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Starlight Express: Rusty und Caseys Abentuer 2

Das zweite Lehrjahr
von

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Im letzten Moment

Kapitel 9: Im letzten Moment
 

Verzweifelt blickte der Lehrling auf die tosende See hinaus. Inzwischen war der Fougasse, der Gehilfe des Leuchtturmwächters, mit einer Taschenlampe vom Leuchtturm her über das Gleis gelaufen.

„Louis! Es tut mir leid, aber wir brauchen die Lampe!“

„Ja, verstehe.“ nickte der Waggon.

„Casey, mon ami, wir können im Moment nichts tun! Und es ist gleich dunkel! Es ist zu gefährlich, noch länger hier draußen zu bleiben!“

Wie betäubt ließ sich der Lehrling von dem Mann an der Hand mitziehen. Er konnte es immer noch nicht glauben. Rusty war weg, irgendwo da unten in der tosenden See.

„Wie tief ist das Wasser hier?“

„Etwa fünf Meter!“

„Oh nein…Rustyy! Transformiere in den Maschinenmodus!!“

Casey wusste, das Rusty zwar schwimmen konnte, aber nur als Mensch.* Als Lok war er selbst im Humanoid-Modus zu schwer.

„Achtung!!“

Louis deutete nach rechts. Eine neue riesige Welle rollte heran.

„Hinlegen!“ befahl der Fougasse und die beiden Menschen warfen sich zwischen die Gleise und versuchten Halt zu finden, Louis kniete wieder als Schutzschild über sie.

Wieder schlug die Welle über den dreien zusammen! Der Leuchtturmwärter musste sogar die Stahltür schließen, damit kein Wasser in den Turm gespült wurde.

„Casey! Casey, alles okay?“

Fougasse rüttelte den Jungen.

„Uagh! Hust! Ja, bin nur nass bis auf den Nabel.-Und wo ist Louis?“

Vom Plattformwagen fehlte jede Spur.

„Mon dieu! Die Meerkobolde meinen es heute gar nicht gut mit uns!“ stöhnte Fougasse. “Wir sind erledigt!“
 

Rustys regloser Körper wogte wie dickes Seegras träge in der Strömung hin und her.

Plötzlich vernahm die Lok eine Stimme.

„Rusty…Rusty!“

Er schlug die Augen auf und entdeckte eine vertraute Gestalt. Sonst herrschte nur Dunkelheit.

„Cyrill! Bin ich jetzt beim Starlight Express im Himmel?“

„Nein, das bist Du noch nicht! Aber Du wirst es, wenn Du nichts unternimmst!“

„Falls Du es noch nicht weißt, ich treibe mehrere Meter unter Wasser auf dem Meeresgrund! Ich bin abgesoffen!“

„Es werden noch mehr absaufen, wenn Du nichts unternimmst! Schiffe und Menschen! Und ein Plattformwaggon mit einer wichtigen Fracht!“

„Louis!“ dachte Rusty entsetzt. Die Lampe. Der Leuchtturm. Die Schiffe, die kein wegweisendes Leuchtfeuer hatten.

„Aber was soll ich tun? Ich kann nicht nach oben schwimmen!“

„Rusty. Das Wasser ist ein Teil von Dir. Ebenso wie das Feuer. Füge beides zusammen und Du hast die Kraft, die Du benötigst!“

Cyrill verschwand und statt dessen hatte Rusty eine Flamme und Wasserkugel vor sich schweben.

„Füge beides zusammen….Feuer zu Wasser…Wasser zu Feuer…Dampf! Ich brauche Dampf! Viel Dampf!“

Dann hörte Rusty noch etwas. Die verzweifelte Stimme seines Lehrlings, die angstvoll aus der Ferne nach Ihm rief! Das genügte. Er schob mit seinen Händen die Flamme und die Wasserkugel zusammen, sie reagierten, ein helles Licht blendete Ihn und-

„CASEY!!“

Plötzlich schoss aus allen Öffnungen von Rustys Körper das Wasser mit hohem Druck wieder heraus! Die Augen der Dampflok wurden wieder pupillenlos, doch sie konnten Louis sehen, der gerade ebenfalls langsam auf den Meeresgrund sank.
 

