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Mit Zähnen und Klauen

Die Geschichte eines asmodischen Daevas
von

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Kalte Tränen und schwarze Federn

„Vater! Vater, wo bist du?“ Er hob den Kopf, als das schlanke Mädchen in die einfache Hütte stürmte und sich kräftig schüttelte. Tropfen flogen ihr aus Haar und Kleidern. Megana lächelte und streckte die Arme aus, lief auf ihn zu, als sie ihn entdeckte. Obwohl sie eigentlich zu alt war für solches Benehmen, tat er ihr den Gefallen immer wieder gerne und nahm seine Tochter auf die Arme. Ihre noch weichen Krallen schlossen sich um seine starke Schulter und hielten sie fest. Ihre Augen blitzten voller Freude und er fragte: „Na, was gibt es, Kleines? Wie war dein Tag?“

Das Mädchen lachte und kuschelte sich an ihn. Er legte sanft die Hand auf ihren Rücken, seine Finger in ihrem weichen, feuchten Rückenfell vergraben. „Es war großartig! Wir haben über die Bekämpfung von wilden Tieren auf den Feldern gesprochen! Ich durfte Segerns Dolch in die Hand nehmen! Und wir haben mit Holzwaffen trainiert! Ich habe das Ziel dreimal getroffen! Segern meinte sogar, ich hätte Talent und solle weiterüben! Wenn ich fleißig wäre, meinte er, könne ich eine Daeva werden, vor der sich die Asmodischen Legionen verneigen würden! Wie gern würde ich das wirklich werden!“, sprudelte sie hervor. Er erschrak. Seine Züge verschlossen sich und er setzte seine Tochter rasch ab. Megana, die seinen Stimmungswandel natürlich mitbekam, sah zu ihm auf und fragte: „Was hast du, Vater?“ Müde schüttelte er den Kopf und ging hinüber zu der gepolsterten Bank an der rückwärtigen Wand, ließ sich schwer darauf fallen und seufzte. Das Mädchen kam zu ihm, sah zu ihm auf. Nicht zum ersten Mal wurde ihm klar, wie jung seine Tochter noch immer war. Selbst im Sitzen war er noch über einen Kopf größer als sie im Stehen. Meganas Schweif zuckte. „Vater?“ Er fuhr sich über das Gesicht. „Ich möchte nicht, dass du eine Daeva wirst, Megana. Das ist alles.“

Sie legte den Kopf schief. „Warum denn nicht? Die Daeva sind unsere Beschützer! Sie kämpfen gegen die bösen Elyos, die alles zerstören wollen, was uns gehört, nicht wahr?“ Seufzend strich er seiner Tochter über die goldblonden Haare, die ihn so sehr an ihre Mutter erinnerten, dass er einen Moment lang tatsächlich Milana vor sich sah.

„Das ist richtig.“ Er zögerte. „Doch die Daeva sind noch mehr. Sie sind unsterblich, mächtige Krieger oder furchterregende Zauberer. Aber das ist noch nicht alles!“, fügte er rasch hinzu, als er den Glanz in Meganas Augen sah. „Sie sind keine Menschen mehr. Sie glauben, sie würden so weit über uns stehen, wie wir über unserem Vieh stehen. Sie haben keine menschlichen Gefühle mehr. Mitgefühl oder Trauer kennen sie nicht mehr. Das ist kein Leben, das ich mir für dich wünsche, Kleines, denn trotz allem ist es eine bedauernswerte Existenz.“ Megana runzelte die Stirn. „Aber möchtest du denn kein Daeva werden, Vater?“ Entschlossen schüttelte er den Kopf. „Sicher nicht. Ich möchte nicht ewig gleich alt bleiben, möchte nicht die Menschen um mich herum altern und sterben sehen, während ich mich selbst nicht verändere. Ich möchte nicht in den Kampf gegen unsere Verwandten – die Elyos – ziehen und Blut vergießen müssen und dabei nicht einmal Trauer empfinden können. Ich möchte irgendwann, wenn ich alt und müde bin, friedlich in meinem Bett einschlafen und nicht mehr aufwachen – ich möchte nicht unter Schmerzen in einem Krieg sterben, der nicht der meine ist. Alles, was ich will ist, ein erfülltes, freudenvolles Leben führen. Und meiner Meinung nach gehört dazu auch, im Alter in Frieden gehen zu können. Als Daeva ist uns das nicht mehr möglich. Die Daeva leben für den Kampf. Nicht mehr und nicht weniger.“

Megana sah ernst zu ihm auf. Alle Fröhlichkeit und Unbeschwertheit war aus ihrem Gesicht gewichen. Einen Moment lang verfluchte er sich selbst, dass er so offen gewesen war. Sie fragte erschüttert: „Glaubst du, es ist so schlimm?“ Er nickte. Er hatte schon Daeva getroffen, und sie alle waren verbissene, teils verbitterte Gestalten gewesen, die hergekommen waren, um über den weiten Feldern von Brusthonin ihren Kampfeswillen wiederzufinden. Ihr Schicksal war es gewesen, sich hier zu regenerieren, um dann nach Morheim und Beluslan, jene von Elyos heimgesuchten Landstriche, oder gar in den schrecklichen Abyss zurückzukehren und erneut ihre Leben aufs Spiel zu setzen. Es war schwer, einen Daeva zu töten, aber nicht unmöglich. Bei all ihrer Stärke waren sie dennoch nicht untötbar. Unsterblich ja, aber nicht unverletzbar. Er hatte Daeva gesehen, denen Finger, Hände oder ganze Arme gefehlt hatten, die Augen oder Beine verloren hatten im Krieg. Wunden, an denen Menschen wie sie schon längst gestorben wären, hatten die Unsterblichen, die Geflügelten, überlebt. Schrecklich entstellt an Körper und Geist, abgeschoben in das ländliche Idyll Brusthonins, um dort ihren Lebenswillen wiederzufinden. Er wusste, viele hatten Selbstmord begangen, um aus dem ewigen Leben, das ihnen verliehen worden war, zu entkommen. Wahrlich, er wusste, es war nicht wünschenswert, unsterblich zu sein. Aber das konnte er Megana nicht erzählen. Also fuhr er ihr durchs Haar, zog sie zu sich auf den Schoß und lächelte. „Aber wir sind ja glücklicherweise keine Daeva. Wir brauchen also keine Angst davor zu haben, was einem von ihnen zustoßen könnte.“

Nach einem Moment des Schweigens meinte seine Tochter leise: „Wir haben auch noch über etwas anderes gesprochen.“ Leicht besorgt wegen ihres ernsten Tonfalls fragte er: „Und was war es, Meg? Möchtest du mit mir darüber reden?“ Megana stieg das Blut in den Kopf, sodass es aussah, als färbte sich ihre helle blassblaue Haut violett. Sie kicherte nervös. Er grinste, als sie herumdruckste: „Wir... na ja... äh... wir haben über... äh... Schönheit gesprochen...“ Ein Frauenthema. Eigentlich nichts, was man so direkt mit seinem Vater besprechen würde. Er lachte. „Nicht doch. Du brauchst es mir nicht erzählen, wenn du nicht möchtest.“ „Ich will aber, dass du es erfährst. Tante Veria hat ziemlich gelästert über Victoria. Du weißt schon, die Neue, die sich immer schminkt, selbst wenn sie aufs Feld geht, um ein Porgus einzufangen, das sich davongemacht hat!“ Grinsend nickte er und Megana fuhr fort: „Sie hat gesagt, die Frau wäre zwar bildhübsch, aber hätte absolut kein Gehirn in ihrem schönen Kopf!“

Sie schwieg, und ihrem Vater wurde erst nach einem Moment klar, dass sie auf seine Antwort wartete. Er verbiss sich den bösen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag – er wollte seine Tochter nicht zu einer Scharfzunge wie Veria erziehen. „Nun, Victoria stammt aus Baltasar. Dort wird eine etwas gehobenere Kultur gepflegt, auch wenn es, verglichen mit den Metropolen, nur ein weiteres Bauerndorf ist. Soweit ich weiß, hat sie auch schon die Festung von Altgard besucht. Und dort ist es üblich, sich herzurichten, wenn man das Haus verlässt.“

Er hatte noch mehr gehört. Victoria war, wenn man Bestels Aussagen – ihrem Ehemann – Glauben schenken durfte, die Tochter eines Schankmädchens und eines adligen Daevas aus Pandämonium. Doch Bestel galt als Tratschtante, ihm durfte man nicht alles glauben, was er im Suff von sich gab. Erst recht nicht, wenn es sich um seinen ganzen Stolz, seine wunderschöne junge Frau, drehte. Unbestritten jedoch war, dass sich Victoria eine Menge auf ihre Person einbildete. Die junge Frau hielt sich für zu gut, um wie der Rest der Dorfbevölkerung zu arbeiten. Er mochte sie nicht besonders, und Milana hielt sich ebenso von ihr fern, wenn es ihr möglich war, worum er froh war.

„Jedenfalls, sie hat ein wenig von gutaussehenden Männern unseres Dorfes geschwärmt. Wusstest du, dass sie Gorman heimlich anbetet?“ Megana kicherte und er runzelte die Stirn. „Gorman? Na das passt zu Veria!“, kommentierte er unverbindlich und seine Tochter sah mit einem gespielt unschuldigen Blick zu ihr auf. „Sie sagen alle, du seist... nun ja... nicht unbedingt ein gesuchtes Ziel ihrer Aufmerksamkeit...“ Er grinste breit und entblößte seine Fänge. „Oh, ist dem so?“ Megana sah ihm in die Augen, schien nach Unsicherheit seinerseits zu suchen. „Ja. Sie gehen sogar so weit, dass sie sagen, es wäre unmöglich, dass ich deine Tochter sein könnte! Wo doch Mutter so schön ist und... na ja... du...“

Dies brachte ihn wirklich zum Lachen. „Das ist nichts Neues für mich, Kleines.“, stieß er schließlich unter Gelächter hervor. „Ich weiß, dass ich nicht das bin, was andere als hübsch bezeichnen. Aber glücklicherweise heißt das nicht automatisch, dass auch du vollkommen hässlich sein musst! Du kommst nach deiner Mutter, Meg. Sei froh, dass es so ist, denn welche Tochter wollte schon wie ihr Vater aussehen?“ Er lachte und Megana lächelte scheu. „Also macht es dir nichts aus, hässlich zu sein?“ Das machte ihn nachdenklich, aber er schüttelte den Kopf, um sie nicht traurig zu machen. Er seufzte. „Megana. Weißt du, Schönheit zeigt sich nicht immer gleich auf den ersten Blick. Manche Menschen mögen zwar äußerlich schön sein, sind aber innerlich verrottet und bösartig. Worauf es ankommt ist, dass du da drin gut bist.“ Er tippte ihr mit der Krallenspitze auf die Brust. Megana sah auf ihre Brust hinab. „Warum?“ „Dein Herz. Darum geht es. Wenn das Herz nicht gut ist, ist der ganze Mensch schlecht. Das ist der Grund, weshalb sich deine Mutter mit einem hässlichen Tropf wie mir abgibt!“ Er zwinkerte und Megana lachte. „Also so unansehnlich bist du auch wieder nicht, Vater! Du bist halt einfach nicht so zierlich wie manche Söldner, die hier durchkommen!“ Erstaunt hob er die rechte Augenbraue. „Bitte? So hässlich bin ich nicht? Was soll das denn jetzt heißen? Meine eigene Tochter hält mich für unansehnlich?“ Sie seufzte und lachte. „So hab ich das nicht gemeint! Ich dachte nur...“ Grinsend strich der Ältere ihr über das Haar. „Ich weiß, Kleines. Mach dir keine Sorgen.“

Er sah zum Fenster hinaus. Draußen regnete es noch immer, doch nun nicht mehr gar so schlimm. Er konnte beinahe zusehen, wie es aufhörte. „Fütterst du die Tiere? Ich muss noch die Kures von der Weide holen.“ Megana nickte gehorsam. „Sicher. Mutter wird auch bald zurück sein. Dann können wir das Abendessen vorbereiten.“ Sie flitzte zur Tür hinaus, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, ihr zu antworten. Seufzend verließ auch er schließlich die Hütte, um seine Arbeit zu erledigen. Mochte Megana ein Energiebündel sein, er war es jedenfalls nicht. Aber niemand konnte ihm nachsagen, er wäre faul. Er war es nicht, er wusste, dass nur Fleiß das benötigte Geld brachte, das ihm ein angenehmes Leben ermöglichte. Dennoch musste man nicht alles im Laufschritt erledigen, Stress ergab sich auch so schon genug, da musste er ihn nicht auch noch künstlich produzieren.

Langsam schritt er den Weg entlang, der ihn zur Weide führen würde. Seine Krallen gruben sich tief in den schlammigen Weg. Er seufzte. Irgendetwas war seltsam in diesen Tagen. Es war immer matschig, es regnete dauernd, wie als weinte der Himmel. Seltsame Gerüche zogen über die Felder, wie als ob der verfaulte Atem eines Großen Drachen in der Luft liegen würde. Die Tiere waren reizbar und griffen manchmal ihre Besitzer an, außerdem waren immer wieder seltsame Kreaturen aufgetaucht. Er legte sein Schwert so gut wie nie mehr ab, und er ließ Megana nicht mehr allein aus dem Dorf. Milana wollte er eigentlich auch nicht fort lassen, aber sie musste auf den Feldern arbeiten, ebenso wie er selbst. Sie konnte ebenfalls mit dem Schwert umgehen, aber dennoch fürchtete er um ihre Sicherheit. Sie hatte nicht so viel Kraft wie die Männer des Dorfes und er, sie sollte nicht hinausgehen müssen. Aber sein Schicksal konnte man sich eben nicht aussuchen.

Als er die Weide erreichte sah er bereits, dass etwas nicht stimmte. Von seinen sechs Kures waren nur noch zwei auf der matschigen Wiese. Ein weiteres entdeckte er ein wenig entfernt an dem Bach, der den Hang hinab in Richtung Dorf floss. Resigniert fing er die großen Tiere ein und trieb sie rasch hinab in den heimatlichen Stall. Die Kures waren zwar keine hübsch anzusehenden Kreaturen, aber sie produzierten äußerst wohlschmeckendes, saftiges Fleisch, außerdem brauchte man sie – im Gegensatz zu den trägen Porgus – so gut wie nie gegen Wildtiere verteidigen. Im Gegenteil, ihre Hauer und Klauen und ihr furchterregendes Äußeres vertrieben Karnifs und Worgs, die sich doch immer wieder hierher verirrten, um Beute zu machen. Dabei waren die zahmen Kures, die im Dorf gezüchtet wurden in der Regel sanft, selbst zu kleinen Kindern. Er seufzte und verschloss den Stall, ehe er ihn verließ. An der Haustür traf er auf Milana, die bereits mit einer Kanne Milch die Hütte betrat.

„Milana! Drei unserer Kures sind ausgerissen! Ich muss noch einmal los, um sie zu finden!“ Die junge Frau – seine Frau – sah sich um. Ihr schönes helles Haar glänzte im schwachen Licht wie flüssiges Gold. Er beobachtete, wie sie die Augen verdrehte und ausrief: „Oh, schon wieder! Diese strohdummen Kreaturen! ...Ich werde dich begleiten. Vier Augen sehen mehr als zwei!“

Seufzend schüttelte er den Kopf. „Nein, Milana. Ich möchte, dass du bei Megana bleibst. Sie soll nicht allein zu Hause sein.“ „Mach dich nicht lächerlich, Schatz. Es steht ein Gewitter am Himmel, wir müssen uns beeilen, um die Tiere rechtzeitig zu finden! Ich helfe dir, ob es dir passt oder nicht!“ Milana schüttelte ihr lockiges, langes Haar und sah ihn so eindringlich an, dass ihm schließlich keine andere Wahl blieb, als zu nicken. Sie klatschte in die Hände. „Sehr gut! Lass uns gehen!“

Es begann wieder zu regnen, gerade als sie die Weide erreichten. Milana sah zum Himmel auf und fluchte leise. „Ausgerechnet jetzt! Na egal. Teilen wir uns auf. Ich gehe nach links, du nach rechts. Wir werden sie schon finden, wenn wir in Rufreichweite bleiben!“ Er neigte den Kopf. „In Ordnung. Also los!“ Gemeinsam machten sie sich auf die Suche, wobei es schon nach kurzer Zeit erneut zu schütten begann.

Doch in den über zwei Stunden, in denen sie suchten, fanden sie nicht einmal den Hauch einer Spur der verlorenen Kures. Sie fanden zwar Hufspuren, doch diese verloren sich bald darauf auf Gestein und im Wasser eines weiteren Baches. Es war, als hätten sie sich mit Absicht versteckt.

Schließlich, als sie zusammen auf einer Waldlichtung standen und immer noch nichts entdeckt hatten, nahm er seine zitternde Ehefrau in den Arm. Milana lehnte sich dankbar an ihn. „Es ist kalt... zu kalt für die Jahreszeit!“ Nickend sah er in die dunklen Wolken hinauf. Es hatte erneut aufgehört zu regnen, doch die Kälte war geblieben. Zudem grollte noch immer der Donner, und Blitze erhellten den dunklen Himmel. Er strich über Milanas Rückenfell und sie seufzte. „Wir müssen sie finden. Aber ich bin mir nicht sicher...“ Sie versteifte sich in seinem Arm und er war sofort alarmiert.

Milana flüsterte: „Da... da ist jemand!“ Er sah in die Richtung, in die sie deutete und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Halb unter einem Felsblock verborgen stand eine hochgewachsene Gestalt, bestimmt so groß wie er und nicht weniger breit. An ihrer Hüfte hing ein langes Schwert. Das Gesicht konnte er in der Düsternis nicht erkennen. Doch er spürte deutlich die Bedrohung, die von der Person ausging, so deutlich, dass sich ihm das Fell sträubte. Seine Krallen gruben sich tiefer ins Erdreich, während seine Hand Milana fester fasste. Er rief: „Tretet heraus, Herr! Weshalb versteckt Ihr Euch?“

Der Andere jedoch regte sich nicht. Ein fein verästelter Blitz zuckte über den schwarzen Himmel, erleuchtete die Szene mit seinem geisterhaften, unsteten Licht. „Herr?“ Der Fremde hob die Hand und deutete auf sie. Ein markerschütterndes Heulen, begleitet von einem krachenden Donnerschlag war zu hören, dann stürzte sich eine Meute verhüllter Gestalten aus dem Wald auf sie. Milana schrie auf, während ihr Mann bereits das Schwert zog. Binnen Sekunden entspann sich ein Kampf. Er konnte zwei in Schach halten, die ihn arg in Bedrängnis brachten, während Milana sich zwei weiteren Fremden erwehren musste. Ihr Dolch sauste durch die Luft, zog eine schimmernde Bahn hinter sich her. Das Licht der Blitze erhellte die Lichtung, das Kampffeld. Der Fremde mit der Kapuze stand noch immer am Rand des Waldes, beobachtete das Ganze. Offenbar wollte der Mann sich die Hände nicht schmutzig machen, dachte der kräftige Asmodier, schlug mit dem Schwert nach einem seiner Gegner. Kurz darauf sah er, wie seine Frau auch den zweiten Dolch aus der Stiefelscheide zog und gegen ihre Gegner wandte. Ihm jedoch blieb nicht die Zeit, es ihr gleichzutun. Die beiden Männer vor ihm waren mit Langschwertern bewaffnet, die ihnen eine größere Reichweite gaben, als er selbst mit seinem Kurzschwert bekam. Folglich musste er sich konzentrieren, um nicht verletzt oder gar getötet zu werden.

„Warum greift ihr uns an? Wir haben euch nichts getan!“, keuchte Milana zwischen zwei Donnerschlägen und hieb um sich. Er biss die Zähne zusammen und schaffte es doch, endlich auch seinen Dolch aus dem Stiefel zu ziehen. Der Grund, auf dem sie kämpften war zwar nicht schlammig, aber die nassen Nadeln der Bäume, die den Boden bedeckten, machten es riskant, sich allzu sorglos zu bewegen. Er musste aufpassen, wo er hintrat – und wie er es tat, denn zwischen die Tannennadeln mischten sich scharfkantige Steine, die seine Füße in Gefahr brachten. Doch mit zwei Waffen tat er sich bedeutend leichter, seine Gegner abzuwehren. Zumindest blieb es so ein harter Kampf, den keiner für sich entscheiden konnte, auch wenn sie alle kleinere Schnitte an Gesicht und Körper einstecken mussten. Dann jedoch gab Milanas Schmerzensschrei den Ausschlag. Er war für einen Sekundenbruchteil abgelenkt – genug für die zwei Fechter, ihn zu überwältigen. Ihm wurde der Dolch aus der Hand geschlagen und einer seiner Gegner trieb ihm das Schwert in die Schulter. Er sog die Luft ein, schrie schließlich, als der Mann das Schwert herumdrehte. Sein eigenes Schwert rutschte ihm aus der erschlaffenden Rechten und fiel klirrend zu Boden. Die Waffe wurde aus seiner Schulter gerissen und er taumelte zurück, sah, wie sie Milana an einen Baum drängten, ihr die Waffen entwanden. Er sank zu Boden, als ihm ein zweites Mal ein Schwert in den Leib gerammt wurde. Milana schrie.

