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Starlight Express: Rusty und Caseys Abentuer 2

Das zweite Lehrjahr
von

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Ein besonderer Wettbewerb

Kapitel 8: Ein besonderer Wettbewerb
 

Am nächsten Tag fühlte sich Casey bereits bedeutend besser. Er hatte kein Fieber mehr und auch die Erkältung hatte nachgelassen. Aber Dinah wies Ihn an, wenigstens noch bis Mittag liegen zu bleiben. Also tat Ihr Casey den Gefallen.

Eine ganze Weile wälzte er sich genervt mal auf die Eine, mal auf die andere Seite. Ihm war langweilig und an schlafen war nicht zu denken.
 

Plötzlich jedoch hörte er bekannte Stimmen. Er stand auf, schlüpfte in seine Hausschuhe und sah aus dem Fenster. Unten, am Eingang zum Lokschuppen, konnte er Bobo und Rusty stehen sehen. Ersterer überreicht der Dampflok gerade ein kleines Buch.
 

„Hier, Mon Ami, das kannst Du sicher gut gebrauchen.“ lächelte er und zwinkerte verstohlen mit dem rechten Auge.

„Das Liebesleben unserer Zugfreunde.“ last Rusty auf dem Einband. „WAS?“

„Ich habe bemerkt, Dir fehlt noch die Erfahrung im Umgang mit Waggonmädchen. Dieser kleine Ratgeber wird Dir bestimmt behilflich sein.“ lächelte Bobo. „Man sagt, die menschlichen Männer von Pretonia sind die besten Liebhaber des Kontinents! Warum also nicht auch wir pretonianischen männlichen Loks? Ein Verhaltensforscher hat uns viele Jahre studiert und dieses Buch über uns geschrieben. Hier erfährst Du genau, was für Unterschiede zwischen uns und den Menschen bestehen, wenn es um L´Amour geht. Und Du findest viele praktische Tipps. Er hat das hauptsächlich für uns Loks und Waggons geschrieben, aber auch die Menschen lesen es gerne.“

Rusty starrte Bobo entsetzt an.

„Grrmph...ich weiß, wie Menschen sich reproduzieren, ich hab schon mal ein Buch darüber gelesen!“

Bobo seufzte.

„Das ist wahr, mon Ami, aber wir können das leider nicht. Ich finde das ungerecht, der Starlight Express...“

„Ihr seid trotz allem Maschinen, das dürft ihr nicht vergessen. Euch sind nun mal Grenzen gesetzt. Der Starlight Express weiß schon, warum er es so eingerichtet hat.“ erklärte Vinrouge, der sich zu den Beiden gesellte. Er war Bobos Lokführer.

„Es ist aber trotzdem ungerecht!“ schmollte Bobo weiter.

„Größtenteils ahmt ihr nur unser menschliches Verhalten nach. Ihr wollt uns ähnlich sein, weil ihr ja auch fast wie wir aussehen. Ihr könnt ja eure Waggonmädchen gernhaben, ein bischen mit ihnen schäkern, aber mehr ist nun mal nicht. Was glaubst Du, was hier loswäre, wenn ihr Jungs alle paar Monate in die Glut kommen würdet? Wenn ich ich daran denke, was dann noch während der Partnerwahl los wäre... Nicht auszudenken! Dann würde der ganze Zug Verkehr jedes Mal für einige Tage lahmliegen, bis sich die ganze Aufregung wieder gelegt hätte. Und wenn es dabei noch Nachwuchs gäbe, könnten wir bald den ganzen Betrieb hier vergessen. Ihr wisst ja, wie es ist, wenn eine von unseren Schaffnerinnen oder Lokführerinnen in andere Umstände kommt. Dann muss sie für der Familie und die Kinder da sein, bis sie groß genug sind.“

„Bien! Ist auch wieder wahr.“ schnaufte Bobo.

Rustys Gesicht war bereits ziemlich dunkel angelaufen. Beim Starlight, so hatte er das ganze wirklich noch nicht gesehen.

Casey drehte sich vom Fenster weg und hastete prustend zu seinem Bett, um sich unter der Decke zu verkriechen, bevor er in schallendes Gelächter ausbrach! Beim Starlight, DAS Buch musste er sich mal heimlich ausleihen! Er erinnerte sich noch gut daran, das George einmal solch speziellen Heftchen heimlich in die Schule mitgebracht hatte, aber dabei erwischt wurde, als er und seine Bande diese „anrüchigen Magazine“ in einer stillen Ecke des Pausenhofs angeguckt hatten. Mit dem Ergebnis, das die Heftchen konfisziert wurden und George und seine Kameraden je einen Eintrag ins Klassenbuch erhielten.
 