Inzwischen waren auch der Leuchtturmwärter Lazare und Vinrouge auf das Gleis gelaufen und leuchteten mit Taschenlampen die aufgewühlte Meeresoberfläche ab. Beide Männer hatten sich mit einem Tau gesichert, um nicht von weiteren Wellen fortgespült zu werden.

„Nichts. Es hat keinen Sinn. Und unsere Signallampe ist zu schwach, um alle Schiffe zu erreichen!“ bemerkte Ersterer.

„Das ist eine Katastrophe! Was sollen wir nur tun? Starlight Express, hilf uns!“ schickte Vinrouge ein Stoßgebet zum Himmel.
 

Und sein Gebet wurde erhört.
 

Plötzlich durchbrach etwas Großes mit einem lauten Schrei die Wasseroberfläche, nur einen halben Meter vor dem Damm!

Im Schein der Lichtkegel der Taschenlampen konnten die beiden Menschen eine Gestalt erkennen, die etwas in die Höhe stemmte.

„Das-das ist Rusty!!“ schrie Casey. “Und er hält den Rucksack mit der Lampe über seinen Kopf!“

„Und Louis! Er hängt an seiner Schulter! –Gaston! Fougasse! Wir brauchen eure Hilfe!“ rief Lazare.

„Rusty!“

In diesem Moment fiel Casey ein riesiger Stein vom Herzen. Sein Lokpartner war wieder aufgetaucht! Und er hatte Louis mitsamt der Fracht gerettet! Dann entdeckte er wieder die leuchtenden Augen.

„Oh nein! Wieder der Starlight-Zustand!“

Vinrouge warf Rusty das Ende seines Taus zu, dieser Fing es mit einer Hand und gemeinsam zogen alle Drei die Lok an den Damm heran.
 

Gaston nahm Rusty die Lampe ab und brachte sie zusammen mit dem Leuchtturmwärter und Fougasse in das Gebäude.
 

„Okay. Danke, Gaston. Wir übernehmen jetzt. Häng den Rucksack an den Haken hier, ich schalte den Transportkran ein!“

Während die Lampe langsam nach oben glitt. eilten die beiden Männer die Stufen hoch.
 

Mit vereinten Kräften wurden Rusty und Louis wieder auf sicheren Boden gezogen. Kaum war die Dampflok in Sicherheit, verschwand der Starlight-Zustand wieder.

„Rusty! Du hast schon wieder-„

Die kleine Dampflok hustete und spuckte einen Schwall Meerwasser aus, der Rest lief überall aus den Öffnungen an seinem Körper heraus.

„Casey….dem Starlight sei Dank! Ich dachte schon, es wäre aus mit mir!“ schnaufte Rusty.

„Ich-ich bin bis auf den Grund gesunken….da hörte ich eine Stimme…es war Cyrill…und dann hörte ich dich schreien und Louis war ebenfalls am Untergehen…so habe ich Feuer und Wasser zusammengefügt, wie Cyrill es mir gesagt hat, aber dann…mist, schon wieder Filmriss!“

„Du warst wieder im Starlight Zustand. Deshalb die Gedächtnislücke.“ erklärte Casey. “Kannst Du aufstehen?“

„Werds versuchen.“

„Du hast mein Leben gerettet, mon Ami! Ich war schon am Untergehen, da fühlte ich plötzlich, wie mich etwas ergriffen und den Rucksack mit der Lampe abgenommen hat! Ich habe mich instinktiv an den Kuppelringen festgekrallt. Rusty ist wie ein Ballon nach oben getrieben, überall kam so etwas wie Dampf aus Ihm heraus…das hat uns zur Oberfläche gebracht…“ antwortete Louis, welcher seinem Retter hilfreich unter die Arme griff. Vinrouge half von hinten nach.

