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Amaltheas Tochter

Das letzte Einhorn - Alternatives Ende und Fortsetzung
von

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Ein ungewöhnliches Fohlen

Im Schutz der Morgendämmerung und begleitet von leisem Vogelgezwitscher gingen Kisara und Balian einen ruhigen Waldweg entlang. Ein wenig Schnee fiel leise vom Himmel. Blendete man den ganzen Hintergrund aus, so wäre es ein ganz normaler Spaziergang.
 

„Eigentlich hättest du doch auch gleich zu eurem Versteck zurückfliegen können, oder?“ „Stimmt schon... aber es tut gut, mal da raus zu kommen. Diese Arbeit ist ganz schön hart, da braucht man mal ein bisschen Pause.“ „Hm... das leuchtet ein. Aber Balian, mir fällt gerade ein... wie kam dieser... Lucien... in euer Versteck?“ „Das haben Henry und ich uns auch gefragt. Ich meine, wenn es kein Problem für ihn gewesen wäre, wäre er doch sicherlich schon vorher irgendwann mal aufgetaucht; ist er aber nicht. Henry vermutet, dass er einen der unseren... aufgespürt und erpresst hat.“ „Was?“ Abrupt blieb Kisara stehen. „Im... Ernst?“ Balian nickte. „So sieht es wohl leider aus. Und... er wird denjenigen danach bestimmt nicht am Leben gelassen haben. Laufen gelassen sowieso nicht. Aber ich gehe eher von ersterem aus...“ Als er das weiß gewordene Gesicht seiner Begleitung sah, fügte er beschwichtigend hinzu: „Das ist leider bittere Realität, Kisara. Schon einige haben in dem Krieg gegen die Einhornjäger ihr Leben lassen müssen. Dieser Job ist sehr gefährlich.“ „Das ist schrecklich...“, murmelte sie traurig, den Kopf gesenkt. „Ja, das ist es leider... aber mach dir keine Sorgen, ich habe nicht vor, deine Sicherheit zu vernachlässigen.“ Kisara wurde gegen ihren Willen rot: „M-Mach dir wegen mir keine Umstände...“ „Tja, ich fürchte, das ist schon längst passiert. Mach du dir keinen Kopf, solange du meine Schutzbefohlene bist, werde ich auf dich acht geben.“ Sie spürte erneut eine Wärme in ihrem Inneren aufkeimen, so angenehm war dieses unentbehrliche Gefühl, nicht allein zu sein und jemandem vertrauen zu können. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.

Verlegen und auch ein wenig nachdenklich ließ Kisara ihren Blick über die dunklen, aber sanft wehenden Bäumen schweifen. Doch jäh und plötzlich, dass man es unmöglich hätte kommen sehen, sah sie ein seltsam unwirkliches Glitzern durch das dichte Blattwerk. Irritiert blieb sie stehen; ein überaus merkwürdiges Gefühl stieg in ihr hoch.

„Kisara? Was ist los, was hast du?“ „Was... was ist das?“, fragte sie und ihre Stimme schien von ganz weit weg zu kommen. Balian blickte dorthin, wo Kisaras Blick ruhte und nun sah er es auch. Er brauchte nur wenige Sekunden, um zu verstehen – dann ergriff er die Hand seiner Weggefährtin und schlich mit ihr behutsam näher. „Balian... was-“ „Pscht...! Bitte sei leise, sonst wirst du es erschrecken!“
 

Balian war sich sicher, dass seine Sinne ihn nicht betrugen. Und tatsächlich, durch ein Loch im Gebüsch sah er es:

An einem kleinen, malerischen See stand eines der schönsten Geschöpfe, die er jemals gesehen hatte, und löschte seinen Durst mit dem klaren Wasser.

Die Mähne leuchtete strahlend weiß und schmiegte sich harmonisch an den schönen, schlanken Körper. Auf der Stirn thronte ein Horn. Balian musste kräftig schlucken, denn ihm stockte der Atem; es war lange her, dass er zuletzt eines gesehen hatte...

Kisara verstand kein bisschen, was hier vor sich ging, erst recht nicht, als sie den Ausdruck auf dem Gesicht ihres Begleiters sah; was konnte so faszinierend sein, dass es ihn offenbar so ganz und gar fesselte? Verwundert spähte sie durch das Guckloch.