„Ph, der hat Sorgen! Mir reicht das noch von dieser Betty als ich mal ein Mensch war! Ich lass mich nicht gern von anderen begrabbeln, auch wenns ein Waggonmädchen ist!“ dachte sich Rusty, nachdem er in den Lokschuppen zurückgekehrt war und ließ das Buch unter seiner Lokmatratze verschwinden. Doch sein Interesse war geweckt. Später, wenn er alleine war, würde er einen Blick in die Seiten riskieren. Doch er würde niemandem verraten, das er in seiner Menschlichen Gestalt beinahe verführt worden wäre.
 

Zwei Tage waren vergangen und Bobos Dienstplan hatte es noch nicht möglich gemacht, das Rusty gegen Ihn zum Rennen antreten konnte, außerdem waren zwei Loks wegen eines technischen Defektes ausgefallen. Deshalb hatte sich Casey mit Rusty bereiterklärt, einen Teil der Fahrten zu übernehmen, damit keine Züge ausfielen. So saßen sie wenigstens nicht untätig herum und es kam wieder etwas zusätzliches Geld in die Reisekasse.
 

Schließlich überbrachte Bobo eine gute Nachricht.

„Antoine und Simion sind wieder einsatzbereit. Ich denke, Monsier Bonnature wird morgen-äh?„

„Vinrouge! Vinrouge!“

Bobos Lokführer wandte sich herum.

„Was ist denn, Arthur?“

Ein Arbeiter im Blaumann kam angelaufen. Auf dem Arm saß ein brauner Falke.

„Sieh doch!“ Der Mann hob den Arm mit dem Vogel an.

„Das ist doch der Falke des Leuchtturmwärters von Saint-Philipe! Scheint etwas sehr wichtiges zu sein.“ bemerkte Bobo.

„Saint-Philipe?“ fragte Casey.

„Oui, er ist der schnellste Nachrichtenübermittler. Lazare Perion wohnt mit seinem Gehilfen auf einer im Meer vorgelagerten Insel an der Nordküste, auf der der Leuchtturm steht. Was schreibt er denn, Arthur?“ fragte Vinrouge.

„Sie brauchen dringend eine neue Lampe! Und das noch vor Anbruch der Dunkelheit! Sonst haben die Schiffe ein Problem!“

„Warum ruft er nicht einfach an? Gibts da draußen kein Telefon?“ wunderte sich Casey.

„Es liegt an den starken magnetischen Feldern des Gesteins an dieser Stelle. Sie lassen keine Funksignale durch. Egal ob durch die Luft oder durch Leitungen. Nur mit dem Strom klappt es, da die Leitungen speziell abgeschrimt wurden. Auf den letzten zehn Kilometern muss ich deshalb mit dem Strom fahren, der sich in Bobos Akkumulator gespeichert hat. Und die Lampen sind eine Spezialanfertigung aus Elektanis. Denn an Saint-Philipe führt eine wichtige Schifffahrtsroute vorbei. Signale können also nur per Licht-oder Flaggenzeichen gegeben werden. Und der helle Strahl weißt den Schiffen den Weg.“

„Verstehe.“

„Vinrouge, wir müssen uns sofort auf den Weg machen! Lazare braucht so schnell wie möglich Ersatz!“ bemerkte Bobo. Dann hatte er plötzlich eine Idee.

„Mmmm....wie wäre es, wenn wir das Ganze als Wettkampf aufziehen? Da ich sowieso schneller bin als Du, Rusty, schlage ich folgendes vor: Diesmal soll es nicht um Schnelligkeit gehen. Jeder von uns bekommt einen Plattformwagen mit einer Ersatzlampe angehängt und wer als erster seine Fracht heil ans Ziel bringt, hat gewonnen. Schaffst Du es, bekommst Du die Plakette von LaBriee. Es sind 183 Kilometer von hier bis San Philipe an der Nordküste. Bei gutem Tempo braucht eine Lok etwa zwei Stunden. Und man muss es vor Einbruch der Nacht schaffen. Aber diese Lampen sind sehr empfindlich. Sie werden zwar gut uns sicher verpackt, doch ein zu heftiger Stoß und -bing! Glasschaden!“ meinte die orangefarbene Lok.

