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Amaltheas Tochter

Das letzte Einhorn - Alternatives Ende und Fortsetzung
von

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Verborgene Kräfte?

Kisaras Augenlider zuckten. Langsam kam sie wieder zu sich. Nach einem kurzen Moment der Orientierungslosigkeit schreckte sie hoch: Was hatte der unheimliche Typ von den Einhornjägern mit ihr gemacht? Verwirrt und ängstlich blickte sie sich um: Es war ein dunkler, aber sehr großer Raum und sie selbst saß auf einem pompösen Bett. Durch die riesigen Fenster schien der Mond; inzwischen war also die Nacht hereingebrochen.

Er hatte sie entführt... mal wieder saß sie in der Falle. Und immer noch verstand sie nicht, was diese Leute sich davon erhofften. Sie, ein Einhorn? Noch niemals vorher hatte sie so etwas Lächerliches gehört. Dennoch schienen die Feinde der festen Überzeugung zu sein, dass es so war... ein Haufen Verrückter, anders ließ sich das doch nicht erklären?

Ein viel größeres Problem war momentan jedoch, dass Kisara nicht den leisesten Schimmer hatte, wo sie war und wie sie hier wieder wegkam. Wider besseren Wissens sprang sie vom Bett Richtung Tür – die allerdings fest verschlossen war. „Hätte ich mir auch denken können...“ Also ging sie zum Fenster, doch auch dieses ließ sich nicht öffnen...

„Verzeiht mir, ich fürchte, ich kann Euch nicht gehen lassen...“, ertönte da eine tiefe Stimme hinter ihr und ließ das schreckhafte Mädchen zusammenzucken. Lucien war mal wieder aus dem Nichts aufgetaucht.

„W-Was wollen Sie von mir?“, stammelte Kisara und wich an die am entferntesten liegende Wand zurück. „Das... ist wirklich eine interessante Frage... es kommt ganz darauf an... erst einmal ist es mein größtes Anliegen herauszufinden, was es mit Euch auf sich hat, schönes Fräulein...“ „I-Ich... ich habe das zwar schon tausend Mal gesagt, aber... Sie liegen völlig falsch! Ich bin kein... Einhorn, das wüsste ich doch!“ „Kisara... das ist doch Euer Name, oder? Ich habe gehört, wie der junge Zauberer Euch so genannt hat...“ „Was tut denn mein Name zur Sache??“ Kisara schnaubte. Wie gefährlich diese Typen auch sein mochten, eins waren sie noch viel mehr: Nervtötend! „Beeindruckend... obwohl Ihr Angst habt, gelingt es Euch, mich anzuschreien. Ihr erinnert mich ein bisschen an die teure Mary...“ „Wie kommen Sie dazu, mich mit der zu vergleichen??“ „Sagt Kisara... warum glaubt Ihr, haben Euch die Wölfe aufgespürt?“ Verdutzt über den plötzlichen Themenwechsel wusste die Angesprochene nichts mit der Frage anzufangen .

„Ich werde es Euch sagen. Sie spüren Magie auf. Die unsterbliche Magie eines Einhorns...“ „Un-sterblich...?“ Das Wort hatte seine eigene Wirkung, denn schließlich benutzte man es nicht einfach so. „So ist es. Einhörner... sind unsterblich, sie leben seit Anfang aller Zeit und das bis in die Ewigkeit. Genauso wie ihre mächtige Magie... könnt Ihr Euch das vorstellen?“ In Kisaras Kopf regte sich etwas. In den Geschichten über Einhörner, die ihre Mutter ihr in der Kindheit erzählt hatte, war auch immer von der Unsterblichkeit der schönen Wesen die Rede gewesen. Aber wie konnte etwas unsterblich sein, das war doch eigentlich total unlogisch?

„Außer den Einhörnern gibt es noch andere Wesen, die Unsterblichkeit besitzen. Die Harpyie zum Beispiel... oder die Dämonen. Ich, Lucien, darf mich zu jenen hinzuzählen.“

„Bitte? Wollen Sie mich veräppeln? Sind Sie bald fertig mit Ihrer Märchenstunde oder macht es Ihnen einfach Spaß, mich zu foltern??“ Es hatte Kisara schon gewundert, doch nun ließen die nächsten Tränen nicht mehr auf sich warten... warum, warum konnte der ganze Spuk nicht endlich ein Ende haben?

