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Starlight Express: Rusty und Caseys Abentuer 2

Das zweite Lehrjahr
von

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Die Insel der Drachen

Kapitel 10: Die Insel der Drachen.
 

Als Casey wieder zu sich kam, lagen er und Rusty auf einem felsigen Strand. Langsam zog die Dämmerung herauf. Sein Rucksack lag neben Ihm, vom Netz mit den Vorräten fehlte allerdings jede Spur.

„Was war denn -das?“ fragte die Dampflok.

„Keine Ahnung. Aber etwas hat uns per Luftpost hierher gebracht! Ich konnte das Meer unter mir erkennen, dann verlor ich vor Schreck die Besinnung.“

„Schau mal! Wir sind auf der Insel!“

Vor ihnen erhob sich eine bizarre Felslandschaft mit hohen Bergen. Und zwei der Höchsten waren sogar aktiv!

„Vulkane! So stelle ich mir die Heimat der Drachen vor.“ murmelte Casey.

„Aber bis jetzt sind noch keine zu sehen.“ meinte Rusty.

Aber plötzlich erfüllte ein Rauschen die Luft, das langsam anschwoll, Windwirbel zausten die Haare der Beiden Freunde.

„DAA!“ rief Casey, der den Kopf gehoben hatte und deutete nach oben. Zwei riesige Körper verdunkelten die Sonne. Sie senkten sich auf den Strand nieder und Casey und Rusty sprangen in Deckung hinter einen großen Felsen. Wenige Augenblicke später hörte man nacheinander einen dumpfen Aufprall, Sand und kleine Kiesel wirbelten herum.

Der Lehrling wagte als Erstes, wieder seinen Kopf hinter der Deckung hervorzustrecken. Auf dem Strand waren zwei riesige Kreaturen niedergegangen, Casey endeckte lederne Schwingen, die sich langsam zusammenfalteten und an einen schuppigen Rücken anlegten.

„O gütiger Starlight! Ich dachte mir, das sie groß sind-aber SO groß?“ schluckte er.

Nun stieg auch die Sonne hinter den Gipfeln empor und tauchte den Strand in ein goldenes Licht. Und beschien zwei haushohe Drachen mit langen Hälsen und länglichen, schuppigen Köpfen. Einer war feuerrot, der Andere hellbraun.

„Rusty, ich glaube, wir werden erwartet…“ murmelte Casey mit einem mulmigen Gefühl im Magen. Wie sollte er sich mit den Wesen verständigen? Konnten sie die menschliche Sprache?

Langsam trat der Lehrling hinter dem Felsen hervor, Rusty folgte zögernd.

„Äh-Hallo?“ fragte Casey leise. Im nächsten Moment wandten sich beide Köpfe in seine Richtung und senkten sich auf die beiden Neuankömmlinge zu!

„Uahh! Das sind wirklich Drachen!“ bibberte Rusty, als sich der riesige rote Kopf langsam näherte. Er sah wirklich furchterregend aus. Zwei lange spitz zulaufende Hörner wuchsen seitlich aus seiner Stirne, mehrere Kleinere bedeckten die Stirn und die lange Schnauze. Und erst die Zähne!

Der Drache schnaubte und eine dunkle Rauchwolke hüllte Lok und Lehrling ein.

„Uuuh...das stinkt nach Schwefel! Die haben wirklich so einen schlechten Atem, wie in den Gesichten erzählt wird.“ meinte Casey. Rusty stand nur stocksteif da und rührte sich nicht.

„Rrrrr....kleiner Feuerbruder....“ knurrte der rote Drache.

„Er kann tatsächlich sprechen!“ staunte Casey.

„Natürlich kann er sprechen! Er ist nicht dumm!“

Ein Mann mit einer großen Lederschürze kam auf sie zu. Darunter trug er nur eine blaue Latzhose und ein paar feste, schwarze Schuhe. In der Hand hielt er einen langen Schraubenschlüsel wie ein Zepter.

„Dem Starlight sei Dank! Ein Mensch! Wer sind sie?“ fragte Casey erleichtert.

„Ich bin Meister Justus und lebe schon lange hier. Es ist lange her, seit das letzte Mal eine Dampflok diese Insel betreten hat.“

„Ich hätte nicht gedacht, das es hier auch Menschen gibt.“ bemerkte Rusty.

„Ich bin der Einzige hier auf der Insel.“

„Was? Sie leben hier ganz alleine?“

Justus nickte.

