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Western Spirits

von

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I see lies II

Es schien Colt, als hätten seine Kollegen vergessen, dass er Teil des Teams war und den Fall genauso bearbeitete wie sie. Er hatte sich schon vorgenommen ihnen dafür gehörig die Leviten zu lesen, als er sich an etwas erinnerte, was Dooley ihm oft gesagt hatte. Gelegentlich war es von Vorteil übersehen zu werden. Denn dann konnte man besser beobachten. Und genau das würde er tun. Wenn es seinen Freunden nicht auffiel, wie er in einer Ecke saß und ein Auge auf alles hatte, würden es Suzie und Mandarin ganz sicher noch weniger bemerken. Was man da so beobachten konnte, war schon interessant. Zum Beispiel seine Jolene und Saber, die so lange sie ihre Arbeit hatten, sich problemlos darauf konzentrieren konnten. Wenn sie sich sahen, klebten sie nicht wie Kletten an einander, fanden aber oft genug Grund sich kurz liebevoll zu streicheln oder zu küssen. Er musste zu geben, dass die zwei ein süßes Paar waren, aber nur vor sich selbst, aussprechen würde er das nie. Suzie, so stellte er fest, betrachtete oft ein Foto mit verträumtem Blick. Es schien, als vermisse sie ihren Freund. Fireball behandelte Mandarin wie ein rohes Ei und stellte beinahe jede Aussage klar, damit es ja keine Missverständnisse gab. Der rothaarige Starcaptain verhielt sich ungewöhnlich befangen, als hätte sie Angst eine Grenze zu überschreiten. Das war gar nicht ihre Art. Wie genau diese Beobachtungen zu werten waren, wusste Colt noch nicht. Aber brauchbar waren sie sicher.
 

Mit der Behauptung er wolle Robin eine kleine Pause gönnen, bat Colt seine beiden Freunde ihm zum Arzt zu begleiten. Die beiden glaubten ihm die Begründung zwar nicht, doch nach den jüngsten Vorfällen war klar, dass dem Kuhhirten etwas unter den Nägeln brannte. Nachdem sie die Praxis verlassen hatten, schleifte er sie in ein Steakhause und platzierte sie in einer abgelegenen Nische am Ende des Lokals. „Meine Güte, du machst vielleicht einen Aufstand nur weil Chily dir zu gesund kocht“, stichelte der Rennfahrer, als sie bestellt hatten. Der Scharfschütze wischte das Statement mit einer Handbewegung zur Seite. „Nein, Fireball, ich glaube, diese Geheimniskrämerei hat eine andere Ursache“, meinte der Recke und war gespannt auf das, was kommen würde. Der Cowboy nickte. „Natürlich“, erwiderte er. „Oder bin ich der einzige, der sich wundert, dass die Botschaften wieder angefangen haben seit wir unsere Unterstützung im Haus haben?“ Überrascht schaute Fireball ihn an. „Was soll das heißen?“ fragte er, obwohl er sich die Antwort denken konnte. „Dass wir vielleicht en Stinktier im Haus haben, dass für einen guten Pups seine ganze Sippe verrät“, kam es ungeduldig zurück. „Ich hab es ja nicht im Kopf. Ich sehe doch, dass Chily und Robin algerisch auf Suzie sind. Und mit dir und Mandy ist auch was nicht in Ordnung, “ führte Colt nun aus und wies dabei mit dem Finger auf den Japaner. Der wurde rot. „Kommt schon, Jungs“, fuhr er fort dann. „Das kann euch nicht entgangen sein.“ Saber schüttelte den Kopf. „Nein, diese Spannungen sind deutlich. Aber das heißt nicht, dass eine der beiden in den Fall verwickelt ist. Wir haben mit beiden schon zusammen gearbeitet und wissen deshalb, dass sie gute Starsheriffs sind, “ antwortete er. Colt schaute ihn an, als hätte er gesagt, dass der Himmel grün und das Gras blau sei. „Was bist du denn für ein Genie?“ wunderte er sich aufrichtig. „Das ist weit über ein Jahr her. Sehr weit. In der Zwischenzeit kann sich einiges geändert haben. Sieh doch nur uns an. In den letzten sechs Monaten wurden wir ins Koma befördert“ Dabei deutete er auf sich. „haben uns in Hebammen verknallt“ Sein Finger wanderte auf den Recken. „und deren Arbeitsplatz gesichert.“ Er zeigte jetzt auf den Rennfahrer. „Und das ist nur das, was geschehen ist, seit wir uns wiedergesehen haben. Was ist also alles in der Zeit davor und nach unserem Abschied passiert? “ erklärte er und schüttelte fassungslos den Kopf. Wieso war das denn bitte so unlogisch? Der Schotte staunte nicht schlecht. Das war offensichtlich, was Colt sagte. So offensichtlich, dass er es übersehen hatte. „Dann sollten die Pennyrile-Akten aber aus dem Haus verschwinden“, erwiderte er. Bevor er etwas ergänzen konnte, sagte der Cowboy. „Schon geschehen. Nach der ersten Botschaft hab ich Chily darum gebeten.“ Weder der Blonde noch der Japaner konnten ihre Verwunderung länger verbergen. Colt war ihnen ja ein gutes Stück voraus. „Wohin?“ fragte Fireball. „Wohin hat sie sie gebracht?“ Der Kuhhirte hob die Schultern. „Weiß ich nicht. Ich habe ihr gesagt, es sei egal, wann die wohin verschwinden. Sie hat es inzwischen längst erledigt. Spätestens nach dem netten Liebesgeflüster. Und bevor ihr fragt: Sie weiß nichts von dem Liebesbrief. Wenn es drauf ankommt, ist sie einfach nur da.“ Die ungläubigen Gesichter seiner Freunde waren kaum mehr zu überbieten. „Wir sollten dich regelmäßig ins Koma legen“, brachte Fireball nach einer Weile hervor. „Okay, ihr Trantüten. Wie soll es weiter gehen?“ Eine Weile herrschte Schweigen. Gedankenverloren aßen sie. „Das ist“, begann Saber dann. „sicher nicht die netteste, aber wohl die wirkungsvollste Methode. Wir verpassen den beiden einen Sender. Darüber können wir sie überwachen und sollten am schnellsten und sichersten rausfinden, wann sie wo sind und was sie tun. Das wird die ganze Angelegenheit hoffentlich bald klären.“ – „Und unsere Mädchen?“ wollte Fireball wissen. „Chily ist schon aufgeregt deshalb. Für April wird das nicht so gut sein und Robin soll nur weiter so versuchen, etwas aus mir herauszubekommen.“ Bei den letzten Worten umspielte ein anzügliches Lächeln Colts Lippen. Verwirrt begann der Rennfahrer: „Will ich wissen …?“ – „Nein, willst du nicht“, unterbrach ihn der Blonde. Die Gedanken des Kuhhirten standen dem schließlich ins Gesicht geschrieben.
 

In der Zwischenzeit hatten Mandarin und Suzie versucht, die Stimme auf dem Recorder zu entzerren. Jedoch erfolglos. Die Software, die für die Unkenntlichkeit der Töne verantwortlich war, weigerte sich hartnäckig den Sprecher zu entlarven. Frustriert schlenderten die Beiden für eine kleine Pause zum Haus und traten durch die Hintertür in die Küche. Dort waren Chily und Robin dabei Ordnung darin zu schaffen. Der Tag war sonnig und warm und lud förmlich dazu ein, an etwas Schönes zu denken. Fröhlich begann die Hebamme zu singen. „Lost in kaleidoscope skies, I am hypnotized … when you look in my eyes … Lost in kaleidoscope skies, I get so high … when you look in my eyes.” Damit steckte sie Robin an, die das Geschirr abtrocknete. „Drippin' away, when you look in my eyes … In a kaleidoscope of dangle hope … and Chrystal lullabies.” Sie lächelten sich zu. „You've spoken truth, you've spoken lies …” Mandarin hätte gleich mit summen können, aber für Suzie schien die gute Laune nur Salz in der Wunde des Frustes zu sein. „Oh bitte, sind wir hier beim Supertalent?“ Erschrocken verstummte die Lehrerin. Chily ließ sich nicht beirren. Sie brauchte eine gewisse Leichtigkeit zurück, oder sie würde bald unter der Situation einbrechen. „I finally realize that ...“ Harsch unterbrach die Hochgewaschene sie. „Könntest du jetzt mal realisieren, dass mir dein Gefiepe auf die armen Ohren geht?“ Das wirkte in etwa so, als hätte jemand den Stecker aus der Musikbox gezogen. „Könntest du realisieren, dass mir egal ist was du willst“, gab sie zurück. „Das merkt man“, schnappte die große Blonde unwirsch. „Wie kommt ihr überhaupt dazu, so einen Krach zu veranstalten?“ Erstaunt sah die Hebamme sie an. Hatte sie gerade richtig gehört? Sie hatte Saber versprochen, sich zurückzuhalten, aber das musste sie doch wirklich nicht einfach einstecken. „Tickst du eigentlich noch ganz richtig im Oberstübchen. Das ist immer noch mein Haus. Ich kann hier so viel und so laut und so falsch singen wie ich will, “ antwortete sie und versuchte ihren Ärger zu unterdrücken. Suzie tat das nicht. „Bei dir wird bald etwas ganz anderes singen, das versprech ich dir“, grollte sie. „Soll ich Saber sagen, dass du mir Ärger machst?“ Dieser Besen mochte vor ihr keine Achtung haben, vor dem Recken hatte sie die jedoch und eine kleine Erinnerung würde hoffentlich für Ruhe sorgen. Auch Mandarin versuchte zu vermitteln. „Hört doch auf, euch anzugiften. Man könnte ja glauben, ihr buhlt beide um den Säbelschwinger, “ scherzte sie, aber mit gegenteiliger Wirkung. Suzie sah sie nicht mal an, sonder streckte nur den Arm leicht in deren Richtung, den Zeigefinger voraus. „Der Besen sagt der Hexe jetzt zum allerletzten Mal, dass sie sich da raushalten soll. Geh und verschönere Fireball die freie Zeit, Mandarin, aber geh mir nicht auf die Nerven, “ fauchte sie die Kollegin an, die sofort erschrocken zusammen fuhr, und ließ ihren Arm auf Chily deuten. „Und du, kleine Freundin von unserem aller Helden, hör gefälligst auf, mich anzumaulen, “ verbat sie sich. Empört schoss die zurück. „Wer mault hier wen an? Ich sing nur vor mich hin und du machst ein Drama draus.“ – „Es wär kein Drama, wenn du nur eine einzige Note treffen würdest“, parierte die Hochgewachsene. Würde sie die Gegenwart des Besens nicht so sehr stören, hätte sie sich womöglich beherrschen können, doch nun war diese Antwort der Tropfen gewesen, der das Fass zum überlaufen brachte. „Gleich treff ich was anderes.“ Die Bratpfanne vom Abwasch, die sie beim Eintreten der beiden Frauen hatte aufräumen wollen, hatte sie noch in der Hand und holte nun aus. Robin fuhr rasch dazwischen und griff nach der Pfanne in Chilys Hand. „Lass die Pfanne los, Chily. Lass sie los, “ beschwor sie die Hebamme. Suzie war einen Schritt zurück gewichen. „Du erkennst deinen Angreifer nicht, selbst wenn er vor dir stünde“, spottete sie. „Der Besen hat mehr Glück als Verstand“, brummte Colts Jugendfreundin und ließ die Pfanne los. „Ist ja auch logisch.“ Chily wandte sich ab und wollte mit ihrer Arbeit fortfahren, als die Hochgewachsene feststellte: „Du hast Glück, dass wir hier sind.“ Gab die denn keine Ruhe? „In deinem Fall ist es eine Strafe“, fuhr die Hebamme herum. „Ich erkenne einen Angreifer nicht, wenn er vor mir steht? Ich schaue gerade einen an, Suzie Skrupellos.“ Zum ersten Mal hatte sie den Grund für ihre Abneigung ausgesprochen. Nur konnte sie den wiederum nicht beweisen. Aber die Angesprochene fragte auch nicht danach. „Skrupellos sind diejenigen, die euch ans Leder wollen. Obwohl ich sie sehr gut verstehen kann, “ stichelte sie weiter. „Jetzt hör endlich auf! Kaum sind die Jungs mal unterwegs musst du das Gezicke nachholen, dass du sonst unterdrückst, “ begehrte auch Robin, ihrer Freundin beistehend, auf. „Dein lieber Fastgatte sagt dir doch die Hälfte nicht, Robin. Nein, er erzählt dir maximal ein Drittel, “ grinste sie fies zurück. „Als ob du etwas über ihn wüsstest, dass ich noch nicht weiß“, schnappte die Lehrerin. „Oder das interessant genug wäre, es zu wissen“, ergänzte Chily. Mandarin hätte gern auch etwas dazu gesagt, doch der Tiefschlag, den Suzie ihr verpasste hatte, hatte gewirkt. Der ganze Vorfall mit Fireball war ihr unsagbar peinlich und ganz sicher wollte sie nicht, dass irgendwer davon erfuhr. Es war schon schlimm genug, dass ihre Kollegin wohl etwas mitbekommen hatte. „Genug, meine Damen, genug, “ versicherte die gerade von oben herab. „Ja, klar. Du lügst doch, wenn du den Mund aufmachst. Gar nichts weißt du.“ Damit rauschte Chily aus der Küche und rief zurück. „Robin? Mandy? Helft ihr mir kurz auf der Koppel?“
 