„Kommt schon! Alle in den Leuchtturm!“ rief Gaston, welcher angerollt kam.

„Werde jetzt bloß nicht wieder ohnmächtig, Rusty!“ dachte Casey besorgt, als sie das letzte Stück über den Damm zur Klippe rollten oder liefen.

Plötzlich durchschnitten zwei helle Lichtstrahlen die Dunkelheit und begannen zu rotieren.

„Seht nur! Das Leuchtfeuer ist wieder da!“ rief Gaston. Die Anwesenden jubelten, nur Rusty lächelte matt.

„Danke, Starlight Express. Danke, Cyrill.“ murmelte er.
 

„Dem Starlight sei Dank! Ihr habt es geschafft!“ rief Bobo und half mit, Rusty auf eine Lokmatratze, die hinter der Wendeltreppe lag, zu bugsieren. Hinter Ihnen fiel die schwere Stahltür ins Schloss und wurde verriegelt.

Im Innern klangen der heulende Wind und die gegen die Küste schlagenden Brecher gedämpfter. Endlich waren alle in Sicherheit.

„Hier unten schlafen immer die Loks und Waggons, wenn ein Zug mit einer Lieferung über Nacht hierbleibt.“ erklärte Bobo. „Casey, Du und Vinrouge solltet nach oben in den Wohnbereich gehen. Ihr seid total durchnässt und solltet euch trocknen.“

„Aber Rusty…ich muss aufpassen..“

„Mach Dir keine Sorge. Wir sind ja da.“ lächelte Gaston.

„Wir haben sogar noch etwas Kohle hier.“ erklärte Louis und holte die Umhängetasche hervor. Sie ist kaum nass geworden in meinem Ladebauch. Aber das hat mich auch so schnell im Wasser nach unten gezogen.“

Casey prüfte aber lieber selbst, wie es um Rustys Feuer stand. Nur noch eine schwache Glut glimmte in der Feuerbüchse, die aber mit einer Portion Kohle wieder zum Brennen gebracht wurde.

„Wie geht’s Dir?“ fragte der Lehrling.

„Soweit ganz gut. Bin nur völlig erledigt.“

„Wenigstens bist Du diesmal nicht ohnmächtig geworden.“

„Vielleicht, weil ich diesmal nur kurz in diesem Zustand war.“

„Könnte sein.“

„Geh nun nach oben. Nicht das Du wieder krank wirst. Du zitterst schon vor Kälte. Wir werden jetzt erst einmal alle eine Runde schlafen.“

„Okay.“ nickte Casey und stand auf.
 

Wenig später hockten Casey und Vinrouge in Decken gewickelt in je einem Sessel und genossen den heißen Tee, den Fougasse ausgeschenkt hatte.

„Das war wirklich im letzten Moment! Ein Schiff hatte sich bereits bedrohlich den Riffen genähert!“ erklärte er.

„In der Tat.“ nickte Casey und gähnte.

Fougasse blickte aus dem Fenster.

„Der Sturm scheint langsam nachzulassen. – Übrigends: Ihr könnt dort auf der ausgezogenen Couch schlafen.“

„Danke, mon Ami.“ nickte Vinrouge und erhob sich. Casey trottete Ihm hinterher, legte sich auf die eine Seite und rollte sich zusammen. Fougasse breitete noch eine Decke über den Lehrling.

„Gute Nacht, Ihr beiden. Ich und Lazare werden abwechselnd Sturmwache halten.“

Vinrouge wusste, das bei Stürmen und Unwettern immer ein Leuchtturmwärter oben beim Leuchtfeuer Wache hielt und das Meer und die Küste beobachtete. Da der Funkverkehr hier wegen der Magnetfelder nicht funktionierte, verständigte man sich mit Lichtzeichen.
 