„Mal sehen, was der Stationsvorsteher dazu sagt. Er hat das letzte Wort und kennt die genauen Wettkampfregeln.“ bemerkte Vinrouge.
 

„Hmm....es steht nichts in den Liga-Regeln, das Loks nur gegeneinander um die Wette rennen müssen. Im gewissen Sinne ist das ja auch ein Wettrennen.“ meinte Monsieur Bonnature wenig später, als ihm der Vorschlag unterbreitet wurde.

„Das ist keine Schlechte Idee. Dann kannst Du endlich lernen, vorsichtiger zu fahren.“ meinte Casey.

„Na toll! Du weißt ja, wie ich beim Laufen schaukle!“

„Im Maschninenmodus. Aber im Humanoid-Modus kannst Du deinen Lauf besser kompensieren.“

„Diesmal dürfen euch eure Lokführer begleiten. Aber sie dürfen die Lampe nicht festhalten. Nur auf dem Plattformwaggon sitzen und anfeuern ist erlaubt. Oder sie dürfen ihre Loks warnen, wenn sie zu schnell fahren und die Lampe beschädigt werden könnte.“ sprach der Stationsvorsteher. „Wie gesagt, das ist diesmal ein spezielles Rennen.“
 

In aller Eile wurden also die Vorbereitungen getroffen und am Nachmittag war es dann soweit. Zwei Plattformwaggons im Humanoid-Modus standen bereit. Auf dem Rücken hatte jeder eine spezielle Tasche geschnallt bekommen, in der sich je eine Leuchtturmlampe befand.

„Wir sind bereit, Monsieur Bonnature.“

„Gaston, Louis, Ihr wisst Bescheid. Denkt daran, auch wenn es ein Wettkampf ist, die Lampen sollten heil ans Ziel kommen, auf jeden Fall Eine davon!“

„OUI!“ kam es wie aus einem Mund von den beiden Waggons.

„Das gillt vor allem für euch, Rusty und Bobo! Sicherheit vor Schnelligkeit diesmal.“

„Verstanden.“ nickten beide Loks.

Rusty rollte vor Louis, Bobo vor Gaston. Casey und Vinrouge hatten es sich auf den Schultern der Plattformwaggons bequem gegmacht, so gut das eben ging.

„Viel Glück, Ihr drei.“ wünschte Dinah.

Bobo und Pompadur küssten sich zum Abschied. Rusty blickte verlegen zur Seite. Gaston grinste.

„Bis bald, ma cherie.“ hauchte die orangene Lok ihr zu.

„Gut Fahrt, Kumpel.“ wünschte Dustin.

„Danke, Freunde.“ nickte Rusty.

„Achtung! Bereitmachen zum Start!“ rief Monsieur Bonnature. Beide Loks sahen hinauf zu den Signalen. Als die Lichter auf Grün sprangen, erwachte Bobos Motor surrend zum Leben und beide Transportzüge fuhren diesmal langsam an, beschleunigten aber dann stetig.

Die Zurückbleibenden winkten.

„Wann werden wir erfahren, wer gewonnen hat?“ fragte Dinah.

„Wenn der Leuchtturmwärter seinen Falken zurückschickt. Das wird aber nicht vor morgen vormittag sein.“
 

In rascher, aber gemäßigter Fahrt ging es durch die liebliche Landschaft in Richtung Nordküste.

„Wenn wir am nördlichen Meer sind, haben wir Pretonia praktisch fast einmal durchquert.“ bemerkte Casey. Bobo glitt einige hundert Meter vorneweg, Rusty folgte schnaufend. Immer wieder warf Casey einen prüfenden Blick auf die Lampe. Manchmal schwankten Louis oder Gaston bedrohlich, wenn es zu schnell um eine Kurve ging.

„Bobo, geh langsamer in die Kurven! Die Lampe ist schwer und ich habe Mühe, immer richtig gegenzusteuern!“ rief Gaston.

Wenn die beiden Züge an einer Weichenkreuzung halten mussten, nutzen die beiden Lokführer dies für eine schnelle Pinkelpause.

„Casey! Los!“ rief Rusty und winkte.

„Komm ja schon!“

Der Lehrling hastete hinter einem Busch hervor.
 