„So wie meine Vorgänger. So wurde es vor langer Zeit zwischen den Drachen und uns Menschen vereinbart.“

„U-und wer sind diese beiden Drachen?“

„Das sind Fafnar und seine Gefährtin Galathea. Fafnar ist das Oberhaupt der Drachensippe.“

„Es gibt noch mehr?“

„Natürlich! Die Insel wird von einer angesehenen Population bevölkert.“

„Verstehe. Hallo-äh, mein Name ist Casey Jones, Lokführerlehrling im zweiten Jahr. Und das ist mein Kumpel Rusty.“ stellte sich der Lehrling mit seiner Lok vor.

Beide Drachen brummten zustimmend. Das braune Weibchen verzog Ihre Schnauze sogar zu einem Lächeln.

„Aber nun kommt mit mir. Ich bringe euch zu meinem Zuhause.-Da geht’s lang.“

Meister Justus wies auf einen steinernen Pfad, der sich den Strand hinaufwand und in dem hügeligen Gelände verschwand.

„Wir sehen uns, kleiner Feuerbruder und kleiner Lehrling.“ sprach Galathea und beide Drachen breiteten Ihre Schwingen aus. Wieder gab es einen mittleren Sturm, als sich beide Wesen in die Lüfte erhoben und in Richtung der Berge davonflogen.

„Beeindruckend…“ staunte Casey.
 

Nach einem einstündigen anstrengenden Fußmarsch über Stock und Stein und durch zwei mit spärlichem Grün bewachsenen Tälern, in denen einige wilde Bergziegen weideten, erreichten sie Justus Zuhause. Eine Höhle am Fuße eines riesigen Berges.

Im Innern gab es unzählige Räume und Kavernen, es war angenehm warm.

„Das hier ist das Gästequartier für Lokführer. Und für den Hunger deiner Lok gibt es dort drüben einen ordentlichen Kohlevorrat. Die gibt es hier auf der Insel genug.“ erklärte Justus.

Helle leuchtende Kristalle, die überall an den Felswänden befestigt waren oder auf natürliche Weise aus dem Felsen wuchsen, tauchten die ganze Höhle in ein angenehmes Licht. Es war unglaublich, war mancherorts die Natur hervorbrachte, staunte Casey.

„Wie gesagt. Hier wirst du so lange wohnen.“

„Alles klar, Meister Justus.“

Als Schlafplatz diente eine Nische im Fels, die mit dicken Fellen ausgelegt war. Sonst gab es noch einen Tisch und zwei Stühle und einen kleinen Schrank. Alles ziemlich rustikal.

„Wow, es ist, als wäre man viele hundert Jahre in die Vergangenheit gereist.“.
 

Nachdem Casey seine Sachen ausgepackt hatte, sah er sich etwas in der Höhle um. Rusty hatte seinen Platz ganz in der Nähe neben der großen Kohleschütte.

„Ich muss schon sagen. Die Kohle hier ist 1A Qualität.“ bemerkte er.

„Komm, wir sehen nach Justus.“

In den Außenwänden gab es immer wieder fensterartige Öffnungen, die einen Blick auf die umliegende Landschaft freigaben. Einmal entdeckte Casey sogar die Umrisse eines oder mehrerer Drachen hoch am Himmel.

Hin und wieder kamen sie auch an steinernen Skulpturen vorbei. Sie zeigten vor allem Drachen aber auch andere Tiere und Casey völlig unbekannte Fabelwesen.

„Ob die Meister Justus wohl angefertigt hat? Hmm…aber das Gestein sieht aus, als wäre es schon vor langer Zeit behauen worden.“ sinnierte Casey.
 

Schließlich gelangten sie in die größte Höhlenhalle, die eine Werkstatt zu sein schien. In der Ferne hörte Casey so etwas wie einen Generator summen, Justus hatte anscheinend auch einige elektrische Maschinen hier.

„Ah, da seid Ihr ja! Willkommen in meiner Werkstatt!“

Rusty erkannte hier und da Teile von alten Dampfloks.

„Was machen Sie hier eigentlich den ganzen Tag, jetzt wo kaum noch Loks hier auf die Insel kommen?“ fragte Casey.

„Oh, es gibt immer etwas zu tun, glaub mir. Aber ich freue mich natürlich immer, wenn ich Besuch vom Festland bekomme. Aber nun erzählt mal. Warum seid Ihr eigentlich auf die Insel gekommen?“ wollte der Maschinist wissen.