Bloß schnell ablenken und sich beruhigen, sonst konnte sie für nichts mehr die Verantwortung übernehmen. „Sofort!“ Der Rotfuchs eilte ihr nach. „Bring nicht noch mehr Zwist rein, Suzie, ich warne dich.“ Dann folgte auch Robin den beiden. „Mach dir nichts aus dem blöden Spruch. Robin und ich wissen, dass die Eule da drinnen Unsinn erzählt, “ beruhigte Chily auf dem Weg Mandarin. Deren Betroffenheit war ihr aufgefallen auch wenn sie nicht wusste, was genau sie daran so berührt hatte. Sie war zu aufgebracht um es der Schweigsamen anderweitig ansehen zu können. Die Angesprochene nickte nur. „Haltet ihr Demon und Angel“, sagte Colts Jugendfreundin. „Ich muss den Boden harken.“ Dann verschwand sie in der Scheune und holte das Gerät. Robin griff nach Angels Zügel und führte die Stute aus dem Gatter. Mandy tat dasselbe mit Demon. „Ich könnt Suzie manchmal“, machte die Lehrerin ihrem Unmut Luft. „Allmählich bin ich ganz froh, wenn die Herren der Schöpfung wieder kommen“, bestätigte der Starcaptain dunkel. „Wem sagst du das?“ Chily trat aus der Scheune und begann den Boden der Koppel zu lockern und zu ebnen. „Kommt ihr gut mit dem Fall voran?“ fragte sie dabei um auf ein anderes Thema zu kommen. „Ja, so mehr oder weniger“, wich Mandarin aus. „Aha, du sollst nicht drüber reden um uns“ Sie zeigte auf die Lehrerin und sich selbst. „zu beunruhigen“, erkannte sie sofort. „Wir reden nicht darüber, weil ihr Hühner uns sonst im Weg seid und unsere Arbeit behindert“, erklärte Suzie, die sich unbemerkt den dreien genähert hatte, kalt und trat zur Hebamme ins Gatter. „Davon musst du ja was verstehen. Du tust es nämlich grad. Hau ab da, “ wurde sie angeschnauzt. War die schon wieder da? Das konnte nicht gut gehen. „Ja, Koppel ausmisten ist ja auch ein Dienst an der Menschheit, wirklich“, bemerkte die Hochgewachsene hochnäsig. „Ehrlich, dich sollten wir in der Nacht aussetzen, damit sie dich auch wirklich erwischen.“ Robin zog die Brauen hoch. Wie war die den drauf? „Beweg deinen Arsch zur Seite, bevor ich nachhelfe, du Wichtigtuerin, “ warnte Chily, die ihre Grenze erreicht hatte. Noch ein falsches Wort, noch eine Provokation und sie würde die Kontrolle verlieren. „Nach Botschaft eins und zwei von deinem heimlichen Verehrer solltest du dich dankbar zeigen, dass ich immer noch auf dich aufpasse“, kommentierte Suzie und stellte sich genau auf die Stelle, an der die Hebamme arbeitete. Die sah Rot. „Es reicht.“ Mit der Harke fuhr sie vor und schlug nach dem Bein der großen Blondine. Die hob es um dem Schlag zu entgehen, verlor aber das Gleichgewicht und fiel rittlings zu Boden. Robin schnappte erschrocken nach Luft. Nicht nur, dass Chily wie Colt unberechenbar war, wenn man sie bis zum äußersten reizte, auch von zwei Botschaften hatte sie noch nichts gewusst. „Suzie!“ Mandarins Mahnung kam zu spät. „Um dich ist wirklich nicht schade“, schimpfte die Hochgewachsene nun ungehalten. „Da war Dooley schon mehr wert!“ Dann schwieg sie abrupt. Chily presste ihr mit zornfunkelnden Augen die Harke auf Dekolleté, so dass die Zinken auf das Gesicht der von ihr so Verabscheuten zeigte. „Du bist das mistigste, hinterhältigste Stück, das mir je begegnet ist“, schrie sie außer sich.
 

Im nächsten Moment riss ihr jemand die Forke aus der Hand und von Suzie weg. „Hey!“ rief Fireball erschrocken. Saber umfasste Chily von hinten her so, dass er ihre Arme an ihren Oberkörper drückte um sie von weiteren Gewalttaten abzuhalten. „Was soll denn das?“ Er zog sie ein Stück von der Liegenden weg und ließ diese sich erheben. „Kann man Frauen echt keine fünf Minuten alleine lassen?“ schimpfte Colt und kam eilends zur Koppel gehumpelt. Chily wütete und tobte in dem Griff des Recken und versuchte sich zu befreien, doch der ließ sie nicht los. „Ist gut, hör auf jetzt“, mahnte er sie energisch, doch vergebens. „Der Zickenterror steht mir langsam bis hier!“ grollte Colt und deutete ein reichliches Stück über die Hutkrempe an. Währenddessen schaffte Chily es sich heftig vom Recken zu lösen und fuhr den Scharfschützen an. „Frag mich mal, Bullet. Frag mich mal.“ Dann rauschte sie zum Haus. Sie musste sich beruhigen. Saber folgte ihr sofort.
 

Fireball half Suzie auf die Füße. Die klopfte sich mit beiden Händen den Dreck von der Uniform. „Mich interessiert das jetzt brennend“, begann er und schaute Mandarin an, weil er darauf hoffte, dass sie die unparteiischste Antwort auf seine Frage geben würde. „Wer hat angefangen?“ – „Was spielt das für eine Rolle?“ fragte statt dessen Robin zurück. „Es ist eskaliert.“ Sie hob die Harke auf und brachte sie zurück in die Scheune. „Auch wieder wahr“, gab er zu. „Aber andere Männer müssen für so ein Schauspiel eine Menge Moos hinblättern“, versuchte er zu scherzen. „Da ihr nichts gezahlt habt, habt ihr das Beste verpasst“, murmelte der Rotschopf ohne ihn anzusehen und trollte sich auf Ramrod zurück. „Was hab ich genau verpasst?“ wollte Colt nun von Suzie wissen. „Nur das Theater, dass“ Sie blickte zur Scheune, aus der Robin wieder auf den Hof trat. „Das Wortgefecht vorher“, antwortete sie dann. „Klar“, meinte der Rennfahrer spöttisch. „Weswegen wollte dich Chily zu Stroh verarbeiten, mein kleiner Besen?“ Die schaute ihn düster an. „Ich hab mich nur verteidigt. Das wird ja noch erlaubt sein.“
 

„Colt! Wir zwei haben zu reden.“ Der Ton mit dem Robin ihm das mitteilte verhieß nichts Gutes. „Echt?“ fragte er unschuldig und bekreuzigte sich gedanklich. „Ja!“ antwortete die Lehrerin streng. „Und jetzt flott!“ Auf die Erklärung zu seinem Schweigen bezüglich der Botschaften war sie doch sehr gespannt. „Flott geht grad nicht. Aber ich tu, was ich kann.“ So schnell er konnte hinkte er auf sie zu.
 

„Wovor?“ bohrte der Rennfahrer weiter. „Um Gottes Willen, Suzie, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, sonst verlier ich die Geduld.“ Kühl sah ihn die Angesprochene an. „Verbal verteidigen. Dass mit deiner Geduld nicht soweit her ist und du nicht auf April warten kannst, hat Mandy schon erwähnt, “ konterte sie dann. „Ist das dein Bier?“ fragte er empfindlich getroffen. „Mein Bier hol ich mir jetzt in einer Bar. Bis später.“ Damit verließ sie scharfen Schrittes das Grundstück. „Weiber!“ Hatte Mandarin sie etwa eingeweiht, oder warum wusste Suzie von etwas, dass sie nicht wissen sollte? „Fireball, kannst du bitte“ Robin wies mit dem Kopf aufs Haus. „Der lahmt.“ Sie deutete auf ihren Zukünftigen. „Ich geh lieber da lang“, meinte er und schlug den Weg zu Ramrod ein. Was auch immer Robin so verstimmte, es war sicher gesünder weit weg von ihr zu sein.
 

Die Hintertür flog so schwungvoll ins Schloss, das es keine Zeit zum Zuschnappen hatte und die Tür wieder aufging, gerade damit der Recke nach Chily hindurch gehen konnte. „Was war los?“ verlangte er fest zu wissen. „Nichts“, antwortete die Hebamme bissig und rang um Ruhe. „Krieg ich fürs nächste Nichts auch die Mistgabel an die Brust gesetzt?“ Da sie mit dem Rücken zu ihm stand, drehte er sie nun zu sich herum. „Was war los?“ wiederholte er eindringlich und sah sie mahnend an. „Das war eine Harke“, schnaubte sie zurück und machte sich von ihm los. „Macht es auch nicht besser“, bemerkte er. Sie schwieg verbockt. Das musste er anders beginnen, wenn er brauchbare Antworten wollte. „Was hat Suzie getan?“ Mit düsterer Miene presste die Hebamme zwischen den Zähnen hervor. „Nichts.“ Gott, wieso konnte sie nicht endlich ruhiger werden? „Wie war das noch mal mit der Wahrheit zwischen uns?“ versuchte Saber den Vorfall nun anders zu ergründen. Deswegen war es ihr so schwer. „Die willst du doch gar nicht hören“, schrie Chily rasend. „Du willst nicht hören, dass Suzie einen Streit vom Zaun gebrochen hat, nur weil ich in meinem Haus gesungen hab. Du willst auch nicht hören, dass sie mich eben absichtlich bei der Arbeit behindert hat, genauso wenig wie du hören willst, dass sie der Meinung ist Dooleys Verlust sei tragischer als meiner. Das willst du doch gar nicht hören. Suzie tut sowas nämlich nicht. Sie ist nämlich ein Starsheriff.“ Die Lautstärke schwoll mit jedem Wort mehr an und zu guter Letzt überschlug sich ihre Stimme beinahe. So war es nicht schwer für ihn alles genau zu hören. Dann packte er sie energisch an den Oberarmen. „Beruhige dich doch! Du weißt nicht, was ich hören will. Und ja, sie ist ein Star Sheriff, aber die sind nicht unfehlbar. Kein Mensch ist unfehlbar, Jolene. Ich bin es auch nicht.“ Sein Kopf suchte nach einer Lösung. So konnte es nicht einen Tag länger weiter gehen. „Ich werde euch beide voneinander trennen“, meinte er dann. Verstimmt befreite sie sich wieder aus seinem Griff. „Ja, genau. Toll. Sperr deine hysterische, paranoide Freundin sonst wohin, “ grollte sie und tigerte aufgebracht durch die Küche. „Das hab ich mit keinem Wort behauptet, “ musste er entschieden klarstellen. Du lieber Himmel, wer hätte gedacht, dass seine Jolene so aus der Haut fahren konnte. Er fuhr sich durchs Haar. „Suzie bleibt von jetzt an auf Ramrod“, bestimmte er dann. „Nein, Saber“, setzte sie sofort zum Widerspruch an. „Ich will, dass sie verschw ...“ Nein! Halt! Stopp! Das ging nicht! Sie konnte nicht von ihm verlangen, dass er Suzie, die er als Verstärkung angefordert hatte, mit der Begründung zurückschickte, dass seine Freundin sie nicht ausstehen konnte. Das war lächerlich. Das war indiskutabel. Das wusste sie, trotz ihrer Wut. „Okay“, lenkte sie knurrend ein. „Ramrod.“ – „Danke“, antwortete er erleichtert. Er hatte schon eine unschöne Debatte befürchtet. „Ihr zwei könnt absolut nicht miteinander, das hab ich jetzt eingesehen“, gestand er dann. Chily wurde laut. „Lang genug hat es gedauert. Ich habe es dir gleich gesagt ...“ Sie brach ab. Nein, sie würde gleich nur Unsinn von sich geben, denn sie ja doch nicht so meinte. Außerdem spürte sie Tränen der Wut in ihren Augen. Schwungvoll drehte sie sich um und verließ die Küche.
 