„Danvan! DANVAN!“ Mit ersterbendem Bewusstsein und Tränen in den Augen sah er, wie sie sie fortzerrten, fort in den dunklen, furchterregenden Wald. Dann wurde alles schwarz. „DANVAN!“
 

Er erwachte mit einem leisen Schrei. Zunächst wusste er nicht, wo er war. Er konnte sich nicht bewegen, es war, als seien seine Beine gefesselt, und seine Waffe war nicht in Reichweite. Dann jedoch gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit und ihm wurde klar, dass er sich in seinem eigenen Zimmer befand. Seine Bettdecke hatte sich fest um seine langen Beine geschlungen und ihn so „gefesselt“. Sein Schwert lag wie immer auf dem Boden vor dem Bett.

Danvan fuhr sich seufzend über das Gesicht, entdeckte verwirrt, dass Tränen seine Wangen benetzten. Weshalb ließ es ihn nur nicht los? Jener schreckliche Tag, der sein ganzes Leben vollkommen umgekrempelt hatte, ihm das Herz binnen so kurzer Zeit zweimal gebrochen hatte?

Dann gab er sich selbst die Antwort. Er hatte nie gewollt, dass es passierte. Es hatte eine Tragödie erfordert, um ihn zu dem zu machen, was er war. Er durfte es nicht vergessen. Niemals.

Als er erwacht war, hatte er noch immer auf der Waldlichtung gelegen. Blut hatte sein Lederhemd getränkt, sein eigenes Blut. Er hätte sterben sollen. Doch stattdessen sah er die riesigen schwarzgefiederten Schwingen, die links und rechts von ihm auf dem Boden lagen. Danvan erinnerte sich nur schemenhaft daran, wie er ins Dorf zurückgekehrt war. Er war völlig entkräftet und unterkühlt gewesen vom Blutverlust. Er hatte nicht die Kraft gehabt zu realisieren, was geschehen war. Müde hatte er sich zurück nach Hause gekämpft.

Er war Gorman in die Arme gelaufen, der voller Entsetzen die Arme in die Luft geworfen hatte. Sein Bruder Albin, der, durch Gormans Ehefrau herbeigeholt, ihn in Empfang genommen hatte, hatte ihn erschrocken angesehen und gesagt: „Danvan, was ist nur passiert? Was in Aions Namen hast du getan, dass dir so etwas widerfahren musste?“

Zu diesem Zeitpunkt hatte er begriffen, dass es mehr sein musste als sein Aufzug, weshalb sie solch einen Aufstand machten. Ein Schatten der kalten Angst, die ihn damals umfangen hatte, flutete auch jetzt noch durch seine Adern, als er sich erinnerte. Er war zu seiner Hütte getaumelt – oder besser das, was davon noch übrig gewesen war. Eine Schlammlawine war vom Berg her niedergegangen und hatte mehrere Häuser mit sich gerissen. Unter ihnen war auch das Haus von Danvans Familie gewesen. Megana, die bereits geschlafen hatte, war von den Trümmern, die die Lawine mit sich geführt hatte, erschlagen worden. Er erinnerte sich noch daran, ihren zerstörten Körper in den Armen gewiegt zu haben, doch an ihr Gesicht konnte er sich nicht mehr erinnern.

Albin hatte versucht, ihn zurückzuhalten, doch er hatte Megana sehen müssen. Schließlich hatte er die Ruine seines Hauses verlassen, seine tote Tochter auf den Armen tragend wie einen Säugling. Tränen hatten seine Sicht verschleiert, als er den kleinen Tempel betreten hatte, sie auf den Stufen abgelegt und für sie gebetet hatte.

Dann war er aufgestanden und hatte den Tempel verlassen wollen. Sein Bruder hatte ihn aufzuhalten versucht. Albin hatte all das Blut gesehen, das auf seinem Hemd war, das Fehlen seines Schwertes erkannt und die richtigen Schlüsse gezogen. Er hatte Danvan nicht mehr fortlassen wollen und ihn höchstselbst ins Bett verfrachtet, ehe er Gorman und Segern aufgefordert hatte, nach Milana zu suchen. Die Männer des Dorfes waren geschlossen und bis an die Zähne bewaffnet aufgebrochen, um die schöne junge Frau zu retten. Danvan jedoch war, kaum dass er im Bett lag, erneut in Ohnmacht gefallen.

Als er erwacht war, war der Himmel klar gewesen. Wie als ob er ihn verspotten wollte. Er hatte nur dagelegen, die warme Luft geatmet und die Decke des Zimmers angestarrt. Er konnte nicht weinen. Seine Tränen waren versiegt. In ihm war nur namenloser Schrecken gewesen. Megana tot, Milana entführt, er verletzt und... ja... was eigentlich?

Noch immer hatte er sich verboten, darüber nachzudenken, was eigentlich passiert war. Dann war Bestel ins Dorf gerannt, wild schreiend und wild mit den Armen rudernd, hatte nach Albin gerufen. Danvan war aufgestanden, hatte gesehen, wie Bestel seinen Bruder fortzog und war ihnen gefolgt – obwohl Albin ihn angewiesen hatte, im Bett zu bleiben. Doch er hatte seinen jüngeren Bruder einfach ignoriert, war Bestel gefolgt.

Jetzt dachte er, es wäre besser gewesen, er hätte es nicht getan. Im Gegensatz zu Meganas Gesicht erinnerte er sich an Milanas Antlitz noch so gut, als hätte er sie erst gestern gesehen. Seine Frau war brutal misshandelt worden, ihr Gesicht geschwollen und voller Schnitte und Blutergüsse gewesen. Man hatte ihr beide Beine und das Handgelenk gebrochen. Milanas Körper war übersät gewesen von Prellungen, Blut und Schmutz. Die Fetzen ihrer Kleidung hatten um sie herum verstreut im Wald gelegen. Sie musste sich gegen ihre Peiniger gewehrt haben, mit allem was ihr geblieben war: Zähnen und Klauen. Ihre Fänge waren zersplittert, zwei ihrer Krallen abgebrochen, die anderen abgeschabt bis sie geblutet hatten. Albins Gesicht hatte alle Farbe verloren damals, er war ebenso blass gewesen wie Danvan, als er wie betäubt versucht hatte, seinen älteren Bruder zurückzuhalten. Doch Danvan hatte ihn beiseite geschoben und sich auf Milanas Leichnam gestürzt, sie in die Arme genommen und geschrien. Verzweifelt hatte er versucht, sie aufzuwecken, nicht begreifend, dass es für sie zu spät war. Viel zu spät. An alle Einzelheiten erinnerte er sich nicht mehr. Nur noch daran, dass alles in ihm taub war, alles bis auf sein Herz, das vor Schmerz zu bersten drohte. Er hatte geweint. Lange. Bis Albin ihn endlich aufgehoben hatte, ihn an Bestel und Gormen weitergereicht hatte mit der Anweisung, ihn nach Hause zu bringen.

Später, Danvan wusste nicht, wie viel später, waren seine Ehefrau und seine Tochter zu Grabe getragen worden. Als er auf die schlichten Särge hinabsah und sich die Erkenntnis, jetzt vollkommen allein zu sein, in sein Bewusstsein schlich, hatte er aufgeschrien und in seinem Schmerz seine Schwingen zum Vorschein gebracht und voll entfaltet. Er erinnerte sich noch an die erschrockenen Gesichter seiner Freunde und Verwandten, die geglaubt hatten, er wäre in eben diesem Moment verwandelt worden.

Albin hatte er danach erzählt, was sich in Wahrheit zugetragen hatte, wann es passiert war. Wann er zum Daeva geworden war. Unsterblich. Wann ihm der Weg in den Tod verwehrt worden war. Bei dem Gespräch war ihm klar geworden, was es bedeutete, ein Daeva zu sein. Er würde alle, die er kannte, altern und schließlich sterben sehen, während er sich niemals mehr verändern würde, auf ewig dazu verdammt, dasselbe Gesicht zu tragen wie an jenem schrecklichen Tag, der ihm seine Familie und seine Zukunft geraubt hatte. Albin hatte ihn angesehen und gesagt: „Ich glaubte, dich zu kennen, Danvan. Doch jetzt begreife ich, dass wir einander niemals wahrlich kennen können, ebenso wenig wie wir den Lauf der Welt erkennen können. Doch im Gegensatz zu mir hast du nun unendlich viel mehr Zeit, die Welt und ihre Geschöpfe begreifen zu lernen. Nutze diese Chance, sie mag dein einziger Weg sein, dem Schmerz entkommen zu können.“ Er hatte geantwortet: „Ich werde niemals mehr glücklich sein können. Milana und Megana waren mein Leben. Als ich sie verloren habe, habe ich auch mein Glück und meine Freude verloren.“ Das Kopfschütteln seines Bruders hatte er damals als puren Hohn empfunden, doch jetzt wusste er, Albin hatte Recht gehabt damals. Das Leben würde weitergehen.
 

Danvan erhob sich von seinem Bett, sammelte seine Hose auf und schlüpfte hinein. Als er die Läden des Fensters öffnete und die klare, kalte Luft über seine bloße Brust und seine muskulösen Arme strich, atmete er tief ein und schloss kurz die Augen. So viel hatte sich verändert seit damals. Er hatte mehrere Monate im Dorf verbracht, halb betäubt vor Schmerz seine Arbeit zu tun versucht, bei Albin und dessen Familie gelebt. Dann waren die ersten Untoten aufgetaucht, hatten Gormen und dessen Zechkumpanen Themnos umgebracht. Damals hatte Danvan es bereits gespürt. Etwas veränderte sich. Als weitere Untote aufgetaucht waren und begonnen hatten, die Tiere abzuschlachten, hatten sich die Bauern beraten und beschlossen, einen Boten nach Baltasar zu schicken, um um Hilfe zu bitten.

Die Wahl war auf Danvan gefallen, da er als einziger über Schwingen verfügte, die ihn schnell den Berg hinabtragen konnten und er, in Ermangelung einer Familie oder eines Hofes, niemandes Magen außer seinem eigenen zu füllen hatte. Er hatte die Wahl angenommen und war hinabgeglitten ins Tal, das ihn schließlich, über das Gebiet der Sudorville-Farmen, bis nach Baltasar führen würde. Auf dem Weg hatte er begriffen, dass das, was zu Hause geschah, kein Einzelfall und erst Recht nicht das Ende war. Untote und Dreck waren überall, wie als weinte die Erde selbst über das, was auf ihrer Oberfläche geschah. Was einst blühender Reichtum und satte Fruchtbarkeit gewesen war, hatte sich gewandelt. Verfall und Fäulnis schienen von allem Besitz zu ergreifen. Noch wehrte sich die Natur, doch Danvans erweiterte Wahrnehmung sagte ihm, dass sich ganz Brusthonin im Wandel befand. In Baltasar hatte er sein Anliegen vorgebracht, ihm war versprochen worden, dass man sich um sein Dorf kümmern würde.

Doch als er hatte zurückkehren wollen, hatte man ihn nicht gehen lassen, sondern ihn in Begleitung von zwei Männern durch ein Portal fortgeschickt. Er hatte in Pandämonium trainiert, hatte jedoch von der Stadt so gut wie nichts gesehen außer die Kaserne, in die man ihn gebracht hatte. Etwas mehr als zwei Jahre waren vergangen, in denen er nichts aus seiner Heimat gehört hatte. Dann hatte man ihn nach Morheim, in die Eisfestung geschickt. Und hier war er nun.
 

Danvan sah hinaus in die schneebedeckte Welt. Dieses Land war rauh, verlangte seinen Bewohnern alles ab. Die Menschen hüllten sich dick in ihre Mäntel und Jacken, während Daeva verschiedener Berufe frei unter ihnen herumeilten oder gemütlich durch die Straßen schlenderten. Er sah Geflügelte, die das Äther der Kristalle einsammelten, die über der Stadt schwebten und seufzte. So viel hatte sich geändert seit damals.

Er wandte sich vom Fenster ab, schlüpfte in seine Lederrüstung, die ihm nach der kühlen Luft angenehm warm vorkam, gürtete sich seine Schwerter auf den Rücken und verstaute die zwei Dolche in seinen Stiefelscheiden. Den verzauberten Bogen, der nie brechen würde, spannte er neu und hängte ihn sich ebenfalls in das Gestell auf seinem Rücken, das schon seine Schwerter trug. Er fasste sein rotbraunes Haar und band die langen Strähnen in seinem Nacken nachlässig mit einer dünnen Lederschnur zusammen, sah prüfend in den Spiegel, ob noch irgendetwas zu verändern war. Seine graugrünen, hellen Augen stachen aus seinem blassen Gesicht hervor, das von den gewaltigen Koteletten und den Tätowierungen verdunkelt wurde. Alles wirkte wie immer, selbst die leichten, kaum sichtbaren Ringe unter seinen Augen, die fast immer auftauchten, wenn er auch nur ein wenig zu spät ins Bett kam und zu viel getrunken hatte. Danvan warf seinem Spiegelbild einen ernsten Blick zu, dann seufzte er und verließ das Zimmer.

Draußen erwartete ihn bereits ein Bote, der ihm eine Schriftrolle des Kommandanten von Morheim überbrachte. Man sandte ihn aus, um jene Kreaturen, die die Eisfestungsbewohner peinigten, auszurotten. Nichts außergewöhnliches. Beinahe wehmütig erinnerte er sich an jenen Auftrag, den er vor etwa drei Monaten hatte erledigen sollen. Es ging um die Ermordung eines Beamten, der seine Position missbraucht hatte, um Geld und diverse nicht näher erläuterte Gefälligkeiten einzustreichen. Danvan hatte es zunächst widerstrebt, einen Menschen zu töten, den er doch gar nicht kannte und der ihm nichts böses wollte, doch dann hatte sich herausgestellt, dass der Mann versucht hatte, Daeva in eine Falle zu locken und an die Elyos zu verraten. Als er Danvan gesehen hatte, hatte er ihn verflucht und ihn attackiert. Natürlich war es vergebens gewesen, denn zum Einen war Danvan über einen Kopf größer als der dicke Mann gewesen, zum Anderen war er im Kampf geschult worden. Er hatte den Beamten kalten Herzens getötet. Seitdem waren zwei weitere Menschen durch Danvans Hand gestorben, die hatten verhindern wollten, dass Hilfsgüter nach Brusthonin gelangten. Das einstige Paradies hatte sich zu einer Hölle auf Erden gewandelt. Ganz Asmodae betrauerte den Verlust seiner Schatzkammer, was saubere Luft und blühende Felder anging. Noch hatte Danvan es nicht mit eigenen Augen gesehen, doch er hoffte immer wieder, dass es Albin und den anderen Bewohnern seines Heimatdorfes gut ging.

Als Danvan das Stadtgebiet nach Westen hin über die Brücke verließ, sah er auch hier Spuren des Verfalls, der ihm schon in Brusthonin aufgefallen war. Wenn es auch wesentlich weniger schlimm war als in seiner Heimat, so war es doch unübersehbar, dass ihre Welt darunter litt, was geschehen war, damals, als der Turm der Ewigkeit zerstört worden war. Zu Hause hatte er nichts gewusst von alldem. Er hatte auch nicht geahnt, dass die Elyos derart boshaft waren, ihnen tatsächlich den garaus machen wollten.

Er zog die Schwerter. Der Mann, der ihm gegenüberstand, hob das schwere Zweihänderschwert, um nach einem anderen Asmodier zu schlagen, der sich gerade eben gebückt hatte, um eine Handvoll Kristall aufzulesen. Danvan zögerte nicht, schoss auf schwarzen Schwingen vor. Seine zwei Schwerter fraßen sich tief in die Schwachstellen der Rüstung des Mannes, in seine Halsbeuge und sein Ellbogengelenk, trennten ihm den linken Arm ab und sandten eine blutrote Fontäne aus dem verletzten Hals, die den Schnee rot färbte. Der Fremde hatte nicht den Hauch einer Chance, wie er so von hinten blitzschnell und von vorn eher überrascht attackiert wurde. Er starb binnen Sekunden an den schweren Wunden, die Danvan und der andere Asmodier ihm beigebracht hatten. Selbst wenn er diese überlebt hätte, so hätte ihn das Gift auf Danvans Klingen binnen kurzer Zeit getötet.

Der Daeva hatte gelernt, dass es sich nicht lohnte, mit Elyos allzu sanft umzuspringen. Die Weißgeflügelten neigten dazu, zum Einen äußerst langsam zu sterben, wenn sie sahen, was auf sie zukam, und zum Anderen dazu zu versuchen, ihren Angreifer mit in den Tod zu reißen.

Als Danvan nun auf den Fremden hinabsah und dessen Gesicht erkannte, spürte er, dass er wohl doch nicht so abgebrüht war, wie er gedacht hatte. Der Elyos war kaum erwachsen gewesen, ihm spross erst der erste Flaum von einem Bart auf den bleicher werdenden Wangen.

Der Tod dieses jungen Mannes berührte ihn, erkannte er erstaunt. Als er die Linke sanft zu seinem Gesicht hob und die bereits gefrierende Nässe auf seiner Klaue sah, hob er den Blick gen Himmel. In der Ferne schimmerte jenes überirdische Licht, das ihn jeden Abend begleitet hatte, wenn er hier den Schlaf gesucht hatte. Nordlicht nannten es die Bewohner Morheims. Es war nur hier zu sehen, in der Eisfestung und ihrer Umgebung. Danvan bemerkte, wie verschleiert sein Gesichtsfeld war. Er sah eine schwarze Feder zu Boden sinken, wohl ein Überbleibsel seines ungestümen Angriffs.

Schwarze Federn und kalte Tränen. Sein Schicksal. Ein Daeva Asmodaes.

Kranke Erde und tote Freunde

Als Danvan durch das Portal trat und das erste Mal seit drei Jahren die kühle Luft Brusthonins atmete, hatte er zu kämpfen, dass ihm nicht die Tränen in die Augen stiegen. Dies war also aus dem Land seiner Geburt geworden. Beide hatten sie sich verändert, das Land und auch er selbst. Er hatte es als von Trauer überwältigter Flüchtling, als verängstigter junger Unsterblicher verlassen und kehrte nun als selbstbewusster, selbstsicherer Daeva zurück, der genau wusste, wieviel er sich selbst und anderen zumuten konnte. Nun ja, vielleicht nicht ganz so selbstbewusst, dachte er, als er die Tränen wegblinzelte. Trotzdem, er war sehr viel entschlossener als damals.

Aber dennoch, dachte er dann, heilen alte Wunden nicht so schnell, als dass nicht noch alter Schmerz bleiben würde. Er sah sich um. Er war in das Siedlerlager im Süden geschickt worden, nahe der Küste. Die kalte Seeluft zerrte an seinem Haar und seinen Kleidern, trug den frischen Geruch nach Salz und Wasser mit sich, durchsetzt mit dem Moder von verrottendem Holz und Fisch. Alles in allem ein angenehmer Geruch, der ihn nicht abstieß, sondern im Gegensatz dazu einlud, mehr von dem rauhen Land kennenzulernen. Kein Vergleich mit dem ländlichen Idyll Altgards oder der Vielfalt Morheims – oder der städtischen Betriebsamkeit Pandämoniums, von der er zugegebenermaßen noch wenig kannte.

Er setzte sich in Bewegung, sprach mit den Bewohnern des Lagers. Viele sagten ihm, hier sei der letzte sichere Fleck Erde bis Baltasar. Besorgt sah Danvan in Richtung Landesinnere und schluckte. Sein Dorf lag weit im Gebirge, aber zwischen hier und Baltasar. Angst um seine Freunde und Bekannten regte sich in ihm, die er aber rasch niederkämpfte. Jetzt konnte er endlich zurückkehren an den Ort seiner Geburt – und er wollte nicht mehr länger warten. Endlich war sein Vorhaben bewilligt worden und er hatte die Eisfestung verlassen dürfen. Er mochte Morheim, das Land war so vielschichtig wie seine Bewohner, verfügte über eisige Höhenzüge, trockene Wüsten, mysteriöse Waldgebiete, weitläufige Steppen und feurige Vulkangebirge. Doch es war kein Vergleich mit Brusthonin, das er aus tiefstem Herzen liebte. Er machte sich auf den Weg.
 

Doch gleich als er das Lager verlassen hatte und das Meer hinter einigen Hügeln verschwunden war, schlich sich leiser Schrecken in seine Gedanken. In der Luft hingen der Geruch von Fäulnis und Verfall, noch schlimmer als damals, als er nach Baltasar geflogen war, um um Hilfe zu bitten.

Raschen Schrittes betrat er die Ebenen, die sich an die Küstenregion anschlossen – und erschrak jetzt wirklich, als er sah, was aus dem einstigen Paradies Asmodaes geworden war.

Vor ihm breiteten sich weite Felder aus, die früher sicher bewirtschaftet gewesen waren. Doch nun beheimateten sie Geschöpfe, die kein Landwirt je auf seinem Land sehen wollte. Riesenhafte Sylphen schwirrten vorbei an gigantischen Tausendfüßlern und eilig herumhastenden Schnüfflern. Danvan sah die Ruinen von Häusern, durch die der Wind wie eine gepeinigte Seele heulte und erschauerte. Was war hier nur geschehen, dass alles so verfallen war?

Als er probehalber eines der Felder betrat, spürte er schon unter seinen Fußsohlen, wie sehr die Erde sich quälte. Der Fäulnisgeruch wurde immer stärker, je weiter er sich vom Meer entfernte. Seltsame Schlieren trieben in der Luft vor ihm, ließen Danvan vorsichtig innehalten und die Luft prüfend einzusaugen. Hustend wandte er sich ab. Giftige Dämpfe! Er machte einen großen Bogen um die Gasansammlungen, kniete schließlich nieder und ließ eine Handvoll Erde durch seine Krallen rinnen. Er als ehemaliger Landwirt erkannte natürlich, wie Erde beschaffen sein musste, damit in ihr etwas wachsen würde – doch was er sah, konnte er nur noch als Dreck bezeichnen. War die Krume früher satt und voller Nährstoffe gewesen, jetzt wirkte sie geschwächt, verseucht von seltsamen Stoffen, die Danvan an verrottende Pflanzen erinnerten.