„Nun, Rusty hat ein Problem mit Feuerattacken. Na ja, mit seinem Feuer allgemein.“

„Erklärt es mir bitte genauer. Ist einmal irgendetwas passiert?“

„Nun ja..“ Die Dampflok druckste herum.

„Erzähle es mir, Rusty. Nur dann können wir entscheiden, was zu tun ist.“

„Wir?“

„Ich und die Drachen.“
 

Rusty seufzte und begann zu erzählen.

„Ich hab einmal einen riesen Fehler gemacht. Ich hab auf den Rat eines Diesels gehört.“

„War es Grease?“ fragte Casey.

„Nein. Es war Steel. Er hat gesehen, das ich auch gerne eine Feuerattacke lernen wollte, und hat mir gesagt, ich solle ein wenig Spiritus zu Hilfe nehmen. Mein Atem wäre heiß genug, um ihn zu entzünden, wenn ich ein paar Tropfen davon in den Mund nehmen und wieder ausspucken würde. Dann würde ich ein Gefühl für die Hitze bekommen und es bald ohne Hilfe können. Und ich war so dumm und hab auf ihn gehört!-Steel wollte sich nur einen Scherz erlauben, weil er dachte, mir würde vom Geschmack dieses Zeugs schlecht werden und ich könnte ihn nicht im Mund behalten. Einer Diesellok wird von Anfang an die Gefährlichkeit und der richtige Umgang mit dem Treibstoff verständlich gemacht. Lecks im Tank müssen sofort gemeldet werden. Deshalb haben wir uns damals bei Turnov so beeilt, das die Lecks schnellstmöglich wieder abgedichtet werden.“ erzählte Rusty. “Aber eine Dampflok kommt normalerweise nie mit Spiritus oder Diesel in Berührung, deshalb wird sie auch nicht direkt über die Gefahren aufgeklärt.
 

In der Werkstatt von Mr. Kelmon steht immer so eine Flasche bei den Reinigungsmitteln herum. Ich hab sie mir heimlich ausgeliehen und mich beim Güterbahnhof in einer Ecke versteckt. Und dann ist es passiert. Steel hat mich absolut nicht vor der Gefahr einer Verpuffung gewarnt! Ich Dummkopf ließ auch noch die Flasche offen, das austretende Gas vermischte sich mit der Luft und als ich mein Feuer besonders stark anfachte, um genug Hitze in meinem Atem zu haben, hat sich das ganze Gasgemisch um mich explosionsartig entzündet! Die Flasche platzte dadurch und der Inhalt spritzte auf mich! Ich stand sogleich in Flammen und geriet in Panik! Zwei Rangierarbeiter entdeckten mich als ich schreiend wie eine lodernde Fackel aus meinem Versteck stürmte, wo ich mein Expreriment durchgeführt hatte. Einer der Männer warf mir eine Löschdecke über und stieß mich zu Boden. Zum Glück konnten die Flammen schnell erstickt werden. Dabei wurde aber auch der eine Arbeiter leicht verletzt.... Und wie ich erst aussah! Meine Haare waren total versengt und durch die explosionsartige Verbrennung hat sogar meine Hülle Schaden genommen, obwohl sie eigentlich feuerfest ist. “

„Oh nein...das ist wirklich voll in die Hose gegangen!“ schluckte Casey. „Rusty…Rusty…“

„Erst nach diesem Zwischenfall wurde ich von Digger und Mr. Kelmon auf die Gefahren hingewiesen. Sie konnten es zuerst nicht verstehen, wie ich überhaupt auf diese verrückte Idee gekommen war. Ich beichtete ihnen alles und Steel wurde verwarnt.“

„Verdammt, ich konnte doch nicht ahnen, das der Kleine so eine Dummheit machen würde! Ich hab das doch nur spaßhalber gesagt!“ versuchte sich Steel damals herauszureden. –Verstehen sie jetzt, Meister, warum ich Angst habe, Feuerattacken zu lernen? Ich habe Angst, mich wieder zu verletzen. Oder andere. Vor allem wegen Casey trau ich mich nicht mehr an Feuerattacken.“

„Ich verstehe. Du musst damals einen ziemlichen Schock erlitten haben. Dein Verhältnis zum Feuer ist seitdem gestört. Das darf bei einer Dampflok nicht sein.“ erklärte Meister Justus. „Es ist gut, das Ihr beide hier hergekommen seid. Wenn Dir einer bei diesem Problem helfen kann, dann sind es die Drachen, die Herren des Feuers. Ich werde gleich eine Nachricht an den Rat der Drachen senden, um ein Treffen zu vereinbaren.“

Meister Justus begab sich in den hinteren Bereich seiner Werkstatt. Dort führte ein Rohrsystem aus dem Boden die Felswand hinauf und verschwand in der Decke.