Wiederum folgte er ihr. „Ja, hast du. Und es tut mir leid, “ lenkte er ein. „Das nächste Mal hör ich sofort auf dich.“ Chily blieb stehen und schüttelte den Kopf. „Hahaha“, kam es bitter von ihr. „Das kannst du gar nicht, egal, wie sehr du es versuchst. Mach dir doch nichts vor.“ In dieser Aussage steckte das Gefühl, er hätte sie seither nicht zu ihr gehalten, wenn es um Suzie gegangen war. Sie klimperte die Tränen weg und drehte sich zu ihm um. Ihre Aussage war offensichtlich auch ein fieser Treffer geworden. „Scheint so“, erwiderte er knapp. Da hatte sie was angerichtet. „Wir wissen beide dass es stimmt. Du bist der Verstand, ich das Herz, “ versuchte sie ihn rasch zu beschwichtigen. „Allein taugen wir nicht viel aber zusammen ...“ Ach Blödsinn, dass half nichts. Sie senkte den Kopf „Ich hab es nicht so böse gemeint, wie es geklungen hat. Verzeih mir bitte, “ murmelte sie kleinlaut. „Weißt du, was mein Verstand dazu sagt?“ fragte er kühl und machte in Richtung der Küche kehrt. Statt der heißen Wut, die bis eben in Chily getobt hatte, erfüllte nun kalte Angst sie. Sie ging ihm nach. „Ich sage, was ich denke. Wenn ich wütend bin, denke ich nicht mehr, “ erklärte sie zaghaft. „Saber bitte.“ Er stand in der Tür und hob die Hand, mit der Innenseite zu ihr. „Gib mir fünf Minuten, sonst sind sich Herz und Verstand einig“, sagte er. Beschämt ließ sie sich auf das Sofa neben ihr sinken. „Es tut mir so leid“, entschuldigte sie sich so leise wie aufrichtig. „Ich weiß.“ Die Küchentür schloss sich hinter ihm. Was sie gesagte hatte, stieß ihm sauer auf. Der ganze Fall, vor allem, dass er keinen der Fehlschläge hatte verhindern können oder auch nur einen Schritt näher an Jean-Claude und Maddox herangekommen war, rieb seine Nerven auf. Hinzu kam die Sorge um seine Freunde und seine Jolene. Colt war verletzt worden. Aprils Schwangerschaft wurde immer wieder gefährdet und Jolene wieder bedroht. Als ob dies aber noch nicht reichen würde, musste die reizende Hebamme sich auch noch mit Suzie permanent in den Haaren liegen. Er wollte lieber nicht wissen, was neuerdings auch noch mit Mandarin los war. Zu all dem Übel hatte er wahrscheinlich noch einen Verräter im Team. Dieser Streit mit Jolene war unter diesen Umständen ganz einfach mehr als er vertragen hatte. Seine Nerven lagen blank. Das einzige Ventil für ihn war nun, hier wo ihn hoffentlich niemand hörte, zu fluchen, was sein förmlicher Sprachschatz hergab. Warum um alles in der Welt hatte seine Jolene ihm auch noch widersprechen müssen? Sie machte ihn wahnsinnig und in diesem Fall war das nicht positiv. Genauso wenig wie ihre unbezähmbare Leidenschaft, die im Augenblick mehr Fluch als Segen war. Diese kleine, Furie. Warum konnte sie nicht einfach machen, was er gesagt hatte? Weil sie ihren eigenen Kopf hatte. Sie war viel zu unabhängig um sich an Anweisungen zu halten, die für sie keinen Sinn machten oder die sie in irgendeiner Form für ungerechtfertigt hielt. Und weil sie es nicht konnte. Wie sehr auch ihre Nerven angespannt waren, war eben deutlich geworden. Trotzdem hatte sie eingelenkt, nachgegeben. Teilweise nur ihm zu Liebe. Sincia hätte das nie getan. Egal. Jolene hätte sich nie gefügt, wenn sie ihn nicht lieben würde und ganz bestimmt hatte sie aus diesem Grund auch versucht sich zu beherrschen. Was hatte sie gesagt? „Ich verspreche dir, es zu versuchen, nicht das es klappt.“ Eine ehrliche Antwort. Ehrlich, wie sie eben war. Saber blickte zur Uhr. Die fünf Minuten waren um. Zeit zurück zu gehen.
 

Er öffnete die Tür zum Wohnzimmer wieder. „So, da bin ich wieder, “ murmelte er. Sie antwortete nicht. Noch immer saß sie auf dem Sofa, hatte aber ihre Beine angezogen und ihre Arme darum geschlungen. Jetzt hob sie den Kopf und sah ihn an. Die letzten fünf Minuten hatte sie nur geweint. So sah sie aus. „Hast du geweint?“ fragte er sie, als er sich zu ihr setzte. Sie schüttelte den Kopf und schluckte die Tränen runter. Offensichtlich, dass sie log. „Wegen Suzie?“ wollte er wissen. „Nein“, kam es jammervoll zurück. „Dann tut es mir leid“, antwortete er. Seine Gelassenheit hatte er wieder. „Was ... was meinst du?“ stammelte sie verunsichert und betete, dass er ihr jetzt nicht sagte, dass er genug von ihr hatte. „Dass ich dich zum Weinen gebracht hab, das tut mir leid“, erwiderte er. „Ich hab noch mehr als das verdient“, gab sie einsichtig zu. „Ach quatsch“, wiegelte er ab. „Bilde dir nichts ein“, lächelte er schief. Die Flüche hatte sie doch hoffentlich nicht gehört. „Ich bilde mir nichts ein. Du schwindelst schon wieder, “ sagte sie und schniefte unglücklich. „Konntest du mich hören?“ hakte er vorsichtig nach. „Nein, ich kann es mir denken. War wohl besser, dass ich nichts gehört hab.“ Natürlich, ihre Intuition. „War nicht sehr schottisch“, gestand er und legte ihr die Hand auf den Arm. „Also, wieder alles vergeben und vergessen?“ fragte er versöhnlich. „Das muss ich dich fragen“, schniefte sie kleinlaut zurück. „Ich weiß, ich hab Müll von mir gegeben und ich hatte überhaupt ... ich meine, ich weiß, du versuchst mich zu verstehen und, “ stammelte sie aufgewühlt. „Ja, da ist er wieder, der Verstand.“ Saber lehnte sich zurück. „Was hab ich falsches gesagt?“ Ratlos sah sie ihn an. Leicht schüttelte er den Kopf „Ja, ich versuch dich zu verstehen. Aber nur, weil ich das nicht immer kann, weil meine Erfahrung etwas anderes sagt, als deine Intuition darfst du mich nicht gleich wieder anfahren. Ich kann für meinen Überschuss an Verstand nichts, damit bin ich geboren worden, verstehst du?“ erinnerte er sie eindringlich. Sie legte ihre Beine auf den Sitz und kam leicht auf ihn zu. „Kann ich ihn haben?“ fragte sie betreten. Alles vergeben und vergessen. „Gibst du mir denn auch deinen Überschuss an Herz?“ fragte er zurück und breitete die Arme aus. „Kannst alles haben.“ Erleichtert ließ sie sich an seine Brust sinken. „Meine Jolene“, murmelte er in ihr Haar und schloss sie in seine Arme. Wieder brach sie in Tränen aus. Er wischte sie ihr liebevoll fort. „Nicht weinen, Jolene. Nicht weinen.“ – „Ich dachte, du“, schniefte sie. „Ich dachte, jetzt wär es vorbei.“ Er drückte sie wieder an sich. „Da braucht es schon mehr als verletzende Worte, Jolene.“ Sie presste sich noch näher an ihn. Sie hatten gestritten. Sie hatten sich versöhnt. Sie hatten sich. Was wollten sie mehr?
 

Der Recke war nicht der einzige, der sich einer unliebsamen Auseinandersetzung stellen musste. Colt behagte es überhaupt nicht, wie Robin sich drohend vor ihm positionierte und auch noch die Fäuste in die Hüften stemmte. „Okay. Erkläre mir!“ forderte sie scharf. Der Cowboy schaltete auf naiv. „Ich war mit Fire und Saber beim Arzt.“ Aber die Lehrerin hatte kein Verständnis für seine Verharmlosung. „Du kannst gleich noch mal gehen“, erklärte sie laut und zwang sich gleich wieder zur Ruhe. „Wieso weiß ich nichts von ZWEI Drohungen?“ wollte sie dann wissen. „Suzie hat Chily zwei Mal gedroht? Echt?“ tat er unschuldig. „Tu nicht so, Colt. Du weißt verdammt genau was ich meine, “ fuhr sie ihn an. Der Kuhhirte wusste, dass sie gleich platzen würde vor Wut und Ungeduld. Es war klüger einzulenken. „Chily hat einen Kassettenrecorder gefunden“, begann er. Ihre Augenbrauen zogen sich erstaunt nach oben. „Vorm Haus.“ Es war offensichtlich, dass er versuchte, sich aus der Affäre zu ziehen. „Du windest dich wie die Klapperschlange mit der du alles und jeden vergleichst“, bemerkte Robin trocken. „Aber wenigstens bin ich nicht so krumm, dass ich mich im Schatten eines Korkenziehers verstecken könnte“, versuchte er zu scherzen. Ihr strenger Blick mahnte ihn. „Na gut, es hat zwei Drohungen gegen uns gegeben“, gab er deshalb zu. Seine Braut wurde blass. „Wann?“ Ihr Zorn begann in Aufregung zu kippen, die irgendwann sicher in Angst umschlug. „Nachdem Hexe und Besen aufgetaucht sind, hat es angefangen“, räumte er ein. „Warum hast du mir nichts gesagt?“ bohrte sie weiter. „Weil ich dir keine Angst machen wollte, ganz einfach“, antwortete er seufzend. Was für ein Verhör. „Dafür erfahr ich es von Suzie. Ich hätte es lieber von dir gehört, “ erklärte sie bestimmt. „Suzie“ Den Namen dehnte er bis zur Unkenntlichkeit. „hätte ja auch gar nichts sagen dürfen. Ich kann doch wirklich nicht riechen, dass sie sich nicht an Befehle hält, “ verteidigte Colt sein Verhalten. Die Art, wie er das machte, verhinderte den Umschwung von Robins Aufruhr zur Furcht. „Komisch, du schließt doch sonst immer von dir auf andere“, konterte sie schnippisch. „Das war unfair, Schatz. Ich wollte doch nur nicht, dass du dir Sorgen machst.“ Verunsichert schielte er unter der Hutkrempe hervor. „Das war dann wohl nichts. Colt, bitte. Dir musste doch klar sein, dass ich irgendwann mal darauf komme, “ fuhr sie fort ihn unter Druckt zusetzen. „Wär alles so gelaufen, wie es hätte sollen, hättest du nie davon erfahren, “ entgegnete er etwas patzig. Wieso hatte Suzie ihre Klappe so weit aufreißen müssen? Jetzt hatte er einen Ehestreit am Hals und war noch nicht mal verheiratet. Dabei hatte er seine Zukünftige nur schützen wollen. „Oder erst dann, wenn der Typ auf die Idee gekommen wäre, Chily nicht nur zu drohen, sondern dem auch Taten folgen zu lassen, “ schnaufte die nun. „Wie hättest du mir bitte erklären wollen, wenn sie womöglich angegriffen worden wäre?“ Eine gute Frage. Er schluckte leicht. „So weit wird es nicht kommen, Schatz. Niemand wird hier angegriffen, solange wir hier sind, “ versicherte er darauf. „Genauso wenig, wie jemand bedroht wird, solange ihr hier seid. Richtig?“ schoss sie ihm eine unangenehme Feststellung um die Ohren und drehte sich um. „Ich hoffe, der Arzt kenn noch einen guten Chiropraktiker. Du wirst heute nämlich auf der Couch schlafen, “ erklärte sie über die Schulter. „Baby, bitte. Nicht das!“ flehte er unglücklich. „Es tut mir leid, hörst du? Ich konnte ja nicht ahnen, dass das Wort Zickenterror hier so wörtlich zu nehmen ist. Ich wollte dich doch nur nicht beunruhigen, dir keine Angst machen, “ beschwor er sie. „Tja, das hast du auch nicht, sondern Suzie. Dafür muss ich leider feststellen, dass du mir immer noch nicht alles erzählst und eigentlich hatte ich gedacht, dass du aus unseren letzten Gesprächen zu dem Thema irgendwas begriffen hättest, “ meinte sie dumpf. „Das hab ich doch auch... Aber... Aber...“ Wie sollte er das wieder in Ordnung bringen? Im Moment schien er sich von Robin eher entfernt zu haben, als das er ihr noch etwas näher gekommen wäre. Aber sie durfte nicht gehen. Sie sollte die Mutter seiner Kinder werden. Irgendwann einmal. „Du hast heute das Gegenteil bewiesen.“ Damit schritt die Lehrerin auf das Haus zu. Sie selbst war aufgebracht und enttäuscht über sein neuerliches Schweigen. Eilig humpelte er ihr hinterher. So durfte sie nicht gehen. Es musste doch noch einen Satz geben, der sie davon abhielt ihn so einfach zurück zu lassen. „Ich liebe dich, mein Schatz. Und ich wollte dich schützen. Ich wollte nicht, dass dir etwas passiert, Robin. Zählt die gute Absicht dahinter denn gar nichts?“ rief er ihr nach und Hilflosigkeit schwang darin mit. Er musste sie erreichen. Wieso konnte er nicht schneller vorwärts kommen? Er setzte die Krücke auf den Boden und stütze sich darauf, doch zu hastig. Die Stelze bot nicht die nötige Sicherheit, war nicht fest genug auf dem Boden und Colt fiel der Länge nach hin.
 

