverständlich ist das alles eure Entscheidung, “ beschwichtigte sie vorsichtig. „Kannst du bei deiner Voraussage uns wenigstens auch noch wissen lassen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird?“ fragte der Rennfahrer leicht genervt. Es war immerhin stark gewöhnungsbedürftig, dass jemand ungefragt durch seinen Kopf geisterte, der auch noch meinte, Entscheidungen treffen zu dürfen, obwohl die Person auch schon wesentliche Dinge verschwiegen und zusätzlich zu der überraschenden Schwangerschaft, noch ganz andere Probleme heraufbeschworen hatte. Chily bekam das heiße Verlangen die Flucht antreten zu wollen. Außerdem erschien es ihr klüger, dass Paar wenigstens kurz allein zu lassen, nachdem sie es so ohne Vorwarnung vor vollendete Tatsachen gestellt hatte. „Sie ist höchsten in der dritten Schwangerschaftswoche. Zu zeitig für eine solche Prognose. Aber ich muss jetzt mal schnell für kleine Mädchen, “ antwortete sie und stahl sich rasch aus dem Raum. Robin verstand die Absicht, die hinter dem letzten Satz steckte und informierte ihrerseits: „Da fällt mir ein, ich sollte mal nach Josh telefonieren. Nicht, dass der wieder irgendeinen Blödsinn macht.“ Schon war auch sie abgetreten und das Paar blieb allein in der Küche zurück. Wer von beiden mit der neuen Lage mehr überfahren war, war schwer zu sagen. Die unterschiedlichen Gedanken in ihren Köpfen schwer zu sortieren. Zwei Minuten vergingen, ehe in Aprils Kopf Chilys letzte Aussage wirklich ankam. „Dritte Schwangerschaftswoche? Wieso weiß sie das und ich nicht?“ fragte sie sich verdattert. Fireball hob die Schultern. „Mich darfst du das nicht fragen, Süße“, seufzte er. „Wieso hast du mir nichts von deinem Verdacht erzählt?“ wollte die Blondine wissen. Ein gewisser Vorwurf lag in ihrer Stimme. Er setzte sich auf die Arbeitsplatte, an der er die ganze Zeit über gelehnt hatte. „Naja, ich dachte … hätte ja auch sein können, dass ich mir das alles einbilde. Ich hab mich drauf verlassen, dass du mir das dann schon mal sagst, “ verteidigte er sich mit Unbehagen, welches allerdings von der Art der überbrachten Nachricht herrührte und nicht, von der Nachricht an sich. „Auf die Idee wäre ich im Leben nicht gekommen. Ich dachte immer, mir müsste morgens schlecht sein, oder so was. Aber da war ja gar nichts.“ Ungläubig schüttelte April den Kopf. Er schmunzelte. „Du bist ja auch nicht wie alle anderen Frauen.“ Dieses kleine Kompliment blieb jedoch einigermaßen ungeachtet. April war viel zu sehr damit beschäftigt, sich mit dieser neuen Situation vertraut zu machen. „Auf jeden Fall bin ich jetzt schwanger. Irgendwas sagt mir, dass ich mir den Test dafür sparen kann, wenn Chily das so selbstverständlich behauptet.“ – „Auf jeden Fall ist das alles jetzt etwas seltsam“, bestätigte er. Eine Weile versanken beide in Schweigen. „Kannst du dir vorstellen, dass ich tatsächlich Mutter werde?“ wollte April dann wissen. „Gegenfrage: Kannst du dir vorstellen, dass ich Windeln wechsle?“ Chily hatte Recht unvermittelt diese Bombe platzen lassen, was es sowohl April als auch Fireball erschwerte, sich einfach nur darüber zu freuen. „Nein. Gar nicht, “ gab die Blondine zu und verschränkte die Arme vor der Brust „An den Gedanken sollten wir uns gewöhnen, Süße.“ Erleichtert bemerkte April, dass ihr Freund dazu gern bereit war. Zwischen all den Gedanken daran, ob sie bereit war, Mutter zu werden, ob sie eine gute Mutter sein und wie sie ihr Leben nun umgestalten und auf ein Kind ausrichten würde, tat es gut, dass Gefühl zu haben, dass sie die Fragen in der Wir-Form stellen konnte. Dass Fireball jetzt von der Anrichte herunter glitt und sie zärtlich in seine Arme zog, verdrängte die Zweifel und machte Platz für das Frohe an der Botschaft.
 

Chily linste vorsichtig in die Küche und lächelte zufrieden. Das sah doch ganz gut aus. Wenn sie es noch schaffte, die beiden nicht mehr mit gut gemeinten Ratschlägen zu überrennen, würde alles so laufen, wie es für das Paar dort drinnen laufen sollte. Fireball gab seiner April einen liebvollen Kuss auf den Mund. Zeit für Chily sich endgültig zurück zu ziehen.
 

„Was soll ich auf einem Footballfeld?“ maulte Colt. „Ich will dir was zeigen,“ anwortete Dooley ruhig. „Du bist wütend und nach allem, was ich weiß, kann ich verstehen, warum. Aber du musst lernen deinen Zorn zu kontrolieren.“ Damit holte er einen Football hervor und positionierte ihn auf dem Feld. „Durchs Goal damit,“ wies er seinen Schützling ohne weitere Umschweife an. „Du hast ja ne Meise. Was soll das werden?“ Der Lockenkopf dachte nicht im Traum daran irgendwelche Footbälle sonstwohin zu kicken. „Ich hab dir was gesagt, also tu es,“ verlangte Tim unbeeindruckt. Der Angesprochene tippte isch an die Stirn. „No way. Vergiss es.“ Colt wand sich ab und ging. Der Typ hatte vielleicht Nerven. Schlimm genug, dass Kost und Logie sich an den Schulbesuch und einen bestimmten Notendurchschnitt knüpften, aber ihm auch noch in seine anderen Angelegenheite reinreden zu wollen, ging ihm schlichtweg zu weit. „Fang.“ Als der Ruf ertönte, blieb dem Trotzköpfigen gerade noch genug Zeit sich umzudrehen, da traf der Ball ihn schon hart am Brustkorb und nahm ihm einen Momet lang den Atem. Er keuchte kurz, dann fuhr er auf. „Verdammt, was sollte das?“ Mit aller Kraft schleuderte er das Leder zurück, verfehlte Dooley jedoch weit. Der lachte spöttisch. „Genau das hab ich gemeint. Auf die paar Yard Abstand würdest du grad nicht mal einen Elefanten treffen.“ Das trieb den Hitzkopf auf die Palme. „Na warte.“ Er holte sich den Ball und feuerte ihn erneut auf Dooley. Wieder ergebnislos und wieder wurde er ausgelacht. Das Spiel setzte sich fort. Je wütdender Colt wurde, desto weiter verfehlte er den Blonden und desto mehr lachte der ihn aus. Frustriert kickte der Lockenkopf den Ball schließlich übers Feld. „Lach nicht so dreckig,“ schnauzte er Timothy an. „Du wolltest ja nicht hören,“ gab der zurück und wurde ernst. „Wenn du es nicht schaffst, deine Wut unter Kontrolle zu bekommen, wird sie dir nur im Weg stehen und dir nichts als Ärger einbringen; wie du ja grad gesehen hast,“ erklärte er. „Toll. Du hättest Prediger werden sollen.“ Colt zeigte sich wenig beeindruckt von den Worten, also hob Dooley das Leder auf und forderte ihn auf. „Hol ihn dir zurück, wenn du kannst, Greenhorn.“ Er wusste, dass es den Spund provozieren würde. „Dir werd‘ ich gleich Greenhorn.“ Wie Dooley erwartet hatte, stürzte Colt sich auf ihn. Tim hatte bei einem so direkten, vorhersehbaren Angriff keine Probleme auszuweichen. Der Hitzkopf landete im Gras. Erneut in Rage geraten, rappelte er sich auf und versuchte es noch mal. Wieder bruchlandete er und der Kreis schloss sich. Das Spiel begann von vorn.
 