Zuerst legte der Betriebsmeister einen Hebel um, dann drehte er ein großes, eisernes Rad auf.

„Was ist das für eine Maschine?“ fragte Casey.

„Eine etwas umfunktionierte Dampfmaschine. Wenn genug Druck aufgebaut ist, fährt oben eine große Feuerfontäne in den Himmel. Das ist unser vereinbartes Signal, wenn der Rat der Drachen zusammenkommen soll.“

„Wow. Ein künstlicher Feuerspeier also!“

„So könnte man es auch nennen.“

Plötzlich erfüllte ein dumpfes Grollen die Höhle.

„Keine Angst, das ist nur der Druck der sich aufbaut.“

Augenblicke später war über den dreien ein Donnern zu hören. Casey und Rusty zogen erschrocken die Köpfe ein. Meister Justus zog den Druckhebel zurück und drehte das Radventil wieder zu.

„Die Energie kommt direkt aus der Erde. Deshalb ist es hier auch so warm. Übrigends-es ist gleich Mittagszeit. Habt Ihr Hunger?“

„Ich schon.“ nickte Casey.

„Danke, nein. Ich habe mich schon reichlich an der Kohleschütte bedient.“ erklärte Rusty.

„Dann lass uns mal sehen, was der alte Pierre alles so mitgeschickt hat. Ich bin noch nicht ganz mit dem Einräumen fertig geworden.“

Rusty entschloss sich ein Nickerchen zu machen, während die beiden Menschen die Küche aufsuchten. Zum Kochen gab es einen Gasherd, der Kühlschrank wurde vom Generator angetrieben.

„Frische Nahrung gibt es nicht so oft hier, aber ich habe einen kleinen Garten am Fuß des Berges, wo der Boden nicht nur aus Fels besteht.“ erklärte Meister Justus, während Casey die Konserven und Kartons aus dem Transportnetz holte und sie an den Schlosser weiterreichte, der alles verstaute.
 

Später am Nachmittag entschuldigte sich Meister Justus, da er zu der Versammlung musste.

„Dürfen wir nicht mit?“

„Tut mir leid, Casey. Nur ich darf dem Rat der Drachen die Anliegen der Besucher überbringen. Ich bin in etwa drei Stunden wieder zurück.“

Durch eine Fensteröffnung sahen Casey und Rusty dem Schlosser nach, wie er einem Pfad weiter hinauf in die Berge folgte.

„Was hältst Du davon, wenn wir ein bischen deine Attacken trainieren?“ fragte Casey.

„Meinetwegen.“ meinte Rusty schulterzuckend.
 

Also begaben sich beide nach draußen und Rusty übte alle Attacken durch, die er bisher konnte. Als Casey Ihn ermunterte, es mal mit einer Feuerattacke zu versuchen, streikte die Dampflok jedoch.

„Nicht mal einen kleinen Feuerball? Versuch es doch wenigstens.“

Aber Rusty schüttelte den Kopf.
 

„Ich habe mit dem Rat der Drachen gesprochen. Sie sind bereit Dir zu helfen. Du wirst mit zwei von Ihnen eine Reise in das Zentrum der Insel unternehmen, dort, wo das Feuer der Erde an die Oberfläche kommt.“ erklärte Meister Justus. „Zuvor müssen wir aber noch einige Vorbereitungen treffen.“

„Wo das Feuer an die Oberfläche kommt? Ich soll doch wohl nicht in einen Vulkan steigen?“ fragte Rusty mit einem unguten Gefühl in der Feuerbüchse.

„Unsinn! Aber hier auf dieser Insel befindet sich der „Quell allen Feuers“.