Robin fuhr herum. „Colt, alles okay?“ Mit einem Satz war sie bei ihm und half ihm wieder auf die Beine. Egal, wie verärgert sie gerade war, sie konnte ihn so nicht liegen lassen. „Jetzt kriech ich vor dir im Staub und du verzeihst mir nicht“, klagte er. „Dabei tu ich das alles doch nur, weil ich dich liebe.“ – „Dann lieb mich lieber nicht, wenn es bedeutet, dass du mir nicht die Wahrheit sagst“, erwiderte sie und drückte ihm die Krücke in die Hand. Doch die interessierte ihn gerade gar nicht und fiel auf den Boden zurück. Er griff nach Robins Hand. „Robin, bitte. Ich will dir ja die Wahrheit sagen, aber nicht, wenn ich dabei Angst um dich haben muss. Ich will dich nicht verlieren, weil ich mit dir alt werden will. Ich will dich nicht verlieren, nur weil ich dich beschützen wollte, “ flüsterte er warm, aber mit gesenktem Kopf. Mit der anderen Hand stützte er sich, leicht wankend, an ihrer Schulter ab. Zärtlich fuhr sie mit ihrer freien Hand über seine Wange und ließ sie in seinen Nacken gleiten. „Und ich will mit dir zusammen sein. In guten wie in schlechten Tagen. Wie kann ich das, wenn du so tust, als würde es keine schlechten geben. Colt, ich weiß, du wolltest nur mein bestes, aber das will ich auch für dich und das bedeutet, dass wir das hier vor allem zusammen durchstehen sollten. Wenn ich nicht weiß, dass ich in Gefahr bin, wie soll ich dann selbst auf mich aufpassen in den Momenten, in denen du mal nicht bei mir bist? Wenn ich nichts weiß, bin ich doch erst recht eine leichte Beute. Und dann hat sich das mit dem Alt werden schneller erledigt, als wir wollten, “ erklärte sie eindringlich. Der Scharfschütze schloss die Augen und genoss ihre Liebkosung. Wie klug und zärtlich sie doch war. „Es tut mir leid, mein Schatz.“ Er hob ihre Hand zu seinem Mund hinauf und hauchte einen Kuss darauf. „Ich werde mich ändern“, versprach er, wagte aber noch nicht sie anzusehen. „Ich weiß, dass wirst du.“ Mit der geküssten Hand hob sie sein Kinn, so dass er sie ansehen musste. „Ich liebe dich.“ Ihren warmen Kuss erwiderte er erleichtert. „Ich liebe dich doch auch, Robin.“ Der Arm, mit dem er sich auf sie stützte glitt weiter ihren Rücken hinab und zog sie näher zu sich. Sie sollte ja schön nah bei ihm bleiben. Robin lächelte leicht. „Deswegen fällt dir das Denken ja manchmal so schwer.“ – „Das muss es sein, ja“, bestätigte er ebenfalls lächelnd und hatte sich noch einen Kuss verdient. „Na, komm. Lass uns rein gehen, “ schlug sie vor. „Ja, aber nicht so schnell, dein Humpelstielzchen fällt sonst wieder um, “ meinte er, aber da ein Arm schon auf ihrem Rücken war, musste sie sich nur leicht drehen um ihn sicher zu stützen. „Das weiß ich zu verhindern.“ Vorsichtig begleitete sie ihn zum Haus.
 

Man, was für ein Tag. Immer, wenn man glaubte, schlimmer können die Dinge nicht werden, wurden sie es. Es hatte alles damit angefangen, dass sie hierher gerufen worden war. Als Vertretung für den legendären Colt und die genauso legendäre April des noch legendäreren Team Ramrod. Das war schon unglaublich. Dann erst ihre Kollegin, ebenfalls als Ersatz gerufen. Man, hatte die sich verändert. Alle hatten sich verändert. Alles hatte sich verändert. Es war verwirrend. Langsam musste Sie Ihre Gedanken ordnen. Da war als erstes der Fall selbst. Eine Mine in der es Alkalit geben sollte und deren Umgebung von einem Irokesen-Stamm bewohnt wurde. Native, die sich auf ihre Wurzeln zurück besonnen hatten. Das verlangte Respekt. Natürlich konnte man sie nicht einfach umsiedeln. So viele Menschen und mit dem Recht auf ein Leben nach ihrer Entscheidung. Der freien Entscheidung eines jeden Menschen dort und so zu leben, wie er es für richtig empfand. Es ging nicht darum, wie man selbst dazu stand, sondern, ob es einen selbst in seiner Freiheit einschränkte oder gefährdete, ob man Schaden nahm. War dies nicht der Fall, galt das Prinzip des leben und leben lassen. Wurde anderen Schaden zu gefügt, wurde der Verursacher zur Rechenschaft gezogen. Auf diesem simplen Grundsatz war das Neue Grenzland aufgebaut und für den stand sie selbst ein.

Dann waren da noch die Bewohner der Ranch. Zunächst die schwangere, momentan abwesende, April. Diese wunderschöne, intelligente, junge Frau erwartete ein Kind. Sie hatte sich ohne große Schwierigkeiten für die Familie und gegen eine weitere Karriere entschieden. Dazu gehörte Mut. April war jung. Ein Kind bedeutete eine große Veränderung. Und erst die Verantwortung. Offenbar war sie bereit sich darauf einzulassen. Ob es die richtige Entscheidung war, stand Ihr zu beurteilen nicht zu. Fireball, der Vater in spe, schien sich genauso entschieden zu haben. Er liebte die Blondine abgöttische, das war kaum zu übersehen. Die Schwangerschaft schien die beiden noch enger aneinander zu binden, ihre Liebe zu stärken. Schwer vorstellbar bei dem jungen Hitzkopf, der so lebhaft war. Der? Ein sesshafter Familienvater? Nein, dass glaubte sie erst, wenn sie es sah. So ungestüm und risikofreudig wie er war, würde er April noch viel Kummer machen. Nein, er war ruhiger geworden. Doch hatte er wirklich begriffen, was Vaterschaft hieß?

Ganz anders Colt. Die bevorstehende Hochzeit mit Robin schien ihn nicht davon abzuhalten, sich ungezügelt ins Getümmel zu stürzen. Oder war das genau der Grund gewesen, weshalb man ihn vom Himmel hatte holen können? Seine Liebe? Er krähte jedenfalls noch genauso unbedarft wie eh und je durch die Gegend, was er gerade dachte. So offen kannte sie ihn. Aber offen war er auch in einem anderen Punkt, denn dass er seine Zukünftige liebte, war unverkennbar. Robin jedenfalls schien eindeutig der Ruhepol in seinem Leben und lenkte es durch ihre feste Liebe in geordnete Bahnen. Sanft und bestimmt. Eine gesunde Mischung aus Zärtlichkeit und Regeln, das war es, was sie zu einem perfekten Gegenstück des Kuhhirten machte. Und doch konnte sie aus der Haut fahren und ließ sich nicht unterbuttern. Nein, die Frau wusste was sie wollte. Colts Liebe und Freunde um sich, auf die sie zählen konnte.

So wie Chily, die Freundin des Cowboys, an die ausgerechnet Saber sein Herz verloren hatte. Es gab wohl kaum ein Paar, das auf den ersten Blick so wenig zusammen passte, wie die beiden. Sie war Feuer, er Eis. Er dachte sachlich, war logisch und realistisch. Mit jedem Jahr mehr, wie es schien. Wie er es immer wieder schaffte, berufliches von privatem zu trennen – und das war in diesem Fall besonders schwer – forderte Ihr nur Respekt ab. Er ließ sich nie aus der Ruhe bringen und blieb unbeirrbar auf dem Weg, den er sich entschieden hatte zu gehen. So distanziert, wie er wirkte, konnte er aber nicht sein, sonst würde er sich nicht ausgerechnet zu der Hebamme hingezogen fühlen. Und die schien es in sich zu haben. Ihre hervorstechendsten Eigenschaften waren wohl Liebe, Intuition, Direktheit und Leidenschaft, wobei die letzteren beiden auch ihre größten Schwächen waren, wie sie heute bewiesen hatte. Sie musste eine treue, zuverlässige Freundin sein, nach dem, was die anderen über sie sagten und wenn sie bereit war, mit der gleichen Leidenschaft für ihre Freunde einzustehen. Das durfte auch Reibereien mit dem Recken geben, der mit solchen Ausrastern ganz sicher nicht einverstanden war. Aber bei näherer Betrachtung war es genau das, was die beiden brauchten. Sie musste gezähmt werden. Er brauchte jemanden, der Wind in sein Leben brachte, manchmal auch Sturm. Beide waren, wie auch Colt und Robin, selbständig und unabhängig genug, den anderen nicht einzuschränken. Vielmehr stützten und förderten sie sich gegenseitig. Ein wohlgesinnter Betrachter würde diese Verbindungen als Symbiose bezeichnen, ein kritischer als Parasitismus.

Und ihre Kollegin? Augenscheinlich war sie verliebt, in einen Typen, dem sie nicht nah sein konnte. Sie litt darunter. Nur deswegen war der Streit heute so gelaufen, war es überhaupt dazu gekommen. Unglaublich, wie Chily ausgerastet war. Damit hatte sie im Leben nicht gerechnet. Aber so viel stand fest. Das würde Folgen haben. Nur welche, Saber würde den beiden Streithähnen sicher den Kopf waschen, blieb abzuwarten.
 