Er schüttelte den Kopf. Was war hier passiert? Wie hatte sich ein so blühendes Land binnen so kurzer Zeit so wandeln können? Er wusste, in der Natur geschah in der Regel nichts schnell, alles war eher einem langsamen, sorgsamen Wandel unterlaufen, der alles umfasste, sodass nichts alt und überholt blieb. Doch hier zeigten sich Anzeichen sowohl von Überdüngung, Vergiftungen, als auch etwas anderem, für das Danvan keinen Namen hatte. Es war... wie als hätte irgendetwas seinen fauligen Atem über das Land gehaucht, und als hätte sich dieser hier festgesetzt.

Langsam erhob er sich, klopfte sich gewissenhaft die Kleider ab. Wer wusste, wie viel Gift hier tatsächlich im Boden steckte? Und wenn, ob es nicht auch für Daeva gefährlich werden konnte? Es war besser, kein Risiko einzugehen.

Allein dieser Gedanke an Sicherheitsvorkehrungen weckte das Bedürfnis, schnell in sein Dorf zurückzukehren, erinnerte er ihn doch schmerzhaft stark an Albin, seinen jüngeren Bruder, der zurückgeblieben war, um weiterhin das Land zu bebauen. Das Land, das sich gegen sie wandte.

Er schalt sich einen Narren, um sich zu beruhigen. Albin war immer der Vernünftigere von ihnen beiden gewesen, ihm ging es sicher gut. Doch die Stimme in seinem Hinterkopf schwieg nicht, wie er es beabsichtigt hatte. Stattdessen wurde ihm wieder klar, weshalb er seine Rückkehr nach Brusthonin plötzlich so eilig vorangetrieben hatte: Vor einigen Tagen war er am Morgen aufgewacht, mit Albins Namen auf den Lippen und kaltem Schweiß auf der Haut. Das bohrende Gefühl des Verlustes – zwar nur ein blasser Schatten dessen, was er bei Milanas und Meganas Tod empfunden hatte, aber dennoch zu stark, um ihn zu ignorieren – hatte ihn den ganzen Tag nicht mehr losgelassen, sodass er sich schließlich an die Beamten in Pandämonium gewandt hatte. Er hatte darum gebeten, das verfaulende Paradies besuchen zu dürfen, um sich selbst ein Bild der Situation machen zu können. Und endlich, endlich war es ihm gewährt worden, zurückzukehren.

Danvan sah sich um. Fäulnis so weit das Auge reichte. Er beschloss, das Gebiet so rasch zu durchqueren, wie es ihm möglich war. Giftöde, so hatten es die Siedler genannt. Der Name passte, fand der großgewachsene Daeva. Einst war dieser Landstrich „Südebenen“ genannt worden und war ein wunderbares Gebiet für Krimeraanbau gewesen. Auch die wunderschön blühenden Kräuter namens Theonia waren hier gewachsen, doch davon war nichts mehr zu sehen.

Plötzlich nahm er eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr und ließ sich fallen. Gerade noch rechtzeitig, denn wo er einen Sekundenbruchteil zuvor noch gestanden hatte, zischten rasiermesserscharfe Blätter durch die Luft und ein unmenschliches Zischen war zu hören. Danvan keuchte und riss seine Schwerter aus den Scheiden am Rücken, blockte den zweiten Angriff des... nun ja... Schreckmaises! Jawohl, Schreckmais, stellte er fest. Das Gewächs war für gewöhnlich eine ganz normale Pflanze, die ab und an von lebendigen Pflanzengeistern bewohnt wurde. Dann nannte man den sonst ganz normalen Mais Schreckmais. Die Pflanzen waren in der Regel friedlich, nur zur Erntezeit konnte es geringfügig Schwierigkeiten geben – doch dieser Mais war alles andere als harmlos!

Danvan tauchte unter einem erneuten Hieb hindurch und schlug selbst zu, trennte das Blatt knapp über dem Stängel ab. Der Mais zischte und wich auf seinen drei unterschiedlich langen Beinen zurück, krümmte sich. Mit einem schrillen Schrei warf es sich nach vorne, wollte Danvan den obersten Kolben ins Gesicht rammen, was der Daeva jedoch durch eine elegante Drehung seines Oberkörpers verhinderte, den Angriff unterlief und konterte. Das Schwert seiner Linken schnitt ein zweites Blatt vom Stängel, das der Rechten trennte den obersten Kolben vom Rumpf des Maises. Die beiden verbliebenen Kolben kreischten und die ganze Pflanze taumelte zurück, hatte plötzlich Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Danvan fletschte die Zähne, grub die Krallen in den Boden und stieß sich ab. Einer Kanonenkugel gleich schoss er auf den angeschlagenen Mais zu, warf beide Schwerter überkreuz nach vorne und riss sie auseinander – und teilte seinen unmenschlichen Gegner in der Mitte auseinander, wobei die Klinge der rechten Hand den untersten Kolben ebenfalls halbierte. Die Pflanze brach ohne einen Laut auf dem schlammigen Boden zusammen.

Der großgewachsene Mann richtete sich auf und sah auf seinen besiegten Gegner hinab, schüttelte den Kopf. „Was in Aions Namen ist hier passiert?“, murmelte er leise und schob die Schwerter in ihre Scheiden zurück, kniete nieder, um sich den Schreckmais näher zu besehen. Anders als der Mais, den er kannte, war dieser hier bereits halb verdorrt, faulte sogar an manchen Stellen. Diese Pflanze hätte kein Geist jemals besetzt, jedenfalls nicht freiwillig. Und er hatte sich garantiert nicht so verhalten, wie Danvan es gewohnt war. Sicher, Schreckmais war keine Pflanze, an die er guten Gewissens Kinder herangelassen hätte, aber so mörderischen Mais hatte er noch nie gesehen, nicht einmal während der Erntezeit!

Er richtete sich auf, schüttelte sich angewidert. Was immer Brusthonin überfallen hatte, es hatte sich tiefer ins Herz des Landes hineingefressen, als Danvan bisher angenommen hatte. Es hatte sogar die Naturgeister verändert. Er hoffte nur, dass sich dies nicht über das ganze Land erstreckte. Wahrlich, er musste zusehen, dass er in sein Dorf zurückkehrte! Er setzte sich erneut in Bewegung.

Er schlug ein lockeres Lauftempo an. Wenn er in dieser Geschwindigkeit weiterrannte, würde er es bis zum Abend geschafft haben, das Gebirge zu erreichen, vielleicht sogar den ersten Aufstieg hinter sich bringen können. Danvan war sich des vertrauten Gewichts seiner Schwerter bewusst, die auf seinen Rücken geschnallt waren, ebenso des Bogens und der Dolche. Ihm wurde erneut klar, wie sehr er sich verändert hatte, seit er vom Dorf aufgebrochen war. Früher war er zögerlich gewesen, leicht zu ängstigen und aus der Bahn zu werfen. Doch eines hatte er nicht vergessen: wie seine Familie umgekommen war. Er würde nie wieder derselbe sein, aber er würde auch nicht gelähmt vor Trauer zurückkehren.

Seine langen Beine fraßen die Distanz binnen Stunden. Und überall sah er dasselbe: Verfall, Gift und Fäulnis. Die Giftöde machte ihrem Namen alle Ehre. Danvan beeilte sich, um sie zu durchqueren, wollte er doch nicht länger hier verweilen, als unbedingt notwendig.

Dann sah er nur noch einen verwischten orangeroten Schatten von rechts auf ihn zuschießen, wollte ausweichen und wurde in den Dreck geschleudert, als es ihm nicht mehr ganz gelang, sich aus der Bahn des Objektes – oder besser Tieres – zu drehen. Sich überschlagend kam er schließlich zum Halten, nur um Sekundenbruchteile später erneut beide Schwerter hervorzureißen. Die Hauer des Kures krachten gegen die gekreuzten Klingen und trieben Danvan zurück. Der Daeva biss die Zähne ob des Schmerzes in seiner Brust zusammen und knurrte, stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen das Tier. Doch er hatte die Rechnung ohne die überwältigende Kraft eines zornigen Kures gemacht. Bisher hatte er sich nur mit zahmen Tieren befasst, doch dieses Exemplar war keines seiner Haustiere! Das Geschöpf schnaubte, nahm den Kopf ruckartig zurück, sodass Danvan in die Leere taumelte, sich gerade noch fangen konnte. Mit einem ohrenbetäubenden Brüllen attackierte das Kures erneut, und diesmal traf es den Daeva, der aufstöhnend erneut zu Boden ging, und diesmal vollständig. Den wirbelnden Hufen konnte er nur entgehen, indem er sich rasch zur Seite rollte. Das Tier trampelte an ihm vorbei, schnaufte schwer. Danvan besah sich im Aufstehen das Kures. Die roten Augen waren entzündet, schienen zu eitern, ebenso wie zahlreiche Wunden an Beinen und Rücken. Dieses Tier war krank! Der Schmerz musste es in den Wahnsinn treiben, weshalb es gar so aggressiv reagierte.

Wieder stürmte es heran, doch diesmal war Danvan vorbereitet und schaffte es, der Attacke auszuweichen und noch aus der Drehung heraus einen Schlag anzusetzen, der dem Tier einen langen Schnitt quer über die ganze Seite zufügte. Das Kures warf den Kopf herum und machte einen Schritt auf den Daeva zu, der dem zweiten Angriff nur durch einen raschen Rückwärtssprung entgehen konnte. Ohne weiter nachzudenken stach er zu. Beide Schwerter trafen ihr Ziel: das der Linken fuhr dem wahnsinnigen Geschöpf tief ins rechte Auge, während das der Rechten in die Brust des Kures fuhr und es wahrscheinlich bis ins Herz traf. Jedenfalls erstarrte das Tier, ehe es dann in die Knie brach und schließlich ganz zu Boden stürzte.

Danvan ächzte und reinigte rasch seine Waffen, schob sie zurück in ihre Scheiden, ehe er vorsichtig sein Lederhemd auszog. Seine Brust hatte sich, wo die Hauer und die Schulter des Kures ihn getroffen hatten, dunkel verfärbt. Er holte gequält Luft, tastete seine Rippen ab. Glücklicherweise schien nichts gebrochen zu sein, doch der Schmerz beim Atmen war trotzdem grausam. Er tastete in seinem Beutel nach einer Heilsalbe, die zumindest die Schmerzen lindern würde und strich sich die blassgraue Paste auf die gerötete Haut. Seine Krallen strichen, obwohl er sich bemühte, eine ruhige Hand zu bewahren, zittrig über die Blutergüsse. Das Kures hatte ihn schlimmer erwischt, als es zunächst den Anschein gehabt hatte.

Er beschloss, ein wenig langsamer, dafür aber vorsichtiger zu reisen. Beim nächsten Mal mochte es nicht so glimpflich ausgehen. Sanft zog er das Hemd wieder über seinen Kopf, rückte es mit bebenden Händen zurecht. Als er aufstand, spürte er, wie die betäubende Wirkung der Salbe langsam einsetzte. Danvan atmete etwas tiefer und spürte sogleich wieder das Brennen der Verletzung, setzte sich aber dennoch in Bewegung. Er konnte hier nicht bleiben. Wo ein Kures war, konnten ebenso gut mehrere sein, die ihn attackieren wollten. Erneut fragte er sich, weshalb das Tier – eigentlich ein Pflanzenfresser – ihn angegriffen hatte. Zugegeben, die Wunden an seinem Körper hatten nicht gut ausgesehen, aber einen solchen Wahnsinn konnten sie eigentlich nicht hervorrufen. Wahrlich, es wurde Zeit, dass er das Dorf erreichte und nach dem Rechten sehen, sowie Informationen einholen konnte!

Er hastete durch die Landschaft, die sich langsam von einer bewirtschafteten Ebene – oder besser deren Echo – in steinige Gebirgshänge wandelte. Die Hügel waren nicht mehr sanft geschwungen, sondern mittlerweile waren es Berghänge, mit teils scharfkantigen Brocken, die aus der zurückweichenden Erde ragten. Noch war Danvan nicht am Ziel, aber es sah schon eher so aus wie die Landschaft, in der er aufgewachsen war. Der Boden federte weniger, doch die Fäulnis war auch hier deutlich zu sehen. Zwar hing nicht mehr der typische Verwesungsgeruch in der Luft, der die Giftöde erfüllt hatte, aber die Luft roch auch nicht so sauber, wie er es gewohnt war. Seine Krallen bewahrten ihn davor, auf dem unsicheren Grund auszurutschen – dies war das Territorium der Wildnis, in der es keine befestigten Wege mehr gab. Danvan wusste dennoch ziemlich genau, wo er war. Hier gab es kaum mehr Siedlungen, der Boden gab einfach nicht genug her, um eine größere Anzahl an Menschen ernähren zu können. Zudem war es immer gefährlich, hier zu leben. Bei gutem Wetter mochte es sein, dass man den Geschöpfen der Berge über den Weg lief, die in allem, worin Blut floss, eine mehr oder minder lohnende Mahlzeit sahen; bei schlechtem Wetter hingegen hatte man den Berg an sich als Gegner, und den Himmel noch dazu.

Mit einem kraftvollen Sprung erklomm er einen knapp hüfthohen Felsen, auf dem spärliches Gras wuchs, hielt inne, sah sich nachdenklich um. Heute würde er es nicht mehr schaffen, sagte ihm ein Blick auf die Landmarken, an denen er sich orientierte. Dazu war der Weg zu weit, und bei Dunkelheit war es hier zu gefährlich. Er mochte eine Felsspalte übersehen und sich den Fuß brechen, oder stürzen... nein, er musste sehen, wo er hinging. Schon allein deshalb, weil er immer wieder sehen musste, wo er sich befand. Und Bergspitzen oder Gipfelformationen sah man eben nur, solange man Licht hatte, um sehen zu können. Er würde weiterklettern und laufen, bis es zu dunkel war, um eben diese sicher erkennen zu können. Danvan schätzte, dass ihm noch drei, vielleicht vier Stunden blieben, bis er sich einen Lagerplatz würde suchen müssen. Er grinste, dann lief er weiter. Wenn er Zeit hatte, hier herumzustehen, wäre er in drei Tagen noch nicht am Ziel. Also weiter, zumindest so lange, wie die Lichtverhältnisse es erlaubten!
 

Die Sonne war bereits seit Längerem hinter den Gipfeln der Berge verschwunden, und nun verabschiedete sich auch noch das letzte Licht. Danvan sah sich um. Es gab hier keine Höhlen oder geschützte Überhänge, in deren Schatten er hätte schlafen können. Der großgewachsene Mann seufzte und fuhr sich durch die Haare. Eigentlich hatte er keine große Lust, die Nacht draußen ohne Schutz zu verbringen. Zwar würde er nicht krank werden wie normale Menschen, aber ein auch ein Daeva zog eben die Annehmlichkeiten eines geschützten Nachtlagers einem Schlafplatz unter freiem Himmel vor. Dann entdeckte er eine Gruppe sich aneinander drängende Büsche nahe eines großen Felsens. Danvan seufzte. Etwas besseres würde er wohl nicht mehr finden. Langsam ging er zu den Pflanzen hinüber. Keine von ihnen wies Stacheln oder Dornen auf, ein dicker Pluspunkt. Er ging in die Knie, um sie aus der Nähe zu betrachten. Ja, das konnte funktionieren. Er kroch zwischen Felsen und Büsche. Zwar kein komfortables Hotelzimmer, aber zumindest ein Ort, der ihn vor dem schlimmsten Wind und der beißendsten Kälte schützen würde. Zumindest hatte er genug Platz, damit er sich umdrehen konnte – was keineswegs garantiert war, denn Danvan war ziemlich breitschultrig, selbst für einen Farmer. Er zog seinen Wintermantel aus seiner Tasche, drapierte ihn über Äste und Felsnasen, bis er eine Art kleines Schutzzelt über ihm bildete. Kritisch beäugte er anschließend sein Werk. Wenn er jetzt noch die Tasche vor den Eingang stellte, müsste es gehen. Danvan nahm das kleine Lederpolster, das er aus unerfindlichen Gründen noch immer bei sich trug – er hatte es in seiner Schulzeit dazu benutzt, zu weite Rüstung auszustopfen – aus der Tasche und legte es vorsorglich neben sich. Dann verstopfte er mit seinem Gepäck den Eingang und fand sich plötzlich in einer einigermaßen gemütlichen kleinen Höhle wieder. Er lächelte. So würde er zumindest erträglich durch die Nacht kommen. Gähnend legte er sich schließlich zur Nachtruhe nieder, den Kopf auf dem Lederpolster abgelegt und die Schwerter griffbereit neben sich. Danvan machte sich keine Illusionen, falls er gezwungen war zu kämpfen, hatte er hier drin niemals genug Platz, um die Waffen auch nur zu ziehen. Doch er fühlte sich einfach sicherer, wenn er seine ständigen Begleiter bei sich hatte. Er konnte immer noch... müde zog er den Dolch aus seiner Stiefelscheide und legte ihn neben die Schwerter. Er grinste. Alte Gewohnheiten starben eben langsam. Er dachte daran, was seine Lehrer im Pandämonium dazu gesagt hatten, dass er Messer in seinen Stiefeln versteckt hatte. Keiner von ihnen hatte das besonders überzeugend oder ehrenhaft gefunden. Danvan seufzte. Als ob Assassinen ehrenhaft töten würden. Gift und scheinbar aus dem Nichts kommende Attacken waren ihr Metier. Seine Dolche hatten ihn mehr als einmal im Kampf gegen seine Klassenkameraden weitergebracht, wenn man ihm die Schwerter aus den Händen gewunden oder ihm die Pfeile ausgegangen waren. Kaum jemand benützte eine zweite Waffengattung außer Schützen, denen die Munition abhanden gekommen war. Dass Kämpfer wie er neben Bogen und Schwertern auch noch mit Dolchen bewaffnet sein sollten, erschien vielen wie eine Verschwendung von Kraft und Material. Doch Danvan wusste es besser. Es gab immer Situationen, in denen die eine oder andere Waffe nutzlos war. Und hier in der Enge zwischen Fels und Gebüsch war es nur logisch, eine kürzere Klinge zu wählen. Er schloss die Augen. Mochte kommen, was da wollte, er war jedenfalls zu müde, um sich noch weiter mit strategischen Überlegungen abzugeben. Als er sich zusammenrollte in seiner kleinen Höhle, fühlte er sich das erste Mal wie damals, bevor das schreckliche Unglück über ihn hereingebrochen war. Selbstsicher und frei, das zu tun, was immer er wollte.
 

Am nächsten Morgen erwachte er, entgegen aller Erwartungen, erfrischt und fröhlich. Ebenfalls unerwarteterweise war er des Nachts nicht angegriffen worden, offenbar schreckte er Kreaturen eher ab, als ihre Neugier zu wecken.Danvan sammelte seine Habseligkeiten ein und mühte sich aus den Büschen, um draußen alles zu verpacken. Er sah sich um, während er seinen Mantel zusammenfaltete. Brusthonin präsentierte sich von seiner abweisenden Seite, aber es ging noch schlimmer. Kalter Wind heulte über die kargen Hänge, die Luft roch nach Feuchtigkeit und nur noch ganz leicht nach der üblichen Fäulnis. Der Boden unter Danvans Füßen fühlte sich klamm und solide an. Der Asmodier atmete tief ein. Er würde heute den letzten Rest des Weges hinter sich bringen. Dann würde er wissen, was mit seinem Dorf passiert war, solange er fort gewesen war.

Kurz durchzuckte ihn der Schmerz, als er daran dachte, dass er die Gräber seiner Familie würde besuchen können. Doch es waren alte Wunden, nicht verheilt, aber gut verbunden. Es war nicht mehr die seelenzerreißende Pein wie damals, als er fortgegangen war, viel mehr ein dumpfes Grollen von Schmerz tief in seinem Herzen. Nichts, womit er nicht würde fertig werden können. Außerdem... würden ihn seine Freunde und die anderen Verwandten erwarten, dessen war sich Danvan sicher. Sie wiederzusehen würde ihm gut tun.

Dann schalt er sich einen Narren. Wenn er auf ewig hier herumstand, würde er nie ankommen. Entschlossen stopfte er die letzte Ecke des Mantels in seine Tasche, fuhr sichernd über die Dolche in seinen Stiefelscheiden, überprüfte, ob sie auch wirklich fest saßen und nicht herausrutschen konnten. Er begann erneut zu laufen, in jenem Trab, den er auch bergauf lange durchhalten konnte. Die letzte Etappe seiner Reise hatte begonnen.
 

Zweieinhalb Stunden später erreichte er den Hang, der ihm so vertraut war. Wenn er dem gewundenen Pfad bergab folgte, würde er das Dorf erreichen, das sich in das schmale Tal schmiegte. Folgte man dem Tal und erklomm einen weiteren Pass über einen Berg, erreichte man die Ebenen, an deren anderen Ende Baltasar lag, jenes Dorf, in das Danvan geschickt worden war.

Der Rückkehrer sah den steinigen, ihm so vertrauten Weg entlang nach unten. Entgegen seines ersten Impulses, die Schwingen auszubreiten und auf schwarzen Federn hinab in die Siedlung zu gleiten, entschloss er sich doch dazu, auf konventionellem Weg zurückzukehren. Er marschierte hinab.