„Da! Ich kann das nördliche Meer sehen! Jetzt geht es weiter die Küste entlang!“ rief Casey nach fast zwei Stunden.

„Nachschub!“ rief Rusty zwischen seinen Schnaufern. Casey nickte und Louis reichte eine stabile Umhängetasche hoch, die mit Kohlebrocken gefüllt war. Weil Dustin nicht dabei sein konnte, hatten sie das Problem der Brennmittelversorgung auf diese Weise gelöst. Der Plattformwaggon hatte drei solcher „Futterbeutel“, wie er sie nannte, in seinem Ladebauch verstaut.

Rusty nahm die Tasche in Empfang, hing sie sich um den Hals und begann sich einige Kohlebrocken in den Mund zu schieben.

„Das Problem habe ich zum Glück nicht, Mon ami.“ lächelte Bobo, welcher gerade neben Rusty fuhr. Als er jedoch wieder nach vorne sah, verdüsterte sich seine Miene.

„Auch das noch! Da zieht ein Sturm auf! Seht Ihr die dunklen Wolken, die sich da vorne auftürmen? Jetzt brauchen sie die Ersatzlampe mehr denn je! Nur ihr Licht strahlt hell genug, um sie vor den Klippen zu warnen!“ rief Bobo.

„Dann los! Legen wir einen Zahn zu!“ rief Casey. „Wie weit ist es noch?“

„Wir haben gerade Coquillac passiert! Bis zum Ziel noch ca. 40 Kilometer! Die Weiche, die zum Leuchtturm abzweigt, müsste bald kommen!“ rief Vinrouge zurück.

Der Wind begann böig aufzufrischen. Die beiden Waggons duckten sich hinter Ihre Loks, um weniger Luftwiderstand zu bieten.

„Wie siehts aus?“ keuchte Rusty.

„Gib noch etwas Gas! Die Lampe liegt noch immer sicher im Rucksack!“
 

Kurze Zeit später passierten sie ratternd die Weiche die auf das Service-Gleis zum Leuchtturm führte.

„Ho-ho-hoo, langsam!“ rief Louis und versuchte, sein Gleichgewicht zu halten.

Der Wind hatte an Stärke zugenommen und beide Züge mussten Ihr Tempo verlangsamen.

„Wenn das so weitergeht, kriegen wir heute Nacht noch einen Orkan! Zum Glück sind wir bald da. Wegen der schweren dichten Wolken wird es heute auch schneller dunkel.“

„Da! Ich kann den Leuchtturm schon sehen!“

Zwischen den dunklen Wolken tauchte der lange, steinerne Bau auf. Aber kein Licht brannte oben in der Spitze.

„Beeilen wir uns! Die Sache ist ernst!“ bemerkte Bobo.“Es kann jeden Moment zu regnen anfangen!“

Beide Lokführer kramten Ihre Regenmäntel hervor und legten sie an. Keinen Augenblick zu früh, denn wenig später öffnete der Himmel seine Schleusen.

„Uah! So ein Mist!“ fluchte Casey.

Rusty lag inzwischen fast zweihundert Meter vor Bobo. Er war bereits so weit gekommen, jetzt wollte er auf alle Fälle versuchen, als Erster am Leuchtturm zu sein. Und endlich tauchte der schlanke, steinerne Bau hinter den Klippen auf.

„Ja, Rusty! Wir haben es gleich geschaft! Wir-OH NEIN!“

Mit quietschenden Bremsen kam die Lok auf dem zum Meer hinunterführenden Gleis zum Stehen. Den Grund dafür erkannte Casey sofort. Ein eingleisiger, ca. 1200 Meter langer Schienenstrang führte über einen Damm durch das aufgewühlte Meer. Schon jetzt schwappten die Wellen fast bis zu den Schienen hoch. Der Leuchtturm selbst stand auf einem Felsenriff, das über den Damm mit dem Festland verbunden war. Neben dem Gleis verlief noch ein schmaler Fußweg.

„Auch das noch! Ein eingleisiger Fahrweg mitten über das Meer! Und hohe Wellen! Das traut sich Rusty nie!“ dachte Casey verzweifelt. „Rusty! Wir müssen weiter!“

„Nein, ich kann nicht! Sieh Dir doch die Wellen an! Die sollen rüberkommen und die Lampe holen!“

„Das geht nicht! Die ist viel zu schwer! Und die Wellen würden die Männer fortspülen! Aber Du bist viel schwerer! Dich hauen die Wellen nicht so leicht um! Los, Rusty!“

Aber die kleine Dampflok bewegte sich nicht und schüttelte den Kopf.
 