Fireball war Mandarin gefolgt und fand sie, in Gedanken versunken, in Aprils Satteleinheit vor. Im Computer der Chip mit der verzerrten Stimme. Sie war dabei einen weitern Versuch in Sachen Dekodierung zu starten und schien ihn nicht bemerkt zu haben. „Ist Zickenterror neuerdings Mode oder gehört das zur Ausbildung im Oberkommando?“ versuchte er zu scherzen. „Das wird uns Frauen in die Wiege gelegt. Wir verfügen über ein spezielles Anderen-Auf-Die-Nerven-Gen, “ antwortete sie ohne die Augen vom Monitor zu nehmen. „Und manche haben davon reichlich.“ Mit dem Daumen wies er nach draußen. „Was war da jetzt grade los?“ wiederholte er die Frage, die sie vorhin nicht beantwortet hatte. „Wenn ich das so genau wüsste“, seufzte sie, schloss kurz die Augen und starrte wieder auf den Computer. Fireball kam zu ihr und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann hast du also auch keine Ahnung, wie Suzie darauf kommt, dass du und ich…“ begann er. Erschrocken, beinahe wie ertappt, fuhr ihr Kopf herum. „Nein.“ Er trat einen Schritt zurück und musterte sie. „Was siehst du mich da jetzt so an? Ich hab ihr das bestimmt nicht gesagt!“ stellte er fest. „Denkst du ich hab es ihr gesagt?“ wollte sie wissen. Er hob die Schultern. „Bei euch Frauen kann man nie wissen“, tat er dann diesen Punkt als erledigt ab. Ihre Antwort reichte ihm. Sie hatte es Suzie nicht gesagt, also konnte er sich nun auf den Streit zwischen der Hochgewachsenen und Chily konzentrieren. „Irgendwelche Vorschläge, wie wir das alles wieder grade biegen?“ Mandarin stand auf. Sitzen bleiben konnte sie nicht. Sie war zu aufgewühlt, also ging sie ein wenig im Kontrollraum auf und ab. „Nein, im Moment nicht. Ist schwer abzusehen, wie es ausgehen wird. Bei uns Frauen kann man ja nie wissen.“ Dass der Rennfahrer das Thema gewechselt hatte, war ihr nicht klar. „Da werden Köpfe rollen“, überlegte sie laut und fragte sich, wem April den selbigen wohl zu erst runter reißen würde. Der Pilot lehnte sich auf die Kanzel der Satteleinheit, verschränkte die Arme und legte den Kopf darauf. „Zwangsläufig“, murmelte er. „Irgendeiner muss seinen Kopf für das Theater hier hinhalten und ich bin mal ganz frech und tippe auf Saber.“ Er lächelte gequält. Mit dem Recken wollte er gerade gar nicht tauschen. Die Verantwortung für alles lastete voll und ganz auf dem und konnte ihn nur ins Fegefeuer oder ganz in die Hölle bringen. „Saber? Was hat der damit zu tun?“ fragte Mandarin erstaunt. Der Japaner hob die Brauen. „Er ist der Boss? Und er hat es mit angesehen, “ antwortete er verwundert. Entsetzt riss die Rothaarige die Augen auf. „Soll das heißen, er weiß es?“ Sie schlug sich die Hand vors Gesicht und wandte sich von ihm ab. „Das halte ich ja nicht aus“, murmelte sie. Irritiert beobachtete Fireball die Reaktion. „Na ja, ja. Wie alle vor zehn Minuten.“ Schlaff ließ der Starcaptain den Arm sinken und schüttelte den Kopf. „Wir beide haben ein schweres Kommunikationsproblem“, bemerkte sie dann. „Wieso?“ Er konnte ihr gerade nicht folgen. „Weil ich gedacht habe, du redest von dem Zwischenfall in der Bar“, erklärte sie und dreht sich wieder zu ihm um. „Nein. Ich hab eigentlich über den Streit gesprochen, der grad so herrlich schön eskaliert ist.“ Drückte er sich denn wirklich immer so falsch aus? „Das ist mir jetzt auch klar.“ Noch einmal schüttelte Mandarin den Kopf. „Also, wieso glaubst du, muss Saber dafür den Kopf hinhalten?“ hakte sie dann nach. Etwas träge ließ er sich in das Sattelmodul seiner Freundin plumpsen. „Der edle Recke ist unser aller Boss. Egal, wie es ausgeht, es fällt ihm auf den Kopf. Entweder deswegen, weil sich das mit der Hebamme irgendwann nicht mehr einrenkt, oder aber weil das Theater hier unserem Team schaden wird. Ist vielleicht noch nicht aufgefallen, aber uns fehlen sowohl ein Scharfschütze als auch eine Navigatorin. Wobei letztere nicht mehr zurückkommen wird, “ gab er zur Antwort. Wenigstens hatte sich nicht verplappert, was den Verdacht des Scharfschützen betraf. „Dann also eher, weil es zwischen ihm und diesem Wirbelwind nicht einrenkt. Für Colt und April habt ihr ja Ersatz, “ erwiderte sie. Er grinste. „Ja, Ersatz der alles noch mehr durcheinander bringt und Zwist streut.“ Mandarin verzog das Gesicht, ging zum Panorama-Fenster und schaute auf die Ranch.
 

Ein schöner, friedlicher Ort. Oder doch das Tor zur Höllen? Zumindest ein Katastrophengebiet. „Aber Saber kann uns nicht einfach zurück schicken, nachdem er uns geholt hat, und das weiß er“, meinte sie nach einer Weile. „Eben“, stimmte er ihr zu. „Und daher wär von Vorteil, wenn ihr euch beide an die Regeln haltet, die hier gelten.“ Er hatte die Beine aus dem Sitz geschwungen und die Arme darauf gestützt. Einen Moment lang sah es so aus, als würde sich der Körper der Rothaarigen anspannen, versteifen. Dass er irgendetwas Falsches gesagt hatte, war ihm nicht bewusst. „Ganz wie Sie wünschen“, antwortete sie nun betont dienstlich. Fireball grinste leicht. „Das ist doch schon mal ein Anfang.“ Er stand auf. „Muss nur noch Suzie mitziehen und wir kommen vielleicht endlich mit dem Fall weiter.“ Das war immerhin langsam mal fällig. „Ja, Sir“, erwiderte sie düster. Sie fühlte sich zu Recht gewiesen und verstand nicht, warum er, der ihr seither wie ein verlässlicher Kumpel gewesen war, sie auf einmal so von oben herab behandelte. Saber und er hatten in diesem Fall das Sagen, durften Befehle geben. Sie hätte nicht erwartet, dass er ihr das so vor Augen führen würde, nur weil er glaubte, sie hätte ihr Wort gebrochen. Da er schon halb aus dem Raum war, wandte er sich nun zu ihr um. „Fireball reicht, Mandy“, sagte er. Der Spaß musste ja nicht übertrieben werden. „Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie einen Starcaptain vor sich haben? Diese Ausdrucksweise ist laut der Dienstregeln unangebracht, “ ließ sie sich vernehm und drehte ihm wieder das Gesicht zu. Dabei hatte sie Haltung angenommen, als würde sie mit irgendeinem Vorgesetzten reden und nicht mit einem Kollegen, den sie eigentlich mochte. „Wieso kommst du mir jetzt mit den Dienstregeln?“ hakte er verwundert nach. „Ich zitiere Sie: Und daher wär von Vorteil, wenn ihr euch beide an die Regeln haltet, die hier gelten. Mehr tu ich nicht, “ antwortete sie förmlich. Nun ging ihm ein Lichtchen auf. „Du bist eingeschnappt, sehe ich das richtig? Was hab ich jetzt wieder gemacht, Mandy?“ Das wollte er als guter Freund regeln. „Ich habe weder Zeit noch Bedarf mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich habe noch zu tun.“ Damit stelzte Mandarin zur Satteleinheit der Navigatorin und fuhr mit der Arbeit fort, bei der er sie gestört hatte. „Die Zeit hab ich allemal!“ Mit wenigen Schritten war er bei ihr. „Hey, Mandy, womit hab ich dich jetzt beleidigt?“ Dabei hockte er sich neben ihren Arbeitsplatz und schaute sie recht unschuldig an. Sie linste leicht zu ihm. Wie sollte sie da nicht weiche Knie bekommen? Aber die waren ihr überhaupt nicht dienlich. „Lass es einfach“, seufzte sie leise. Es würde ja doch nur alles verschlimmern, wenn sie nicht endlich eine gewisse Distanz zwischen ihm und sich schuf. „Was soll ich denn lassen?“ fragte er verwirrt. Mandarin blieb die Antwort schuldig und starrte verbissen auf den Monitor. Die nächste Zicke. War das denn die Möglichkeit? „Okay.“ Verstimmt erhob er sich wieder. „Sollte der Starcaptain was brauchen, ich bin in der Küche.“ Sie nickte nur und tippte auf der Tastatur herum. Er schüttelte den Kopf und verschwand in Richtung Tür. Kaum hatte die sich hinter ihm geschlossen, warf er die Arme frustriert in die Luft. „Ich werd einfach nicht schlau aus Frauen.“
 

Noch in der gleichen Nacht verbargen er und Saber Sender in den Stiefelabsätzen von Suzie und Mandarin. Es fühlte sich seltsam an. Beide waren alte Bekannte, denen sie hatten vertrauen können. Doch schien es, als hätte Colt Recht. Es konnte viel passiert sein und zumindest seit der Ankunft der beiden war genügend geschehen, dass die Zusammenarbeit erschwerte und unter diesen Bedingungen Misstrauen nur noch weiter schüren konnte. Wenn sie falsch lagen, mussten sie einiges erklären. Wenn ihr Verdacht bestätigt wurde, konnte es das Schlimmste verhindern. Sie stellten auf Ramrod die Verbindung zum Computer her und würden so genau sehen können, wann welche der beiden sich wo auf hielt.
 

Man nächsten Tag war die Stimmung unter einander sehr frostig. Suzie verzog das Gesicht, kaum das sie Chily sah. Die warf einen Blick auf ihren Recken, seufzte leicht, fuhr mit dem fort, was sie gerade tun wollte. Sie fuhr in die Stadt um April abzuholen, die heute aus der Kur zurückkehrte. Anschließend untersuchte sie die werdende Mutter in ihrer Praxis auf Donna Joes Ranch ehe es zurück zu den anderen ging. Das erste, was der Navigatorin dort auffiel, war das seltsame Verhältnis zwischen Fireball und Mandarin. Die beiden sprachen recht verkrampft mit einander und vermieden es tunlichst, sich anzusehen. Damit sah April Suzies Verdacht bestätigt. Die beiden hatten ein schlechtes Gewissen und versuchten ihr etwas vorzumachen. Ihr lockerer Umgang, den die beiden normalerweise hatten, stand diesem Verhalten in einem zu extremen Gegensatz. Das konnte nur heißen, dass April tatsächlich ersetzt worden war. Deshalb ließ sie Fireball, der ihr entgegen kam, stehen und ging rasch nach oben auf das Gästezimmer, das sie sich dort teilten. Für sie stand nun fest, dass er sie betrogen hatte und sie würde mit der Nebenbuhlerin keine Minute länger unter einem Dach verbringen. Mit erstaunten Gesichtern beobachteten alle Anwesenden diese Reaktion. Suzie hob die Schultern und verzog sich gemäß der Anordnung des Schotten auf Ramrod. Mandarin folgte ihr. Die Erfolglosigkeit der Dekodierungsarbeit ließ sie nicht in Ruhe.
 