Als er die ersten Häuser erreichte, stellte er verwundert fest, dass sich nichts rührte. Danvan runzelte die Stirn, ging jedoch weiter. Ihm fiel die Stille im Dorf auf. Für gewöhnlich hörte man immer irgendetwas in einem bevölkerten Dorf, seien es johlende Kinder, rufende Mütter, brüllendes Vieh, das Schlagen von Werkzeug, das Gelächter von Männern... aber hier war gar nichts zu hören. Nur der Wind, der durch die Straßen heulte.

Dann, in der Mitte des Dorfes, blieb Danvan zögernd stehen, sah sich um. Niemand war hier. Er lauschte, doch ohne großen Erfolg. Bis er plötzlich Schritte hinter sich hörte. Er drehte sich um - und erstarrte. "Nein..." Vor ihm stand einer seiner Bekannten - natürlich. Doch Dessraun erkannte ihn nicht mehr. Konnte ihn gar nicht mehr erkennen, denn sein Schädel wies eine unnatürlich tiefe Delle an der Seite auf. Der Mann war längst tot. "D...ah...", ächzte er und streckte die Arme nach ihm aus. Danvan wich zurück. "Nein, fort von mir!" Der Untote stöhnte grauenhaft und machte einen Schritt nach vorne, auf den Asmodier zu, der entsetzt noch weiter zurückwich. Eiskalte Arme legten sich um seine Schultern. Die klamme Aura des Todes umspülte Danvan, als sich Hände, von denen verwesendes Fleisch herabhing, um seinen Hals legten. Mit einem entsetzten Aufschrei brach er zur Seite aus, riss sich los und zog noch in der Bewegung beide Schwerter. "Gorman!", keuchte er und starrte auf das Grinsen, das sich in Gormans Gesicht gegraben hatte, als die Haut um seinen Mund herum verwest und langsam abgefallen war.

Erneut griffen Hände nach ihm, packten ihn, zerrten ihn mit sich. Danvan war zu überrascht, um sich zu wehren. Erst, als sich die Tür des nächstbesten Hauses hinter ihnen schloss, drehte er sich um. Veria, Milanas Schwester, lächelte ihn an. Danvan jedoch schrie. Die schlanke Frau legte ihre schlangengleichen Arme um ihn, drückte ihn an sich - und grub ihre Krallen tief in den Rücken des großen Mannes. Veria zog ihn mit erstaunlicher Kraft zu sich herab, wollte ihre Lippen auf die Seinen pressen, doch Danvan schaffte es gerade noch, dem Kuss auszuweichen. Er wand sich, schaffte es schließlich, sich mit purer Kraft aus der klammernden Umarmung zu befreien, fauchte und riss die Schwerter hoch. Die Frau streckte die blutigen Krallen nach ihm aus, gab ein herzzerreißendes Heulen von sich und wollte ihn erneut an sich ziehen, doch diesmal war der großgewachsene Mann vorbereitet. Schnell, schneller als ein ungeübtes Auge ihm hätte folgen können, beschrieb sein Schwert einen Halbkreis, trennte Verias Kopf von ihren Schultern. Die Leiche sackte in sich zusammen, blieb als schmutziger Haufen verwesendes Fleisch und Lumpen vor ihm liegen. Danvan blieb zitternd stehen, das Schwert triefend vor verfaultem Blut. Sein Atem ging schnell, keuchend in der kalten, staubigen Luft des seit offenbar langer Zeit unbenutzten Hauses. Doch jetzt bemerkte er auch den unappetitlichen Geruch, der von Verias Leiche ausging. Er erschauerte, sank zwei Schritte von der zerfallenen Kreatur, die einst seine Schwägerin gewesen war, auf die Knie herab und schloss die Augen, zwang sich, weiterzuatmen.

Der Asmodier sah immer wieder das einst so zauberhafte, nun aber von fauligen Zahnstümpfen verunzierte Lächeln vor sich, sah die toten Augäpfel in ihren Höhlen, die spinnwebartigen Haare von ihrem Kopf hängen... Er würgte. Veria war tot, ebenso tot wie Gorman und Dessraun. Und wahrscheinlich alle anderen mit ihnen. Er war zu spät gekommen.
 

Erst als er das beharrliche Scharren an der Haustür hörte, bekam er sich wieder in den Griff. Danvan kämpfte sich auf die Füße, wischte sein Schwert an den Lumpen ab, die Verias Kleider dargestellt hatten und sah sich im Haus um. Wie üblich bestand es aus nur drei Räumen und hatte nur eine Tür, aber er wusste, dass sich im hintersten Raum ein Fenster befand, das ihm als Fluchtweg dienen konnte. Hoffentlich hatten die Untoten es nicht entdeckt. Er eilte in das Schlafzimmer. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sie damals als Kinder durchs Fenster gestiegen waren, um Verias und Milanas Mutter einige ihrer köstlichen Rahmküchlein zu stibitzen, die sie auf herkömmlichem Wege zwar ebenso bekommen, es so aber wesentlich weniger Spaß gemacht hätte, sie zu "erobern". Welch Ironie, dass er sich jetzt durch ebendiesen Weg befreien musste!

Er spähte hinaus. Kein Untoter weit und breit. Vielleicht hatte er tatsächlich einmal Glück! Danvan schwang seine langen Beine aus dem Fenster und ließ sich auf den Hof hinausgleiten. Wahrlich, er hatte Glück gehabt, als er... "Was zum...", weiter kam er nicht, als ihn irgendetwas mit einem leisen Knurren von den Füßen holte und er mit dem Gesicht voran im fauligen Stroh des Hofes landete.

Danvan fluchte und rappelte sich auf. Sein Gegner, ein kleines, wohl noch junges Kures fauchte ihn an - und in seinen Augen stand dieselbe Leere, die auch in den Augen der Dorfbewohner gestanden hatte. Der Asmodier schluckte, wich zurück, bis ihm plötzlich ein Zischen in die spitzen Ohren drang und der Odem verfaulenden Fleisches in die Nase stieg. Langsam, ganz langsam drehte er sich um, wobei er sich des rutschigen Strohs unter seinen Krallen durchaus bewusst war.

Hinter ihm stand die Mutter des kleinen Kures. Und das Tier wirkte keineswegs so, als würde es ihm gefallen, einen Asmodier so nah bei seinem Jungen zu sehen. Es schnaubte und Danvan erkannte, dass auch dieses Kures mehr tot als lebendig war. Eitrige Wunden bedeckten seinen ganzen Rücken, und Blut verkrustete die Hufe des Tieres. Der großgewachsene Mann wich zur Seite hin aus, doch das Kures verfolgte jede seiner Bewegungen nur allzu genau.

Dann stieß es ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, lauter als Danvan jemals zuvor ein Kures hatte brüllen hören und der Asmodier schrak zusammen, zog seine Schwerter erneut. Seine Gegenüber scharrten mit den Hufen, senkten die Köpfe und Danvan erkannte erschrocken, dass sie zum Angriff übergehen würden, wenn er jetzt auch nur eine falsche Bewegung machte. Er wich noch ein wenig weiter zurück - aber gerade, als er den Fuß vom Boden hob, wurde ihm klar, dass eben dies die falsche Bewegung gewesen war. Mutter und Junges knurrten, dann stürzten sie sich auf ihn. Danvan keuchte, als er sah, wie hinter den beiden Kures eine ganze Horde ihrer Rassengenossen auftauchte, alle über und über mit Schwären und blutigen Wunden bedeckt.

Er fuhr herum und rannte, stieß die Schwerter noch im Laufen in ihre Scheiden zurück. Er war nicht dumm genug zu glauben, dass er es mit acht oder neun Kures gleichzeitig aufnehmen konnte. Seine einzige Chance war die Flucht.

Er raste davon, nahm die Zäune zwischen Gärten und Tiergehegen wie ein Läufer seine Hürden und versuchte, sich in Sicherheit zu bringen, während die Meute hinter ihm herdonnerte und alles in ihrem Weg einfach plattwalzte. Sämtliche Gatter und Latten waren verfault oder halb verrottet, nichts konnte die Kures auf ihrem Vernichtungszug stoppen. Danvan keuchte, hastete weiter, aus dem Dorf heraus - zumindest verfolgten ihn keine Untoten! - und flüchtete sich auf die weitläufige Wiese vor den Häusern. Die Kures rasten ihm mit Gebrüll hinterher, es war ihm mittlerweile klar, dass sie ihre Beute nicht einfach so aufgeben würden. Der Flüchtende sah über seine Schulter, sah den Wahnsinn in den Augen der Tiere flackern.

Als er sich wieder herumdrehte, schrak er zusammen. Direkt vor ihm ragte der dicke Dorfbaum auf und er hatte nicht mehr genug Platz, um ausweichen und den Kures entkommen zu können! Danvan biss die Zähne zusammen, senkte den Kopf und sammelte Kraft. Ihm blieb nur noch eine einzige Möglichkeit und eine einzige Chance, und er war nicht bereit, dies aufzugeben und hier zu sterben!

Er setzte den linken Fuß auf die rauhe Rinde des Baumes, trieb die Krallen hinein und wuchtete sich hinauf. Er schaffte es noch, auch den zweiten Fuß in der Rinde zu verkanten, dann ging ihm der Schwung aus und er breitete seine Schwingen aus, um den letzten Meter zwischen sich und dem rettenden Ast zu überbrücken. Als er sich auf dem dicken Ast zusammenkauerte und auf die Kures, die wahnsinnig unter ihm vorbeidonnerten, hinabsah, gestattete er es sich, aufzuatmen.

Er seufzte - und wäre fast vom Baum gefallen, als eines der Kures die Hauer in den dicken Stamm schlug. Bebend vor Schreck rammte er die Krallen tiefer in die Baumrinde und klammerte sich am Ast fest, hielt die Flügel weit ausgebreitet für den Fall, dass er abstürzte und weiter flüchten musste. Doch das Kures schüttelte sich, wandte sich um und trottete schnaubend von dannen. Danvan hielt den Atem an, beobachtete aufmerksam, wie die Tiere langsam wieder ins Dorf zurückkehrten. Von den Untoten sah er nichts mehr. Erst als nichts mehr zu sehen war, wagte er es, aufzuatmen.

"Ganz schön spektakulär!", sagte plötzlich eine Stimme neben ihm und Danvan hätte um ein Haar seine Waffen gezogen, ehe er die Stimme erkannte. "Lelia? Was, in Aions Namen, tust du hier?"

Das dunkelhaarige Mädchen ließ sich auf seinen Ast hinabgleiten, wobei sie, genau wie Danvan, die Krallen ins Holz schlug, um sich festzuhalten. "Ich beobachte das Dorf, was sonst? Es ist voll von Untoten und Wahnsinnigen, wie du sicher bemerkt hast." Er nickte wehmütig. "Ja. Lelia... bist du... bist du die Einzige...?" Er brachte es nicht über die Lippen. Er konnte sie nicht fragen, ob sie allein übrig geblieben war, vom Wahnsinn verschont worden war. Ob sie allein überlebt hatte.

Doch die ältere Tochter seines Bruders schüttelte den Kopf. "Nein. Vater hat uns alle in Sicherheit gebracht, ehe... ehe..." Sie senkte den Kopf. "Wir wissen nicht genau, was passiert ist. Angefangen hat es, als Gorman und Feydwick nicht zurückkehrten... und als sie wiedergekommen sind, waren sie so seltsam. Vater..." Lelia zögerte. "Ich glaube, Mutter sollte das erzählen. Sie weiß es besser als ich, ich glaube nicht, dass ich jemals genau begriffen habe, was genau geschehen ist." Danvan nickte erleichtert. "Und ihnen geht es gut?" Wieder ein Zögern seitens Lelia. Der Asmodier spürte, wie er blass wurde, ehe sie fortfuhr: "Nun ja... gut ist vielleicht nicht ganz richtig. Vater ist verletzt worden, als er versucht hat, Felin vor zwei Untoten zu retten. Er hat sich noch nicht erholt..." Danvan spürte, wie ihm eine eisige Kälte den Rücken hinaufkroch. Albin, verletzt von Untoten? Vielleicht vergiftet von deren verunreinigten Krallen? "Bring mich zu ihm! Bitte!" Das Mädchen nickte. "Das kann ich tun. Aber wäre es nicht klüger, wenn wir bis Sonnenuntergang warten? Diese... Geschöpfe... können bei Nacht fast nichts sehen..." Der großgewachsene Mann schüttelte den Kopf. "Ich glaube nicht, dass das nötig ist. Steig auf meinen Rücken. Wir fliegen einfach, damit sie uns nicht einholen! Wo habt ihr euch versteckt?" Sie zögerte, dann sagte sie leise: "Bei den Höhlen an der Westwand. Schaffst du es bis dorthin?" "Das kommt darauf an, ob wir genügend Wind bekommen. Selbst unter normalen Umständen ist es für mich nicht ganz einfach, zu fliegen. Ich bin nicht gerade sehr leicht..."
 

Sie erreichten die Höhlen mühelos. Danvan erwischte auf Anhieb einen günstigen Aufwind, der sie weit hinauftrug, sodass es ein Kinderspiel war, zu den Höhleneingängen hinüberzugleiten und dort zu landen. Lelia stieß einen übermütigen Jubelschrei aus, als sie das erste Mal emporgetragen wurden, und sie war kaum mehr zu bremsen, so wie regelrecht enttäuscht, als sie bereits wieder landeten. Danvan machte ihr keinen Vorwurf - das Mädchen hatte erlebt, was es hieß, dem Himmel entgegenzustreben. Sie hatte keine Ahnung, wie schwierig und teilweise gefährlich es sein konnte, auf den schwarzen Schwingen der asmodischen Daeva dahinzugleiten.

Am Fuß der Felsen stieg sie schließlich von seinem Rücken herab und begann gleich ohne weitere Erklärung, die Wand zu erklimmen. Danvan zögerte. "Wohin müssen wir?", wollte er wissen und Lelia grinste zu ihm herab. "Siehst du diesen Eingang da direkt über mir? Das ist unsere Höhle! Vater meinte, es sei sicherer, wenn wir uns über dem Erdboden verstecken für den Fall, dass einer von uns entdeckt würde. Die Kreaturen können nicht klettern." Befriedigt nickte der Asmodier. Es sah seinem Bruder ähnlich, ein Versteck zu wählen, das nicht leicht erobert werden konnte.

Sie kletterte weiter und er setzte einen Fuß an die Felswand, zog sich dann empor - um mit einem erschrockenen Ausruf abzurutschen und unsanft auf dem Allerwertesten zu landen. Erstaunt sah er auf den Stein in seiner Hand, der aus der Wand gebrochen war, als er sich mit seinem Gewicht daran gehängt hatte. "Hey! Du musst schon aufpassen, wo du hinfasst!", lachte ihm das Mädchen von oben zu. Danvan runzelte die Stirn. Lelia bewältigte diesen Weg wohl mehrmals täglich, sie war geschickt wie ein Bergabex, oder besser wie eine Eidechse, die Wand hinaufgeklettert, sie war bereits oben. Er rappelte sich auf und begann erneut mit dem Aufstieg, diesmal vorsichtiger. Auf dem Weg fand er Krallenspuren im Fels und orientierte sich daran. Albin war nicht so viel leichter als er, er musste diesen Aufstieg schließlich auch bewältigt haben. Wenn er die Spuren wie Trittsteine benutzte...

Wenig später zog er sich zu Lelia über die Kante. "Siehst du, war doch gar nicht so schwer!", lachte sie und er seufzte. Wahrlich, Menschen wurden oft unterschätzt, so eine Kletterpartie hätte er selbst nicht freiwillig in Kauf genommen. Doch andererseits war es auch um einiges schwieriger, einen Daeva wie ihn zu töten.

"Ist das... bist du das, Onkel Danvan?" Ein blasses Gesicht lugte aus der Finsternis um die Ecke ins Licht. Danvan lächelte. "Ja, ich bin es, Serava. Bin ich hier willkommen?" Das Mädchen wagte sich ins Freie, um dann stürmisch auf ihn zuzulaufen und sich in seine Arme zu werfen. Danvan fing sie auf. "Du bist es wirklich! Bist du zurückgekommen, um Vater zu helfen?", fragte sie. Was ihn schlagartig auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Danvan schwieg, ehe er leise meinte: "Bringt mich zu ihm, bitte. Ich will sehen, was ich für ihn tun kann."

Beide Mädchen nahmen eine seiner Hände und führten ihn tiefer ins Innere. "Mama! Mama, schau wer hier ist!", rief Lelia, die seit jeher Wagemutigere der beiden Töchter Albins. Kurz darauf sahen sie, wie sich Mestella näherte. Als sie ihn erkannte, riss sie überrascht die Augen auf. "Danvan? Bei Aion, du bist zurück! Komm mit mir! Wenn Albin dich sieht..." Sie trat zur Seite und winkte ihm, voranzugehen in die Höhle, die in einem sanften goldenen Schein erstrahlte. Der großgewachsene Asmodier tat ihr den Gefallen und ging voraus.

Er betrat eine gemütlich eingerichtete Wohnhöhle, von der zwei weitere tiefere Nischen abzweigten. Eine von ihnen war mit einem Vorhang abgetrennt, auf diesen wies Mestella. "Er liegt dort hinten. Aber bitte erschrick nicht, wenn du ihn siehst..."

Plötzlich war er von Eile erfüllt. Was machten sie für ein Aufhebens um ihn, ging es ihm denn wirklich so schlecht? Danvan schluckte und trat vor, zog vorsichtig den Stoff zur Seite. Er sah in eine weitere kleine Höhle, in der ebenfalls ein kleines Feuer flackerte, vor dem Felin, Albins jüngstes Kind, kauerte. Der Junge sah auf, und obwohl Danvan die Freude in seinen Augen sah, wagte das Kind es offenbar nicht, aufzuspringen und ebenso zu jubeln wie seine Schwester. Stattdessen richtete sich sein Blick fast sofort wieder auf etwas außerhalb ihres Blickfelds. Danvan trat in die Höhle, sah in dieselbe Richtung wie Felin.

Und er erschrak. Er sah auf ein behelfsmäßiges Bett hinab. Eingehüllt in weiche, wärmende Felle lag, blass und abgezehrt, sein jüngerer Bruder Albin. Das einst so schöne, lange glatte Haar lag in kraftlosen Strähnen zwischen den Kissen, ließ ihn noch abgehärmter aussehen als er ohnehin war. "Albin!" Mit einem entsetzten Ausruf überwand Danvan die wenigen Meter, die ihn von seinem Bruder trennten, sank neben dem Lager auf die Knie. "Oh Albin, was ist dir nur passiert!"

Als er die Hand ausstreckte, öffnete sein Bruder die Augen. Entsetzt entdeckte Danvan das Fieber darin. "Danvan...", krächzte der Jüngere schwach. "Danvan, bist du das?" Der Ältere nickte und strich seinem Bruder über die blasse Wange. "Ja, Albin, ich bin zurück..." Nun setzte sich Albin langsam auf, vorsichtig, langsam und müde und Danvan glaubte zu erkennen, dass er seine Seite zu schonen versuchte. Sein Bruder hatte an Gewicht verloren, zu viel, als dass man ihn noch als gesund bezeichnen konnte.

"Was ist passiert?", wollte er wissen. Überraschenderweise war es Felin, der sich zu Wort meldete. "Ich war im Dorf und wollte zusehen, ob ich nicht zumindest unsere Methus retten könnte. Doch als ich gerade eins eingefangen hatte, haben mich Gorman und Bleiren erwischt. Hätte Vater mich nicht beschützt, hätten sie mich bestimmt umgebracht!" Er sah mit traurigem Stolz zu Albin hinüber, der müde den Kopf schüttelte. "Ich habe... mich dazwischengeworfen, als der Schlag schon fiel... Und auf der Flucht gelang es einem der Beiden, mich... an der rechten Seite zu treffen, als ich gerade Felin... auf meinem Arm zurechtrückte. Ich... ich glaube, das Schwert war vergiftet. Ohne Mestella hätte ich... die erste Woche nicht überlebt. Aber... die Wunde... sie... will nicht heilen..."

Danvan nickte. Dann seufzte er. "Aber du lebst. Und es sieht nicht so aus, als würdest du bald sterben." Albin sah ihn an, sah ihm zum ersten Mal direkt in die Augen. Und Danvan revidierte seine Meinung.
 

-Ich bitte um Korrekturen, falls euch Fehler auffallen. Ich versuche zwar, diese zu vermeiden, aber ab und zu passierts halt doch *sorry*-

Einsamer Abschied und traurige Erkenntnis

Sorry, dass es so lange gedauert hat. *verkriecht sich in der Ecke* das Ganze war eigentlich schon länger fertig, aber irgendwie hab ich nie dran gedacht, es hochzuladen. *drop*
 

Er konnte nicht schlafen. Immer wieder wanderte sein Blick durch die Höhle. Danvan konnte den gequälten Atem, das leise, schmerzerfüllte Stöhnen seines Bruders hören. Albins Verletzung war schwerer als zunächst angenommen. Und die Tatsache, dass sie nicht zu heilen schien, hatte ihn immer weiter ausgelaugt. Danvan wusste, wenn er seinen Bruder nicht bald zu einem Heiler bringen konnte, würde Albin unweigerlich sterben. Sie beide wussten es, Mestella und die Kinder hingegen nicht. Doch die Schwierigkeit würde sein, Albin aus der Höhle nach Baltasar zu bringen. Der Weg war selbst in gutem Zustand schwierig, wenn man nicht über Flügel verfügte. In seinem Zustand jedoch wäre es für Albin Selbstmord, es zu versuchen. Danvan war sich nicht einmal sicher, ob sein Bruder es überleben würde, würde er ihn auf dem Rücken in das rettende Dorf tragen.