Zur gleichen Zeit ging auf halber Höhe des Turmes ein Fenster auf und ein Mann mit einem Fernglas spähte hinaus in Richtung Klippen.

„Sie sind da! Und es ist die Dampflok, von der Monsieur Bonnature geschrieben hat!“ rief der Gehilfe des Leuchtturmwärters. „Jetzt trifft auch Bobo ein!“

„Hm…die Dampflok sieht aus, als hätte sie Angst, den Damm zu passieren. Am besten, wir gehen hinunter und erwarten sie.“
 

Bobo kam neben seinem Gegner zum Stehen.

„Was ist, mon Ami, wir sind noch nicht am Ziel!“ sagte er.

„Rusty hat Angst vor der Brandung. Er hat eigentlich Angst vor jedem tiefem Wasser.“

„Ohhh...das ist nicht gut. Dann muss ich wohl die Sache zu Ende bringen und für euch ist hier Endstation. –Tut mir leid, MonAmi, aber hier ist nicht das Ziel.“ sagte Bobo und transformierte. Vinrouge war abgestiegen und stellte von Hand die Weiche um.

„Tut mir leid, Casey.“ seufzte er und stieg ins Führerhaus.

„Schon okay.“ nickte der Junge etwas traurig. Aber er wusste, das er Rusty zu nichts zwingen konnte.

„Entschuldige, das ich so ein verdammter Feigling bin, aber ich kann einfach nicht! Wenn ich diese hohen Wellen sehe.... erinnern sie mich immer daran, als der entgegenkommende Zug mit der Brücke in den Fluss stürzte!“ erklärte Rusty zitternd.
 

Bobo war langsam angefahren und machte sich an die Überquerung des Dammes.

„Unser Favorit kommt! Die Dampflok traut sich wohl nicht.“ bemerkte Perion und steckte das Fernglas weg.

„Egal wer kommt, Hauptsache er bringt eine funktionierende Lampe mit!“
 

Tatsächlich schien der Wettkampf für Rusty und Casey gelaufen zu sein.

„Müssen wir hier bleiben und den Sturm abwarten? Ich möchte lieber wieder hinter die Klippen.“ zitterte Rusty.

„Erst wenn die Lampe oben installiert ist! Und die Zweite muss als Reseve hierbleiben! Erst wenn Bobo sie geholt hat, können wir von hier weg!“ erklärte Casey.

„Na toll!“ seufzte Rusty.
 

Plötzlich stockte Casey der Atem. Ein meterhoher Brecher rollte heran, direkt auf Bobo, der sich gerade mitten auf den Damm befand, zu!

Mit voller Wucht schlug er über Lok und Waggon zusammen! Den Flachwaggon riss es von den Gleisen, begleitet von einem knirschenden und krachenden Geräusch!

„Bobo! Monsieur Vinrouge!!“ rief Casey entsetzt.

„Die Welle hat sie voll erwischt!“ schluckte Rusty.

Als die Wassermassen abgelaufen waren, wurde das ganze Außmaß des Schadens sichtbar. Der Flachwaggon war wieder in den Humanoid-Modus transformiert, er hing halb im Wasser und klammerte sich an den aufgeschütteten Steinen des Dammes fest, gerade kletterte der Lokführer zurück auf die Gleise und half Gaston wieder an Land. Von Bobo aber fehlte jede Spur.

„Bobooo!!!“ brüllte Vinrouge hinaus in den Strum.

Auf einmal tauchte der Kopf der Lok einige Meter weiter wieder auf, Ihre Arme schossen vor und sie bekam einen der Felsen zu fassen.

„Dem Starlight sei Dank!“ seufzte Casey, als er die Lok erkannte, die sich abmühte, wieder auf den Damm hinauf zu kommen. Gaston und Vinrouge schafften es, mit vereinten Kräften Bobo wieder hinauf auf die Gleise zu ziehen.

Casey kramte sein Fernglas hervor und spähte hindurch.

„Wie sieht es aus?“ fragte Louis.