Als der Abend einbrach, saß Colt schnaufend im Gras und hatte es nicht geschafft, Dooley den Football abzujagen. Er fühlte sich ohnmächtig und unterlegen. Beide Gefühle verabscheute er. Egal, wie sehr er versuchte, an Tim heranzukommen, es gelang ihm einfach nicht. Timothy stand hinter ihm und schüttelte den Kopf. Der Kleine begriff ja gar nichts. Immer wieder hatte er sich blindlings auf ihn gestürzt und sich von der Wut über die Misserfolge leiten lassen, statt sein Ziel im Auge zu behalten. Da hatte er ja einen langen Weg mit dem Spund vor sich. Aber er war überzeugt davon, dass es sich lohnen würde. Auf den Lockenkopf konnte er noch stolz sein.
 

Die Unterlagen waren alles, was er noch brauchte. Dann hatte er alle Trümpfe in der Hand. JC hatte bereits gute Arbeit geleistet. Er würde sich auch diesmal um alles kümmern. Es war gut, dass sie zusammen arbeiteten und es diente ihrer beider Interessen. Sie würden erfolgreich sein, denn niemand wusste genug um sie auf zu halten. Und die, die ihnen hätten gefährlich werden können, waren entzweit. Also musste er nichts fürchten. Endlich rückten seine Wünsche in greifbare Nähe. Konnte es besser laufen? Nein, denn alles spielte ihm in die Hände. Das war es wert gewesen, Dooley dafür zu opfern.
 

Das Bett war unbequem und quietschte. Er hatte nicht gedacht, dass es solche Betten überhaupt noch gab. Jedes Mal, wenn er sich im Schlaf gedreht hatte, war er aufgewacht. Jetzt, als er aufstand, tat ihm der Rücken weh. Wie ein alter Mann kam er sich vor und schlurfte auch so ins Bad. Hier war die Lampe kaputt und alles lag im Halbdunkel. Irgendwas sagte ihm, dass es auch besser so war. Es war nämlich nicht sehr sauber. Das ließ das gesamte Zimmer vermuten. Alles war staubig, abgenutzt und schäbig. Colt wünschte sich einmal mehr seit seiner Ankunft zu Robin zurück. Ihre blauen Augen, ihr süßer Schmollmund und ihre Wärme fehlten ihm, als wäre er schon ein Jahr fort von ihr. Aber wie sollte er jemals mit ruhigem Gewissen vor den Altar oder an Dooleys Grab treten, wenn er nicht zu Ende brachte, was der begonnen hatte? Nach einer kalten Dusche, weil auch der Warmwasserhahn nicht funktionierte, machte er sich schließlich auf den Weg. Auf das Frühstück hatte er verzichtet, weil er nicht sicher wusste, wer es vor ihm gegessen hatte. Die kleinen Bars, die Spielhöllen und Schießhallen waren sein Ziel. Irgendwer hatte Dooley sicher mal gesehen. Ein blonder Lulatsch, der mit Vorliebe Guavensaft schlürfte, war sicher im Gedächtnis geblieben. Wenn Dooley in Schwierigkeiten steckte, warum war er nicht zu Colt gekommen? Er hatte schon immer mit zwielichtigen Typen zu tun. Von gefährlich zu sprechen, war die Untertreibung schlechthin. Die meisten davon waren am Abgrund zu finden. Dort, wo kein normaler Mensch sich freiwillig blicken ließ, wo man nur Verlierer, abgehalfterte Helden und Pack fand. Allerdings hatte dort sicher jeder von den Starsheriffs, und ganz besonders von Team Ramrod, gehört. Verdammt, wieso hatte er nicht früher daran gedacht, sich eine gute Tarnung zu zulegen? Colt steuerte geradewegs auf das nächste Einkaufszentrum zu. April würde sich hier wohl fühlen, stellte er fest, als er die unzähligen Geschäfte verteilt über fünf großzügige, hell erleuchte und bunt dekorierte Etagen sah. Ein Einkaufsparadies für Frauen. Für Männer die Hölle auf Erden. Aber wenigstens würd er hier finden, was er brauchte.
 

Commander Eagle runzelte die Stirn. Das hatte nicht passieren dürfen. Er war von Anfang an nicht recht mit der Vorgehensweise Dooleys einverstanden gewesen. Geheimnisse waren schwer zu kontrollieren und die Folgen, wenn sie gelüftet wurden, schwer absehbar. Doch Dooley hatte so vehement darauf bestanden und mit einem Anflug von schlechtem Gewissen, wegen der früheren, falschen Anschuldigungen, hatte Charles Eagle nachgegeben. Er hatte beweisen wollen, dass er Vertrauen in den ehemaligen Mitarbeiter des KOK hatte. Sachlich abzuwägen wäre klüger gewesen. Dann hätte er auf die Offenlegung des Falles vor der früheren Ramrod-Crew, insbesondere vor Colt, bestanden. Aber für „Was-wäre-wenn“-Überlegungen war es nun zu spät. Und ganz gleich, wie sicher Eagle war, dass die dadurch entstandenen Schwierigkeiten vermeidbar gewesen waren, sie waren nun mal da und es galt, den Schaden so gut wie möglich einzudämmen. Der Mord an Dooley machte ihn jedoch schwer zu schaffen. Auch das hätte nicht passieren dürfen. Das war unverzeihlich. Betrübt hob er nun den Blick von der Tischplatte und schaute auf Saber, der noch immer vor dem Schreibtisch stand. Er war eingetreten, hatte salutiert und Bericht erstattet. Während der Commander in seine eigenen Gedanken abgeglitten war, hatte sich der Recke nicht gerührt oder eine bequemere Stehposition eingenommen. Diszipliniert wie gewohnt. „Setz dich“, forderte ihn sein Vorgesetzter nun auf und wies auf den Stuhl. Der Recke nahm Platz. „Du musst Colt finden“, erklärte Eagle, obwohl er wusste, dass der Blonde dies als nächstes tun würde. „Wissen April und Fireball inzwischen Bescheid?“ fragte er dann. Saber nickte knapp. „Als damals die Untersuchungen über ein mögliches Fehlverhalten seitens Dooleys während der Überwachung des Konvois liefen, wurde er genau observiert. All seine Methoden, die Orte, von denen aus er operierte und ermittelte – alles wurde genau dokumentiert. Wir hatten zu prüfen, ob er alles in seiner Macht stehende getan hatte, um den Konvoi zu sichern. Da der Fall abgeschlossen ist, findest du die Akten im Archiv. Sie werden dir hoffentlich nützlich sein.“
 