Der Rennfahrer flitzte sofort seiner Freundin hinterher. In dem gemeinsamen Zimmer fand er sie, wie sie gerade ihre T-Shirts in ihren Koffer auf dem Bett packte. „Süße, was hast du denn?“ Auf ihr Verhalten gab es für ihn keine logische Erklärung. Er trat zu ihr und griff nach ihrer Hand. „Als ich das letzte Mal mit dir telefoniert hab, war noch alles in Ordnung. Schatz?“ Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Was war denn nur in sie gefahren? „Genug von dir“, antwortete die Blondine düster. „Ja, als wir das letzte Mal telefoniert haben, war alles in Ordnung. Aber das war bevor ich einige interessante Dinge erfahren habe.“ Sie riss sich von ihm los. „Und jetzt lass mich packen.“ Verblüfft und hilflos blieb er neben dem Bett stehen und versuchte, diese, für ihn zusammenhangslose, Aussage irgendwo einzuordnen. „Welche Dinge? April, wovon redest du?“ fragte er bekümmert von ihrer distanzierten Art. „Das solltest du noch viel besser wissen als ich, also tu nicht so unschuldig“, schnappte sie heftig und fuhr fort zu packen. „Was hab ich denn getan?“ Er war sich nur eines Vergehens bewusst, weshalb ihm die Ohren zu glühen begannen, aber davon konnte April eigentlich noch gar nichts wissen und so stand er vor einem Rätsel. „Was hast du nicht getan. Du warst nicht treu.“ Hosen und Röcke landeten schwungvoll im Koffer. Er zuckte zusammen und zog unweigerlich den Kopf ein. „Wie?“ Mehr brachte er nicht über die Lippen. „Das Wie will ich ganz sicher nicht auch noch wissen. Und das Wie oft und Wo schon zweimal nicht, “ fauchte sie. Unterwäsche folgte den andern Kleidungsstücken. Er schluckte. Was auch immer sie gehört hatte, konnte nicht so ganz den Tatsachen entsprechen. Wenn er wollte, dass sie blieb, musste er ihr sagen, was wirklich geschehen war. „Es war nur ein einziger Kuss und ich schwöre, Schatz, bei allem was mir Heilig ist, sonst nix. Mandarin hat wohl gedacht, dass bei uns zweien irgendwas nicht passt.“ Ob der Starcaptain Hellsehen konnte? „Wir haben Bruderschaft getrunken. Absolut nichts dramatisches, “ beteuerte er. „Ja, klar. Wer es glaubt wird selig. Das schlechte Gewissen steht euch doch im Gesicht geschrieben. Ehrlich Fireball, dass du mir das antust, hätte ich nicht gedacht. Und ausgerechnet jetzt, “ begehrte sie auf und wies auf ihren Bauch. Sie stopfte die Sachen in den Koffer. Der Rennfahrer packte sie bei den Schultern und drehte sie zu sich herum. Eindringlich sah er sie an und erklärte: „Glaube mir doch bitte. Schatz, ich liebe dich, niemals im Leben würde ich dir und dem Kind antun, was du mir eigentlich unterstellst.“ Doch schon streifte sie seine Hände ab. „Fass mich nicht an.“ Wieder versuchte sie den Kleidungsberg auf ihrem Koffer in diesen hinein zu quetschen. Wieder kam sie nicht weit damit. Fireball schob sie beiseite, schloss das Gepäckstück und nahm es vom Bett. Tatenlos würde er nicht zu sehen, wie sie ihn verließ, kaum dass er sie zurück hatte. Niedergeschlagen fuhr er sich durchs Haar. „April, bitte. Jetzt lass mich doch erklären, “ begann er, aber schon schnitt sie ihm das Wort ab. „Spar dir das. Ich weiß schon mehr darüber als mir lieb ist und jetzt gibt mir den Koffer wieder.“ – „Ich werd dir gar nichts wieder geben! Was weißt du und von wem weißt du es?“ wollte er wissen. Noch war ihm nicht so genau klar, was ihm unterstellt wurde. So lange konnte er es auch nicht richtig stellen. „Von jemandem, der mich nie anlügen würde, weiß ich von dem ach so harmlosen Auf Bruderschaft trinken. Oder willst du mir jetzt erzählen, Mandarin hätte dich nicht angemacht? Das tut sie doch jedes Mal, wenn sie dich sieht. Oder bist du wirklich so naiv, dass du das nicht gemerkt hast?“ In ihren blauen Augen funkelten Wut und Enttäuschung. Verständnislos erwiderte er. „Wenn du mir sagst, was ich hätte merken sollen, kann ich dir darauf eine Antwort geben.“ Die werdende Mutter rollte die Augen. „Ich weiß von den netten kleinen Zweideutigkeiten, die ihr vom Stapel gelassen habt, als ihr an diesem Rekorder rumgewerkelt habt. War das immer das Vorspiel?“ Dummerweise grenzte diese Aussage den Zeitraum nicht wirklich ein, da Fireball und Mandarin inzwischen schon häufiger an dem Gerät gearbeitet hatten. „Vorspiel wofür? Sag mal, kannst du mir mal so vorwerfen, was ich getan haben soll, dass ich dich auch verstehe?“ fragte er, ihr überhaupt nicht folgen könnend. „Das gleiche, was du mit mir getan hast, bevor mein Bauch aufgegangen ist, wie ein Hefekloß. Jetzt gib mir endlich den Koffer. Ich ertrag deine Gegenwart nicht mehr, “ entgegnete sie harsch. „Dass du auch noch so tun kannst, als sei überhaupt nichts gewesen. Wenn du schon fremdgehst, dann gib es wenigstens zu.“ Das enttäuschte sie am meisten. „Fremdgehen?“ Jetzt war ihm alles klar. „Süße, sieh mich an. Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du mir das zutraust.“ Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie so etwas wirklich von ihm dachte. Aber sie sah ihn nicht an. Wenn er ihr das wirklich angetan hatte, wollte sie auf keinen Fall schwach werden und ein Blick in seine Augen hätte dafür genügt. „Gib mir den Koffer!“ verlangte sie nur. Ein wenig ermutigt, weil ihre Stimme nicht mehr ganz so abweisend geklungen hatte, versuchte er ihr wieder nahe zu kommen. Leicht strich er ihr mit den Fingern über die Oberarme und schaute sie zärtlich an. „Hör mal, Schatz. Du hast mich grad gefragt, ob ich wirklich so naiv bin, wie ich tue. Ja, bin ich. Hey, Süße, ich krieg das keinen Meter weit mit, ob mir eine schöne Augen macht! Warum sollte ich dich denn betrügen, wenn du bist alles, was ich brauche, alles, was ich will? Du gehörst zu mir und keine andere, “ versicherte er ihr eindringlich. Sie hatte die Lider gesenkt. Auf keinen Fall hätte sie ihn angesehen. Seine Worte machten sie ohnehin schon weich. „Das machst du nicht noch mal. Brich einer anderen mit deinem Hundeblick das Herz. Mit mir machst du das nicht noch mal.“ Schon nicht mehr ganz so energisch war ihre Tonlage. Sie wollte sich an ihn schmiegen, an den Vater ihres Kindes. Doch wenn er sie wirklich betrogen hatte, was für ein Vater wäre er dann. Wie würde er zu dem Kind stehen? Wie würden sich Streitereien wegen Untreue, oder dem Verdacht darauf, auf das Töchterchen auswirken und von vornherein sein Verhältnis zu Männern und zu seinem Vater beeinflussen. Nein, wenn sie das beste für dieses Mädchen wollte, musste es in einem stabilen Umfeld aufwachsen. Und da noch Zweifel in ihr waren, war Fireball gerade kein Teil dieses Umfeldes. April drehte sich um und verließ das Zimmer. Sie hatte in Yuma noch genug Klamotten. Sie brauchte die hier nicht. Aber sie würde gehen. Mit diesem Vorsatz stürmte sie die Treppen hinunter, an Colt, Robin, Saber und Chily vorbei, und aus dem Haus. Fireball folgte ihr auf dem Fuße. „April. Bitte bleib da!“ Die Haustür knallte zu um gleich darauf wieder aufzugehen. Ein neugieriger Rattenschwanz schlich auf die Veranda.
 

„Bleib stehen, Süße. Ich hab dich nicht betrogen, nie im Leben würde mir das einfallen, “ rief der Rennfahrer April nach. Die ging weiter, aber nicht mehr ganz so schnell. Nicht alle Männer würden so hinter den Frauen her rennen, die sie betrogen hatten. Auf der Hälfte der Auffahrt holte er sie ein und griff wieder nach ihrer Hand. „Schatz, bitte! So bleib doch stehen und hör mir zu.“ Sie hielt. „Ich hab dich nicht betrogen. Nicht mit Mandy und auch mit keiner anderen. Ich... sie... wir haben uns geküsst, ja. Aber das ist auch schon alles. Bitte glaub mir doch. Ein flüchtiger kurzer Kuss. Nicht mehr. Ich könnte dich niemals betrügen, “ sprudelte er die Wahrheit inständig hervor. Aber sie wandte sich nicht zu ihm um, sondern stellte ihm die eine Frage, die kommen musste. „Und warum hast du sie geküsst?“ Allmählich sank sein Mut und die Hoffnung sie würde bleiben. „Wir haben uns noch an Chilys Bar bedient. Wir haben uns unterhalten und das was ich gesagt habe, muss bei Mandy anders angekommen sein, als ich es gemeint habe. Du weißt, dass ich mich mit dem Starcaptain gut verstehe. Wir haben auf Brüderschaft getrunken und da... naja, haben wir uns geküsst. Aber Schatz, ehrlich, das war ein Kommunikationsfehler.“ Egal, ob es wirklich so abgespielt hatte oder nicht, sie würde es ihm nie glauben. Sie sah ihn ja nicht mal an. Er hatte sie verloren. „Ich will doch nur dich“, murmelte er unglücklich und berichtigte sich mit einem traurigen Blick auf ihr Bäuchlein. „Euch.“ Würde er seine Tochter jetzt nie auf dem Arm halten? Aber April hatte ihn aus dem Augenwinkel beobachtet. Und diesen Blick kannte sie. Wenn sie sich mal gestritten hatten und er sich mit ihr versöhnen wollte, hatte er ihn immer. Sie wusste, dass es keine Strategie war, sondern ein Blick in seine Seele. Was er dann sagte, war ganz sicher die Wahrheit. „Das soll ich dir glauben? Wie kann jemand, der diesen kleinen Kuss gesehen hat, darauf schließen, dass dem noch wesentlich mehr gefolgt ist?“ fragte sie. „Wer hat das gesehen?“ fragte er erstaunt. „Mandy und ich waren allein im Wohnzimmer.“ Etwas unwirsch fragte April zurück. „Was spielt das für eine Rolle? Jemand, der mich nicht anlügen würde.“ Noch bevor er aufbrausen konnte, ob er sie je anlügen würde, zeigte sein bedripster Blick Wirkung.
 