„Totalschaden! Der Behälter ist geborsten und die Lampe hinüber. Nur noch Scherben!“ stöhnte Casey, als er sah, wie der Lokführer ein Bruchstück in seine Richtung hob. “Na toll! Jetzt dauert es noch länger bis unsere Lampe montiert werden kann!“
 

„Hast Du das gehört, Rusty? Jetzt liegt es an uns! Nur unsere Lampe ist noch heil! Und die wird dringend gebraucht! Komm schon! Oder willst Du etwa, das Bobo kommt und sie abholt und es nochmal versucht?“ rief Louis.

„Casey da stimmt was nicht.“ bemerkte Rusty.

Der Lehrling spähte durch sein Fernglas und was er sah, gefiel Ihm gar nicht.

„Auch das noch! Bobo hat, als er von den Wellen gegen den Deich geschleudert wurde, einen Schaden an seinem Bein erlitten!“

„Sag, das das nicht wahr ist…“

„Es ist aber so. Ich fürchte, wir müssen doch über den Damm auf die Klippe.“
 

Zur gleichen Zeit endeckte der Leuchtturmwächter Lichtsignale, die vom Meer kamen.

„Mon Dieu! Eines der Schiffe gibt schon Lichtsignale, warum es kein Leuchtfeuer ausmachen kann!“ rief er, dann drehte er sich zu der wartenden Dampflok um. Der Gehilfe hatte ein Megaphon aus dem Leuchtturm geholt.

“Ihr müsst euch beeilen! Ein Schiff gibt schon Lichtsignale! Bobo ist beschädigt, er kann nicht mehr fahren! Wir brauchen die zweite Lampe!“ rief er zum Festland hinüber, wo Rusty ungeduldig ausharrte.

„Hörst Du das?-Mon Ami, Du musst das letzte Stück bis zum Leuchtturm schaffen! Sonst gibt es eine Katastrophe! Es sind immer viele Schiffe hier unterwegs! Einige werden den Riffen und Felsen der Küste zu nahe kommen und auflaufen!“ hörte Rusty die Stimme von Louis hinter sich. „Nur Du bist noch einsatzfähig und nur noch wir haben eine intakte Lampe! Komm schon!“

Und zur Bestätigung stieß er einmal von hinten gegen die kleine Dampflok, um sie aus ihrer Lethargie zu wecken.

„Rusty, die Sache ist ernst! Du hast doch schon in Taiga-Drubania Mut bewiesen! Und jetzt brauchen wir wieder diesen Mut!“

„Also gut! Ich will nicht, das durch meine Feigheit Menschen in Not geraten! Ich versuche es.“

„Gut so. Denk daran, der Starlight ist mit uns. Und Cyrill hält ebenfalls ein Auge auf uns.“

Louis hob Casey von Rustys Schultern und der Lehrling stellte die Weiche um.
 

Bobo war mit seinem Lokführer und Gaston beim Leuchtturm angelangt.

„Das sieht nicht gut aus. Geh in den Leuchtturm, damit nicht noch mehr Salzwasser in den Riss gelangt.“ meinte Monsier Perion. Die Lok blickte hinüber zum Anfang des Dammes.

„Komm schon, Rusty, mon Ami!“ bat der Favorit von Pretonia im Stillen.
 

„Rusty, wir machen es folgendermaßen! Transformiere in den Maschinenmodus! Und Du auch, Louis! So seid ihr schwerer und die Wellen können euch nicht so leicht vom Gleis werfen! Rusty hat den Vorteil, dass er noch etwas mehr wiegt als Bobo!“

„Eine gute Idee!“ nickte der Plattformwaggon. „Die Lampe hat eine Schutzhülle gegen Nässe, ich hoffe nur, die Holzverpackung hält einen Brecher aus.“

Also transformierte der Zug, Casey kletterte in das Führerhaus und sah aus dem Fenster.

„Okay! Vorwärts, Rusty!“
 

Langsam dampfte Rusty vorwärts und auf den Deich hinauf. Stampfend und im Schrittempo ging es Stück für Stück voran. Casey behielt das Meer im Auge. Der Sturm schien noch stärker geworden zu sein, erste Wellen schwappten bereits über die Gleise.

„Weiter...weiter...sieh nicht auf das Meer hinaus! Konzentriere dich einfach nur auf die Strecke...ich behalte das Meer im Auge!“ sagte Casey.

„Verdammt, warum ist das auf einmal so anstrengend, vorwärtszukommen?“

„Das ist das Magnetfeld, von dem Vinrouge sprach! Komm schon, wir haben fast die Hälfte der Strecke geschafft!“
 

Inzwischen, beim Leuchtturm...