Ohne dass sie es kommen sah, stand der Dämon auf einmal direkt vor ihr, ganz nah. Er ergriff ihre Oberarme und drückte sie an die Wand, zwar nicht grob, aber doch sehr bestimmend. „Ich beliebe nicht zu scherzen, Milady... genau wie die bezaubernden Einhörner bin auch ich unsterblich. Große Kräfte sind mir gegeben worden... magische Kräfte... Ihr seit ein sterbliches Menschenkind, das spüre ich, und doch nehmen die Spürwölfe die unsterbliche Zauberkraft eines Einhorns in Euch wahr. Woran... liegt das? So etwas habe ich noch nie zuvor erlebt... doch wo ist diese Magie? Ihr könnt Euch ja nicht einmal gegen mich wehren...“ Lucien klang ziemlich verwundert und verwirrt. Er fand keine Erklärung für das Geheimnis dieses Mädchens, was auch immer dieses beinhaltete. Aber wie er nun einmal war, ließ er sich leicht von der Nähe einer schönen Frau betören – und wenn sie keinen Widerstand leistete, umso besser...
 

Behutsam wischte er Kisara die Tränenspuren aus dem Gesicht, und bevor diese auch nur in irgendeiner Weise reagieren konnte, küsste er sie auf den Mund. Protest ließ er nicht gelten, dafür reizten ihn ihre weichen Lippen zu sehr.

Kisara dachte nicht im Traum daran zu erwidern. Auch wenn es ein unbeschreiblich schöner Mann war, der sie hier küsste, so ließ sie sich im Gegensatz zu Mary nicht davon becircen. Denn sie hatte noch nicht vergessen, dass der Dämon dem armen Balian, der alles getan hatte um sie, Kisara, zu beschützen, ganz schön zugesetzt hatte. Es war dieser Gedanke, der diesen Widerstand aufrecht erhielt und sie nicht Genuss empfinden ließ, sondern Ekel...

Als sie dann auch noch seine Zunge in ihrem Mund spürte, verstärkte sich ihr Ekelgefühl und ihre Panik noch mehr, doch Lucien ließ ihr keine Möglichkeit zur Gegenwehr, egal wie sehr sie auch zappelte.

Doch wie durch ein Wunder gelang es ihr irgendwann, ihn von sich zu stoßen. Da ihr Peiniger dies nicht einfach so hinnehmen wollte und erneut versuchte, sich seiner „Beute“ zu bemächtigen, schrie sie, ohne noch weiter nachzudenken, laut:

„N-Nein! Nein!! Neeiin-...!!“ Was geschah, nachdem der letzte verzweifelte Schrei über Kisaras Lippen kam, wusste diese nicht – denn ab da setzte bei ihr ein Filmriss ein...
 

„Kisara? Hörst du mich? Meine Güte Kisara, jetzt komm doch zu dir!“ Eine Stimme, sie schien von ganz weit weg zu kommen, brachte das Mädchen wieder zu Bewusstsein. Diese Stimme kannte sie doch...?

Kisara schlug die Augen auf. Das erste was sie sah war ein Gesicht, umrahmt von schwarzen, fein gelockten kurzen Haaren. Sie erkannte...

„Balian...“ Ihre Stimme war schwach und sich fühlte sich ziemlich benommen und schwindelig. „Gott sei Dank, du bist aufgewacht...“ Das Gesicht des schönen Jungen war voller Besorgnis. Kisara versuchte, ihre Gedanken zu sammeln... „Was ist denn... passiert-“ Da fiel es ihr ein... „D-Dieser Dämon... L-Lucien... wo... ist er...?“ Sie versuchte sich aufzusetzen, doch stattdessen landete sie in Balians Armen.