Als Casey am nächsten Morgen erwachte, schien die Sonne durch das schmale Fenster. Der Lehrling reckte sich und gähnte, dann fielen Ihm wieder die Ereignisse von gestern Abend ein.

„Rusty!“ rief er aus, sprang von der Couch und lief zu seinen Kleidern hinüber, die in einer Ecke zum Trocknen aufgehängt waren.

Als er festgestellt hatte, das sie trocken waren, zog er sich schnell an und stieg dann die Treppen hinunter. Dort fand er Bobo, Gaston und Louis friedlich schlummernd vor. Auch Rusty schlief noch friedlich. Casey atmete erleichtert auf. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.

Langsam stieg er wieder die Stufen empor. Vinrouge schlief noch und schnarchte leise vor sich hin. Casey legte den Kopf in den Nacken. Von der Spitze des Turmes hatte man bestimmt eine schöne Aussicht. Also erklomm er die restlichen Stufen, bis er den Raum mit dem Leuchtfeuer erreichte.

Vor der inzwischen abgeschalteten Lampe stand Lazare Perion und spähte mit dem Fernglas auf das Meer hinaus.

„Guten Morgen, Mr. Perion.“

„Ah-guten Morgen, junger Lehrling.“

„Es ist kaum zu glauben, das gestern Abend noch ein Sturm wütete.“

„Das ist wahr. Aber das Wetter hier an der Küste kann sich sehr schnell ändern. Man glaubt auch, das die Magnetfelder nicht ganz unschuldig seien. Aber das wird noch erforscht. Jedenfalls ist es gut, das wir eine der Lampen retten konnten, die Riffe hier am Cap sind tückisch.-Schlafen die Anderen noch?“

Casey nickte.

„Was hältst Du davon, wenn wir zusammen das Frühstück vorbereiten?“

„Das ist eine gute Idee. Ich kriege langsam Hunger.“

„Haha, das macht die Seeluft, mon Ami.“
 

Nach dem ausgiebigen Frühstück, das fast bis halb elf Uhr dauerte, schallte plötzlich die Sirene einer Diesellok zum Leuchtturm herüber.

„Ah, das ist Germaine, mon petit frangine (kleine Schwester)! Sie hat Dustin und Dinah hergebracht! Und ma Cherie Pompadur!“ rief Bobo von unten.

Die rot-weiße schnittige Diesellok transformierte in ein junges, hübsches Mädchen mit feuerrotem, langem Haar, hinter Ihr erschienen Dinah und Dustin und Pompadur, die Monsieur Bonnature und zwei Mechaniker als Passagiere mitgebracht hatte. Auf der Klippe vor dem Leuchtturm trafen alle zusammen.

„Ich habe, als der Sturm sich gelegt hat, eine Boteneule nach LaBriee geschickt. Tagsüber fliegt einer meiner beiden Falken, Nachts meine Eule. Ihr Zuhause befindet sich oben in der Spitze über dem Leuchtfeuer. Ich habe mir Blancine aus dem Fürstentum der weißen Eulen mitgebracht und sie hier weiter ausgebildet.“ erklärte Lazare.

„Ich habe letztes Jahr mit Rusty ein Rennen dort gegen die „Fürstin“ gewonnen. Nur-wer hat jetzt eigentlich gestern gesiegt?“ bemerkte Rusty.

„Das muss Monsieur Bonnature entscheiden.“
 

„Bobo, mon amour, ist es sehr schlimm?“ fragte das Waggonmädchen.

„Mach Dir keine Sorgen, unsere beiden Techniker kriegen das schon wieder hin.“

„Und wer hat nun gewonnen? Wer war zuerst am Leuchtturm?“ wollte der Stationsvorsteher wissen.“

„Na ja…“ begann der Leuchtturmwärter, doch Bobo sagte sofort: “Natürlich Rusty! Er hat es geschafft, die Lampe unbeschädigt zum Leuchtturm zu bringen! Ich bin ja auf halber Strecke über dem Damm gescheitert.“

„Bobo hat Recht!“ nickte Gaston.