Schließlich erhob er sich, schritt langsam zwischen Mestella und Felin hindurch, wobei er achtgab, an keinen der beiden anzustoßen. Vorsichtig hob er den Vorhang an und schlich in Albins abgetrennten Raum.

Sein Bruder lag in den Fellen und Decken vergraben. Selbst bei Nacht glimmte das Feuer noch. Eigentlich hätte es brennen sollen, doch da Mestella eingeschlafen war, hielt niemand es aktiv. Danvan nahm ein Scheit vom Stapel und legte es in die Glut. Nach kurzer Zeit flackerte das trockene Holz auf und erhellte die Höhle mit seinem rötlichen Schein. Neue Wärme erfüllte die Höhle. Langsam trat der Asmodier näher an das Lager heran. Albin lag blass inmitten der Kissen und schlief unruhig. Immer wieder stöhnte er leise auf, wand sich ein wenig. Danvan ließ sich vor ihm nieder, strich ihm vorsichtig über das Haar. Er beobachtete, wie sein Bruder unruhig den Kopf drehte, seine Krallen über die Decke strichen. Die bleiche Haut wirkte regelrecht wächsern im Feuerschein. Albin schwitzte und schien gleichzeitig zu frieren. Der Schlaf schenkte ihm keine neue Kraft. Stattdessen zehrte er nur noch mehr an seinen ohnehin kümmerlichen, beinahe aufgebrauchten Reserven. Ja, wurde Danvan plötzlich bewusst, der Zustand seines Bruders verschlechterte sich rapide. Ihnen würden keine Tage mehr bleiben, wurde ihm mit einem Mal klar. Je länger sie hier verweilten, desto geringer wurden ihre Chancen, Albin lebend nach Baltasar zu bringen. Sie mussten aufbrechen. Bald.

Doch nachdem er ihn gesehen hatte, konnte er ihn jetzt nicht einfach so allein lassen. Danvan setzte sich neben die Felle und griff nach der bleichen, kalten, klammen Hand seines Bruders, die schwach auf der Decke lag. Umso überraschter war, als er spürte, wie Albin seine Hand langsam drückte und festhielt. Danvan schüttelte den Kopf und bemerkte, wie ihm eine einsame Träne über die Wange rann. Er hielt den Blick unverwandt auf das blasse Gesicht seines Bruders gerichtet. Die ganze Nacht...
 

Als er am nächsten Morgen erwachte, spürte er als erstes die Steifheit in seinen Beinen und seinen schmerzenden Rücken. Der Raum war abgekühlt, als das Feuer in sich zusammengefallen und schließlich ganz ausgegangen war. Langsam sah er auf Albins Hand hinab, die noch immer in seiner lag. Zumindest schlief er jetzt ruhiger. Scheinbar hatte doch seine Erschöpfung überhand genommen und er hatte Ruhe gefunden. Wenn auch nur für ein paar Stunden. Danvan löste sanft seine Finger aus denen Albins und erhob sich. Mit einem letzten hoffnungsvollen Blick verließ er leise den Raum.

Mestella war bereits auf den Beinen. Sie war gerade dabei, ein wenig Brei in einem Topf zu kochen. Sie sah überrascht auf, als sie Danvan näherkommen hörte. „Oh, du bist schon wach? Du warst bei Albin, nicht wahr?“ Er nickte und sie seufzte leise. „Ich habe solche Angst um ihn. Aber ich kann nichts tun um ihm zu helfen.“, gestand sie ihm dann. Danvan sah die Sorge in ihren schönen Augen. Ihm wurde klar, dass er die Ehefrau seines Bruders unterschätzt hatte. Mestella war nicht blind. Sie hatte ganz genau gewusst, wie schlecht es ihrem Mann ging. Aber es war wohl über ihre Fähigkeiten hinausgegangen, sich um seine schwere Verletzung zu kümmern.

Danvan nickte. „Wir müssen hier weg, nicht wahr?“ Ihre Stimme klang leise flehend. Danvan neigte den Kopf erneut und beschäftigte seine Hände, indem er begann, ein paar Pressa-Beeren aufzuschneiden. „Ja. Je eher wir fort kommen, desto größer sind Albins Chancen, das alles zu überleben. Wann glaubst du, seid ihr bereit?“

Mestella zögerte, sah sich in der Höhle um. „Gib mir... ein paar Stunden. Nur, damit ich noch etwas zu Essen und Decken für uns alle packen kann. Wir haben so viel verloren...“ Sie sah ihren Schwager an. „Aber wo sollen wir denn hin? Wir haben doch nichts mehr außer dem, was du hier siehst!“ Danvan sah die Verzweiflung in ihren Augen. „Ich kann nicht einmal für seine Heilung bezahlen...“, stieß sie mit erstickter Stimme hervor und wandte den Blick ab. Er erkannte erschrocken, dass sie kurz vor den Tränen stand und beeilte sich zu sagen: „Das lass meine Sorge sein. Ich werde dafür sorgen, dass er behandelt wird. Und dass ihr ein Auskommen habt.“

Er nickte ihr aufmunternd zu und Mestella biss sich auf die Lippe. „Ich... ich weiß nicht, wie ich dir danken soll...“ Danvan grinste betont fröhlich. „Ganz normal. Und jetzt weck die Kinder. Sie sollten noch etwas essen, bevor wir aufbrechen.“ Falls Mestella von diesem plötzlichen Themawechsel überrascht wurde, so verbarg sie dies gut, als sie nickte und sich gehorsam zu ihren drei schlafenden Kindern umdrehte, um sie aufzuwecken.

Dann, als sie alle wach waren und ihn verschlafen anblinzelten, während sie ihr karges Frühstück zu sich nahmen, erklärte er ihnen seinen Plan. Lelia runzelte die Stirn. „Aber wie kommen wir nach Baltasar? Und kannst du Vater wirklich die ganze Strecke tragen?“ Danvan seufzte und nickte. „Ja. Euer Vater ist kleiner als ich. Außerdem hat er viel Gewicht verloren. Ich denke, dass ich es schaffen werde, wenn ihr als Späher mit mir lauft und nach Feinden Ausschau haltet. Es sollte uns möglich sein, sicher nach Baltasar gelangen zu können, vorausgesetzt, dass wir uns ruhig verhalten. Und wir müssen natürlich vorsichtig sein. Das schwierigste wird sein, euren Vater aus der Höhle zu bekommen. Ich kann nicht die Wand hinunterklettern und ihn dabei tragen.“

Diesmal lächelte Lelia. „Aber Onkel Danvan, hast du denn schon vergessen, dass du Flügel hast?“ Danvan stutzte. Dann schüttelte er den Kopf und grinste, rieb sich den Hinterkopf. „Du hast Recht. Also werde ich mit ihm aus der Höhle gleiten. In dem Fall solltet ihr schon etwas vorher losgehen, damit ich euch nicht davonfliege.“ Serava lachte. „Aber klar! Und dann gehen wir alle gemeinsam fort! Und Papa wird wieder gesund werden!“ Danvan nickte. „Ja. So machen wir es.“

Aber er sah in Mestellas Augen seine eigenen Zweifel gespiegelt. Es würde nicht einfach werden. Er hatte Angst, dass er sie alle in den Tod führte. Mestella wusste das, aber ihr war auch klar, dass sie nicht auf ewig hier bleiben konnten. Sie war bereit, es zu versuchen. Danvan straffte die Schultern. „Wir werden es schaffen... irgendwie.“
 

Sie brachen zwei Stunden später auf. Mestella und die Kinder kletterten die Felswand hinab, während Danvan und Albin in der Höhle blieben. Der Ältere sah sich um. Sie hatten viel zurücklassen müssen, aber sie konnten nie alles mitnehmen. Zu viel hing von Schnelligkeit und Beweglichkeit ab. Das würde den Neuanfang noch schwerer machen. Albin und seine Familie waren komplett auf das angewiesen, was er ihnen zur Verfügung stellen konnte. Kurz fragte sich Danvan, ob er das überhaupt stemmen konnte. Oder ob er seine... ja, den Rest seiner Familie einem schrecklichen Schicksal überantwortete, schrecklicher, als wenn er sie hierließ. Er erschauerte. Nichts konnte schlimmer sein als der Albtraum hier, in dem sie alle gefangen waren. Zur Not würde er Freunde bitten, ihm zu helfen. Er hatte schließlich eine Ewigkeit Zeit, alte Schulden zurückzuzahlen.

Dann richtete er sich auf, ging zu Albin in dessen kleine Nische. Sein Bruder schlief nach wie vor. Eigentlich tat es ihm leid, ihn wecken zu müssen, aber Danvan hatte keine Wahl. Wenn er das Leben seines jüngeren Bruders retten wollte, mussten sie aufbrechen. Entschlossen legte er Albin die Hand auf die Schulter und stupste ihn sanft an, bis er aufwachte.

Als er das brennende Fieber in den grauen Augen seines Bruders stehen sah, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Wahrlich, es wurde Zeit, dass sie fortkamen! Albin schien etwas sagen zu wollen, schüttelte dann aber den Kopf und streckte einfach nur die Arme aus. Offensichtlich hatte er längst gewusst, dass sie aufbrechen würden. Danvan runzelte die Stirn, ließ sich dann aber vor ihm nieder und nahm seinen Bruder auf den Rücken. Der Körper fühlte sich schwer an, aber Danvan wusste, das Gefühl trog. Albin hatte sehr viel Gewicht verloren; er würde ihn ohne Schwierigkeiten bis nach Baltasar tragen können. Erneut dankte er dem Himmel, dass er zum Daeva geworden war, seine gesteigerte Körperkraft konnte ihm in dieser Situation nur von Vorteil sein.

Er spürte, wie sehr sein Bruder zitterte und beschloss, auch noch die letzte Decke mitzunehmen. Er schlang sie unbeholfen um Albin und steckte sie zwischen ihm und seinen Flügeln fest, als er an die Klippe trat. Er sah zurück. In der Höhle lagen noch immer die Gegenstände, die sie nicht hatten mitnehmen können. So vieles, was ihm vertraut war. So vieles, was zurückbleiben würde. Erinnerungen. Gegenstände. Sein altes Leben.

Als er sprang, sah er kurz das Dorf hinter den Baumwipfeln hervorlugen. Ein Ort wie so viele, der verlassen wurde. Und doch hing sein Herz daran. Vielleicht konnte er später... Danvan schüttelte den Kopf. Nein. Brusthonin fiel dem Verfall anheim. Auch wenn es wehtat, er musste das Band, das ihn hier noch hielt, zerschneiden. Hier gab es für ihn – und Albin und seine Familie – keine Zukunft mehr. Plötzlich wusste Danvan, er würde nie mehr hierher zurückkehren. Nie wieder.

Er spreizte die Schwingen. Schwarze Federn, die der Wind liebkoste. Weit vor sich sah er Mestella und die Kinder. Es galt, sie einzuholen. Er musste sie erreichen. Damit sie gemeinsam ein neues Leben aufbauen konnten.

Der Weg gestaltete sich als schwierig. Weder Mestella, noch ihre Kinder waren lange Märsche gewohnt. Und im Gegensatz zu Danvan, der über die Abhänge einfach hinuntergleiten konnte, mussten sie hinuntergehen. Bereits mehrmals hatte die Mutter ihren Kindern aufhelfen müssen, nachdem sie gestürzt waren. Serava liefen Tränen der Erschöpfung über das Gesicht, während Felin seit fast zwei Stunden über sein aufgeschlagenes Knie jammerte. Nicht zum ersten Mal wünschte sich Danvan, wenigstens über heilendes Odella-Pulver zu verfügen, aber zuvor war es ihm niemals notwendig erschienen. Vielleicht hätte er daran denken sollen, doch wer hätte damit rechnen können, in ein völlig verlassenes Heimatdorf zurückzukehren? Sie kamen bei Weitem langsamer voran, als Danvan erwartet hatte. Ihm wurde immer mehr klar, wie sehr er sich verschätzt hatte. Sie würden es nicht binnen zwei Tagen schaffen, vielleicht nicht einmal innerhalb von dreien.

Albin auf seinem Rücken stöhnte leise und Danvan flüsterte ihm zu: „Bewege dich nicht zu sehr. Ich halte dich schon fest.“ Sein Bruder seufzte und gehorchte. Zumindest etwas, was er richtig eingeschätzt hatte – er hatte keine Schwierigkeiten, den Verletzten zu tragen. Auch, wenn er Albin lieber auf einem Wagen gelagert hätte, anstatt ihn auf dem Rücken durch halb Brusthonin zu tragen, es war allemal besser, als ihn selbst gehen zu lassen. Und irgendwie – er wollte gar nicht genau wissen, wie er das fertig brachte – schaffte es sein Bruder, halbwegs zu schlafen.

Weiter vorn stolperte diesmal Lelia, aber sie konnte sich gerade noch fangen. Danvan nickte. Aus ihr konnte noch eine gute Späherin werden. Sie war das einzige von Albins Kindern, das nicht heulend oder jammernd durch die Gegend zog, sondern aufmerksam und vorsichtig ihre Schritte setzte. Aber vielleicht waren Serava und Felin einfach noch zu klein, um die Wichtigkeit von Stille, Konzentration und Aufmerksamkeit zu begreifen.

Er richtete den Blick nach vorne. Sie waren noch nicht einmal ganz aus dem Tal heraus. Eigentlich hatte er jetzt schon viel weiter sein wollen. Doch die steinigen Abhänge waren schwierig für jemanden zu bewältigen, der nicht über die Gabe des Fliegens verfügte. Er grub die Krallen tief in den Boden, um guten Halt zu haben. Er wollte auf keinen Fall riskieren, dass er mit einem Sturz seinen Bruder noch mehr verletzte, als dieser ohnehin schon beeinträchtigt war. Auch, wenn das bedeutete, dass er sich keinen Schnitzer erlauben durfte und ständig hellwach sein musste.
 

Plötzlich krachte es und Serava, Mestella und Felin schrien auf, als eine Kreatur aus dem Unterholz brach. Danvan fluchte und versuchte, Albin abzulegen. Ein Untoter! Fleisch und Haut hingen ihm in Fetzen vom Gesicht, Maden taten sich an ihm gütlich. Mestella wich zu Danvan zurück und er schaffte es, ihr Albins Arm um die Schultern zu legen, damit sie ihn zumindest stützen konnte. Blitzschnell glitten die Schwerter aus den Scheiden an Danvans Rücken und er schoss an der zitternden Serava vorbei, nur um gleich den nächsten Schreck zu bekommen. Der Untote befand sich zwischen ihm und Lelia!

Doch er konnte sich etwas beruhigen, als er sah, dass das Mädchen keineswegs angstvoll zurückgewichen war, sondern mutig ihr kleines Messer in der Hand hielt und tatsächlich wirkte, als sei sie auf dem Sprung, um anzugreifen. „Lelia! Lass mich das machen!“, rief er und das Mädchen zog sich einen Schritt zurück, wobei sie weniger erleichtert, denn enttäuscht wirkte. Danvan stürzte sich von hinten auf den Untoten, ein Schwert nach vorn gestreckt, das andere schützend vor dem Körper. Er rammte die Kreatur mit seinem ganzen Gewicht und sie taumelte. Der Assassine unterdrückte ein Schaudern, als er die schwammige Weichheit im Körper der lebenden Leiche spürte – und das Wuseln der Insekten in ihrem Inneren. Seine Schwerter schnitten beinahe mühelos durch das tote Fleisch, trennten ein Bein und einen Arm ab. Kreischend fiel die Kreatur zu Boden, langte mit den verfaulenden Klauen nach Danvan, der sich mit einem Sprung in Sicherheit brachte. Mit einem Fauchen schnellte er dann wieder nach vorne und trennte dem Untoten den Kopf von den Schultern. So schnell der Spuk begonnen hatte, so schnell endete er auch wieder, als die Kreatur ein zweites Mal starb. Den zuckenden Haufen Aas nicht aus den Augen lassend, richtete sich der Daeva schließlich wieder auf, wischte seine Waffen an einem Lumpen sauber. Felin kam näher und verzog das Gesicht. „Igitt, stinkt das!“ Interessiert sah er auf die Leiche hinab. Zuerst wollte Danvan ihn davon abhalten, denn es war wirklich kein schöner Anblick, der sich ihm bot, doch Felin wirkte alles andere als erschüttert, vielmehr interessiert und neugierig.

Schließlich zuckte er mit den Schultern und meinte: „Geh nicht zu nah an ihn heran. Man weiß nie, ob nicht doch noch ein Funken Leben in ihm steckt.“ Felin nickte und hielt gehorsam Abstand, während sich seine Schwester zu ihm gesellte. Lelia hatte ihr Messer wieder weggesteckt und sah ebenfalls auf den Toten hinab. In ihren Augen erkannte Danvan Abscheu und leichte Angst. Aber auch Vorsicht und ein gewisses Interesse. Einem plötzlichen Impuls folgend legte er ihr die Hand auf die Schulter und bedeutete ihr, sich mit ihm ein wenig von den anderen zu entfernen. Lelia gehorchte und sah fragend zu ihm auf. Danvan zog eines seiner eigenen Messer aus der Stiefelscheide und reichte es ihr, mit dem Heft voran. „Nimm meines. Mit deinem Obstmesser bringst du dich unnötig in viel zu große Gefahr. Du bist weder schnell, noch erfahren genug, um mit einer solch kleinen Waffe Schaden anrichten zu können.“ Als Lelia die Klinge nahm, leuchtete Stolz in ihren Augen auf und Danvan beeilte sich zu sagen: „Trotzdem – sei vorsichtig. Du bist noch jung und unerfahren im Kampf. Ich werde dir ein wenig Unterricht mit dem Messer geben, damit du weißt, wie du es einsetzen musst.

Aber dennoch möchte ich, dass du besser wegrennst, wenn du die Möglichkeit hast. Benutze das Messer nur, wenn dir kein anderer Ausweg mehr bleibt. Hast du mich verstanden?“ Das Mädchen nickte und verstaute das Messer an ihrem Gürtel. Danvan zögerte, dann meinte er langsam: „Ich mache dir heute Abend eine provisorische Scheide dafür. Man trägt solch scharfe Klingen nicht offen, die Verletzungsgefahr ist zu groß.“ Lelia sah auf das Messer hinab und nickte erneut. „Danke. Ich werde gut darauf aufpassen, Onkel Danvan. Und ich werde es nur benutzen, wenn ich keine andere Wahl habe.“

Er lächelte und klopfte ihr auf die Schulter. „Du bist ein mutiges Mädchen, Lelia. In Zeiten wie diesen braucht es Leute wie dich, die nicht kreischend davonrennen.“ Er zwinkerte und sie lachte. „Ich bin immer wieder freiwillig zum Dorf zurückgekehrt und habe es von den Bäumen aus beobachtet. Serava war nur ein einziges Mal dort und Felin wollte Mutter nicht mehr gehen lassen nach der Sache mit den Methus. Aber ich wollte auch nicht, dass es unbeobachtet blieb, weil Mutter mit Vaters Verletzung an die Höhle gebunden war.“ Sie strich sich das Haar zurück und Danvan sah kurz ihre Ähnlichkeit mit Albin aufblitzen. „Ich bin nie ins Dorf selbst gegangen, sondern habe beobachtet. Und manchmal habe ich mit dem Messer geübt. Ich weiß, dass ich in einem ernsthaften Kampf Schwierigkeiten haben werde, aber was nützt es mir, vor einem größeren, schnelleren Gegner davonzulaufen oder gar mit Schreien Andere auf mich aufmerksam zu machen, wenn weit und breit keine Menschenseele ist, die mir helfen könnte?“

Der Daeva nickte und dachte bei sich, dass das Mädchen durchaus klug agierte. Scheinbar wusste Lelia ganz genau, was sie sich erlauben konnte und was zu gefährlich war. Nun ja, zumindest in gewissen Grenzen. Und dass sie einen kühlen Kopf bewahrt hatte als der Untote aufgetaucht war, war auch bemerkenswert gewesen. Vielleicht war er ja doch nicht der Einzige, der die kleine Gruppe beschützen konnte.