Fein säuberlich aneinander gereiht, chronologisch sortiert, übersichtlich archiviert türmten sich die Akten zu unzähligen Fällen in einem riesigen, langen Kellerraum. Durch die vergitterten Fenster oberhalb in den Wänden und die Neonröhren war jeder Winkel erhellt. Über das gebohnerte Linoleum klackerten ihre Absätze. Saber folgte ihr geräuschlos die Reihen entlang. Die Kleine war ein hübsches, dunkelhaariges Wesen, dem die Uniform ausgezeichnet stand und die jede Möglichkeit nutzte um ihn anzuschmachten. Doch der Recke bemerkte es nicht. Sein Kopf steckte in dem Fall und er machte sich Sorgen um seinen Freund. Hoffentlich gaben ihm die Unterlagen einen brauchbaren Hinweis. Während sie in einem Aktenschrank kramte und dabei öfter als nötig mit der Hand durch ihr krauses Haar fuhr, zerbrach Saber sich den Kopf darüber, wie es dem schießwütigen Hitzkopf wohl ergehen würde. Wo hatte der mit der Suche nach Dooleys Mörder nur angefangen? Hatte er sich eine Tarnung zu gelegt? Würde Saber ihn dann überhaupt noch erkennen? Und konnte er ihn dann auch zur Vernunft bringen? Er seufzte unterdrückt. „Hier bitte.“ Die Kleine reichte ihm mehrere umfangreiche Mappen. Saber bedankte sich höflich, wofür sie ihn kokett anlächelte. Jetzt fiel ihm auf, wie geziert ihr Verhalten war nur um ihm zu gefallen. Konnten sie nicht einfach sie selbst sein? Chily interessierte es doch auch nicht die Bohne, was andere von ihr dachten. Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gebracht, erschrak er über sich selbst. War sie ihm gestern tatsächlich schon so vertraut geworden? Zumindest sein Herz schlug ein paar Takte anders. Ungewohnt. Reiß dich zusammen, mahnte er sich und folgte der Kleinen den Gang zurück zum Empfang, wo er den Erhalt der Schriftstücke bestätigte, bevor er diese ins Hotel mitnahm um sie durch zu sehen.
 

Pennyrile hatte nichts mehr von der Zeit des Kohleabbaus. Weite, saftige Weiden, dichte Wälder, Buschwerk, der Gesang von Vögeln, die Geräusche von Waldtieren und eine friedliche Atmosphäre waren in diesem Gebiet zu finden. Die grüne Ebene, über welche Fireball und Chily trabten, endete im Westen an einer steilen Felswand, an welcher sich die, für Irokesenstämme typischen, Langhäuser lehnten. Im Inneren dieses Berges fand man einst Kohle und sollte möglicherweise auch Alkalit vorkommen. Im Näherkommen sah man die Bewohner des Stammes ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen. Ganz so, als wären sie schon immer hier beheimatet und ahnungslos über die Gefahr, die ihnen wahrscheinlich drohte. „Das ist eine ganz andere Welt“, stellte Fireball fest. Chily nickte leicht. „Ich mag sie.“ Sie wies auf eine Gestalt, die nahe dem Dorf am Wiesenrand kauerte und über das Gras zu den beiden Reitern blickte. „Das ist Häuptling Hinun“, sagte sie. Jetzt erhob er sich und wartete, bis die Ankömmlinge ihn erreicht hatten. Das gelassene, freundliche Gesicht und die klugen, steingrauen Augen des Mannes, machten ihn für den Rennfahrer sofort sympathisch und erinnerten ihn an General Whitehawk, den er sehr respektierte. Hinuns Haar war ergraut. Wie die meisten Männer seines Stammes, trug auch er dem typischen Haarschnitt, jedoch ohne Federschmuck. Ein Mann seines Alters, so fand er, musste seinen Ruhm nicht mehr zur Schau stellen, weil er ohnehin bekannt war. Um seine Schultern hatte er sich eine gewebte Decke gelegt, die die Farbe und das Stammeswappen, vier weiße Rechtecke, in der Mitte ein Symbol, das an einen Nadelbaum erinnerte, auf lilafarbenden Grund. Kaum war Chily von Demons Rücken geglitten, hatte sie den alten Mann auch schon umarmt. „Aiyana.“ Er erwiderte die Begrüßung. „Wie geht es dir? Und wer ist den Begleiter?“ Nun stieg auch Fireball ab und reichte dem Häuptling die Hand. „Das ist Fireball. Ein guter Freund von Pallaton, “ stellte Chily ihn vor. Hinun nahm die angebotene Hand und drückte sie fest. „Ja“, sagte er. „Der Name passt. Du hast einen kräftigen Händedruck. Das gefällt mir.“ Damit führte er die beiden in Richtung der Häuser, die den Rennfahrer an die Gebäude eines Hangars erinnerten, die halbrunden Unterstände für Flugzeuge. „Nun, Aiyana. Was führt euch zu uns. Wie geht es Pallaton?“ Die Gefragte tauschte einen kurzen Blick mit dem Japaner. „Pallaton ist der Grund unseres Besuches. Ein guter Freund von ihm wurde ermordet, als er Untersuchungen über Pennyrile anstellte, “ antwortete sie dann. Hinun hob die Brauen und schenkte ihr einen aufmerksamen Blick. „Wie wurde er getötet?“ wollte er wissen. Chily unterdrückte den Ekel bei der Erinnerung an diese Nacht. Ein unbehaglicher Schauer fuhr ihr über den Rücken. Kalt. Eiskalt. Sie erzählte alles, was geschehen war. Wo und wie sie und Saber den Toten fanden, welche Nachricht hinterlassen wurde und dass auch der Sheriff der Geheimhaltung verpflichtet war. „Der Tod eines Verräters“, bemerkte der Häuptling, als sie geendete hatte, ohne jedoch eine Wertung in diese Worte zu legen. Es war eine Feststellung. „Aber das hat er nicht verdient“, schaltete sich Fireball in das Gespräch ein. „Dooley war kein Verräter. Trotzdem es zwischen ihm und dem KOK Schwierigkeiten gab, war er nie auf Rache aus, sondern auf Frieden.“ Der Indianer nickte verstehend. „Häuptling Hinun, wir müssen davon ausgehen, dass Dooley und auch Colts und Chilys Eltern einzig wegen Pennyrile ermordet wurden. Wer immer dahintersteckt, schreckt nicht davor zurück noch mehr Menschen zu töten, “ erklärte er dann. Jetzt blieb Hinun stehen. Seine Miene verriet, wie er das Berichtete überdachte und die Folgen für den Stamm. „Ich werde den Clanführerinnen davon erzählen. Eine Versammlung wird Einigkeit für die Zukunft bringen, “ meinte er dann. „Doch bitte, bleibt zum Essen und berichtet mir mehr, “ fuhr er fort. „Ich würde gern wissen, wie du und Pallaton euch kennen gelernt habt.“
 

Am späten Nachmittag verabschiedeten sich Chily und Fireball von Hinun und ritten zurück. „Darf ich was fragen?“ begann der Rennfahrer. Sie nickte. „Warum muss Hinun den Clanführerinnen Bescheid sagen. Ich dachte, er sei das Stammesoberhaupt und treffe die Entscheidungen?“ Diese Frage hatte ihm unter den Nägeln gebrannt, aber er hatte sie nicht früher gestellt, weil es ihm unpassend vorkam. „Nun“, antwortete sie. „Im Gegensatz zu vielen Vorurteilen sind die Frauen bei den Indianerstämmen nicht unterdrückt, sonder ihren Männern ebenbürtig, gerade weil sie im Stande sind, Kinder auf die Welt zu bringen. Aber die meisten Rechte und die meiste Entscheidungsgewalt haben die Frauen der Irokesenstämme. Hinun würde aus Respekt vor ihnen niemals etwas beschließen, ohne sie gefragt zu haben. Sie werden alles in einer Versammlung so lange beraten, bis sie sich wirklich einig sind. Wobei die Betonung auf Einig liegt. So etwas wie einfache oder Zweidrittel-Mehrheit gibt es bei den Irokesen nicht. Sie halten es nicht für demokratisch, weil die Stimmen der Minderheit an Bedeutung verlieren würden. Verstehst du?“ Bedächtig nickte Fireball. „Das gefällt mir irgendwie“, erwiderte er nachdenklich. „Es erfordert viel Überzeugungskraft und Verständnis Einstimmigkeit erreichen zu wollen und eben niemanden zu benachteiligen.“ Jetzt nickte Chily. „Das ist wahr.“ Schweigend ritten sie zurück. Jeder hing seinen Gedanken nach.
 