„Was ist denn gestern Abend genau passiert?“ fragte der Stationsvorsteher.

Daraufhin berichteten beide Leuchtturmwärter und Vinrouge, was sich während des Sturmes ereignet hatte.

„Und vor allem hat Rusty gewonnen, weil er mir das Leben gerettet hat!“ rief Louis. “Und ohne Ihn lägen ich und die Lampe bestimmt noch da unten auf dem Meeresgrund!“

„Aber ich bin erst nach sehr viel Überredungskunst…“ begann Rusty.

„Nichts da! Du hast die Aufgabe erfüllt und mit der Lampe den Leuchtturm erreicht. Du warst auch als Erster an der Weiche beim Damm. Hättest Du als Erster den Damm überquert, dann hätte es wohl dich voll erwischt.“ erklärte Bobo.“Oder auch nicht. Wer weiß. -Monsieur Bonnature, die Plakette hat sich Rusty redlich verdient!“
 

Als alle anderen Pretonianer zustimmend nickten, war auch der Stationsvorsteher überzeugt.

„Du hörst es, Rusty. Ich erkläre dich also hiermit zum Sieger dieses Wettlaufes und überreiche Dir die Plakette von Pretonia.“

Alle Anwesenden klatschten und jubelten begeistert, als Monsier Bonnature der Dampflok feierlich die Plakette überreichte.

„Ich danke euch, meine Freunde.“ lächelte Rusty.

„Toll! Eine neue Plakette! Grease wird vor Neid platzen! Das ist unsere Achte! Weißt Du, was das bedeutet, Rusty?“ strahlte Casey über das ganze Gesicht.

„Ihr seid jetzt in der Oberliga! Seid einer Ewigkeit hat es keine Dampflok mehr in der oberen Liga gegeben! Tolle Leistung, Ihr Beiden!“ rief Dinah.
 

„Und wohin soll es nun als nächstes gehen?“ fragte Pompadur, als sie zusah, wie Casey seine Sachen, die Dinah aus LaBriee mitgebracht hatte, ordnete.

„Auf jeden Fall nach Elektanis. Ich möchte endlich Volta kennenlernen. Er steht in der Favoritenliste gleich nach Greaseball.“

„Das Land der großen Erfinder und Techniker? Ich hoffe, Rusty fühlt sich dort nicht vollkommen fehl am Platz.“

„Das glaube ich nicht. Cyrill stammt ja auch ursprünglich aus Elektanis.“

„Ach ja-und da gab es doch letztes Jahr diesen Bericht, das Cyrills Grabmal gefunden wurde.-Moment mal! Das wart Ihr doch, oder?“

„Hehe-ja. Wir sind eher durch Zufall da eingebrochen. Als wir auf der Rückreise von Torrone waren.“

„Ihr erlebt vielleicht Abenteuer, da kann man glatt neidisch werden.“
 

Rusty besah sich mit Dustin die Plakette.

„Ich kann es immer noch nicht glauben, das wir so weit gekommen sind. Aber an Geschwindigkeit bin ich Dir nicht gewachsen, Bobo.“

„Nun, das werden wir sehen, wenn Ihr es bis zum großen Finalrennen schaffen solltet.“ bemerkte die TGV-Lok.

„Wenn wir es schaffen. Die Gegner werden jetzt immer schwieriger zu schlagen sein.“

„Dann musst Du eben härter trainieren, mon Ami. Ich habe übrigends beobachtet, das Du bei deinem Training keine Feuerattacken einsetzt.“ sprach Bobo.