„Wir sollten zurückgehen. Je mehr Weg wir heute schaffen, desto weniger müssen wir morgen zurücklegen.“, wechselte er schließlich das Thema und das Mädchen nickte. „Ist Vater eigentlich schwer für dich?“ Er wollte zunächst den Kopf schütteln, nickte dann aber. „Es geht. Ich bin es zwar gewohnt, einiges an Equipment mit mir herumzuschleppen, aber ein lebender Mensch ist doch etwas anderes als ein Schlafsack oder ein Waffenarsenal.“ Lelia lachte und bemerkte mit einem Blick auf ihre Mutter: „Oder eine Bratpfanne. Ich weiß nicht, was sie bewogen hat, das Kochgeschirr mitzunehmen!“ Danvan schüttelte den Kopf. „Ich kann sie verstehen. Ihr werdet mit dem anfangen müssen, was ihr dabei habt. Und Kochutensilien sind niemals billig, aber äußerst notwendig, wenn man viele Mäuler zu stopfen hat.“ „Das schon“, erwiderte Lelia, als sie die Anderen erreichten und Danvan Albin wieder auf den Rücken nahm und sich die Gruppe wieder in Bewegung setzte. „Aber dass sie nicht einmal daran gedacht hat, die Pfanne als Waffe zu benutzen...“

Der Daeva lachte aus tiefstem Herzen. „Lelia. Was immer du gehört oder gelesen hast – eine Bratpfanne mag eine passable Waffe abgeben, wenn man mit Keulen umgehen kann. Aber in den Händen eines ungeübten Kämpfers ist sie genauso nutzlos wie ein Besen oder eine Kehrschaufel.“ Etwas verstimmt runzelte das Mädchen die Stirn. „Also kann man damit nicht kämpfen?“ „Das habe ich damit nicht gesagt. Aber es ist auf jeden Fall schwieriger, als du es dir jetzt gerade vorstellst. Eine Pfanne ist sehr schlecht ausgewogen, du wirst Probleme haben, den Schwung und die Position richtig zu berechnen. Ich würde dir stattdessen empfehlen, lieber dein Messer zu nehmen, das liegt wenigstens gut in der Hand!“ Sie nickte und starrte auf den Weg, der vor ihnen lag. „Ich wünschte, du könntest bei uns bleiben, wenn wir unseren Neuanfang wagen. Aber ich fürchte, du wirst stattdessen an deine Arbeit zurückkehren, nicht wahr?“

Danvan seufzte und rückte Albins linkes Bein ein wenig nach oben, damit er mit dem Gewicht besser zurecht kam. „Ich weiß es noch nicht. Die Wahrscheinlichkeit liegt relativ hoch, dass ich in die Festung beordert werde. Aber ich kann euch trotzdem mit Geld unterstützen – oder mit anderen Dingen, die ihr gerade braucht.“ „Ja, aber wir könnten dich bestimmt gut brauchen. Ich meine, du bist erfahren, was die Landarbeit angeht, außerdem kannst du dein Hab und Gut besser verteidigen als wir alle zusammen. Und Mutter kann nicht alles allein machen, solange Vater so krank ist.“ Sie sah zu Albin auf, der mit geschlossenen Augen auf Danvans Rücken hing und zu schlafen schien.

„Als ob ich nutzlos wäre. Warte nur, bis es mir wieder besser geht. Kein Grund, deinen Onkel zur Feldarbeit zu verdammen, Lelia!“, mischte er sich dann aber plötzlich ein. „Albin! Du solltest lieber deine Kraft sparen, anstatt mit ihr zu schimpfen!“, tadelte Danvan ihn und sein Bruder lachte leise. „Ach, mach dir nicht zu viele Sorgen. Ich lasse mich ganz gemütlich durch halb Brusthonin tragen, da sei es mir doch zumindest gestattet, meine Kommentare abzugeben.“ Lelia sah ihn stirnrunzelnd an und Albin lachte erneut. „Im Ernst, es geht mir gut. Es gibt zwar angenehmere Arten des Reisens, aber zumindest muss ich meine Füße nicht anstrengen.“ Danvan knurrte im Scherz: „Das passt dir wohl, dass ich dich auf meinem Rücken trage wie ein Esel seine Last! Warte nur, bis du gesund bist, dann tauschen wir die Rollen!“ Während Lelia das für bare Münze nahm und mit großen Augen zu ihm aufsah, lachte sein Bruder wiederum erstaunlich kräftig auf. Danvan zwinkerte und Lelia begriff, dass er einen Scherz gemacht hatte. Sie grinste. „Das will ich sehen!“ Langsam fand der Daeva wieder Gefallen daran, unterwegs zu sein. Viel zu lange war er allein durch die Welt gezogen!
 

Als sie schließlich für die Nacht anhielten und ihr Lager in einer kleinen, geschützten Senke aufschlugen, schickte Danvan seine Begleiter zügig ins Bett. Er selbst würde Wache halten. Zu groß war die Gefahr, dass sich in der Finsternis Feinde anschlichen. Er wollte nicht aufwachen und feststellen müssen, dass die Hälfte seiner Familie von Raubtieren verschleppt oder getötet worden war. Also ließ er sich außerhalb des kleinen Licht- und Wärmekreises, den das Feuer warf, nieder und blickte nach draußen.

Umso überraschter war er, als sich Lelia zu ihm gesellte. Das Mädchen sah zu ihm auf. „Darf ich noch kurz mit dir reden?“, fragte sie zögerlich und er nickte. „Glaubst du, dass wir einen Neuanfang schaffen können?“ Danvan schluckte, nickte dann aber. „Ja. Ihr werdet nicht auf euch allein gestellt sein. Ich werde sehen, was ich alleine tun kann, und wenn meine Mittel nicht reichen, werde ich mir etwas von Freunden leihen. Ihr werdet nicht verhungern, hab keine Angst.“ „Aber... ich glaube nicht, dass Mutter das gefallen wird, dass du Schulden auf dich nimmst für uns...“ „Lelia.“ Danvan lächelte. „Ich habe eine Ewigkeit Zeit, das Geld zurückzuzahlen. Meine Freunde sind ausnahmslos Daeva wie ich. Sie sind ebenso unsterblich wie ich. Mach dir keine Sorgen. Wir werden das schon wieder gerade biegen können.“ Sie sah nicht überzeugt aus, doch schließlich ließ sie sich mit einem tiefen Seufzer an ihn sinken und er legte beschützend den Arm um sie. „Ich wünschte, ich wäre ein Daeva wie du. Dann könnte ich alle beschützen!“ Er erstarrte, als ihn die Erinnerungen einholten. Gegen seinen Willen füllten sich seine Augen mit Tränen. Lelia sah auf und biss sich auf die Lippe. „Megana?“ Er nickte und schluckte schwer. Sie konnte nicht wissen, wie sehr sie wie seine eigene Tochter geklungen hatte. Aber im Gegensatz zu Megana war sie am Leben. Er wandte den Blick ab. Lelia strich sanft über seinen Arm und flüsterte: „Es tut mir Leid. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen...“ „Schon... schon gut. Irgendwann werde ich mich der Vergangenheit stellen müssen, wenn ich sie nicht vergessen will. Und das möchte ich nicht. Ich kenne zu Viele, die nur noch im Jetzt leben, und in der Zukunft. Die alle Verbindungen zerschnitten haben und sich nicht an ihr altes Leben erinnern können. So möchte ich nicht leben müssen.“ „Aber...“ „Es tut weh. Es wird immer weh tun, daran zu denken.“ Er straffte sich, starrte in die Dunkelheit, betrachtete nachdenklich einen von Flechten überwucherten Baumstumpf, dessen Wurzeln in den nächtlichen Himmel ragten. „Ich kann nicht weitermachen wie bisher. Ich muss mich um euch kümmern, bis ihr in der Lage seid, euch selbst zu versorgen. Und das muss ich mit vollem Einsatz tun – ihr würdet nicht weniger erwarten oder verdienen.“ „Onkel Danvan...“ Sie zögerte. Dann sagte sie so leise, dass er sie kaum verstehen konnte: „Danke.“

Lelia erhob sich und kehrte zu ihrer Decke zurück, kuschelte sich hinein. Danvan blieb allein zurück mit seiner Trauer, seiner plötzlichen Angst und seiner neu entflammten Unsicherheit, was die Zukunft anging. Die Freude des Tages schien mit einem Mal nur noch ein blasser Abglanz der Wirklichkeit zu sein, eine sanfte Lüge, um zu verschleiern, wie grausam das Leben sein konnte. Die Nacht schien endlos zu dauern.
 

Als endlich die Finsternis der Nacht dem Zwielicht des neuen Tages wich und schließlich Mestella aus ihren Decken kroch, war Danvan regelrecht erstarrt vor Kälte und mangelnder Bewegung. Kurz schalt er sich leichtsinnig, dann erhob er sich mit knirschenden Gelenken, breitete die schwarzen Schwingen aus und streckte sich ausgiebig. Als er die Flügel spreizte, fiel ihm auf, wie neblig es war heute. Zuvor, in seiner hockenden Position, war ihm das nicht aufgefallen, aber jetzt war es deutlich zu erkennen. Er seufzte. Nebel würde es für sie schwieriger machen, da sie etwaige Feinde erst sehr spät würden sehen können. Außerdem würde die hohe Luftfeuchtigkeit ihre Kondition schwächen – er hoffte, dass die kühle, feuchte Luft Albin nicht schadete.

Mestella sah zu ihm auf und lächelte. „Ich hoffe, dir war die Nacht nicht allzu lang? Eigentlich hätten wir auch unseren Teil dazu leisten müssen.“ Danvan schüttelte den Kopf. „Nein, es ist schon in Ordnung. Ich bin ohnehin besser dazu geeignet, die Nacht nicht durchzuschlafen.“ Er verschwieg ihr, wie viel er gegrübelt hatte in der Dunkelheit. Manches blieb besser unausgesprochen.

Er spürte, wie jemand an seinem Hemd zupfte. Felin sah zu ihm auf. „Onkel Danvan?“ Langsam sah er zu seinem Neffen hinab. „Kannst du mich auch einmal auf dem Rücken tragen, während du fliegst?“ Überrascht sah er ihn an. „Ja, sicher. Aber ich glaube, damit warten wir, bis wir sicheres Terrain erreichen, meinst du nicht?“ Der Junge nickte eifrig und strich ehrfürchtig über die schwarzen Federn an Danvans Flügeln. „Daeva sind etwas besonderes, nicht wahr?“

Resigniert begriff er schließlich, dass der kleine Junge ihn ebenso vergötterte wie seine ältere Schwester. „Felin.“, meinte er schließlich. „Ein Daeva zu sein meint nicht nur, nicht mehr zu altern und schöne Flügel zu haben. Es bedeutet auch, sein unendliches Leben darbieten zu müssen, bereit zu sein, im Kampf um den Abyss und dessen Festungen zu fallen. Euch Menschen zu schützen. Nur weil wir nicht altern, heißt das nicht, dass wir nicht verletzt werden können. Und viele von uns werden das. An Körper und Geist, was fast noch schlimmer ist, denn den Geist kann man nicht so einfach heilen. Nein, Felin, es ist nicht immer nur gut, ein Daeva zu sein.“ „Meinst du?“, das Kind sah ihn mit großen Augen an und er nickte. „Ja. Wir Daeva sind Soldaten, geschaffen um zu beschützen, und wenn wir das nicht können, zu sterben.“ Felin sah schockiert aus und Danvan nickte, innerlich befriedigt. Er wollte nicht, dass noch mehr Mitglieder seiner Familie sein Schicksal teilten. Soldaten starben in der Regel grausame Tode. Bereits jetzt hatte er mehr gesehen, als er wollte, dass Felin je sehen musste.

Aber wahrscheinlich hatte der Junge es begriffen, denn er wandte sich ab, um seiner Mutter die Schalen für den Frühstücksbrei abzunehmen. Jedenfalls hörte Danvan keine Klagen, aber auch keine anderen Worte mehr von ihm, bis sie nach dem kargen Frühstück wieder aufbrachen. Er beobachtete sie alle aufmerksam. Albin aß keinen Bissen.

Als er seinen Bruder auf den Rücken nahm, war dieser halb bewusstlos und Danvan hatte Schwierigkeiten, dessen Gewicht in Position zu bringen, bis Mestella ihm half. Albins schwacher Atem strich über seine Wange und Danvan seufzte leise. Es würde eng werden. Eigentlich sollte er Mestella und die Kinder zurücklassen, um Albin, so schnell es irgendwie ging, nach Baltasar zu bringen. Aber dann verurteilte er sie zu einer Wanderung, die höchstwahrscheinlich tödlich enden würde für alle vier. Das konnte er nicht tun. Er musste einfach hoffen, dass sein Bruder die Strapazen überlebte. Auch, wenn die Chance gering war.
 

Sie stolperten über die Hänge. Langsam, bemerkte Danvan, wurde das Gelände flacher. Wenn sie die Ebene erreichten, hätten sie die Hälfte des Weges geschafft. Aber, und das war die schlechte Seite, der Weg würde schwerer werden, weil sich auf dem Gebiet der ehemaligen Farmen viele Kreaturen herumtrieben, die ihnen ans Leben wollen würden. Und das war nicht unbedingt etwas, was man ersehnen sollte.

Vor ihm stürzte Serava und biss sich auf die Lippe, um nicht aufzuheulen. Offensichtlich hatte ihre Schwester mit ihr gesprochen, wie wichtig es war, dass sie unbemerkt vorankamen. Denn das kleine Mädchen sammelte nur ihren Rucksack wieder auf und kämpfte sich zurück auf die Füße. Danvan nickte ihr zu und Serava brachte ein kleines Lächeln zustande. Sie war stärker, als es den Anschein hatte. Zwar war sie noch jung, aber auch sie konnte sich zusammenreißen, wenn es darauf ankam. Dennoch, eine Kämpferin wie ihre Schwester würde sie vermutlich nie werden. Ein Grund mehr, die Familie sicher ins Dorf zu bringen.

Kurz darauf fing es an zu regnen. Danvan fluchte und sah, wie Mestella resigniert das Gesicht verzog. Musste es eigentlich immer dann regnen, wenn er es am wenigsten brauchen konnte? Binnen Minuten verwandelte sich der ohnehin schlammige Pfad in eine schmierige Rutschbahn, sodass alle fünf Asmodier die Krallen tief in den Boden schlagen mussten, um sich nicht auf dem Hosenboden wiederzufinden. Immer wieder entschloss sich Danvan, bei besonders schwierigen Stellen die Schwingen auszubreiten und herabzugleiten, um unten auf die Anderen zu warten. Das hatte zumindest den Vorteil, dass nicht auch noch Albin im Schlamm gebadet wurde, denn die anderen Vier sahen aus, als hätten sie eine Schlammschlacht hinter sich. Danvan wusste, ihm ginge es nicht besser. Der Weg war tückisch, und seine Größe und sein Gewicht würden es nicht eben besser machen. Lieber löste er das Problem so, als dass er sich aus Solidarität Mestella und ihren Kindern anschloss.

Dann, plötzlich, keuchte Albin schmerzerfüllt auf und wand sich auf Danvans Rücken. „Albin! Was ist los?“ Entsetzt hielt Danvan an, und auch die anderen Mitglieder der Gruppe blieben stehen. Mestella half ihm, den Verletzten von seinem Rücken zu nehmen. Albin hustete und krümmte sich. Seine ohnehin blasse Haut wirkte weiß wie ein Leinentuch. Er schien nichts um sich herum wahrzunehmen.

„Er... er stirbt! Danvan!“ Mestellas Stimme war kraftlos vor Entsetzen. Danvan starrte hilflos auf die sich windende Gestalt seines jüngeren Bruders. Jetzt würde sich entscheiden, ob er künftig ganz allein wäre oder nicht. Albin öffnete die Augen, sah mit tränenverschleiertem Blick zu ihm auf, wandte schwach den Kopf. Er wusste, was gerade eben mit ihm geschah. Doch Danvan war nicht bereit, dem Schicksal seinen Lauf zu lassen. Er atmete tief durch, straffte die Schultern. Dann traf er seine Entscheidung, die ihrer aller Leben beeinflussen würde.

Stilles Dorf und schwerer Neuanfang

Sorry, dass es so lang gedauert hat. *rot wird* Ich hatte eigentlich geplant, das Ganze schneller über die Bühne zu bringen, aber dann ist mir irgendwie die Realität in den Weg geraten und ich habs schlicht vergessen. -_-'

Na ja, jedenfalls viel Spaß mit dem Kapitel!
 

Es regnete noch immer in Strömen, als Danvans Krallen das erste Mal seit zwei Jahren die Blütenblätter auf der Straße nach Baltasar berührten. Nie hätte er gedacht, aus einem so traurigen Anlass hierher zurückzukehren. Das schwere, tote Gewicht von Albins Körper drückte ihn nieder. Er war erschöpft, zu Tode erschöpft. Dennoch konnte er sich keine Ruhe gestatten. Als sein Bruder seinen Anfall bekommen hatte, hatte er beschlossen, ihn jetzt gleich in aller Eile nach Baltasar zu tragen. Auf schwarzen Schwingen waren sie auf die Ebene geglitten, den Rest des Weges war Danvan gelaufen, so lange er konnte, bis ihm das Blut aus dem Mund rann und seine Muskeln sich in brennende Knoten des Schmerzes verwandelt hatten. Er hatte nicht angehalten, war lediglich langsamer gegangen, bis er sich wieder so weit regeneriert hatte, um wieder laufen zu können.

Sein Bruder hatte irgendwann das Bewusstsein verloren, was in seinem Zustand aber vielleicht besser gewesen war. Seither hoffte Danvan, dass es noch nicht zu spät war. Albins Körper war kalt, der Regen und der Wind hatten jegliche Wärme aus seinem verletzten Leib gesogen, und Danvan selbst fühlte sich – von den schmerzenden Gliedern einmal abgesehen – wie ein Eisblock. Er hätte Albin nicht einmal mehr wärmen können. Nein, er hatte weiterlaufen müssen. Jetzt jedoch, wo er die weißen Blüten der riesigen Bäume Baltasars sah, fragte er sich, ob er nicht doch zu spät gekommen war. Er spürte keine Bewegung mehr im Körper seines Bruders.

Mit bangem Herzen eilte Danvan die Stufen hinauf zum Haus des Heilers. Das goldene Schild mit dem Zeichen der Heiler blinkte selbst in dem schwachen Licht des vollkommen verregneten Tages. In der ohnehin vorhandenen Düsternis Asmodaes, fügte Danvan hinzu, als er an die Tür klopfte.

Wie damals, als er zum ersten Mal gekommen war, öffnete ihm ein verhutzeltes altes Mütterchen, die Gehilfin des Heilers, die Tür. Sofort, als sie Albin auf Danvans Rücken sah, winkte sie ihn herein. „Bethbargan, komm schnell! Es geht um Leben und Tod!“, rief sie mit altersschwacher Stimme und Danvan hörte, wie sich im hinteren Raum des kleinen Hauses etwas regte. Dann kam der großgewachsene, dunkelhäutige Heiler in Sicht. Bethbargan war der Ehemann der alten Frau, doch im Gegensatz zu ihr war er ein Daeva. An ihm waren die Jahre, die seiner Frau so zugesetzt hatten, beinahe spurlos vorübergegangen.

Er musste nur einen einzigen Blick auf Albin werfen, dann winkte er Danvan, seinen Bruder auf der hohen Liege in seinem Behandlungszimmer abzulegen. „Was ist geschehen?“, fragte der Heiler, als er Albin das triefend nasse Haar aus dem Gesicht strich und seiner Frau auftrug, Handtücher zu holen. „Er wurde von einem wahrscheinlich vergifteten Schwert eines Untoten in die rechte Seite getroffen. Recht viel mehr als das weiß ich auch nicht, denn ich habe sie erst vor zwei Tagen wiedergetroffen. Ich weiß nur, dass es ihm schlechter geht, als es eigentlich der Fall sein sollte.“

Bethbargan nickte und strich sanft über Albins bleiche Wange. „Lass mich ihn untersuchen. Vielleicht finde ich die Ursache.“ Als Danvan nickte, öffnete der Heiler Albins Hemd und legte dessen Brust frei.

Die Hände des Heilers glitten sanft über die bleiche Haut seines Bruders, bis Danvan mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf abwandte und das Zimmer verließ. Draußen begegnete er der Frau Bethbargans. Sie sah zu ihm auf und fragte: „Was habt Ihr? Geht es Euch nicht gut?“ Er seufzte. „Das ist es nicht. Ich mache mir nur Sorgen. Und... ich musste seine Familie draußen im Regen auf der Ebene zurücklassen. Sie sind keine Kämpfer...“ Sie nickte. „Ich verstehe. Nun, mein Mann wird alles dafür tun, Euren Bruder am Leben zu erhalten. Aber wollt Ihr wirklich schon wieder nach draußen? Es regnet so stark... Auch Daeva können krank werden, wenn sie es nur intensiv genug versuchen.“

Danvan starrte in die Leere. „Ich weiß. Aber wie kann ich sie dort draußen allein lassen, jetzt, da ich meinen Bruder hierher gebracht habe?“ „Wenn Ihr nicht geht, wird es schwer, sie wieder aufzuspüren. Erst recht, wenn sie den Monstern begegnen, die die Ebenen bevölkern. Aber ich denke dennoch, dass ich Euch erst ein wenig aufpäppeln sollte, ehe ich Euch guten Gewissens gehen lassen kann. Kommt mit.“ Sie fasste seine Hand und zog ihn hinter sich her zu einer Kommode mit vielen kleinen Schubladen. Geschickt und mit sicherer Hand öffnete sie mehrere davon, entnahm jeder eine Winzigkeit – kleine Ampullen, Pillen, mehrere Döschen – während Danvan ihr fasziniert zusah. Sie wirkte, als wüsste sie genau, was wo versteckt war.

Dann mischte sie die verschiedenen Pulver und Flüssigkeiten und reichte Danvan schließlich ein Glas Wasser, in dem sie das Gemisch auflöste. „Trinkt das. Und danach nehmt diese zwei Pillen. Ihr werdet Eure Müdigkeit nicht mehr so stark spüren, außerdem wird das Mittel Eure Resistenz gegenüber der Kälte und dem Regen erhöhen, damit Ihr nicht krank werdet. Bei Daeva kann man so etwas glücklicherweise machen.“ Der Assassine gehorchte wortlos und tat, was sie verlangte, schluckte die klare, geruchlose Flüssigkeit hinunter. Beinahe sofort spürte er, wie neue Kraft seine Glieder durchströmte. Er streckte sich. Zwar reizte es ihn nicht wirklich, wieder in den Regen hinauszutreten, aber er wusste, wenn er es nicht tat, verdammte er Mestella und ihre Kinder damit zu einem einsamen Tod draußen auf den Ebenen.