„Hey... jetzt beruhige dich und übernimm dich nicht. Wie soll ich sagen...“ Der Magielehrling klang verwirrt. „Lucien ist... ganz offensichtlich außer Gefecht gesetzt. Er liegt dort hinten auf dem Boden, ohnmächtig.“ Mit großen Augen starrte Kisara erst Balian, dann die reglose Gestalt an. „Was? Aber... was ist denn... geschehen???“

„Das könnte ich dich auch fragen, Kisara.“ „Was? Wie meinst du das?“ „Nun ja, als ich hier ankam, lagen sowohl du als auch er auf der Erde.“ „Häh?? Du hast ihn gar nicht unschädlich gemacht?“ Balian schüttelte den Kopf. Kisara verstand gar nichts mehr. Automatisch war sie davon ausgegangen, dass ihr Beschützer sie – mal wieder – gerettet hatte. Sie dachte scharf nach, aber sie hatte keinerlei Erinnerung daran, was los gewesen war, nachdem sie den lüsternen Mistkerl von sich gestoßen hatte...

„Was ist denn passiert, sag, hat er dir irgendwas getan?“ Sich schämend senkte die Gepeinigte den Kopf. „Kisara! Jetzt rede bitte!“ Die eine Hand legte er auf ihre Schulter, mit der anderen hob er ihr Kinn an, seine braunen Augen blickten fest in ihre blauen. Schließlich brachte der ungewohnt Ungestüme seine Schutzbefohlene zum Weinen; wieder sank sie in seinen Armen zusammen. Doch jetzt erzählte sie:

„Er... er hat mich geküsst... e-es war so widerlich... a-aber e-er hat einfach nicht aufgehört! Das war so schrecklich...“ In Balian stieg kochende Wut an. Was nahm dieses arrogante Monster sich eigentlich heraus?? Liebend gerne hätte er ihn jetzt, in diesem hilflosen Zustand, erledigen wollen... doch er musste seinen Verstand beisammen halten. Lucien war ein Dämon, ein unsterbliches Wesen – nichts, was man mal ebenso töten konnte. Doch dessen Zustand gab Rätsel auf: Wer oder was hatte ihn auf so effektive Weise in Bewusstlosigkeit versetzt?

„Hey... ganz ruhig... es ist wieder alles in Ordnung...“

Fest schmiegte sich die aufgelöste Kisara an ihren Beschützer. Seine starken Arme vermittelten ihr eine Sicherheit und Geborgenheit, die ihr das Gefühl gab, dass alles gut werden würde. Als sie sich wieder beruhigt hatte und ihre Tränen getrocknet waren, richtete sie sich ein wenig verlegen auf und blickte Balian schüchtern an. „Danke...“, murmelte sie. „Bitte“, erwiderte er und konnte nicht umhin zu lächeln, doch dann fiel ihm etwas Seltsames auf. „Kisara... was hast du da?“ Auf ihrer Stirn, von ihren langen weißblonden Ponysträhnen fast vollkommen verdeckt war eine blasse, der Form eines Sterns ähnliche Narbe zu erkennen. Er entfernte die Haare aus ihrer Stirn und legte sie damit frei. Die hatte sie doch vorher noch nicht gehabt?

„Was machst du denn da, habe ich irgendwas auf der Stirn?“, fragte Kisara irritiert und bekam leicht rosa Wangen, weil Balian ihr gerade ziemlich nah kam.

Als der Zauberer das merkwürdige Mal jedoch mit den Fingerspitzen berührte, durchzuckte es ihn plötzlich – eine neue Vision kündigte sich an...
 

Der immergrüne Wald... und das fremdartige Mädchen, so schön und rein wie es eigentlich nur ein Einhorn sein kann...
 

„Balian! Bitte sag doch was...“ Die Trance dauerte dieses Mal nur wenige Sekunden. „W-Was...?“ Ein wenig orientierungslos schaute Balian sein besorgtes Gegenüber an, dann schüttelte er sich kurz und fasste sich wieder: „K-Keine Angst, es geht schon wieder...“ Irritiert starrte er das Mädchen an. Das merkwürdige Mal war wieder verschwunden...

Kisara musste an das denken, was Henry ihr erzählt hatte. „Du hattest-“ Ein lautes Geräusch ließ sie verstummen; irgendjemand trat die verschlossene Tür ein – mit Erfolg: Im Türrahmen standen zwei Typen, die Kisara nach wenigen Sekunden erkannte: Als sie Mary das erste Mal begegnet war, waren diese bei ihr gewesen...