„Der Quell allen Feuers? Was ist das nun wieder?“

„Das wirst Du sehen, wenn Ihr dort seid. Morgen fangen wir mit den Vorbereitungen an, Rusty.“
 

In dieser Nacht fand Casey nur wenig Schlaf. Sie waren mal wieder in ein aufregendes Abenteuer geschlittert. Er hoffte, das er Rusty auf dieser Reise begleiten durfte. Vor allem wollte er die Drachen näher kennenlernen. Doch bisher hatten sie sich den Beiden nicht mehr genähert, als Casey mit Rusty draußen trainiert hatte. Doch er wusste, das diese Geschöpfe sie aus der Ferne beobachteten.
 

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück bekam Casey ebenfalls eine Lederschürze, ähnlich derer, die Meister Justus ständig trug.

„Du wirst mir in der Werkstatt helfen, so lernst Du nebenbei noch eine ganze Menge.“

„Ich freu mich schon darauf, Meister.“

„So, Rusty, dann komm mal hier her und setz dich auf den Felsblock.“ wies Meister Justus die kleine Dampflok an.

Der Betriebsschlosser ging langsam um Rusty herum, besah sich sein Oberteil. Dann nickte er und holte einen Schraubenschlüssel.

„Als erstes werden wir nun dein Oberteil entfernen.“ erklärte Meister Justus.

„Was? A-aber wieso? Da ist doch nichts kaputt.“ meinte Rusty.

„Vielleicht nicht. Aber ich sagte ja, für deine spezielle Reise müssen bestimmte Vorbereitungen getroffen werden. Dazu muss ich einige deiner Komponenten entfernen, unter anderem auch dein Oberteil hier.“

„Was? Sein Oberteil kann man komplett entfernen?“ fragte Casey erstaunt. Wollte Meister Justus Rusty etwa zerlegen?

„Natürlich. Ich hab das früher oft tun müssen, um für Reparaturen besser an bestimmte Stellen heranzukommen. Die Deckelklappe zu seiner Feuerbüchse wird zwar fehlen, aber das macht nichts. Selbst wenn ich seinen Überwurf abnehme, kann er noch normal herumfahren. -Hilfst Du mir mal? Da vorne liegt noch ein passender Schraubenschlüssel. Ich sage Dir, welche Muttern Du lösen musst. “

„Okay.“ nickte der Lehrling.

Mit vereinten Kräften wurden die Halteschrauben gelöst und das Oberteil mit einem kleinen Flaschenzug über den Kopf gezogen. Ein wenig Asche rieselte dabei heraus.

„Uah, ich …fühl mich so komisch…“ schluckte Rusty.

„Das ist ja so, als steht Rusty in Unterwäsche da.“ meinte Casey und musste plötzlich über seinen Einfall grinsen.

„Sehr witzig, Casey!“ brummte Rusty und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Und jetzt noch die Handschuhe.“ erklärte der Meister und holte einen anderen Schraubenschlüssel.

„Wa-was? Kann man die etwa auch...noch niemals wurden die mir entfernt!“

„In deinem jetzigen Modus ist das nicht schlimm. Du brauchst die Räder ja jetzt gerade nicht. Nur die an deinen Füßen.“

„Meister Justus, wie ist das eigentlich, wenn ein ganzer Teil, also zum Beispiel ein Fuß entfernt werden müsste, um zum Beispiel eine Reparatur durchzuführen?“ fragte Casey.

„Solche komplexen Reparaturen werden eigentlich nur im Maschinenmodus durchgeführt. Sollte es aber im Humanoid-Modus nötig werden, sind besondere Vorbereitungen nötig und nur speziell ausgebildete Schlossermeister können dies ausführen. Unter dieser Hülle-“ Justus tippte auf das weiche, nachgiebige Gewebe auf Rustys Arm“-verlaufen Gefäße mit einer öligen Substanz. Du kannst es am ehesten mit unserem Blutkreislauf vergleichen. Aber dieses Gewebe ist nicht so leicht verletzbar wie unsere Haut.“

„Wow! Ich wusste gar nicht, das es so viel über Humanoid-Loks zu wissen gibt! Aber halt mal. Wenn er sich mal nach vorne beugt, fällt dann nicht seine ganzes brennendes Kohlefeuer heraus?“

„Hast Du Dir eingentlich schon mal den Bauplan einer Dampflok genau angeshen?“

„Ja, natürlich.“

„Ist Dir dann niemals aufgefallen, das die Feuerbüchse so gebaut ist, das sie vom eingang leicht schräg nach unten verläuft? Und die dahinterliegende Kammer mit der Lebensflamme liegt noch tiefer.“

„Oh, das ist mir noch nie aufgefallen. Muss das bei Bedarf mal nachholen.“

Außerdem verhindern Haltedornen ein zurückfallen der brennenden Kohle. Wirf mal bei der nächsten Wartung einen genaueren Blick in seine Feuerbüchse.“

„Das werde ich.“

Justus montierte eine einfache Klappe vor die Feuerbüchse.