Dennoch, bevor er ging, sah er noch einmal bei dem Heiler vorbei. Bethbargan sah kurz von seiner Arbeit auf. „Ah. Du bist es. Ich kann sagen, es war knapp. Einen Tag länger und er würde sicher nicht mehr unter uns weilen. So kann ich ihn wahrscheinlich retten. Wohin gehst du?“ Danvan seufzte. „Ich gehe seine Familie holen. Auch, wenn es mir nicht gefällt, ihn allein lassen zu müssen.“ Der Heiler nickte. „Ich verstehe. Ich werde gut auf ihn achtgeben während du fort bist.“ Sein Blick trübte sich etwas. „Wir Daeva müssen die Menschen – und ganz besonders unsere Familie – beschützen, nicht wahr? Mach dir keine Sorgen, dein Bruder ist hier sicher.“

Danvan senkte dankbar den Kopf, dann wandte er sich um und verließ das Haus raschen Schrittes. Er durfte keine Zeit verlieren, mit jeder Minute, die verstrich, wuchs die Gefahr für die kleine Familie, die da draußen in der Ödnis wartete.

Der Regen war noch kälter geworden. Danvan schüttelte sich und eilte zum Ausgang des Dorfes. Baltasar war in einem kegelförmigen Hügel errichtet worden, konnte nur durch zwei Wege erreicht werden. Es war gut zu verteidigen, was wohl der Hauptgrund dafür war, dass sich hier das Paradies, das Brusthonin einst gewesen war, noch immer halten konnte. Im Inneren des Hügels wuchsen gesunde, kräftige Pflanzen, Bäume breiteten schützend ihr Blätterdach über die Häuser und Menschen, die unter ihnen lebten. Blumen wuchsen hier, wie es früher auch in Danvans Heimatdorf gewesen war.

Doch er hatte keine Zeit, zu verweilen. Er breitete die Schwingen aus und glitt auf die Ebene hinab, versuchte, den Wind bestmöglich auszunutzen. Er würde nicht fliegen, das würde ihn unnötig auslaugen. Er wäre zwar sehr viel schneller, aber auch leichter auszumachen vom Boden aus. Wer wusste schon, was sich in der Fäulnis entwickelt haben mochte? Danvan verspürte kein Bedürfnis, im Magen irgendeiner Kreatur zu enden, nur weil er unnötige Hast walten ließ. Also machte er sich zu Fuß auf den Weg, benutzte seine Schwingen nur, um Abhänge hinunterzugleiten. Seine langen Beine griffen weit aus und seine Schritte fraßen die Entfernung, während er durch den Regen rannte. Er gönnte sich keine Pause.
 

Trotzdem wäre er beinahe zu spät gekommen. Er hörte den Schrei, bevor er Mestella überhaupt sah. Entsetzen spülte eisig kalt durch seine Adern, ließ ihn beide Schwerter ziehen. Er spürte, wie seine Augen zu glühen begannen. Dann sah er sie. Mestella, die sich schützend vor Serava und Felin gestellt hatte, die Krallen gekrümmt und die Klauen tief in die Erde gegraben. Es war das erste Mal, dass er die so sanfte Frau mit den auffälligsten Attributen einer Asmodierin sah: Ihre Augen verströmten dasselbe rote Glühen wie seine eigenen, ihr Rückenfell war gesträubt und ihre Krallen blitzten im Regen. Sie hielt ein bösartig aussehendes, gekrümmtes Messer in der Rechten. Mestella fauchte und die zerlumpte Kreatur mit den langen, verfilzten weißen Haaren zuckte zurück, gab ein markerschütterndes Heulen von sich, das ihrerseits Mestella erschauern ließ. Doch sie wich nicht zurück, sondern blieb tapfer vor ihren Kindern stehen. Danvan verschwendete keine Zeit, sondern krachte mit der Gewalt eines Schmiedehammers in die Banshee, rammte sie mit der Schulter aus dem Weg. Die Kreatur kreischte erneut, so laut diesmal, dass dem Daeva die Ohren klingelten, doch er wusste, wenn er den Kampf auf die leichte Schulter nahm, konnte es durchaus sein, dass sie ihn überwältigte. Seine Schwerter bohrten sich durch den Stoff der Kleidung – und fanden keinen Widerstand! Danvan riss die Augen auf und taumelte, von seinem eigenen Schwung mitgerissen, zwei Schritte weiter, ehe er sich wieder fangen konnte. Die Banshee schrie und streckte lange, gebogene Krallen nach ihm aus. Der Daeva war nicht mehr schnell genug, um der wütenden Attacke auszuweichen und fing sich vier lange Kratzer am Oberarm ein. Er biss die Zähne zusammen und stürzte sich erneut auf die Kreatur, und diesmal fanden seine Schwerter ihr Ziel. Eines hackte den linken Arm des Monsters ab, das andere fuhr tief in seine Brust. Diesmal, bemerkte Danvan mit leichter Genugtuung, klang das Kreischen schmerzerfüllt. Offenbar war noch nicht alles untot an diesem Schreckgespenst. Er schlug noch einmal zu, trennte der Banshee den Kopf von den Schultern. Binnen eines Augenblickes war das Geschöpf Geschichte, als sein Körper zu trockenem Staub zerfiel. Danvan richtete sich auf. Er schüttelte sich, als Mestella zu ihm herüberkam. „Sie... sie ist fort! Oh, bei Aions Zauber, sie ist fort! Danvan, es hat sie fortgejagt!“, schluchzte sie. Erst jetzt fiel ihm auf, was anders war. Erneut rann ihm ein Schauer über den Rücken. „Lelia?“ Mestella nickte unter Tränen. „Es war ein... ein Monster! Lelia wollte uns verteidigen und... es... oh, es hat sie fortgetrieben! Dann kam diese Banshee und... oh Danvan!“ Sie schlug die Hände vor das Gesicht. Der Assassine schüttelte den Kopf. „Ich muss wissen, wohin! Wohin ist sie gelaufen?“ Sie deutete auf einen schmalen Durchgang zwischen zwei von schleimigen Gewächsen behangenen Bäumen. „Bleibt hier – und seid um Aions Willen leise!“ Serava und Felin nickten an Stelle ihrer schluchzenden Mutter. Die Kinder umarmten die völlig aufgelöste Asmodierin und Danvan machte sich mit einem letzten sichernden Blick in die Runde auf den Weg.

Er fand die Spuren sofort, Lelias kleine Klauen hatten sich in den weichen Boden gegraben. Immer wieder fand er Fetzen von alter Kleidung. Er betete nur, dass sie nicht von Lelias Gewand stammen mochten, während er durch den Regen hetzte, den Blick aufmerksam auf die Spuren gerichtet. Das Mädchen war davongerannt vor einer Kreatur, die höchstwahrscheinlich sehr viel schwerer war als sie, wohl menschlich, da die Abdrücke denen eines menschlichen Fußes ähnelten. Fünf Krallenabdrücke machten Danvan jedoch klar, dass es kein normales asmodisches Wesen war, das Lelia verfolgte. Er beschleunigte sein Tempo erneut. Je länger er seine Zeit verschwendete, desto geringer wurden die Chancen des Mädchens, lebend aus dieser Sache herauszukommen.

Dann erreichte er eine kleine Senke, hörte das Klirren von Stahl auf Holz, gefolgt von einem lauten Aufkeuchen und einem Schrei. Er sah einen ehemals roten, nun zerfledderten rötlichbraunen Mantel, einen kahlen, von fahler, verwesender Haut bedeckten Schädel, sah einen Stab, der ausholte, um dem kleinen Mädchen den Rest zu geben, das sich ohnehin die Seite hielt und kaum mehr gerade stehen konnte. Danvan holte scharf Luft, ließ seine Flügel erscheinen und stieß sich ab. Wie eine Kanonenkugel schoss er in die Senke hinab – und war dennoch nicht schnell genug! Die spitzen Verzierungen des Stabes bohrten sich in Lelias Körper, als die Kreatur das Messer der jungen Asmodierin einfach zur Seite fegte und noch in der Bewegung zuschlug. Mit einem erstickten Schrei flog Lelia zurück, wurde gegen einen halb vermoderten Baum geschleudert und sackte bewusstlos – oder gar tot – zusammen. Die Kreatur setzte ihr nach, doch nun endlich war Danvan nah genug. Mit einem donnernden Kampfschrei stürzte er sich dazwischen, spannte die riesigen schwarzen Flügel weit auf und reckte die Schwerter vor.

Es war ein Untoter. Ein Zauberer, um genau zu sein. Oder besser das, was von ihm übrig war. Halb skelettiert sah ihn das Biest an. Danvan schluckte, als er ins Gesicht des Untoten sah. Unter der schwammigen, an vielen Stellen aufgerissenen Haut konnte er das rohe, teils schon gut verweste Fleisch sehen. Um Nase und Mund war die Haut komplett fortgerissen, er sah die Muskeln arbeiten, als der Untote ihn angrinste und den Kiefer öffnete, eine verweste Zunge freilegte. Danvan keuchte. Eitrig gelbe Augen fixierten ihn, bannten ihn.

Erst im letzten Moment sah er das Licht, das sich um die Hand des Untoten gebildet hatte. Ein Zauber! Selbst im Tod konnte die Kreatur noch Magie wirken! Er wollte springen, begriff dann aber, dass er dann Lelias Körper einem Angriff preisgab, also blieb er stehen. Das Monster attackierte. Knisternde Elektrizität traf seine Schwerter, schickte flackernde Schmerzen seine Arme hinauf. Mit Mühe konnte er die Waffen festhalten, grub die Klauen tiefer in die weiche, schlammige Erde, um stehen zu bleiben. Ein weiterer Zauber traf ihn, verwirrte seine Wahrnehmung. Er zuckte zurück, als sich seine Umgebung vor seinen Augen zu drehen begann. Er schüttelte den Kopf, sah einen bleichen Schemen auf ihn zufliegen und ließ sich fallen. Anstatt seinen Bauch zu treffen, schlug das scharfkantige Holz auf seine Schulter, riss eine lange, blutige Schramme hinein, wobei es Leder und Haut gleichermaßen mühelos durchschnitt und ließ Danvan zischend die Luft ausstoßen. Er schlug mit dem Flügel nach der Kreatur, spürte, dass er etwas traf und stützte sich ab, um nicht vollkommen in den Schlamm zu sinken.

Das Monster taumelte zurück, fing sich und schoss erneut auf Danvan zu, der das linke Schwert hochriss, um sich zu verteidigen. Er fand nicht wirklich Halt, also wurde aus dem geplanten Ansturm eher ein Stolpern, doch zumindest stand er wieder. „Verdammter... Anubnit!“, keuchte der Assassine und schlug zu, wobei er aber nur den zerfledderten Ärmel der Kreatur erwischte. Diese lachte nur und holte erneut mit dem Stab aus. In Erwartung eines Schwingers hob Danvan das rechte Schwert, nur um von dem geraden Faustschlag frontal ins Gesicht getroffen zu werden, den der Zauberer unerwarteterweise ausführte. Mit einem unartikulierten Schmerzenslaut ging der Daeva zu Boden, badete Flügel und Rücken im Schlamm. Irgendwie gelang es ihm, beide Schwerter festzuhalten, was ihm vermutlich das Leben rettete, als der Untote sich auf ihn stürzte und versuchte, ihn mit dem spitzen Ende des Stabes zu erstechen. Er kreuzte die Klingen und schaffte es, die hölzerne Mordwaffe von sich wegzudrücken.

Die wandelnde Leiche über ihm fauchte ihn an und verfaulter Speichel spritzte Danvan auf Gesicht und Hals. Der Daeva biss die Zähne zusammen und drückte seinen Gegner weiter von sich weg, schaffte es, sich auf die Knie hochzuarbeiten. Seine Schwingen trieften vor Schlamm. Sie fühlten sich an, als würden sie mindestens eine Tonne wiegen, doch Danvan wusste, er hatte keine Zeit für lange Überlegungen. Kurz entschlossen klatschte er dem Untoten den schmierigen Flügel ins Gesicht, während er mit den Schwertern den Stab band. Der Anubnit taumelte und Danvan befreite mit einem Ruck eine seiner Waffen, trieb sie der Kreatur tief in die Brust.

Hatte er jedoch erwartet, jetzt Ruhe zu haben, so irrte er sich. Der Untote nämlich schüttelte sich nur, dann griff er mit der freien linken Hand ans Schwert und drehte sich weg. Danvan war so überrascht, dass ihm die Waffe tatsächlich entglitt. Und damit noch nicht genug, der tote Zauberer lachte nur und zog sie sich aus dem Fleisch, als wäre es nichts! Erst als sie gegen ihn geschwungen wurde, gelang es Danvan, wieder die Kontrolle über sich selbst zu übernehmen. Er wehrte mit dem Schwert in der Rechten seine eigene Klinge ab und zog den vergifteten Dolch aus dem Stiefelschaft. Dennoch musste er zurückweichen, als die lebende Leiche ihn mit Schwert und Stab bedrängte. Der Asmodier knurrte und richtete die Dolchspitze auf sein Gegenüber, während er die Schwertklinge vor seinem Körper hielt.

Der Untote schien seine Bemühungen nicht einmal zu bemerken, als sich Danvan leise spannte, zum Sprung ansetzte. Seine Klauen gruben sich viel zu tief in den Schlamm. Abstoßen würde er sich kaum können, aber er musste es trotzdem versuchen. Er holte tief Luft, dann sprang er. Zumindest überraschte er den Anubniten, der mit einer so plötzlichen, allumfassenden Attacke nicht gerechnet zu haben schien. Doch das war auch das einzige, was gut ging. Anstatt den Untoten aufzuspießen, ihm den Dolch in den Hals und das Schwert in die Schulter zu rammen, rutschte Danvan die kurze vergiftete Klinge ab und brachte dem Untoten lediglich eine Schramme an der Halsbeuge bei, während sein Schwert durch den losen Umhang schnitt und gar nichts traf. Sein Sprung war wesentlich weniger kraftvoll als erhofft und anstatt seinen Gegner glatt umzurennen, ging er mit ihm zu Boden.

Knurrend schlug er auf die wandelnde, sich wehrende Leiche ein, kassierte einen Stich des Stabes, der ihm eine tiefe, blutende Furche in die Wange riss. Das Schwert blockte er mit der bloßen Hand ab, wobei es ihm in die Handfläche schnitt, durch den Handschuh hindurch. Er schlug erneut zu und der Untote rammte ihm den Stab von unten gegen das Kinn. Danvan sah Sterne und fühlte, wie er vom Bauch des Anubniten gestoßen wurde und erneut in den Schlamm sank. Er wurde am Hinterkopf gepackt und untote Hände krallten sich in sein Haar, drückten sein Gesicht in den Dreck. Kälte umspülte ihn, und er spürte das Brennen, als der Schlamm in die frische Wunde an seiner Wange geriet. Beides weckte seine Lebensgeister und er schlug um sich, traf jedoch nichts. Ihm ging die Luft aus, ehe er endlich die Flügel einsetzte und den Untoten von seinem Körper wegfegte.

Mit einem keuchenden Atemzug sog er den Odem Brusthonins ein, dankbar, dass sich nun wieder Sauerstoff in dem befand, was er einzuatmen versuchte. Da wurde er erneut umgerissen, spürte die toten Hände erneut an sich, die ihn wieder in den Schlamm zu drücken versuchten. In dem folgenden Handgemenge musste Danvan mehrfach Schläge einstecken, einen Mundvoll Dreck schlucken, der ihm ins Gesicht geschleudert wurde, zu Klauen gekrümmte Hände von sich wegdrücken und schließlich selbst zuschlagen. Als er wieder auf dem Rücken lag und der Untote seine Rechte über seinem Kopf festgenagelt hatte, sah er sich schon tot liegen bleiben. Seine Linke lag unter seinem eigenen Körper begraben, während der lebende Leichnam ohne Mühe seine Rechte festhielt. Schon krümmten sich die toten Finger wieder zu Krallen, um ihm die Kehle aufzureißen, da spürte Danvan, dass er auf etwas lag. Seine Hand schloss sich um einen länglichen Gegenstand, riss ihn grob unter seinem Körper heraus und schmetterte ihn dem Untoten ins Gesicht. Und diesmal erstarrte die Kreatur, ehe sie mit einem fast erleichtert klingenden Seufzen zu Staub zerfiel. Danvan hielt seinen eigenen Dolch in der Hand, den er dem Monster ins Auge gerammt hatte.

Ächzend wälzte er sich schließlich herum, stemmte sich auf Unterarme und Knie hoch. Sein Herz raste, während er noch immer versuchte, seinen Atem unter Kontrolle zu bringen. Er war zerschunden und erschöpft. Aber er durfte sich auch nicht ausruhen, weil...

„Lelia!“ Entsetzt und schneller als zuvor kam er auf die Füße und taumelte zu ihr hinüber. Das Mädchen lag noch immer zusammengesunken zwischen den Wurzeln des Baumes. Danvan beugte sich über sie und erkannte erschrocken, dass Blut durch ihr Hemd sickerte. Ihr Atem ging schwach und unregelmäßig. „Nein... nicht auch noch du...“ Mit zitternden Händen schob er ihr Hemd nach oben und legte die Wunde frei. Es war ein tiefer Stich, zu tief, als dass er ihn gleich hier und jetzt versorgen konnte. Nach kurzem Zögern schob er schließlich ein sauberes Stück Stoff hinein und legte einen dünnen Verband darüber. Mehr konnte er im Moment nicht tun. Schaudernd sammelte er seine Waffen ein und kehrte zu Lelia zurück. Das Mädchen war bleich und regte sich kaum. Er hob sie hoch, wobei sich kurzzeitig alles um ihn drehte, als er sich aufrichtete. Dann trug er sie zurück.

Mestella hätte sich fast auf ihn gestürzt, weil sie ihn für ein Monster aus dem Morast hielt, doch als sie das Mädchen auf Danvans Armen erkannte, wandelte sich ihr anfänglicher Kampfgeist in das herzzerreißende Entsetzen einer Mutter, die um ihr Kind fürchtet. Sie rannte auf ihn zu und Danvan trat zu einer trockenen Fläche hin und legte Lelia vorsichtig ab. „Ich konnte sie nicht beschützen. Es tut mir leid.“, meinte er leise und konnte gerade noch verhindern, dass seine Stimme brach. „Ich sah noch, wie sie davongeschleudert wurde. Es war ein Untoter, der sie verletzt hat... die Kreatur ist vernichtet, aber...“ Mestella schluchzte, dann schob auch sie das blutige Hemd nach oben, sah die Wunde.

Sie wurde blass. „D-das kann ich nicht behandeln!“ Danvan nickte. „Ich weiß. Das muss sich ein Heiler ansehen. Aber... ich möchte euch nicht allein hierlassen. Nicht noch einmal.“ „Aber Lelia braucht Hilfe! Wir kommen schon zurecht... bestimmt!“ Der Daeva schüttelte den Kopf. „Nein. Als ich euch das letzte Mal allein gelassen habe, ist beinahe eine Katastrophe passiert. Ihr kommt mit mir.

Mestella, wie lange kannst du laufen, wenn du Felin auf dem Rücken trägst?“ Sie starrte ihn an. „D-das kommt darauf an... nicht besonders lange, glaube ich. Warum?“ Er seufzte. „Vielleicht können wir gemeinsam laufen.“ Er wies auf Lelias reglosen Leib. „Sicher, sie braucht Hilfe, aber ihr seid ohne mich völlig wehrlos. Sei mir nicht böse, Mestella, aber was einen hier in der Giftöde erwartet ist mehr, als du jemals auf den heimatlichen Berghängen erlebt hast. Dinge, denen du nicht gewachsen bist. Du bist kein Daeva wie ich.“

Erstaunlicherweise nickte sie, ohne verletzt zu wirken. „Du hast Recht. Ich... ich werde es versuchen. Wir müssen meine Tochter zu einem Heiler bringen. Außerdem... möchte ich Albin wiedersehen.“ Danvan nickte.
 

Sie rannten durch die Ebene. Mestella hielt sich kontinuierlich hinter ihm, aber Danvan schlug kein zu hartes Tempo an, um sie nicht vollständig zu erschöpfen. Als er über seine Schulter nach hinten sah, sah er, dass Felin sich an den Rücken seiner Mutter kuschelte, den Kopf an ihrer Halsbeuge abgelegt hatte. Seine kleinen Krallen lagen sanft auf ihren Schultern, er drückte gerade so fest zu, dass er sich festhalten konnte. Mestella hingegen lief leicht vornübergebeugt, um ihren Sohn nicht zu sehr durchzuschütteln und nicht zu viel Kraft zu verschwenden.

Danvan seufzte und fasste Lelia fester. Serava auf seinem eigenen Rücken krallte sich fester an ihn, aber sie wurde auch nicht von ihm gestützt wie Felin von seiner Mutter. Sie wirkte nicht entspannt, sah sich immer wieder aufmerksam und ängstlich um für den Fall, dass er etwas übersah, das ihnen gefährlich werden konnte. Zwar war das nicht unbedingt nötig, sie bewegten sich zu schnell fort, als dass die untoten Kreaturen wirklich Interesse an ihnen haben konnten, aber es war besser, Vorsicht walten zu lassen. Er konnte die Angst des kleinen Mädchens verstehen. Schließlich war ihre Schwester bereits verletzt worden.