Ein See kam in ihr Blickfeld, doch so etwas wie das Wesen, was an ebendiesen stand und trank, hatte sie noch nie gesehen: Es sah aus wie eine kleine Pferdestute, aber konnte ein Pferd derartig schön sein? Normalerweise waren die Fohlen, die sie bislang gesehen hatte, tapsig und unsicher auf den Beinen, dieses jedoch wirkte atemberaubend anmutig, sogar wenn es einfach nur regungslos dastand. Zudem war es reinweiß, ohne ein Zeichen von Schmutz oder einem sonstigen Makel.
 

„Wow... das ist wunderschön...“ „Weißt du, was das ist, Kisara?“ „Eine ziemlich hübsche kleine Stute, oder?“ Der Zauberlehrling schnaubte. Er hätte es wissen müssen...

„Keineswegs. Das ist ein... Einhorn.“

„Hääää? Willst du mich veräppeln??“ „Verdammt nochmal, nicht so laut!“, schalte Balian das Mädchen mit zusammengebissenen Zähnen. Tatsächlich schien ihr Ausruf das junge Fabeltier aufgeschreckt zu haben: Mit großen fliederfarbenen Augen blickte es sich ängstlich um, schließlich verschwand es hinter die nächsten Bäume.

„Na toll. Jetzt hast du es verschreckt!“ „Was bitte meinst du mit Einhorn? Ich dachte, die hätten ein Horn oder sowas!“ „Ich habe es dir bereits einmal erklärt. Du glaubst nicht an sie, deshalb kannst du sie auch nicht erkennen. Du nimmst das Horn nicht wahr.“ „Aber du kannst es sehen, oder wie?“ „Ja, allerdings. Und jetzt hör auf, hier so aggressiv rumzumaulen! Du musst dem kleinen Einhorn nicht noch mehr Angst einjagen.“ „Was soll das denn jetzt? Was auch immer das war, es ist doch bestimmt eh schon über alle Berge!“ „Nein. Ist es nicht. Es ist noch da.“ „Woher willst du das wissen?“ „Ich spüre es...“ Seine schmalen braunen Augen blickten nun sehr ernst, gar kühl, drein. Was er sagte, konnte doch nicht einfach so daher gesagt sein? Mal wieder war Kisara vollkommen verwirrt. Das, was sie gerade gesehen hatte, war ein Einhorn?

Ein Einhorn?
 

Balians Ernsthaftigkeit brachte sie schließlich dazu, beschämt den Kopf zu senken.

Schon um Einiges sanftmütiger forderte er sie auf: „Komm mit.“

Sie gingen zum Seeufer und Balian starrte angestrengt nachdenkend auf die Stelle, wo das Einhornfohlen hinter die Bäume geflüchtet war.

„Willst du es wieder herauslocken?“ „Ja... weißt du, dieses Einhorn wirkt noch äußerst jung, und eine Einhorngeburt ist etwas, was wirklich sehr, sehr selten vorkommt. Ich werde nicht zulassen, dass diese schrecklichen Jäger es in die Finger bekommen...“

Und da war es wieder: Erneut sahen sie das silbrige Leuchten, das das Einhorn auf magische Art und Weise ausstrahlte.

„Es... ist wirklich noch da... aber... wie willst du es dazu bringen, zu uns zu kommen?“ „Geduld. Ich versuch mal was.“

Balian atmete einmal tief durch, streckte die Hände aus und formte mit den Händen eine Schale. Nach ein paar Sekunden erschien auf seiner Handfläche eine Art durchsichtige Lichtkugel, die sanft glühte.

„Was... was ist das?“ „Magie natürlich. Materialisierte Magie, mit anderen Worten: Ich presse sie in eine gestaltliche Form, mehr oder weniger zumindest. Und Einhörner sind mächtige Träger der weißen Magie. Magie lockt sie an, solange sie von guter Natur ist.“

Kisara betrachtete ihn voller Skepsis; obwohl es direkt vor ihrer Nase geschah, war es ihrem Kopf einfach nicht möglich, es zu glauben...

Als Balian hauchzartes Hufgetrippel hörte, wusste er, dass sein Vorhaben funktionierte. Langsam und mit äußerster Vorsicht kam das Einhornfohlen zwischen den Ästen hervor. Neugierig blickten seine schönen Augen den Jungen an, der den Blick ohne Blinzeln erwiderte. Seine materialisierte Magie wurde zu schimmerndem Rauch, flog auf das Fabelwesen zu und zerstob an seinem Horn. Das Einhorn neigte langsam den Kopf nach vorne, bis es die dargereichte Hand sachte berührte. Sanft streichelte Balian den zierlichen Kopf des Fabeltieres.