„Einbrecher! Zauberer im Haus!“, schrie einer der beiden lautstark, dann rannten beide auf die Eindringlinge zu. Davon ließ Balian sich allerdings nicht beeindrucken. Kisara mit sich auf die Füße ziehend, sagte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht: „Keine Angst, ich glaube nicht, dass wir uns vor denen fürchten müssen. Ein bisschen Schlaf wird ihnen bestimmt guttun.“ Mit diesen Worten zog er ein kleines Säckchen hervor, öffnete es und kippte sich ein bisschen von dem Inhalt – es war feiner, weißer Sand – auf die Hand. Die Ungläubige starrte ihn mal wieder an, als wäre er nicht ganz richtig im Kopf. „Balian... was ist das??“ „Das wirst du gleich sehen“, antwortete er schmunzelnd und blies den Handlangern von Mary die puderähnliche Substanz ins Gesicht. „Hey! Was machst-“, begann einer der beiden, doch dann verdrehten sich schläfrig seine Augenlider, genau wie bei seinem Kollegen... „Süße Träume...“, murmelte Balian mit melodischer Stimme, als die beiden tief schlafend auf den Fußboden fielen. „Bist du das Sandmännchen, oder was?“, begann Kisara hysterisch, doch er unterbrach sie; im Moment gab es Wichtigeres. „Wir müssen hier weg, komm.“ Ihren Arm ergreifend, machte er sich auf zum Fenster und rief:

„Keine Fensterscheibe hält, wenn sie in tausend Scherben zerfällt!“

Tatsächlich: Die massive Scheibe brach klirrend in sich zusammen. Balian schlang seinen Arm um Kisaras Körpermitte und seine Füße hoben vom Boden ab.
 

Der Dunkelheit draußen nach zu schließen, musste es früher Morgen sein, kurz vor der Dämmerung. Das Weiß des Pulverschnees in dieser verschneiten Region war erst undeutlich zu sehen. Auf einem lichten Waldweg landeten die beiden; inzwischen waren sie einige Kilometer vom Versteck der Jäger entfernt.

Kisara hatte etwas auf dem Herzen, es brannte ihr richtig buchstäblich in der Seele; es musste jetzt unbedingt raus:

„Balian? Ich muss dir etwas sagen.“ „Hm? Ja, was ist denn-“ Der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken, als Kisara sich plötzlich vor ihm auf dem Boden schmiss und die Haltung einer demütigen Verneigung annahm...

„Ich möchte mich entschuldigen... bitte verzeih mir! Du... warst von Anfang an nett zu mir und hast mich beschützt, aber ich... ich hab dir und auch Henry nur Ärger gemacht! Und ich bin auch Schuld an Chicos Tod und... s-sowieso an der ganzen Misere! Ich... dachte immer, ich sei so erwachsen, aber... ich hatte unrecht... ich bin ein kleines, egoistisches Kind...“ „Kisara... hör auf. Bitte hör auf, dich so fertig zu machen! Es ehrt mich, dass du dich bei mir entschuldigst... doch man sollte nicht zu viel über seine Fehler jammern, sondern aus ihnen lernen. Das Leben besteht oft aus einer Kette von unglücklich verlaufenden Ereignissen... und... dein kleiner Chico wäre sicher traurig, wenn er sehen würde, dass du allen Mut verlierst. Bitte, steh auf...“ Er hielt Kisara, die verstohlen den Kopf hob, sanft lächelnd die Hand hin. Erst zögerte sie, doch schlussendlich ergriff sie sie.

Nachdenklich schaute Balian das immer noch recht mysteriöse Mädchen an. Ihm war ein Gedanke gekommen: Stand Luciens tiefe Ohnmacht mit ihr wohlmöglich im Zusammenhang? Was hatte diese Narbe auf ihrer Stirn zu bedeuten, bestand auch hier eine Verbindung? Und war es nur Zufall, dass er just in dem Moment, in dem er sie berührte, jene undefinierbare Vision schon wieder bekommen hatte? Er wusste es nicht... doch obwohl so vieles noch unklar war, hatte Kisaras Entschuldigung ihm irgendwie das Herz erwärmt. Kurzentschlossen zog er sie in eine Umarmung. Die Überrumpelte wurde puterrot.

„Du kannst mir vertrauen“, flüsterte er warmherzig, „Ok? Vertrau mir...“ Kisara nickte und ließ sich von seiner Wärme umhüllen, die ihr unverzichtbaren Trost spendete...



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