„So, damit Du nicht ganz ohne Deckel herumrollst.

„Und jetzt wollen wir weitermachen. Leg deine rechte Hand hierher, Rusty. Keine Angst, es wird Dir nichts passieren. Anfangs ist es etwas ungewohnt, aber Du gewöhnst dich schnell daran.“

Geschickt montierte Justus die Räder auf beiden Seiten ab und verstaute die Teile in dafür vorbereitete Fächer.

Rusty verzog immer wieder das Gesicht. Es war ihm unheimlich, auf einmal von fast allen schützenden Komponenten befreit zu sein.

„Und nun wollen wir mal sehen.“

Langsam streifte Justus den ersten Handschuh ab. Ein sehr helles Gewebe kam darunter zum Vorschein.

„Deine Hände sind ganz hell. Bestimmt weil da noch nie Licht drangekommen ist. Nur die Fingerspitzen sind dunkel. Rusty besah sich schweigend seine Hände.

„Und so soll ich mit den Drachen mit? Ganz ohne Schutz? Das kann nicht ihr Ernst sein, Meister Justus!“ schluckte er.

„Den wirst Du nicht brauchen. Vertrau mir. Und vertrau vor allem deinen Feuerbrüdern.“

Dann warf Justus Rusty eine Tube zu.

„Was ist das?“

„Eine Schutzemulsion für deine äußere Hülle. Trage sie überall auf.“

„Sonnencreme?“ grinste Casey.

„Es ist nur ein Schutz für die erste Zeit. Bis das Gewebe seiner äußeren Hülle sich auf die äußeren Einflüsse eingestellt hat.“ erklärte Justus.

„Na komm, ich helfe Dir. Hinten kommst Du ja schlecht ran.“
 

„Wann soll es eigentlich losgehen?“ fragte Casey, als sie mit der Auftragungsprozedur fertig waren. Jetzt bildete die Emulison eine feste Schicht auf Rustys Hülle.

„Morgen. Die beiden Drachen, die dich begleiten werden, werden dich abholen.“ erklärte Meister Justus.

„Au Backe….“ schluckte Rusty.

„Kopf hoch, Kumpel. Ich werde dich ja begleiten.“

„Nein, Casey. Rusty muss alleine gehen.“ erklärte der Schlosser und schüttelte den Kopf.

„Was?“

„Bei diesem Ritual der Findung muss deine Lok alleine ihren Weg beschreiten. Nur die Drachen werden ihm zur Seite stehen.“

„Och mann!“

„Keine Sorge. Bei mir wird Dir so lange nicht langweilig werden. Und mach Dir keine Sorgen um Rusty. Die Drachen passen schon auf, das Ihm nichts passiert.“

„Na schön.“ seufzte Casey. „Du hast Meister Justus gehört. Ich darf dich leider nicht begleiten.“

„Jetzt muss ich nur noch dein Fahrgestell überprüfen und dann bist Du bereit für deine große Reise.“

Rusty schluckte. Er ganz alleine mit zwei riesigen Drachen in einer feindlichen Umgebung ohne Gleise? Das konnte ja heiter werden. Er schlitterte in letzter Zeit wirklich von einem gefährlichen Abenteuer in das nächste. Erst turmhohe Wellen und nun glühende Flammen und Lava. Er begann sich nach seinem ruhigen Leben in Kommoran zurückzusehnen. Doch Casey zählte auf Ihn und enttäuschen wollte Ihn Rusty auch nicht. Dazu hatten sie schon viel zu viel erlebt. Und dann waren da noch Greaseball und seine Brüder. Sie würden ihn erst recht verhöhnen, würde er versagen oder einen Rückzieher machen.

„Starlight Express…..Cyrill….ich hoffe, Ihr werdet auch weiterhin über mich wachen.“ betete er im Stillen.
 

Fortsetzung folgt…
 

Zu diesem Kapitel habe ich einige Illustrationen auf www.Princessvegata.deviantart.com , die Rusty ohne seine Aufbauten zeigt.



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