„Nun ja…ich habe da ein kleines Problem….ich kann keine.“

„Es ist nicht nur das. Rusty hat Angst, Feuerattacken einzusetzen. Da ist früher mal etwas passiert… ehrlich gesagt, ist er seitdem ein bischen auf Kriegsfuß mit seiner Energiequelle. Wir arbeiten aber daran.“ erklärte Casey, welcher hinzukam. In der Hand hielt er die Mappe mit den bisher gewonnenen Plaketten. Rusty übergab Ihm die Neueste und der Lehrling verstaute sie sorgfältig in einer noch leeren Plastikhülle.

„Angst vor Feuer? Du, eine Dampflok? Das ist wirklich ungewöhnlich. -Nun, ich wüsste da einen Ort, wo man Dir helfen könnte.“

„Was? Wo?“

„Die Insel der Drachen.“

„Insel der Drachen? Leben da etwa…“

„Genau. Jene geheimnisvolle Insel, die die Dampfloks aufsuchten, als sie noch die vorherrschenden Zugmaschinen waren. Wenn jemand sich mit Feuer auskennt, dann sind es die Drachen.“

„Hab ich richtig gehört? Es gibt hier DRACHEN? Richtige fliegende, feuerspeiende Drachen?“ fragte Casey mit großen Augen.

„Genau. Die Insel liegt am oberen Ende unserer nördlichen Küste im Nebel. Sie ist seit ewigen Zeiten Ihre Heimat.“

„Woah! Das will ich sehen!“

Rusty rollte mit den Augen. Na toll! Wieder ein brandgefährliches Abenteuer! In letzter Zeit scheinen sich diese zu häufen!

„Casey! Drachen sind riesig! Die werden uns fressen!“ wandte Rusty ein. Bobo begann zu lachen.

„Die fressen keine Lokomotiven! Würden denen auch schwer im Magen liegen! Und auch keine Lehrlinge! Aber sie sind die Herren des Feuers! Selbst die Feuerkobolde in den Vulkanen ordnen sich Ihnen unter.“ erklärte er. „Zur Zeit der Dampfloks sind viele von Ihnen zu der Insel übergesetzt, um zu lernen, besser mit dem Feuer umzugehen.“ erklärte er schmunzelnd.

„Besser mit Feuer umzugehen? Meist brennt es doch nur in meiner Feuerbüchse und heizt das Wasser in meinem Tank. Zu etwas Anderem ist es doch nicht zu gebrauchen.“ bemerkte Rusty.

„Du irrst, mon Ami. Die Kunst, Feuerkraft richtig zu nutzen, dosieren und einzusetzen, da steckt mehr dahinter. Das war der Hauptgrund, warum so viele Dampfloks zu den Drachen gingen, um von Ihnen zu lernen. Diese Wesen sind älter als alle Loks, die je gebaut wurden und lebten bereits lange vor unserer Zeit.“

Rusty stieß geräuschvoll eine Dampfwolke aus. Er hatte Angst-doch er wollte Casey nicht enttäuschen und vor Bobo als Feigling dastehen.

„Also gut. Wir können uns ja einmal auf der Insel umsehen. Ich hoffe nur, wir werden es nicht bereuen!“
 

Und zwei Tage später…

Nachdem Bobs Schaden an seinem Bein wieder behoben worden war, hatte er mit Monsieur Bonnature ausgemacht, das er Rusty und seine Begleiter in die Stadt an der Küste begleiten würde, von wo aus sie zur Insel übersetzen konnten. Dann würde er nach LaBriee zurückkehren.
 

„So, wir sind da. LeContre.“

Bobo kam auf dem Dühnenkamm zum Stehen. Unter ihnen lag ein weiter Sandstrand, hinter der kleinen Küstenstadt begannen felsige Klippen.

„Die Insel der Drachen befindet sich in dieser Richtung.“ sagte er und wies auf das Meer hinaus.

„Man kann gar nichts erkennen.“ bemerkte Rusty.