„So ist es gut... du musst keine Angst haben.“

Es sieht aus wie die Einhörner aus Mamas Geschichten, schoss es Kisara durch den Kopf. Mit einem Unterschied: Ein Horn konnte sie nicht entdecken, auch wenn Balian meinte, das eines da wäre. Stimmte tatsächlich irgendetwas mit ihrer Wahrnehmung nicht?

„Wir nehmen es mit“, beschloss der junge Zauberer, „Erinnerst du dich, Kisara? Diese Vision, die ich letztens hatte. Ich konnte es nicht besonders gut erkennen... aber vielleicht habe ich dieses hier gesehen. Es ist definitiv in Gefahr. Wir werden jetzt ersteinmal zum Hauptquartier zurückkehren, und dann sehen wir weiter.“

„O-Ok... aber glaubst du echt, dass das Pferdchen mit uns kommt?“ „Es ist ein Einhorn“, wiederholte Balian und verdrehte leicht genervt die Augen. „Und ja. Es vertraut mir. Zudem ist es noch ziemlich jung. Das wird nicht so schwer sein.“

Tatsächlich schaute ihn das Einhornfohlen sehr treu an und trippelte neugierig um ihn, aber auch um das nach wie vor völlig misstrauische Mädchen herum. Balian lächelte:

„Dann komm mal mit, Kleines. Wir passen auf dich auf, versprochen.“ „Woher willst du wissen, ob es dich überhaupt versteht?“ „Sicher bin ich mir nicht. Aber... so lange es uns folgt, ist alles gut.“ Und nach diesen Worten nahm er einfach Kisaras Hand und zog sie zum Weitergehen hinter sich her. Erneut wurde sie rot. Langsam fragte sie sich, warum dieser Junge sie ständig – und immer öfter – so befangen machte. Doch bevor sie diese Gedankengänge weiter erforschen konnte, wunderte sie sich ziemlich über das kleine – was auch immer es war – welches ihnen tatsächlich munter hinterhertrabte.

„Ich habs dir doch gesagt“, meinte der junge Magier und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Schließlich legte er seine Hand auf die weiche Mähne des Fohlens und murmelte: „Was mein sei dein. Erhebe ich mich in die Lüfte, so sollst du es auch...“

Kisara verstand mal wieder nur Bahnhof, doch dann aktivierte Balian, der immer noch ihre Hand hielt, seinen Schwebezauber. Wie er es beabsichtigt hatte, ging dieser automatisch auf das Einhorn über.

„In Ordnung. Wir kehren jetzt zu Henry zurück.“
 

Es dauerte nicht lange, und sie waren beim Versteck angekommen. Dort traf sie jedoch der Schlag: Es war vollkommen zerstört. Nur noch Trümmer waren übrig...

„D-Das kann doch nicht... diese miesen Jäger...“, entfuhr es Balian wütend und entsetzt.

„Den anderen... Zauberern... und Henry... wird es doch hoffentlich gut gehen, oder?“, fragte Kisara unsicher, als sie auf dem Boden angekommen waren. „Das kann ich nur sehnlichst hoffen, Kisara...“

Das kleine Einhorn schien die Unruhe der beiden zu fühlen und scharrte nervös mit den Hufen auf der Erde.

Langsam bahnten sie sich einen Weg durch die verwüsteten Gemäuer. Balian vernahm einen leichten Geruch von Blut und ihm drehte sich der Magen um. Plötzlich blieb Kisara abrupt stehen.

„Kisara... was-“ „Balian. B-Bitte sag mir nicht, dass das dort... H-Henry ist.“

Der Zauberer wandte den Kopf zu der Stelle, auf die das Mädchen starrte, und bekam einen heftigen Schrecken. An einem kaputten Mauervorsprung lehnte reglos der mächtigste Magier, den er kannte, blutüberströmt...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2011-04-11T19:37:42+00:00 11.04.2011 21:37
Hey du!

Ich habe mir das neuste Kapitel durchgelesen!
Meiner Meinung nach ist es sehr gut geworden.
Schade um den armen Henry... Bin schon gespannt auf die Fortsetzung.
Weiter so!
Von: abgemeldet
2011-04-11T17:06:49+00:00 11.04.2011 19:06
Uhi auch wenn ich zugeben muss das ich mir die vorherigen kapitel noch mal durchlesen muss, finde ich es interessant.
bin gespannt wie es weiter geht *____*

Gruß Eos


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