Robin und April hatten inzwischen ihre Sachen gepackt und die Ranch von Donna Joe verlassen. Sie wollten sie und deren Sohn nicht in die Sache verwickeln und am Morgen hatte sie mit dem Rennfahrer und Colts Jugendfreundin gemeinsam besprochen, dass sie vorläufig im Hause Adams bleiben würden. Sie sollten sich einfach einquartieren, hatte Chily erklärt. Zimmer gäbe es genug. BooYeah lag nun im Hof und blickte träge zu Demon und Angel in der Koppel rüber. „Hoffentlich kommen die beiden bald zurück. Es gefällt mir nicht, dass wir in Chilys Haus herumspazieren, als wäre es unser eigenes. Wir sind doch Gäste, “ meinte Robin, als sie mit April gemeinsam das Abendessen vorbereitete. „Ich glaube, dass Chily sich an so was nun überhaupt nicht stört. Sie ist doch in vielerlei Hinsicht recht unkonventionell, “ entgegnete diese, vermied es aber zu erwähnen, was sie beunruhigte um die Lehrerin nicht noch mehr aufzuregen. Tatsächlich war der jungen Wissenschaftlerin recht mulmig zu Mute, wenn sie daran dachte, dass sie in Gefahr schwebte. Dass lag weniger an der Gefahr an sich, solche Situationen kannte sie. Aber diesmal wusste sie nicht, wer ihr Gegner war und konnte nicht abschätzen, wie groß die Bedrohung war. Außerdem trug sie ein Kind unter ihrem Herzen. Jetzt hatte sie nicht länger nur die Verantwortung für sich selbst und die beiden anderen Frauen, sondern auch für das kostbare, fragile Leben in sich ihrem Bauch. Hoffentlich war sie dem gewachsen. Um das Thema abzulenken, bevor sie sich gegen womöglich gegenseitig die Köpfe heiß redeten, fragte der weibliche Starsheriff. „Du magst diese Chily, nicht wahr?“ Robin nickte zustimmend. „Ja, tu ich. Du nicht?“ April wiegte den Kopf grüblerisch hin und her. „Sie ist … ich weiß nicht.“ Sie zögerte, dann platzte sie heraus „Ich hatte schon den Eindruck, dass sie ganz nett ist. Aber ich finde sie ist auch furchtbar zickig.“ Unweigerlich schüttelte die Lehrerin den Kopf. „Ich hab festgestellt, dass sie die Menschen um sich herum ganz genau beobachtet. Jeden. Wenn Colt etwas erzählt, ist sie völlig auf ihn konzentriert. Saber hängt sie genauso an den Lippen.“ Sie strich sich das Haar hinters Ohr zurück. „Deine Schwangerschaft nur durchs Angucken festzustellen, ist nicht nur Erfahrung, dass ist Beobachtungsgabe.“ April ließ sich auf einen Stuhl nieder. „Hat man deshalb das Gefühl, dass sie einen durchschaut? Ich weiß nicht warum, aber ich könnte sie nie anlügen. Ich hab das Gefühl, sie merkt das sofort, “ meinte sie darauf. Bestätigendes Nicken. „Und sie sagt es dir dann auch ins Gesicht. Sie ist direkt und ehrlich.“ Robin lachte leicht, als sie weitersprach. „Und hat den Hang dazu einen zu überfahren, wenn sie es gut mit ihm meint. Als ihr nach Pennyrile wollte, haben Chily und ich uns sehr lange über sehr viel unterhalten. Ich verstehe jetzt sehr gut, warum Colt sie so mag. Mir geht es nicht anders. Dass sie manchmal meine Gedanken liest, daran muss ich mich noch gewöhnen, “ gab sie dann zu. Die werdende Mutter grinste schief. „Ja, dass ist echt gewöhnungsbedürftig, “ bestätigte sie. „Es wäre wahrscheinlich leichter, wenn sie einen dann nicht gleich überrollen würde, oder manche Sachen etwas weniger deutlich aussprechen würde.“ April seufzte unterdrückt, erhob sich und ging Robin mit dem Abendessen zur Hand. Pünktlich, kaum dass es auf dem Tisch stand, trafen Fireball und Chily ein. Während der Japaner von Hinun und dem Stamm berichtete, linste April zu Colts Jugendfreundin hinüber. Zum ersten Mal fiel ihr auf, wie deren Augen aufmerksam auf ihm ruhten, ohne ihn aufdringlich anzustarren und doch entging ihr kein Wimpernschlag. Beeindruckend, dass musste die Wissenschaftlerin zugeben.
 