Diesen Kulleraugen konnte sie nicht wiederstehen. „Suzie war es“, erwiderte sie. „Susie? Wie kommt sie nur darauf, dir sowas zu erzählen?“ Verständnislos verzog er das Gesicht. „Noch dazu, wo es nicht wahr ist. Kein Wort ist wahr, bis auf den Kuss halt. April …“ Er legte die Arme um ihre Schultern, wollte sie endlich wieder spüren. „Das ist die Frage. Wie kommt sie darauf mir sowas zu erzählen? Ich kann mir bei keinem von euch beiden vorstellen, dass er mich anlügt, aber, einer von euch beiden tut es, “ meinte sie und ihm rutschte das Herz in die Hose. „Ich lüge nicht. Ich kann doch gar nicht lügen, “ beschwor er sie und strich eine Strähne aus ihre Gesicht, die der Wind gleich wieder aufwirbelte. „Verzeih mir, dass ich es dir nicht gleich gesagt hab. Ich wollte dich nicht verletzen. Es hat nichts bedeutet, ehrlich.“ Vorsichtig zog er sie noch etwas näher an sich. „Warum sollte Suzie mir erzählen, dass Mandarin mich schon vollständig ersetzt hat, wenn es nicht stimmt?“ hakte die Navigatorin nach. Sie schien nicht mehr böse zu sein, eher verwundert. „Ich versteh nicht, weshalb Suzie dir sowas erzählt. Mandarin ist die Aushilfe an Board, genau wie sie selbst. Niemand hat deinen Platz eingenommen. Nicht auf Ramrod und...“ Scheu hauchte er ihr einen Kuss auf die Nasenspitze. „nicht bei mir. Das musst du mir glauben. Weißt du denn immer noch nicht, wie sehr ich dich liebe?“ entgegnete er verlegen. April musste lächeln und erwiderte die Umarmung. Das war ihr Fireball. „Na ja, manchmal würd ich es gern öfter hören, “ gestand sie und küsste ihn leicht auf die Wange. „Ich hab dich wieder, “ murmelte er erleichtert und tastete behutsam mit seinen Lippen nach ihren. „Ja, hast du.“ Ihr Mund kam ihm entgegen und verschloss seinen liebevoll, nur leider nicht lang genug, weil nicht endlos. „Lass uns wieder reingehen“, schlug sie dann verlegen lächelnd vor, fühlte sich ein bisschen, wie eine Idiotin, ernsthaft an ihm gezweifelt zu haben. „Und deinen Koffer wieder auspacken“, ergänzte er leicht grinsend. Sie wandten sich zum Haus um und hielten erstaunt in der Bewegung inne, als sie Saber, Chily und Robin, auf der Veranda sitzend, und Colt, hinter den beiden Frauen stehend, sahen. Die Hebamme hatte die Ellenbogen auf ihre Knie gestützt und ihren Kopf ihn ihre Handflächen gelegt. Ganz verzückt schaute sie auf die werdenden Eltern vor sich und grinste von einem Ohr zum anderen. „Aw, sind die süß“, erklärte sie. Im nächsten Moment schoss ein Arm hinter sie auf Colt zu und rieb fordernd die Finger gegen einander. „Und jetzt gibt mir meine 50 Schleifen. Die Wette hab ich ganz klar gewonnen, “ kam es trocken. Mit einem verstimmten Gesicht zückte er das Portemonnaie und drückte ihr das Geld in die Hand. „Und ich dachte dieses Mal wirklich, dass sie den Mumm hat, ihm den Laufpass zu geben. Verdammte Kacke hier, “ brummte er grinsend.
 

Mit hochroten Köpfen folgten April und Fireball ihren Beobachtern ins Haus. Dort drückte Chily die Schwangere in einen Sessel und ein Paar Kopfhörer auf ihrem Bauch. Aus einem tragbaren Player kam leise Musik. Verwundert verfolgte der Rennfahrer das. „Was soll das?“ wollte er wissen. „Das Kind hört schon“, erklärte sie munter. „Ein bisschen Musik kann ihm nicht schaden. Da lernt es gleich mal guten Sound zu schätzen.“ Skeptisch nahm Fireball die Hörer von Aprils Bauch und hörte hinein. „Das ist Entre dos Tierras, “ stellte er fest, allerdings nicht begeistert, weil es nicht sein Musikgeschmack war. „Na und? Gib deiner Tochter eine Chance cool zu werden, “ versetzte die Hebamme unbeeindruckt. Er runzelte die Stirn. „Die ist von mir“, erinnerte er die Geburtshelferin. „Eben.“ Vorsichtig setzte sie die Hörer wieder auf die Wölbung. „Gib ihr eine Chance um COOL drauf zu kommen. FIREball. “ Damit stimmte sie an der Stelle des Songs ein, die sie gerade gehört hatte, ließ ihren Kopf im Takt wippen und verschwand in der Küche. „Sie singt im Ansatz nicht so schlecht, wie Suzie behauptet hat, “ kommentierte Robin. „Suzie hat auch keine Ahnung, “ warf Colt schulterzuckend zurück. Robin bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. „Ich weiß“, rollte er die Augen. „Keinen Streit vor dem Baby. Also Fire, raus mit dir.“
 

So fern es unter den augenblicklichen Umständen möglich war, kehrte der Alltag wieder ein. April und Fireball verbrachten den Rest des Tages damit in der Stadt nach Möbeln für ein Kinderzimmer zu sehen. Chily nahm ihre Termine wahr. Colt und Robin pflegten die Krankengymnastik und die anderen Drei arbeiteten auf Ramrod an den wenigen Hinweisen und versuchten etwas Brauchbares aus ihnen zu entnehmen. Doch genauso hätten sie versuchen können zu ergründen, warum der Baum nun Baum hießt und nicht Busch oder Haus. Die Stimmung war und blieb angespannt, was die Arbeit nicht eben erleichterte. Jeder wünschte sich, man könne einfach den Stecker eines Spielautomaten ziehen um ihn dann wieder anzuschließen und das Spiel von vorn zu beginnen. Suzie spürte auch, dass April ihr auswich, was eindeutig mit ihrem Anruf bei der werdenden Mutter zu tun hatte. Sie fühlte sich immer weniger akzeptiert und aufgenommen. Viel anders ging es auch Mandarin nicht, seit sie mit dem Rennfahrer aneinander geraten war. Die beiden Frauen konnten sich nicht mal gegenseitig stützen, weil zu viel gesagt und angefeindet worden war, als dass es noch möglich war. So litten alle, lagen alle Nerven blank und war die Atmosphäre so geladen, dass sie jeder Zeit explodieren konnte.
 

Am folgenden Tag nach dem Mittagessen fuhr April gemeinsam mit Mandarin und Suzie in die Stadt. Die schwangere Navigatorin wollte sich noch nach ein paar Sachen für ihr Baby umsehen. Ihr Ersatz wollte nur fort von der Ranch um auf andere Gedanken zu kommen und auch Suzie brauchte Ablenkung. So trennte sich die drei und bummelte jede für sich durch Tucson-City. Auf der Adams Ranch kümmerte Chily sich um Demon und Angel in der Scheune. Robin döste im Schatten der Veranda, als sie hörte, wie die Jungs im Wohnzimmer zusammen kamen und sich über die aktuelle Lage unterhielten. Unbewusst horchte die Lehrerin auf, als der Recke, sachlich wie immer, erklärte: „Suzie liefert schon genügend Verdachtsmomente.“ Worauf Fireball naiv nachhakte: „Sie verhält sich verdächtig, weil sie eine Zicke ist?“ Robin schüttelte leicht den Kopf. „Das trifft auf alle Frauen hier zu“, bemerkte der Schotte trocken und sprach aus, was die Lehrerin eben gedacht hatte. Die Jacke konnte sich hier wirklich jede anziehen. „Nein, mit Suzie stimmt etwas nicht. Und ich fürchte, wir zählen auch Mandarin zu den Verdächtigen. Sie verhält sich auch etwas merkwürdig, “ erläuterte der Blonde wieder. Robin schluckte leicht. Alle beide? Na gut, Saber hatte recht. Es gab bei beiden etwas, dass nicht so recht ins Bild passen wollte. Sie kam jedoch nicht dazu sich darüber Gedanken zu machen. Sie hörte ihren Zukünftigen sticheln. „Sag mal, wie genau hat Mandy versucht dich zu verführen. Hat sie dir alle deine Rekorde ins Ohr geflüstert um dich rum zu kriegen?“ Die Braut wusste, dass er unverschämt breit grinste. Egal, wie unpassend Saber die Formulierung vielleicht fand, so uninteressant war die Frage an sich nicht. „Was geht dich das an?“ schnappte der Rennfahrer prompt. Du lieber Himmel, hatte der April etwa doch nicht die Wahrheit gesagt? Da konnte man ja den Eindruck gewinnen, er hätte doch noch etwas zu verbergen. „Ah, sie trägt also Dessous mit Rennauto-Motiven oder FIREBALL-Logo? Hat sie versucht einen Gang höher zu schalten? Oder einen Tiefer?“ Die Frage konnte nur von Colt kommen. Nur ihr Verlobter würde so unverschämt fragen. „Kannst du jetzt mal die Klappe halten? Mandy und ich haben nur aneinander vorbei geredet, sowas soll es geben, “ verteidigte sich der Rennfahrer gleich. Robin musste grinsen. „Aha, so nennt man das jetzt, wenn sich die Zunge einer Frau in den Hals eines Mannes verirrt“, konterte der Scharfschütze unbeeindruckt. „Du solltest das langsam mal erzählen, wenn wir sie von der Liste der Verdächtigen streichen wollen.“ Die Lehrerin glitt leise von dem Stuhl, auf dem sie saß und platzierte sich nah an der Wand zum Wohnzimmer. Das war zu interessant und ihr Lauschen war nicht nur weibliche Neugier sondern für sie wichtig um zu wissen, vor welchen der beiden Ersatzfrauen sie sich hüten musste, wenn Colt mal doch durch Abwesenheit glänzen sollte. „Wieso sollte sie das mit Absicht getan haben? Was sollte ihr das bringen, außer Stress mit mir und April?“ wollte der Rennfahrer nun wissen. „Alte Cowboy-Weisheit, Kleiner. Wenn eine Frau die Oliven zu deinem Martini in den Händen hält, hast du keine Chance mehr. Komm schon, Turbo. Du willst mir doch nicht erzählen, dass April dich mit dem entsprechenden Blick und der richtigen Überzeugungsarbeit noch nie zu irgendwas überredet hat. Ich meine, dass tun alle Frauen mit ihren Männern und wir lassen uns SO doch gern überreden, “ erklärte der Cowboy und fügte hinzu. „Wenn ihr jetzt allen Ernstes was anderes behauptet, seid ihr miese Heuchler.“ Robin errötete unter dem Fenster. Ja, das war auch ihre Taktik gewesen um Colt etwas über den Fall zu entlocken, dass sie wissen musste. Na ja, und weil sie ohnehin das Bedürfnis nach dieser Zweisamkeit gehabt hatte. „So unrecht hat der Kuhhirte gar nicht“, meldete sich nun Saber wieder zu Wort. „Mandarin kennt deine Schwächen, da brauchen wir uns nichts vorzumachen, Fire. Es hat ihr dann noch zusätzlich in die Hände gespielt, dass April nicht da war. Wozu sie dich auch immer überreden wollte, sie hat es geschickt angestellt. Du beschützt sie nämlich und es fällt dir noch nicht mal auf.“ Das hatte er in einem warmen Ton gesagt. Die Lehrerin konnte sich gut vorstellen, wie der Schotte nachsichtig lächelte und der Rennfahrer rot wurde. „Ich beschütze sie überhaupt nicht. Wir haben nur an dem Recorder gearbeitet sonst nichts, “ wiegelte er ab. „Und du wunderst dich, warum wir skeptisch sind? Der Recorder war irrsinnig kompliziert aufgebaut, oder?“ bohrte der Recke. „Wenn man technisch was drauf hat, dann nicht. Außerdem arbeitet sie seither schon an der Dekodierung der Stimme und hat sie immer noch nicht entschlüsselt, “ wiederlegte der Rennfahrer. „Damit wir nicht dahinter kommen, dass es ihre eigene ist?“ grübelte Colt laut, aber das entkräftete gleich darauf der Säbelschwinger. „Sie kann es tatsächlich nicht entschlüsseln. Ich hab es nämlich auch schon versucht. Ramrod hat die richtige Dekodierungssoftware nicht. Aber das macht sie auch nicht unverdächtiger. Suzie hat das Ding gefunden und immer wieder betont, dass sie das nicht könnte. So ganz kaufe ihr das auch nicht ab, immerhin arbeitet Suzie normalerweise bei einer Spezialeinheit.“ – „Ja, die Sondereinheit für Terrorzicken“, kommentierte der Scharfschütze. „Von der Einheit hab ich noch nie gehört“, gestand Saber. „Aber die Ausbildung muss gut sein, wenn ich Suzie da so betrachte.“ Robin unter dem Fenster grinste in sich hinein. Geplänkel folgte. „Tja, Numero Uno. Mit Suzie müssten wir uns nicht rumschlagen, wenn du mal landen gelernt hättest, “ stichelte Fireball. „Hab ich doch. Nur fallen noch nicht, du Unfallverursacher, “ konterte der. „Unfallverursacher? Ich?“ Aus dem lockeren Schlagabtausch wurde auf einmal ein Streit.
 