„Er kommt! Anscheinend hat Casey Rusty überreden können.“ bemerkte Bobo, der die weißen Rauchwolken aufsteigen sah, ehe sie vom Sturm verweht wurden. “Wenn bloß mein Bein nicht beschädigt wäre, könnte ich ihm helfen! Ich merke, das auch er Probleme wegen dem Magnetfeld hat.“

„Zu gefährlich Mon Ami, wenn noch mehr Wasser durch den Riss eindringt, könnte es einen Kurzschluss geben! Wir wissen nicht, wie tief deine Hülle beschädigt wurde.“ erklärte Vinrouge.

„Ich habe noch nie erlebt, das eine Lok so viel Angst hat einen Deich zu überqueren.“ meinte der Leuchtturmwärter.

„Rusty hat einmal mitangesehen, wie ein Zug von einer Brücke in den Fluss gestürzt ist. Seither hat er Panik vor Wasser.“

„Dann kann ich Ihn gut verstehen. Das ist kein schöner Anblick.“
 

„Rusty! Achtung! Brecher von Rechts!“

„Uaaah! Ich habs gewusst!“

„Nicht stehenbleiben! Weiterfahren! Wir haben das Meiste bereits geschafft! Nur noch ein paar hundert Meter! Ihr seid jetzt viel schwerer! Die Brecher können euch nicht mehr so schnell umwerfen!“

„Aber der ist so grooooooß!!“ heulte Rusty. Plötzlich transformierte er wieder in den Humanoid-Modus zurück und blieb wie erstarrt stehen! Casey befand sich neben Ihm auf dem Gleis.

„Mensch, Rusty! Was machst Du-WAAAH!“

Caseys entsetzter Schrei wurde von den herabstürzenden Wassermassen erstickt! Als das Wasser abgelaufen war, lag nur noch Louis bäuchlings auf den Gleisen.

„Oh nein! Wo ist Rusty? Und der Lehrling? Sie müssen ins Meer gespült worden sein! Was machen wir jetzt?“ rief Bobo und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

„Wartet-seht doch!“ rief Gaston und wies nach vorne. Gerade zog sich Louis auf die Knie-und Casey krabbelte unter Ihm hervor!

„Dieu soit loué! (Gott sei Dank) Louis hat den Lehrling vor der Welle abgeschirmt!“ rief Vinrouge.
 

Casey hustete und spuckte etwas Meerwasser aus.

„Uff, danke, Louis! Die Lampe! Ist sie noch heil?“

Der Waggon tastete kurz den Rucksack ab.

„Ich glaube schon.“

„Puh..-hey, wo ist Rusty? RUSTYY!!“

„Mon dieu! Er muss in das Meer geschleudert worden sein, als die Welle über uns zusammenschlug! Wäre er nur nicht zurücktransformiert!“

„RUUUSTYYY!“ schrie Casey verzweifelt in den Sturm hinaus.
 

Als die Wellen über der Dampflok zusammenschlugen, wurde Rusty von den Beinen gerissen und fortgespült. Nun trieb er hilflos in der wogenden Strömung, doch durch sein Gewicht und die Magnetanziehung sank er langsam immer tiefer in Richtung Meeresgrund. Verzweifelt ruderte er mit den Armen, um zur Oberfläche zu gelangen, doch er war zu schwer und konnte das weitere Absinken nicht verhindern, da seine Hohlräume immer mehr voller Wasser liefen. Das wars dann wohl, dachte er, während ihm langsam die Sinne zu schwinden schienen. Es würde nicht lang dauern, bis das Wasser seine hinterste Brennkammer mit der Lebensflamme erreichen und diese auslöschen würde.

Auch konnte er nicht verhindern, das Wasser durch seinen Mund in seine eiserne Lunge lief. Warscheinlich würde er vorher ersticken, bevor es seine Lebensflamme erwischte.

Plötzlich merkte er, wie er mit dem rechten Seite auf dem sandigen Boden aufkam. Nun war die Oberfläche endgültig unerreichbar für Ihn…sein Schicksal schien besiegelt. Er würde auf dem Meeresgrund sein Leben beenden. Seine letzten Gedanken galten seinem Lehrling, bevor er die Besinnung verlor.

„Casey…es tut mir leid…“
 

Fortsetzung folgt…



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