Später am Abend schellte das Telefon im Hause Adams. Chily, die auf dem Sofa neben dem schnurrlosen Hörer saß, nahm das Gespräch überrascht an. Sie wusste nicht, was für einen Anruf sie erwarten sollte. „Hallo?“ – „Chily? Ich bin es, Saber.“ Ein erfreutes Lächeln huschte über deren Lippen. „Hi. Wie geht es dir?“ – „Ich fühl mich grad ein bisschen wie ein Dampfkessel, aber ansonsten... Bei euch alles klar?“ kam es vom anderen Ende der Leitung. „Wie ein Dampfkessel? Aha, unter Druck. Uns geht es so weit ganz gut. Sie tragen die Sache mit Fassung. Mehr oder weniger, “ erwiderte sie wahrheitsgemäß. Gelassen konnte sie ja schlecht sagen, so wie sie heut morgen begrüßt worden war.“ Sie hörte ihn erleichtert ausatmen. „Also keine Tobsuchtsanfälle bisher, find ich schon mal lobenswert.“ Sie wiegte den Kopf mit dem Hörer. „Na ja, wir waren nahe dran. Aber das ist glaub ich, verständlich. Wir machen uns doch alle Sorgen.“ Jetzt nickte er. Auch, wenn sie ihn nicht sehen konnte, war sie sich sicher. „Ja, ich weiß. Aber wir werden Colt finden, ich bin mir ziemlich sicher, dass wir mit ihm auch Tims Mörder finden.“ Sie zögerte und sah sich nach einer passenden Antwort suchend im Wohnzimmer um. In der Küchentür begegnete sie Fireballs Blick, der eben eingetreten war. „Ist das Saber?“ Sie nickte. „Wart mal kurz, Saber.“ – „Okay.“ Chily klemmte den Hörer in die Halsbeuge und wies dem Rennfahrer mit dem Finger an, den zweiten Telefonhörer zu nehmen. Dann tippte sie auf der Anlage herum und versuchte eine Telefonkonferenz herzustellen. „Alles klar?“ Fireball meldete sich. „Hi Boss.“ – „Oh, hi Fireball.“ Verlegenes Räuspern folgte, dem Chily entnahm, dass der Recke wohl seinen Freunden gegenüber ein schlechtes Gewissen wegen der Geheimniskrämerei plagte. „Also, die Unterlagen vom KOK geben grad noch nicht so viel her, aber irgendwo werden wir den entscheidenden Hinweis schon kriegen.“ Der Rennfahrer hob erstaunt die Brauen. „Wow, du bist ja richtig gesprächig, Superschwert“, konnte er sich eine Spitze nicht verkneifen. „Mehr wirst du aber nicht mehr zu hören kriegen, weil ich nicht mehr weiß.“ Der Blonde am anderen Ende der Leitung schmunzelte. „Wie ist die Lage bei euch?“ – „Na ja, ich ... wir alle eigentlich ... hätten ein paar Infos gern früher bekommen. Die Lage? Chily und ich waren bei Häuptling Hinun und haben ihm mal erzählt, was wir so wissen, “ informierte der Gefragte nüchtern. „Sie werden Rat halten und alles besprechen, “ fügte Chily hinzu. „Zwei Worte, Fireball: Top Secret,“ kam es bestimmt durch den Fernsprechern. „Der Stamm muss auf alle Fälle mit einem Angriff rechnen. Alles deutet darauf hin.“ Die kleine Hebamme versprach: „Das werden sie sicher.“ Gleich darauf knurrte der Japaner missmutig in den Hörer: „Top Secret kannst du dir in die Haare schmieren. Hierbei geht es schließlich um Colt und damit um einen Freund. Man ...“ Das letzte Wort galt allerdings Chily, die neben ihm vor der Station der Telefonapparates stand und ihn dafür mit dem Ellenbogen in die Rippen gestoßen hatte. „Was hast du denn heute im Essen gehabt? Die ganze Sache war Aufgabe des Oberkommandos und deine EDM hab ich im Archiv verstauben gesehen, Fireball.“ Den tadelnden Blick dazu konnte man durch die Verbindung sehen. „Aha“, schnappte der. „Was soll das heißen? Dass ich hier bleiben soll und Däumchen drehen …aua.“ Grollend schaute er auf die Blondine neben sich, die ihm wieder geknufft hatte. „Ich denke, wir machen da wieder mal eine Ausnahme. Wann kommt ihr, April und du?“ Der errötete leicht und war froh, dass der Recke es nicht sehen konnte. „Ich komme, so bald ich weiß, wo ich dich finde. Und sag der Raubkatze neben mir, sie soll mich in Ruhe lassen. Vielleicht hört sie auf dich mehr.“ Saber runzelte die Stirn. „Und was ist mit April? Stellst du sie als Personenschutz für Robin und Chily ab?“ – „Der Personenschutz wird aus mir für April und Robin bestehen“, erklärte die Blondine und boxte dem Rennfahrer für die „Raubkatze“ auf den Oberarm. Es tat ihr allerding mehr weh als ihm und sie schüttelte ihre Hand. Entnervt entfuhr es dem Prügelknaben: „WEIB!“ Da es kein Bildtelefon war, wunderte sich Saber sehr, über das, was da wohl am anderen Ende der Leitung gerade passierte. „Was ist bei euch los?“ – „Lass es mich so formulieren“, erklärte der Japaner. „Ich hab es hier mit einer kratzwütigen Raubkatze, einer besorgten Braut und einer werdenden Mutter zu tun.“ Neckend kam es zurück. „Chily, hör auf Fireball zu schlagen, ich brauch ihn an einem Stück.“ Das konnte sich der Recke bildlich vorstellen, dann ratterte es in seinem Kopf. Mutter? „Wie bitte? Werdende Mutter? Colt und Robin werden Eltern?“ Kurzes Schweigen folgte. „Ähm nö“, räusperte sich die Hebamme. „Die werdende Mutter ist jemand anderes.“ Und Fireball fügte trocken hinzu: „Colt ist nicht der einzige, der eine Beziehung hat.“ Dann konnten die beiden sehen, wie dem Gesprächspartner der Mund aufklappte und er ungläubig den Hörer an starrte. Eine Weile herrschte Stille. „Ihr zwei seht euch ja noch nicht mal regelmäßig!“ Sabers eher konservative Erziehung machte es ihm schwer sich vorzustellen, dass Paare nicht erst zusammen zogen und heirateten bevor Kinder kamen. Aber genau das war geschehen. Fireball und April führten gerade ein Jahr lang eine Beziehung, in der noch jeder sein eigenes Reich hatte. Recht frisch und nach Ansicht des Recken etwas zu frisch für Nachwuchs. Der Rennfahrer musste grinsen. „Aber wir sehen uns und haben reichlich Zeit dafür.“ – „Der Klapperstorch war es jedenfalls nicht“, stellte Chily sachlich fest. „Jaja, ist ja schon gut“, ertönte es durch den Fernsprecher. „Wann kommst du nun?“ – „So bald ich weiß, wo du dich rumtreibst. Sagte ich doch. April wird zwar sicher nicht so glücklich sein, aber sie ist ja bei Chily in, wen auch gewöhnungsbedürftigen, aber guten Händen. Genauso wie Robin, “ entgegnete der Gefragte sicher. „Yuma. Ich hol dich am Flughafen ab. Also mach dich auf die Socken. Alles andere klären wir, wenn wir Colt wieder mithaben und die Zeit dafür finden.“ Fireball nickte. „Okay.“ Damit legte er den Hörer auf und klinkte sich aus dem Gespräch aus um ein paar Sachen für einen Kurztrip zu packen. Chily hielt noch die Leitung. „Saber?“ – „Ja, bin noch dran.“ Zögernd begann sie: „Ähm, also April ist etwa in der dritten Woche. Nur so zur Info. Sie und Robin bleiben bei mir, wenn du uns also erreichen willst, dann nur hier, “ meinte sie dann um das Gespräch nicht schon beenden zu müssen. „Okay. Dann passt aufeinander auf, ja?“ Sie schaute auf die Ladestation. „Tun wir. Du weißt ja, ich hab Winnie, “ erwiderte sie. „Ich weiß. Wir kommen so bald wie möglich wieder.“ Sorge um die drei Frauen hörte sie im Unterton. „Gut. Und das bitte am Stück und lebend, “ versuchte sie schwach zu scherzend. Gern hätte sie noch gehört, dass er ihr noch etwas Persönliches sagte, aber er tat es nicht. Durch seinen Kopf schwirrten andere Informationen, die er auswerten musste, machte sie sich dann klar. Dennoch klang ihr „Bis bald“ ein wenig traurig. „Keine Sorge, ich bringe Colt zurück“, versicherte er ihr. „Ich weiß. Ciao.“ Er erwiderte den Abschiedsgruß und legte auf.
 