Die Lehrerin horchte erschrocken auf. Grundgütiger, gingen die sich an. „Dürfte ich erfahren, was das mit dem Fall zu tun hat?“ versuchte der Recke den Disput zu beenden. Der Rennfahrer ließ sich wieder vernehmen. „Das ich Vater werde scheint für euch echt ein Problem zu sein! Es ist ja meine Schuld, dass Mandy jetzt statt April da sitzt.“ Seine Stimme war deutlich gereizt. „Na, für dich scheint es ja keinen Unterschied zu machen, wer da im Modul hockt“, versetzte Colt und Robin starrte erschrocken über so viel Bissigkeit von ihm die Wand an, als könne ihn so ihr Blick zur Ordnung rufen. „Was willst du mir jetzt wieder unterstellen, Viehtreiber“, brauste der Japaner auf. „Ich kann im Gegensatz zu dir, meine Finger bei mir behalten! Herrgott, jetzt hast du wieder was gefunden, wo du ewig drauf rumreiten kannst, herrlich.“ – „Nein, ich glaube das mit dem Reiten trifft eher auf dich zu, Matchbox“, frotzelte der Cowboy prompt. Oha. Was folgte war Stimmengewirr, Geräusche von Möbel, die zur Seite geschoben wurden und dumpfe, schnelle Schritte. Saber fuhr energisch zwischen die beiden Hitzköpfe, die sich offenbar gleich prügeln würden. Doch blind vor Wut reagieren die Streithähne nicht auf den Recken. Robin war überrascht. Ausgerechnete dieses Team konnte sich so dermaßen in den Haaren liegen. Andererseits, wie viele Fälle oder Missionen zuvor waren so persönlich gewesen, wie der. Abgesehen von der Entführung von Commander Eagle, Aprils Vater, während des Outriderkrieges. Doch damals hatten sie sich nicht gegenseitig zerfleischt. Was war bloß los mit ihnen? Jetzt hörte sie schnelle Schritte, die Tür zur Veranda flog auf und Saber schleifte Fireball mit sich. „Jetzt beruhig dich wieder“, mahnte er ihn eindringlich. Aber die Aufregung war ihm anzusehen. Dem Rennfahrer genauso. Er holte tief Luft um sich zu zügeln, warf dann aber die Hände in die Luft. „Wie soll ich mich bei dem Affen da drin beruhigen?“ fuhr er den Blonden an. „Deswegen bist du jetzt hier.“ Er gab ihm ein wenig Zeit, damit er runterkommen konnte, dann begann er vorsichtig von Neuem. „Fireball, ich muss das fragen, also spring mir nicht gleich an die Gurgel: Was war zwischen dir und Mandy? Nur der Kuss?“ Düster wurde er dafür angefunkelt. Der werdende Vater stemmte die Hände in die Hüften und schnauzte ihn an: „Ich spring dir gleich wirklich an die Gurgel. Wieso glaubst du mir das nicht?“ Der Schwertschwinger rollte die Augen. „Herrgott, sag einfach ja oder nein.“ – „Ja, Scheiße verdammte.“ Nur, weil die beiden so sehr in diese Auseinandersetzung vertief waren, bemerkten sie Robin nicht, der nichts entging. Saber schlug sich die Hand gegen die Stirn. „Oh, man ich will es ja kaum fragen. Aber: Ja Was?“ Der Kerl war echt bedauernswert, fand die Lehrerin. Wirklich jeder diskutierte oder stritt mit ihm. Wenn er alles hinwarf, war sie die letzte, die ihm das verübeln würde. „Ja, das was ich April schon gesagt hab. Es war nur ein einziger kleiner Kuss. Echt, mehr Drama hätte auch eine schwangere Frau nicht daraus machen können, als Colt und du, “ grollte der Japaner. „Du musst ja nicht in deinen Sturkopf bringen, dass ich jede Möglichkeit erwägen und ausschließen muss. Also wenn es dir Spaß macht, wirf mir weiter den ganzen Quatsch vor, den du mir schon die ganze Zeit vorwirfst, deswegen werd ich trotzdem tun, was nötig ist um den Fall zu beenden, “ schnaubte der Schotte zurück. Der Pilot schuf Abstand zu ihm, fühlte sich offenbar angegriffen und erkannte nicht, was wirklich mit seinem Vorgesetzten los war. „Davon hält dich auch keiner ab. Am allerwenigsten ich, weil ich langsam aber sicher die Geduld verliere. Mein Sturkopf sagt mir, dass wir eine linke Bazille bei uns haben, aber es ist nicht Mandy. Und weil es keiner von uns dreien sein kann, bleibt nur Suzie. In Mathe war ich nämlich gut, “ bellte er. „Dann beweise es. Finde hieb- und stichfeste Beweise und leg sie vor, “ erwiderte Saber und zwang sich sichtlich zur Ruhe. „Mit allem anderen kommen wir nämlich nicht weiter. Vor allem nicht, mit den Streitereien und der Tatsache, dass du alles persönlich und vor allen Dingen als Beleidigung auffasst, was ich sage.“ Noch ein falsches Wort und er würde die Geduld verlieren. „Dann sag dem Bruchpiloten da drinnen, dass er nicht dauernd persönlich werden soll!“ Fireball wies nach innen zu Colt. „Eins ist klar, ich brauch nach dem Fall Urlaub von euch!“ Damit stapfte er wieder hinein. „Sag es ihm selber. Ich hab genug von euerm Mist, “ rief Saber und marschierte seinerseits in Richtung Koppel. Dort nahm er Steeds Zügel, schwang sich auf dessen Rücken und ritt davon. Chily, die in der Scheune das Gespräch auf der Veranda mitbekommen hatte, folgte ihrem Recken mit Demon.
 

Robin setzte sich wieder. Sie hatte eben dasselbe tun wollen. Drinnen hörte sie wieder Stimmen. „Colt, jetzt hör mir mal zu...“ setzte der Rennfahrer an. „Er hat genug von unserem Mist?“ wiederholte der ungläubig, als hätte er Fireball gar nicht gehört. „Jupp.“ Der Japaner ließ sich in einen Sessel fallen. „Scheint dich nicht anzuheben“, stellte Kuhhirte leicht verwundert fest. „Nicht wirklich. Weil ich es ihm gern gleichtun würde, nur ist hier leider keine Rennstrecke in der Nähe, “ maulte der. „Die Highways hier draußen sind elendig lang und kaum befahren.“ Die Krücke setzte auf dem Boden auf. Offenbar erhob Colt sich. „Also, willst du noch irgendwas an mich loswerden?“ Auch der Rennfahrer erhob sich wieder. „Wo sind die Radarkästen?“ Seine Schritte entfernten sich. Dann blieb er doch noch stehen. „Kannst du mit deinen saublöden Sticheleien aufhören?“ – „Sollte ich wohl, bevor ich zum Stachelschwein werde.“ Ein schlurfender Schritt. „Was ist ein Radarkasten?“ fragte er dann, als hätte er noch nie etwas davon gehört. „Dann bin ich in einer Stunde oder so wieder da, ich platz sonst. Und verkneif es dir, es April zu erzählen, das mag sie nämlich noch weniger, als wenn mich Mandarin küsst.“ Das glaubte Robin sofort. „ Jaja, so dämlich bin ich dann doch nicht?“ Die Haustür schlug zu. Fireball war verschwunden. „Robin?“ rief er. „Schatz?“ klang es jetzt flehentlich. Er brauchte sie. Vielleicht würde sie ihm den Kopf für diesen Streit waschen, aber erstens hatte er es dann verdient und zweitens brauchte er sie jetzt einfach. Sie trat von der Veranda herein und schüttelte leicht den Kopf. „Männer sind so dämlich.“ Dann zog sie ihren Kuhhirten in ihre Arme. Natürlich war das mit früher nicht vergleichbar. Colt und sie wollten heiraten. April und Fireball wurden Eltern. Saber schien Chily nicht mehr hergeben zu wollen. Es stand nicht nur der Fall auf dem Spiel. Es ging um ihrer aller Leben, weit mehr, als jemals zuvor. Die Verantwortung war größer.
 

Saber ritt so schnell er konnte von der Ranch fort, durch die Wälder und erreichte das Ufer des Ohio-River ehe er sich richtig darüber im Klaren war. Er glitt vom Rücken des Robopferdes und benötigte nur wenige Sekunden um sich bis auf die Shorts zu entkleiden. Dann rannte er auf den Steg und ließ sich aufs Geratewohl in Wasser fallen. Tief und schwerelos tauchte er in die Flut. Stille umfing ihn. Er genoss es. Es wirkte befreiend, erleichternd, als würde er leergespült. Zwei Hände griffen nach seinen Schultern. Er fühlte zart weiche Rundungen auf seinem Rücken und wandte sich um. Chily schwebte leicht über ihm im Wasser. Einen Moment lang standen sie regungslos im Nass und schauten sich tief in die Augen. Einer verstand den anderen. Sie glitt über ihm hinauf zu Oberfläche. Er blieb, wo er war. Noch einen Augenblick braucht er diese Leichtigkeit und Stille. Dann verlangte sein Körper nach Atem und er tauchte auf. Auf dem Rücken ließ er sich treiben, fühlte sich grenzenlos, wie der Himmel über ihm, glitt er nur, war leer und entspannt. All das beobachtete Chily vom Steg aus, sah wie er los ließ. Irgendwann kletterte er zu ihr auf die Brücke. Rasch kam er auf sie zu, kniete sich vor die Sitzende und drückte sie mit einem ungestümen Kuss auf die Bretter. Sie ließ ihn gewähren, schwieg. Seine Lippen fuhren ihren Hals entlang zwischen ihre Brüste. Er drückte die Stirn gegen die liebkoste Stelle und brach zusammen. Dass sie die Arme um ihn schloss, tat ihm gut. Dass sich ihm hilflose Tränen über das Gesicht stahlen, würde niemand erfahren. Dass seine Umarmung beinahe schmerzte, ertrug sie. Wie lange sie fort waren, hätten sie nicht mehr sagen können.
 

Jemand war durch das Zimmer geschlichen. Mit diesem Gefühl wachte Chily auf. Müde rieb sie sich die Augen und richtete sich auf. Saber lag neben ihr und schlief tief und fest. Er war es also nicht. Oder hatte sie sich die Bewegung, den Luftzug nur eingebildet? Machte die letzte Drohung sie so nervös, dass sie anfing Gespenster zu sehen oder zu hören und den schwarzen Mantel der Nacht als bedrohlich zu empfinden? Sie horchte ins Dunkel. Nichts. Kein Geräusch, kein Luftzug. Bloß ihre Einbildung. Sie schloss die Augen und drehte sich auf den Rücken. Nur weiter schlafen. Doch irgendetwas hatte sich verändert. Ganz sicher. Das Gefühl war zu stark um ignoriert zu werden. Sie schlug die Augen wieder auf und starrte an die Decke. Nein, sie durfte die Angst nicht über Hand nehmen lassen. Es war doch gar nichts. Oder doch? Im Augenwinkel bemerkte sie etwas, dass ihre Aufmerksamkeit erregte. Sie wandte sich zum Fenster und sog erschrocken Luft ein. Im nächsten Moment saß sie im Bett und rüttelte den Recken, der sofort hellwach war. „Jolene, was ist los?“ Doch vor Schreck brachte sie keinen Ton raus sonder wies wortlos zum Fenster. Mit den Augen folgte er ihrem ausgestreckten Arm und verstand, was sie so in Aufregung versetzte. Mitten am oberen Fensterrahmen hing eine Henkersschlinge und baumelte innen an der Scheibe vor dem nächtlichen Himmel. Innen. Jemand musste also hier drinnen gewesen sein. Hatte der Recke bis dahin Zweifel an einem Verräter gehabt, waren diese nun beseitigt. Er sprang aus dem Bett und riss die Schlinge vom Fensterrahmen. Dabei fühlte er einen Zettel in der Schlaufe. Er zog ihn heraus und faltete ihn auseinander. „Das ist das einzige, dessen du dir sicher sein kannst.“ Saber schluckte hart. „So nah ist er also, “ flüsterte Chily jetzt und starrte auf ihr Kopfkissen. Er ließ Schlinge und Zettel fallen und kam zu ihr aufs Bett zurück. Wortlos nahm er sie in die Arme und sie schmiegte sich an ihn. „Vielleicht nur ein gemeiner Scherz von Suzie“, murmelte sie. Das wollte sie sich lieber einreden, als zu glauben, dass jemand mit Tötungsabsichten unbehelligt durch ihr Haus schlich.



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