„Das liegt daran, dass sie ständig von Nebel umhüllt ist. Ein Leuchtfeuer warnt jede Nacht die Schiffe, genauso wie Leuchtbojen. Dreißig Seemeilen um die Insel ist Sperrgebiet. Das Refugium gehört einzig den Drachen. Man sagt auch, das Leuchtfeuer würde von einem Drachen kommen, der Nacht für Nacht auf einem Felsen an der Küste sitzt und sein Feuer in den Himmel speit. Außerdem beherbergt die Insel einen Vulkan, der einst vor langer, langer Zeit aus dem Meer emporgestiegen ist und diese einzigartige Insel bildete.“

„Wow! Diesen Drachen-Leuchtturm würde ich zu gerne mal live erleben.“ bemerkte Casey. „Und wie kommen wir hin? Gibt es eine Schiffsverbindung?“

„Nun, Mon ami, es gibt nur einen, der euch zur Insel bringen kann. Und das ist der alte Francsoise. Er und seine Familie halten seit Generationen den einzigen Fährbetrieb zur Insel aufrecht.“

„Was? Mit einer Fähre über das Meer? Vergesst es!“ rief Rusty und unterstrich seinen Standpunkt mit einer entsprechenden Handbewegung.

„Wo finden wir diesen Francsoise?“ fragte Casey, der gar nicht auf Rustys Weigerung einging.

„Im alten Stadteil von LeContre. Am alten Fischereihafen.“

„Dann lasst uns dorthin fahren.“
 

„Parbleu! Es ist eine Ewigkeit her, das ich eine Dampflok und Ihren Lokführer zur Insel gebracht habe!“ staunte der alte Fischer, als Bobo ihm Rusty und Casey vorstellte.

„Du kannst uns also übersetzen.“ sprach letzterer.

„Das kann ich. Aber eure Waggons müssen hierbleiben. Für sie ist der Zutritt verwehrt.“

„Verstehe. Also nur Rusty und ich.“

„Dann bleibt ihr so lange im Lokschuppen von LeContre, bis die beiden zurücksind.“ erklärte Bobo.“Das heißt aber auch, hier trennen sich unsere Wege. Ich muss leider zurück nach LaBriee. Aber vielleicht treffen wir uns ja beim großen Finalrennen wieder.“

„Wir werden uns auf jeden Fall Mühe geben. Hab vielen Dank für alles, Bobo.“ sprach Casey und reichte der orangenen Lok die Hand.

„Ich habe zu danken. Ihr habt mit eurer Tat das Leben vieler Seeleute gerettet.“

So nahmen Casey und seine Freunde also Abschied vom sympatischen Charmeur von Pretonia.

„Alles Gute und „Bonne Chance“ (viel Glück) auf eurem weiteren Weg!“ rief die orangene Lok und winkte. Dann beschleunigte sie und rauschte in Richtung Heimatbahnhof davon.
 

Dustin und Dinah bezogen den kleinen Lokschuppen.

„Passt auf euch auf.“ mahnte Dinah.

„Das werden wir.“

„Wann legt das Boot ab?“ fragte Dustin.

„In einer Stunde.“ erklärte Casey.

„Wir begleiten euch hinunter zum Hafen.“ antwortete Dinah.
 

„Und dieser Kahn trägt mich ganz bestimmt?“ meinte Rusty zweifelnd, als er das Schiff erblickte, das an der Kaimauer fest getäut träge auf den Wellen schaukelte. Das Gurgeln und Gluckern des Meerwassers, wie es gegen die steinerne Mauer schwappte, verursachte ein flaues Gefühl in Rustys Feuerbüchse.

„Der hat schon mehrere deiner Vorgänger zur Insel hinübergebracht, also keine Angst.“ versuchte der alte Fischer die Dampflok zu beruhigen.
 

Troztdem ging Rustys Verladung auf den Kutter nicht ohne Theater ab. Dustin lud daraufhin den kleinen Angsthasen einfach über die Schulter und trug ihn an Bord, wo er ihn wieder absetzte.

„So, und jetzt hör auf, immer so viel Angst zu haben!“ ermahnte Dustin seinen Lokkumpel.