Die Verkehrsverbindung zwischen dem recht abgelegenen Tucson-City und Orten wie Yuma war nicht sehr gut ausgebaut und umständlich, so dass Fireball erst am nächsten Morgen am Flughafen der Großstadt eintraf. Bis er endlich auschecken konnte, war eine weitere Stunde vergangen und der halbe Vormittag war um. Saber erwartete ihn gut sichtbar am Ausgang. Trotz der Menschenmassen, die hier hinausströmten, sahen sich die beiden von weitem. „Hallo, Daddy“, grüßte der Recke mit leichtem Grinsen. „Hallo Schweiger“, erhielt er gereizt zur Antwort und das Grinsen verging ihm. „Wenigstens erlebe ich nicht nach neun Monaten eine Überraschung, Fireball“, stellte der Blonde trocken fest und schlug den Weg zum Hotel ein. Der Rennfahrer folgte ihm. „So wie du das sagst, klingt es, als wäre das was schlechtes“, beschwerte Fireball sich. „Übertrieben toll ist es aber auch nicht, “ befand der Kritisierte. Die Miene des Freundes verdüsterte sich. „Es ist besser, als die Überraschungen für die du gesorgt hast. Ansonsten finde ich den Gedanken gar nicht so schlecht Vater zu werden. Auch wenn es etwas früher kommt, als gedacht war, “ gab er zurück. „Du hast gedacht?“ Skeptisch hob der Recke die Braue. „Sieht nicht so aus.“ Die Brauen des Japaners zogen sich weiter zusammen. „Das kann ich gleich zurück geben. So großartig hast du ja auch nicht nachgedacht, als du entschieden hast, Top Secret über deine Freunde zu stellen, “ blaffte er. „Keiner konnte wissen, wie das ausartet. Bei dir sind die Folgen hinreichend bekannt.“ Damit schob Saber die Hände in die Taschen. Das war ja eine schöne Begrüßung. Gewitterstimmung trotz Sonnenschein. Was stimmte denn nicht mit ihm, dass er neuerdings überall aneckte? „Ja, darauf kann sich jeder einstellen, im Gegensatz zu dem Chaos, dass du verursacht hast. Robin schlief gestern Nacht bei Chily ein. Besser gesagt, sie hat sich bei ihr in den Schlaf geweint.“ Strafend guckte ihn der Rennfahrer an. „Dann lass uns mal zusehen, dass wir den Bräutigam mit den kalten Füßen auftreiben. Deine Abreibung kriegst du später, wenn ich Zeit und Nerven habe. Einfach unsere Navigatorin zur Mutter machen, “ erwiderte der Schotte und rollte die Augen. Als ob der Fall an sich nicht schon schwierig genug war, kam jetzt auch noch eine, seiner Meinung nach unter diesen Umständen, etwas unglückliche Schwangerschaft und ein verstimmter Freund hinzu, der ihm sein schlechtes Gewissen noch schwerer machte, als es ohnehin schon war. „Da gehören bekanntlich zwei dazu“, warf dieser Freund nun zurück. „Und sollte der Bräutigam den Drang verspüren, dir eine reinhauen zu wollen, ganz ehrlich Boss, ich werd ihn nicht davon abhalten.“ Der Angesprochene hob träge die Schultern. „Wie du meinst. Und nun: Allez hopp, wir müssen noch mal zu Commander Eagle, “ versuchte er das unangenehme Gespräch abzubrechen. Doch Fireball hatte noch etwas auf dem Herzen. „Darf ich dir noch was ehrlich sagen? Ich weiß ja nicht, was Sincia mit dir angestellt hat, aber du solltest dir mal wieder ein paar Emotionen zu legen. Dein Verhalten der letzten Tage ist selbst für dich reichlich kühl.“ Das hatte gesessen. Innerlich war der Recke zusammen gefahren, doch das verbarg er hinter seiner üblichen, sachlichen Miene. „ Dir würden ein paar Emotionen weniger manchmal auch ganz gut tun, aber ich reib es dir trotzdem nicht unter die Nase …“ – „Kannst ein paar von mir haben, “ warf Fireball ein. „Lass uns gehen, bevor Colt einen Kapitalbock schießt und jede Hilfe zu spät kommt, “ beendete Saber nun endgültig den Dialog.
 

Später suchte Fireball Saber in dessen Hotelzimmer auf und begann ihm zu helfen, die Akten durchzusehen. Mit dem Gedanken im Hinterstübchen bald Vater zu werden, war er jedoch nicht ganz bei der Sache. Für ihn war es zwar nicht so unvermittelt gekommen, wie für seine Freundin, doch Gewissheit zu haben, war auch nicht immer nur beruhigend, wie er feststellte. Mit den Eigenarten der kleinen Hebamme kam er nicht so recht klar und ihn selbst hatte überrascht, dass er so überzeugt sagen konnte, dass April bei ihr in guten Händen war. Selbst jetzt hatte er keinerlei Bedenken. Auch, dass April eine gute Mutter werden würde, stand für ihn fest. Nur an seinen Qualitäten als Vater hatte er Zweifel. Er versuchte sie bei Seite zu wischen und sich auf den Brief, der vor ihm lag, zu konzentrieren. „Forensic Institut, 21 Jump Street …“ Sie brauchten eine gemeinsame, größere Wohnung. Seither hatten April und er die Zeit, die sie für einander hatten, entweder in ihren oder seinen vier Wänden verbracht. Aber sich auf einen Wohnsitz festzulegen, daran hatten sie noch nicht gedacht. Oder sollten sie sich lieber nach einem Haus mit Garten am Stadtrand umsehen? Kinder waren schließlich gern draußen und eine Großstadt bot, bis auf Parks und Spielplätze, doch die Möglichkeit, jeder Zeit im Freien zu toben und zu spielen. Außerdem stellte der lebhafte Straßenverkehr für Kinder doch immer wieder eine Gefahr dar. So in Gedanken vertieft, bemerkte Fireball nicht, wie Saber ihm die Mappe wegzog und sie eingehend studierte. Dass sein ehemaliger Pilot angesichts der unerwarteten Neuigkeiten andere Sorgen hatte, überraschte den Schotten nicht sonderlich. Er hatte schon damit gerechnet, dass die Recherche an ihm hängen bleiben würde. Saber war dabei aufgefallen, dass Dooley immer in den gleichen Motels abgestiegen war um zu ermitteln. Eine Adresse hatte er dabei öfter als alle anderen genutzt. Vielleicht sollten sie dort als erstes nach Colt suchen? Der kannte Dooley schließlich wie kein zweiter und würde wahrscheinlich auch dort zu erst mit der Suche nach dessen Mörder beginnen. Die Adressen der Motels hatte der Recke fein säuberlich in einem Notizblock aufgeschrieben, nach Häufigkeit des Aufenthalts sortiert. Andere Anhaltspunkte gaben die Akten gerade nicht her. Morgen, so begann er sich gedanklich einen Plan zu rechtzulegen, würden sie mit Commander Eagle die Vorgehensweise besprechen. Anschließend mussten sie zu den Frauen zurückkehren und sich darauf vorbereiten die Motel-Liste abzuarbeiten. Dafür veranschlagte er grob zwei Wochen, davon ausgehend, dass Colt ihnen etwa drei bis vier Tage voraus war. Wenn sie ihn einholten, musste Saber ihm alles erzählen, was er wusste. Das würde unangenehm werden, davon war er überzeugt. Der Scharfschütze hatte sicher immer noch eine Mortzwut auf ihn und konnte es ihm nicht mal verübeln. Saber hoffte nur inständig, dass sie Colts Fährte nicht verloren oder zu spät kamen. Also mussten sie noch morgen Abend aufbrechen. Aller spätestens jedoch übermorgen vor Sonnenaufgang war es Zeit sich davonzumachen.
 

Er stieß Fireball sacht an und riss ihn aus seinen Gedanken. „Geh schon April anrufen und sag ihr, dass du gut angekommen bist. Ich bringe derweil die Unterlagen ins Archiv zurück, “ meinte er leicht. Perplex stellte der Rennfahrer fest, dass es inzwischen fast schon Abend war und er Saber im Grunde kaum geholfen hatte. Ehe er die Chance hatte, sich dafür zu entschuldigen, war der Recke schon zur Tür raus.
 

Als Saber sein Zimmer wieder betrat, war es leer. Natürlich hatte Fireball sich sofort in seine eigenes begeben und April angerufen. Zum ersten Mal seit langem froh über seine Einsamkeit ließ der Schotte sich aufs Bett fallen und starrte an die Decke. Zu allem, was ihm schon durch den Kopf geisterte, kam jetzt auch noch die krause, schwarzhaarige Archivangestellte, mit ihrem gekünsteltem Lächeln und den furchtbar klackernden Absätzen, hinzu. Die Schuhe konnten schlecht bequem sein. Warum zog sie sie nicht einfach aus? Saber schloss die Augen und rieb sich die Schläfen. Die frostige Stimmung zwischen ihm und Fireball würde wohl noch eine Weile andauern. Sehr viel anders würde die Laune zwischen ihm, Robin und April wohl auch nicht sein. Mit dieser wenig berauschenden Aussicht und dem Geklapper der Absätze noch im Ohr, fragte er sich, ob Fireball wohl noch die Leitung blockierte oder sein Gespräch mit seiner Freundin schon beendet war. Kurz entschlossen schwang er die Beine wieder aus dem Bett und hockte sich auf die Kante an der Nachttischseite, wo das Telefon stand. Er wählte Chilys Nummer. Zweimal ertönte das Freizeichen, dann wurde abgenommen. „Hallo?“ hörte er sie verwundert fragen. „Hey, Chily.“ Er versuchte so unverfänglich wie möglich zu klingen. „Ich wollte nur kurz nachfragen, wie es bei euch aussieht?“ – „Saber?“ Sie war eindeutig überrascht. Offenbar war sie nicht davon ausgegangen, dass er öfter als nötig anrief. Schließlich lenkte es ja von der Arbeit ab. „Den Umständen entsprechend gut, danke“, erwiderte sie. Er schwieg kurz, wusste nicht so recht, was er sagen sollte. „Ja? Ist bei Robin und April alles okay?“ brachte er schließlich hervor, bevor die Stille zu lang und zu peinlich werden konnte. „Na ja, Robin versucht tapfer zu sein. Und April geht es ganz gut. Von den üblichen Schwangerschaftssymptomen bleibt sie bis jetzt verschont, “ berichtete sie und fragte ihrerseits nach. „Und wie geht es bei euch? Hat Fireball dir sagt, was auch immer er zu sagen hatte? Geht es ihm jetzt besser?“ – „Was hätte er sagen sollen?“ wollte er verwundert wissen. „Na, er war in letzter Zeit leicht gereizt. Denk doch nur mal an das letzte Gespräch, bevor er zu dir gekommen ist. Da war doch eine Aussprache fällig, dass war ja deutlich, “ gab sie leicht zur Antwort. „Ach, das meinst du, “ erinnerte er sich. „Fireball ist leicht durch den Wind, ihm wird erst langsam klar, welche Verantwortung er zu übernehmen hat, das macht ihn wohl nervös.“ Er hörte sie neben her hantieren. „Möglich“, bekräftigte sie seine Vermutung. „Könnte auch an mir liegen und der doch sehr diskreten Weise, wie ich ihm und April gesagt hab, dass sie schwanger ist, “ ergänzte sie dann. „Warst du wieder in fremden Köpfen unterwegs? Na, dann ist es kein Wunder, dass Fireball genervt ist.“ Sie konnte ihn schmunzeln hören. Dann ging ihm noch ein Licht auf. „Momentmal, du hast beiden gesagt, dass April schwanger ist?“ Jetzt musste er lachen. „Ich wäre zu gern dabei gewesen.“ Die Gesichter der beiden hätte er wirklich gern gesehen. Sie schlug sich leicht mit der Hand gegen die Stirn. Das war ihr unangenehm. „Hör bloß auf. Ich erkenn mittlerweile Frauen in anderen Umständen. Nur April hatte bis dahin noch keine Ahnung und ich hab es ausgesprochen, als müsste es ihr klar sein. Gott …“ – „Die ganze Sache ist eigentlich nicht so komisch, aber hätten sie vorher nachgedacht, wär es gar nicht so weit gekommen. Unsere Nesthäkchen werden Eltern. Ich bin gespannt, was Aprils Vater zu der Geschichte sagt, “ meinte er. „Tja, geplättet waren beide. Wir werden sehen, was passiert. Jedenfalls war es ein Fettnäpfchen a la Bullet, “ gab sie zurück. Wieder kehrte einen Moment lang Schweigen ein. „Chily?“ Sie spürte, dass Saber zu dem eigentlichen Grund seines Anrufes ansetzte. „Ja? Was ist?“ Er räusperte sich verlegen. „Wie geht es dir?“ fragt er dann. Der Grund, weshalb er sie angerufen hatte, war, dass er an sie denken musste und sie ihm als einzige Person einfiel, die in der augenblicklichen Lage über seinen Anruf freuen würde. Er hörte sie lächeln. „Ich glaube, ganz gut. Es liegt keiner mehr neben an, der mich um den Schlaf bringen könnte. Ich bekomme jetzt also reichlich davon.“ – „Oh“, entfuhr es ihm enttäuscht. Das hatte er nicht so unbedingt hören wollen. „Ach weißt du, Schlafen ist furchtbar langweilig. Angel ist übrigens beleidigt, weil nachts niemand mehr auf ihr reitet, wenn sie, Demon und ich losziehen, “ stellte sie ihre erste Aussage liebevoll richtig. „Wir kommen morgen zurück, “ antwortete der Recke milde. „Mein Begleiter ist neuerdings furchtbar anhänglich und möchte zu April. Wir werden uns beeilen, versprochen.“ Wieder lächelte sie. „Das ist gut. Dann kann ich Angel ja schon mal trösten. Sie wird sich freuen.“ Ob die Stute sich freuen würde, war Saber eigentlich weniger wichtig. „Und du? Wirst du dich auch freuen?“ brachte er angestrengt hervor. Es war doch noch recht schwierig, jemanden hinter seine Fassade sehen zu lassen. „Was stellst du für Fragen? Natürlich tu ich das, “ kam es prompt von ihr zurück. „Du ...“ Sie holte tief Luft. „Du fehlst mir.“ Er fehlte ihr. Sein Herz begann schneller zu schlagen. „Ich vermisse dich auch“, gestand er sanft. Fireball betrat in diesem Moment das Zimmer und hörte den letzten Satz. Überrascht entfuhr es ihm: „Wow, telefonierst du wieder mit Sincia?“ Der Recke riss geschockt die Augen auf und wand sich zum Rennfahrer um. Seine Worte waren offensichtlich auch für Chily verständlich genug gewesen, dann die Geräusche vom anderen Ende der Leitung verrieten, dass sie den Hörer hatte fallen lassen und rasch wieder aufhob. Verwirrt und aufgeregt ertönte ihre Stimme wieder. „Du hast sie angerufen? Du hast wieder Kontakt zu ihr?“ – „Nein“, rief er aufgebracht zurück. Das durfte sie nicht denken. Die kleine Hebamme atmete tief und versuchte, so ruhig wie möglich zu sprechen. „Am Telefon kann jeder lügen. Sogar ich. Kannst du mir das auch ins Gesicht sagen, wenn wir uns wiedersehen?“ fragte sie, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. „Ja, kann ich, Chily“, entgegnete Saber fest. Fireball kappte der Kiefer ins Bodenlose. „Gut. Hoffen wir es. Tschüs Saber.“ – „Tschüs.“ Der Blonde unterdrückte ein Seufzen und legte auf. Einen Moment lang herrschte Schweigen.
 