„Du hast gut reden! Du musst ja auch nicht mitfahren!“ grollte Rusty und ließ sich auf einer der Ladeluken nieder, die ächzend und knarrend unter seinem Gewicht nachgab.

„Dann kannst ja losgehen!“ rief Francoise und warf den Dieselmotor an. Die Leinen wurden gelöst und das Boot legte ab. Dustin und Dinah winkten zum Abschied.
 

Während der Überfahrt klammerte sich Rusty an einen der Ladebäume fest und zitterte am ganzen Körper.

„Parbleu! So einen Angsthasen habe ich noch nie erlebt. Alle anderen Dampfloks, die ich übergesetzt habe, stellten sich nicht so an.“ meinte Francoise zu Casey, der neben Ihm im Führerhaus stand. Langsam brach die Dunkelheit herein, der Fischer entzündete die Positionslichter und den Scheinwerfer auf dem Dach des Steuerhauses.

„Leg dich besser etwas hin, Junge. Es dauert noch eine Weile, bis wir am Ziel sind.“

„Alles klar.“ nickte Casey, holte seinen Schlafsack und rollte Ihn auf einer der Ladeluken neben Rusty aus.

„Versuch auch, etwas die Augen zuzumachen, Kumpel.“ riet er Ihm.
 

Später in der Nacht passierte das Schiff eine Passage von speziell markierten Bojen, bis es schließlich zum Stehen kam. Francoise warf den Anker und begab sich zu den beiden schlummernden Passagieren.

„Junge, wach auf, wir sind da.“

„Was? Es ist ja noch Nacht...“ murmelte Casey und rieb sich die Augen. Rusty schreckte hoch.

„Wo sind wir?“ fragte er zitternd.

„Hier ist für mich Endstation.“ sagte Francsoise, welcher gerade ein großes Netz voll mit verschiedenen Kisten und Behältern mit Hilfe seines Kranes entlud. Sein Kutter war neben einem kahlen, ebenen kleinen Felsenriff angelandet, auf dem das Netz nun abgelassen wurde.

„Aber-hier ist doch weit und breit nichts? Soll das etwa die Insel sein?“ schluckte Rusty.

„Natürlich nicht! Ihr werdet bald abgeholt, keine Sorge.“

„Was? Hier sollen wir warten, bis wir abgeholt werden? Auf diesem kahlen Felsen?“

„So war es schon immer, mon Ami.“

So mussten Rusty und Casey wohl oder übel aussteigen.

„Alles Gute, Ihr Beiden!“ rief Francsoise und winkte. Kurz darauf hatte die Dunkelheit das Boot verschluckt.

„Lässt der uns einfach in der Dunkelheit zurück! Man sieht gar nichts!“ zitterte Rusty und schlang seine Arme um sich.
 

Casey lief das winzige Felsenriff ab. Er brauchte keine dreißig Schritte dafür. Auch mit seiner Taschenlampe konnte er nicht viel sehen. Aber plötzlich glaubte er eine Bewegung in seinem Lichtkegel bemerkt zu haben.

„Hörst Du das?“ zischte Casey.

„Was?“

„Klingt wie ein Rauschen.“

„Das ist das Meer rings um uns herum!“

„Nein, das hört sich anders an!“

„Ich frag mich wie lange wir noch wa-aaaaaah!“

„Rusty!!“

Etwas großes, Schwarzes war vom Himmel herabgestoßen und plötzlich war die kleine Lok verschwunden!

Im nächsten Moment fühlte Casey, wie ihn etwas an den Armen ergriff und vom Boden in die Luft riß! Der Junge schrie angstvoll und erschrocken auf! Genau das Gleiche geschah mit dem Vorratsnetz. Wenige Augenblicke später war das kleine Felsenriff wieder so verlassen, wie vor einer Stunde…
 

Fortsetzung folgt...
 

*siehe erstes Buch, Kapitel: „Sei vorsichtig, was Du Dir wünschst“.



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