Beide waren geplättet über die Situation, die entstanden war. „Das war Chily?“ fragte der Rennfahrer perplex. Er war tatsächlich eher davon ausgegangen, Saber würde versuchen die Beziehung zu Sincia wieder aufleben zu lassen. Dass er Grund hatte Chily anzurufen, konnte Fireball sich überhaupt nicht vorstellen. „Schon mal was von Diskretion gehört?“ fragte der Recke streng zurück. Es war kaum eine Minute her, da hatte er das Gefühl gehabt, Chily stünde ganz sicher auf seiner Seite. Ein Fakt, den er bei April und Robin nicht genau wusste, dafür aber davon ausgehen konnte, dass bei seinen ehemaligen Kollegen eben das Gegenteil der Fall war. Jetzt hatte er vielleicht auch noch Chilys Unterstützung verloren. „Nicht so viel wie du“, gab der Japaner sofort provozierend zurück. Saber verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte den anderen mit einem tadelnden Blick. „Aber deine Eltern haben dir schon beigebracht, nicht in fremde Telefongespräche zu quatschen, oder?“ hakte er trocken nach. Deutlich angegriffen wehrte der Rennfahrer ab. „Entschuldige, ich hab nicht gedacht, dass sie es hört. Ich hab mich nur gewundert.“ - „Die Einsicht kommt etwas spät. Das nächste Mal warte bis ich aufgelegt hab. Dann kannst du deine Kommentare vom Stapel lassen, “ versuchte Saber das Thema abzuhaken. Er würde ja doch bis morgen warten müssen, bis er Chily sah, um herauszubekommen, wie dramatisch das Ganze wirklich für sie war. Fireball, der von der Verschwiegenheit seines früheren Bosses alles andere als begeistert und enttäuscht von dessen kühler Reaktion auf die Schwangerschaft war, hatte keine Schwierigkeiten damit sich erneut angegriffen zu fühlen. „Herrgott krieg dich wieder. Das war doch bloß Chily. Du tust ja grade so, als hätte ich eine Ehekrise heraufbeschworen.“ Wie nah er damit den Fakten kam, ahnte er nicht mal. „Das ist dasselbe, als wenn ich frage würde, ob du mit Mandarin telefonierst, wenn du BLOSS“ Das Wort hatte einen abfälligen Unterton. „ mit April telefonierst“, konterte der Schotte. „Das kannst du doch gar nicht vergleichen. Wenn du das machen würdest, wäre es mein Todesurteil. Wenn ich das mache, was ist schlimmes daran. Ich meine, es ist ja nicht grad so, würde was zwischen dir und Chily laufen, “ entgegnete Fireball verständnislos. Was machte Saber denn für ein Drama daraus? „Ja, ich merke schon, Denken ist immer noch nicht deine Stärke.“ Die Miene des Blonden verdüsterte sich allmehlig. Die Hinweise waren doch wohl klar und deutlich. Wieso zählte der werdende Vater nicht einfach eins und eins zusammen? Weil es für ihn nur schwer vorstellbar war. „Bitte? Du willst mir nicht allen Ernstes erzählen, dass ausgerechnet du … und ausgerechnet Chily…“ Er brachte den Satz gar nicht zu Ende, so unglaublich war es für ihn. „Ich will dir gar nichts erzählen“, erklärte Saber. Das wollte er grad wirklich nicht mehr. „Aber du und Feingefühl. Das ist wie Tag und Nacht, “ fügte er noch hinzu. Der Japaner parierte gleich. „Wenigstens hab ich sonst noch Gefühle und mutiere nicht zum Eisblock. Du und Chily, das wäre wie Tag und Nacht, “ konterte er. Obwohl Chily ja emotional genug für beide, sich und Saber, war. „Jaja, dein Flämmchen lodert zu jeder Tages- und Nachtzeit und gelegentlich kommt auch ein Feuersturm dabei raus. Und jetzt zerbrich dir nicht den Kopf über Dinge, die dich nichts angehen, “ murrte der Recke zurück. Fireball verschränkte abweisend die Arme vor der Brust und bedachte den Schotten mit einem abschätzenden Blick. „Aha“, kam es frostig von ihm. Saber seinerseits hob die Brauen. „Was?“ Der Gefragte schüttelte den Kopf. „Na, denk mal nach, was du grad gesagt hast“, meinte er. Die Aussage über die Flämmchen empfand Fireball als derben Tiefschlag. Für ihn hatte Saber, vor allem wenn der Rennfahrer noch an die vorherigen Reaktionen dachte, spätestens jetzt deutlich gemacht, dass er ihn und April für verantwortungslos und unüberlegt hielt. Was ihn daran am meisten verstimmte, war, dass er sich scheinbar nicht so auf seinen ehemaligen Boss verlassen konnte, wie er angenommen hatte. Der erkannte, dass er auf dem Eis zwischen sich und Fireball ausgerutscht war. Aber was sollte er jetzt noch sagen? Der Gesichtsausdruck des Japaners war für eine Entschuldigung nicht gerade ermutigend. Im Gegenteil. „Ach, lass mich doch in Ruhe!“ brummte Saber schließlich düster. „Gern.“ Schon war der Rennfahrer aus dem Zimmer verschwunden. Na herrlich. Der Recke sackte frustriert aufs Bett. War er denn neuerdings mit zwischenmenschlichen Beziehungen völlig überfordert und nicht mehr in der Lage, damit um zu gehen? Hatte er verlernt ein Freund zu sein?
 

Nein, den Typen da kannte er nicht, verriet der Blick in den Spiegel. Noch nie gesehen. Wenn er selbst sich nicht erkannte, würde ihn auch sonst niemand identifizieren. Zwar war sein Aussehen noch nicht perfekt, aber bald. Er fuhr sich über das pechschwarze Haar. Es war vielleicht noch drei Millimeter lang, seitlich und am Hinterkopf völlig abrasiert. „Ich hoffe, du weißt es zu würdigen, Dooley.“ Bevor er weiterzog, gab er noch ein Paket an die Adams Ranch auf. Dann verließ er die Stadt. Er musste sich beeilen und die Sache schnell zu Ende bringen. Sie sollte nicht zu lange auf ihn warten müssen.
 

Während der Besprechung mit Commander Eagle war dem die gespannte Stimmung zwischen Fireball und Saber aufgefallen. Charles nahm sich deshalb viel Zeit, den Rennfahrer über alles zu informieren und genau darzulegen, wessen Ansichten die getroffenen Entscheidungen hauptsächlich beeinflusst hatten. Der Befehlshaber der Sektion West hatte richtig vermutet, weshalb sein Schwiegersohn in spe auf den Recken sauer war. Von dessen anderem Grund dafür erfuhr er vorläufig noch nichts. Der Japaner hielt es für besser, dass April ihrem Vater selbst die Botschaft überbrachte. Saber dachte genauso und ließ ebenfalls keinen Ton darüber verlauten.



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