Dann wurde Mestella plötzlich langsamer. „Danvan... warte!“, bat sie. „Ich kann... nicht mehr.“ Er blieb stehen. Die Asmodierin keuchte und hatte Mühe, ihre Schritte sicher zu setzen. Als sie sah, dass er vor ihr stand, wollte sie sich zu Boden sinken lassen, doch Danvan schüttelte den Kopf. „Tu das nicht. Vor uns liegt noch ein langer Weg. Wenn du dich jetzt hinsetzt, wirst du Schwierigkeiten bekommen, wenn wir weiterlaufen. Wenn du dich ausruhen möchtest, setze Felin ab und geh ein wenig im Kreis, um deinen Herzschlag sanft zu beruhigen.“

Sie sah ihn ungläubig an, tat aber, was er ihr vorschlug. Als ihr Sohn wieder auf seinen eigenen Füßen stand und er Serava abgesetzt hatte, kümmerten sie sich um Lelia. Das Mädchen war noch immer bewusstlos, doch es schien ihr nicht so viel schlechter zu gehen als zuvor. Es bestand berechtigte Hoffnung, dass sie Baltasar in besserem Zustand erreichen würde als ihr Vater.
 

Viel zu bald und doch auch viel zu spät brachen sie wieder auf. Dicke Tropfen fielen wie Tränen auf sie herab, durchnässten sie alle bis auf die Haut. Danvan biss die Zähne zusammen und führte Mestella weiter in Richtung des rettenden Dorfes. Sie hatten bei Weitem noch nicht den Weg hinter sich, den er sich erhofft hatte. Seine Füße waren eiskalt und er bezweifelte, dass es Mestella oder den Kindern anders ging. Zumindest waren sie nicht weiter attackiert worden. Langsam schwand auch noch das letzte Licht. Danvan wusste, sie würden sich ein Lager für die Nacht suchen müssen, in dem sie zumindest einigermaßen trocken schlafen konnten. Wenn sie krank wurden, würden sie es vielleicht nicht mehr rechtzeitig nach Baltasar schaffen. Er begann, sich umzusehen nach einem Unterstand. Es gab hier viele verlassene Farmhütten, eine mochte bewohnbar sein für eine Nacht. Doch er fand nichts, was seinen Ansprüchen Genüge getan hätte.

Schließlich war es Serava, die ihn auf ein gedrungenes Gebäude aufmerksam machte, das sich an einen flachen Hügel schmiegte und das er vollständig übersehen hatte. Danvan lenkte seine Schritte zu der kleinen Hütte. Er sah sich aufmerksam um, ehe er die Kinder absetzte und vorsichtig ins Innere des Hauses spähte. Staub, ein Rest Stroh auf dem Boden, zerbrochene Möbel. Aber sonst nichts. Kein Leben, kein untotes Leben. Vielleicht hatten sie endlich einmal Glück im Unglück und fanden eine Unterkunft.

Er betrat den Raum. Die Luft roch alt, aber nicht verfault, und es war windgeschützt. Danvan lief das Zimmer ab, spähte in alle Ecken und nahm alles in Augenschein, was ihm auffiel. Schlussendlich befand er, dass sie hier sicher waren und ging nach draußen, um Lelia hereinzutragen und die Anderen zu holen. Mestella und Serava atmeten beide erleichtert auf, dass die Tortur zumindest für heute ein Ende hatte, während Felin sich einfach nur müde auf den Boden fallen ließ und sich zu einem Ball zusammenrollte. Der Junge schlief schon, als Mestella eine Decke über ihn breitete, ehe sie zu ihrer Tochter zurückkehrte und mit ihr das Abendessen vorbereitete.

Es war ein karges Mahl, bestehend aus ein wenig Getreidebrei mit knorrigem Wurzelgemüse und ein paar Kräutern, die Danvan im verlotterten Garten des Häuschens gefunden hatte, doch hier im Trockenen schmeckte es ihm gleich noch einmal so gut, wie als wenn sie es draußen eingenommen hätten. Er hatte sein Hemd abgelegt, auf dass es am kleinen Kochfeuer trocknen würde, und Mestella hatte sich ein Beispiel an ihm genommen und sich und die Kinder in ihre zweite Garderobe eingekleidet, die nur mehr ein klein wenig feucht und nicht so triefend nass war wie die anderen Kleider. Dann legten sie sich schlafen. Danvan beschloss, wach zu bleiben. Ihm machte es nicht so viel aus, eine Nacht nicht zu schlafen, schließlich war er ein Daeva.

Doch im Laufe der Nacht, als seine Glieder immer schwerer und schwerer wurden, bereute er seinen Entschluss. Er schritt umher, sah in die schlafenden Gesichter. Plötzlich hörte er ein leises Stöhnen. Danvan erschrak so sehr, dass er spürte, wie seine Augen zu glühen begannen, doch er hatte sich rasch wieder in der Gewalt, als er feststellte, dass der Laut von Lelia gekommen war. Er schritt zu ihr hinüber und ließ sich bei ihr nieder. Das Mädchen blinzelte in der Düsternis. Sie hatte ängstlich die Decke bis ans Kinn hochgezogen und sich zusammengekauert. Danvan legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. „Nicht, Lelia. Du bist in Sicherheit. Ich habe dich gerettet. Wir sind schon auf dem Weg nach Baltasar. Hab keine Angst, ich lasse nicht zu, dass die Untoten dir noch einmal wehtun.“ Lelia zuckte zusammen, doch dann entspannte sie sich etwas. Sie schniefte. „Onkel Danvan! Ich habe versucht...“ Er schüttelte den Kopf und sie schwieg. „Ich weiß, es tut weh, aber je weniger du sprichst oder weinst, desto weniger schlimm ist es.“ Er grub in seinen Taschen nach einem Stück manipulierten Zeller-Harzes. Das Bonbon würde ihren Schmerz vielleicht etwas betäuben, glaubte er und reichte es ihr. Lelia zögerte, dann nahm sie es in den Mund. „Was ist das?“, fragte sie lutschend. „Es ist das chemisch veränderte Harz der Zeller-Pflanze. Wir Daeva benützen es, um unsere Schmerzresistenz zu erhöhen. Eigentlich sollten Menschen wie du es nicht nehmen, aber in diesem Fall glaube ich, wird es mehr helfen als schaden.“ Lelia sah etwas verwirrt drein. „Warum nicht?“ „Nun...“, Danvan zögerte. „Es fällt unter das Gesetz zum Schutz der Menschen. Wenn man es zu oft nimmt, kann man davon süchtig werden. Deshalb bin ich mit dem Einsatz vorsichtig. Einem Daeva macht das nichts aus, unsere Körper können den Stoff vollständig abbauen, deshalb werden wir auch nicht süchtig davon. Aber bei Menschen lagert sich etwas davon in ihrer Leber ab, was bei zu häufigem Genuss zu Schädigungen führen kann.“ Das Mädchen runzelte die Stirn. „Warum trägst du so etwas mit dir herum?“ „Wie ich schon sagte, Daeva benützen es, um die Schmerzen der Verletzungen, die wir im Kampf erleiden, nicht mehr so stark zu spüren. Ich nehme es nur selten, denn wenn man sich zu stark betäubt, mag es durchaus sein, dass man sich selbst außer Gefecht setzt und zur leichten Beute macht.“ Diesmal nickte Lelia. „Das kann ich verstehen. Danke... Aber ich habe deinen Dolch verloren.“ Danvan lächelte. „Nein. Ich habe ihn aufgesammelt, hab keine Angst. Ich gebe ihn dir zurück, wenn wir in Baltasar sind. Jetzt schlaf, Kleines. Ich passe auf, dass dir nichts geschieht.“

Lelia nickte und rollte sich wieder ein. Danvan seufzte leise und ließ sich gegen die Wand sinken. Sie würden es ganz sicher schaffen. Bestimmt. Als der Schlaf diesmal nach ihm griff, hatte er ihm nichts mehr entgegenzusetzen.
 

Am nächsten Morgen erwachte er mit steifen Gliedern und knirschenden Gelenken. Er erhob sich aus seiner ungünstigen Position und lockerte seinen Körper, indem er verschiedene Übungen absolvierte, schließlich die Schwingen öffnete und sie weit ausbreitete. Er hörte erst damit auf, als ihm jemand an den rechten Flügel fasste. Danvan fuhr zusammen, doch es war nur Felin, der mit großen Augen zu ihm aufsah. „Die sind ja riesig!“, flüsterte der Junge und Danvan lächelte. „Das kommt dir nur so vor, weil es hier drinnen so eng ist. In Wahrheit sind sie gar nicht so groß.“ Doch die Ehrfurcht im Blick des Kindes wich nur geringfügig, also ließ er ihm seine Bewunderung und begab sich zu Mestella, die gerade die letzten Trockenkuchen verteilte.

Er biss von dem harten Gebäck ab, das zwar nach nichts schmeckte, ihn aber zumindest bei Kräften halten würde. Auch das hatte er vermisst. Daeva bekamen zwar Rationen an Trockenobst und -fleisch, wenn sie auszogen, aber es war einfach etwas anderes, dieses karge Reisebrot der Bauern von Brusthonin. Noch immer kauend, machte er sich daran, sich wieder reisetauglich zu machen. Heute würden sie die letzte Etappe überwinden, wenn sie sich beeilten. Eigentlich hatte er gedacht, die Reise würde länger dauern, doch er hatte Mestellas Ausdauer unterschätzt. Die junge Frau stand ihm nicht viel nach, auch wenn sie nach einem solchen Lauf wohl nicht mehr kämpfen konnte, wie er es hatte tun müssen. Dennoch war es beachtlich, wie gut sie sich schlug, mit ihrem Sohn auf dem Rücken durch die schlammigen Felder des verfaulenden Landes hindurch. Er lächelte, dann hob er Lelia, die inzwischen ebenfalls wieder wach war, auf die Arme und Serava auf seinen Rücken. „Können wir los?“ Mestella mit Felin auf dem Rücken nickte. „Lass uns gehen.“

Sie brachen im strömenden Regen auf. Lelia kuschelte sich in seine Armbeugen und schloss die Hände um sein Hemd, während Serava sich fest an ihn schmiegte, einerseits um sich festzuhalten, andererseits um in den Genuss seines Körperwärme zu kommen. „Onkel Danvan? Wo werden wir hingehen, wenn wir in Baltasar angekommen sind?“, fragte sie dann. Er grinste. „Wir werden schon ein Plätzchen für euch finden. Altgard soll schön sein, habe ich gehört, es ist ein wesentlich fruchtbareres Land als die Berge von Brusthonin – oder dieser Landstrich hier. Ansonsten... ich glaube, in Morheim könnten wir ebenfalls fündig werden. Auch dort gibt es ländliche Gegenden, wo Bauern schnell Arbeit finden können.“ „Bleibst du dann bei uns?“ Danvan seufzte. „Die erste Zeit, bis euer Vater sich erholt hat, ja. Aber natürlich kann ich nicht für immer bleiben. Ich bin nach wie vor ein Daeva im Dienste des ganzen Volkes von Asmodae, also kann ich nicht einfach tun, was mir gefällt. Auch ich habe Pflichten.“ Sie dachte kurz nach. „Wirst du uns dann zumindest besuchen kommen?“ Danvan zögerte, dann nickte er. „Wenn ich die Zeit dazu finde, ja.“

Schweigend rannten sie weiter, machten schließlich eine Pause, als Mestella Danvan darum bat. Die junge Frau wurde immer langsamer, bis sie schließlich stehen blieb. Ihre Knie zitterten, als sie Felin von ihrem Rücken gleiten ließ. Auch Danvan setzte die Kinder ab. „Mestella. Ruh dich aus. Wir haben es nicht mehr weit. Wenn wir weiterhin so gut vorankommen, werden wir Baltasar vor der Abenddämmerung erreichen. Wir müssen nur...“ Danvan riss die Schwerter aus den Scheiden und stieß Mestella grob zur Seite. Gerade noch rechtzeitig, denn wo die junge Frau einen Augenblick zuvor noch gestanden hatte, stießen nun lange Klauen in den Boden. Die Kreatur kreischte und Danvan fauchte: „Mestella! Beschütz die Kinder!“ Er selbst brachte das Schwert zwischen die Klauen der Banshee und seine Kehle, trieb das Ungeheuer mit einem Knurren von sich weg.

Felin schrie, wurde hastig von seiner Mutter zurückgerissen. Serava stand zitternd bei Lelia, die ihr das kleine Messer in die Hand drückte. „Nimm, Serava! Schnell!“ Das Mädchen zögerte, doch als ein Kichern hinter ihr erscholl packte sie die Waffe und stellte sich vor Lelia, die sich zusammenkauerte. Danvan gelang es, einen raschen Blick über seine Schulter zu riskieren. Er keuchte auf. Serava sah einem Gespenst ins knöcherne Gesicht! „Danvan!“ Mestellas Schrei kam fast zu spät, Danvan schaffte es zwar noch, sich seitlich wegkippen zu lassen, doch die Banshee war zu nah bei ihm, als dass sie ihn noch hätte verfehlen können. Ihre Klauen schrammten über seine Brust, zogen Furchen durch das Leder, die Zeigefingerklaue durchschnitt das Hemd und die Haut darunter. Noch im Fallen riss Danvan das rechte Schwert hoch und trennte der Kreatur einen Arm ab. Schrill kreischend wich sie zurück, während Danvan mit einer halben Rolle wieder auf die Füße kam, das Gespenst rammte und es von Serava wegschob. Sein linkes Schwert deutete auf die Kehle der kleinen, nur etwa kindgroßen Kreatur, während das rechte unverwandt auf die Banshee gerichtet blieb, die wieder näherkam, ihre verbleibende Hand vorgereckt und bereit, erneut zuzuschlagen. Doch zumindest hatte er nun die Aufmerksamkeit beider Kreaturen. Serava zerrte ihre Schwester aus der Bahn, während Mestella bereits ihr Messer zückte. Danvan jedoch schüttelte den Kopf und bedeutete ihr, ihre Kinder zu beschützen, was die junge Frau dann auch tat.

Die Banshee attackierte zuerst, mit einem vertikalen Klauenhieb direkt auf Danvans Kopf gezielt. Der Assassine tauchte seitlich weg, das Schwert vor sich und damit das Spottgespenst auf Distanz haltend. Mit der anderen Hand schlug er zu und traf die kindliche Kreatur auch, trennte den linken Teil ihres Mantels ab, wich dann zurück und schlug nach der sich wieder nähernden Banshee. Zwar traf er nichts, doch die Kreatur zuckte erneut zurück. Allerdings beschloss sie dann wohl, dass sie ihre furchterregendste Waffe einsetzen sollte. Sie warf den von grauer Haut bedeckten Kopf zurück und kreischte. Lelia und Serava kauerten sich zusammen, Felin klammerte sich an seine Mutter, während Mestella aussah, als würde sie jeden Moment die Waffe fallen lassen. Doch Danvan wusste, er durfte nicht nachlassen, sonst würden ihn die beiden Gegner überwältigen. Dem Gespenst schien der grauenvolle Schrei nichts auszumachen, denn es kam näher, holte kichernd mit beiden Händen aus.

Danvan wirbelte herum, die Schwerter ein Tornado aus Stahl, die beide Arme knapp unter dem Ellbogengelenk abtrennten, um dann wieder zur Banshee zurückzurasen, doch er traf nichts. Dem diesmal horizontalen Klauenhieb konnte Danvan nur entkommen, indem er in letzter Sekunde die Schwingen ausbreitete und mit einem eleganten Rückwärtssalto über das Gespenst hinwegsetzte, es nach vorne stieß und zusah, wie die Banshee die andere Kreatur aufschlitzte. Nun war es das Spottgespenst, das kreischte, und zwar vor Schmerz. Danvan biss die Zähne zusammen und holte aus, warf die Schwerter nach vorne und durchbohrte die kleine Kreatur mit beiden Klingen, ehe er sie wieder auseinanderriss und das Gespenst zerfetzte.

Keuchend verharrte er einen Moment, den Kopf gesenkt, die Knie zum Sprung angewinkelt und die Flügel auf dem Rücken zusammengelegt. Wieder schrie die Banshee, doch Danvan spürte, dass ihr Schrei an Kraft verloren hatte. Er sah auf, nutzte die ausgestreckten Arme als Schwung und ließ beide Schwerter wieder nach vorne zischen, diesmal jedoch bildeten sie einen tödlichen, flirrenden silbernen Halbmond, ehe sie sich in der Mitte trafen. Danvan schlug mit dem rechten Schwert zu und stach mit dem Linken nach. Die zweite Attacke traf die Kreatur vor ihm, durchbohrte ihre Brust. Aus dem schrillen Kreischen wurde ein ersticktes Röcheln. Noch einmal versuchte sie, Danvan zu kratzen, doch außer seinem linken Unterarm traf sie nichts. Die Banshee sackte in sich zusammen, ihr nun endgültig sterbender Leib rutschte vom Schwert des Daeva und landete im Schlamm. Danvan verharrte noch einen Moment länger, dann richtete er sich schwer atmend auf.

Mestella hielt Felin hinter sich, zitternd, während Serava und Lelia nebeneinander auf dem Boden kauerten. Ihr langes Haar war regennass und ihre Kleidung schlammbespritzt. In ihren Augen stand Angst. Langsam trat der Daeva zu ihnen hin, faltete die Schwingen auf dem Rücken und sah in die Runde. „Alles in Ordnung?“

Erstaunlicherweise war es Felin, der die Starre brach. „Das war Wahnsinn! Onkel Danvan!“ Der Junge tauchte unter dem schützenden Arm seiner Mutter hervor und rannte zu ihm hin. Der Assassine schüttelte den Kopf. „Es war gefährlich und riskant. Wir können von Glück sagen, dass wir alle noch leben und nicht schwer verletzt worden sind.“

Nun schien auch Mestella ihre Fassung zurückzuerlangen. Sie trat zu Danvan hin und fasste seinen Arm, der nach wie vor das mit verfaulendem Blut bedeckte Schwert hielt. Rasch wischte er es sauber und steckte es weg. „Du bist verletzt worden. So kannst du nicht kämpfen.“ Der Ältere schüttelte den Kopf. „Ich werde kämpfen, wenn wir noch einmal angegriffen werden. Ich lasse euch nicht allein.“ Mestella seufzte, dann legte sie die Hand auf den tiefen, blutigen Kratzer an seinem Arm. Danvan zuckte zusammen, als ihre Kralle über die Wunde strich. „Lass es mich verbinden!“ Sie riss einen Streifen aus ihren noch sauberen Kleidern und schlang ihn geschickt um Danvans Arm. Nicht sehr professionell, aber es würde Danvans Handgelenk stützen, wenn er noch einmal das Schwert benutzen musste. Er nickte ihr dankbar zu. Dann trat er zu den Mädchen, die nach wie vor aneinandergekauert dasaßen. „Geht es euch gut?“ Erst nickte Lelia, dann, nach kurzem Zögern, auch Serava. Danvan brachte ein Lächeln zustande. „Lasst uns gehen. Es wird wirklich Zeit, dass wir nach Baltasar kommen.“ Erst danach sah er zu Mestella, die bestätigend nickte und bereits wieder Felin auf den Rücken nahm. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie jetzt keine Pause mehr machen wollte, sondern lieber so schnell wie möglich in Sicherheit gelangte. Sie rannten wieder los, durch den Regen und den Schlamm.
 

Als sie endlich in Baltasar ankamen, wurden sie bereits von einer Gruppe Wächter empfangen. Die Daeva hielten alle schwere Schwerter und riesige Schilde, waren bereit, es mit allem aufzunehmen, was ungerechtfertigt das Dorf betreten wollte. Danvan und seine Begleiter wurden durchgewinkt, sodass sie schnell das Innere des seltsamen Felsenkessels betreten konnten, der Baltasar beherbergte.

Die Kinder sahen sich alle staunend um und konnten kaum glauben, wie ein solch paradiesisch friedlicher Ort in der Giftöde existieren konnte. Mestella jedoch wurde zusehends unruhiger. Schließlich beschloss Danvan, gleich zu Bethbargan zu gehen. Der Heiler erwartete sie bereits. „Ah, ihr seid es! Ich fürchtete schon das Schlimmste, aber wie ich sehe, habt ihr es relativ gut überstanden. Kommt herein.“, begrüßte der Heiler sie und Danvan folgte ihm ins Innere des Hauses. Felin hielt sich still dicht bei seiner Mutter, während Serava sogar ihre Hand fasste. Lediglich Lelia lag still in Danvans Armen, während sie sich jedoch aufmerksam jedes Detail einprägte, das sie zu sehen bekam.

Bethbargan bedeutete dem Daeva, das Mädchen auf einer Liege in seinem Behandlungszimmer abzulegen. Danvan gehorchte und der Heiler beugte sich über sie. „Nun, was haben wir denn da? Eine kleine Kämpferin, wie ich sehe? Na, dann wollen wir doch mal schauen, wie wir deine Wunden kurieren können, oder?“, lächelte er und Lelia wurde rot. „So klein bin ich nun auch wieder nicht...“

Danvan spürte eine sanfte Berührung an seinem Arm. Die Frau des Heilers! „Auch Ihr seid verletzt, Daeva. Kommt mit mir. Ich werde euch versorgen.“ Sie legte fast vertraulich einen Arm um ihn und führte ihn aus dem Raum. Im Nebenzimmer hieß sie ihn auf einem Stuhl Platz zu nehmen und öffnete dann Mestellas Verband an seinem Arm. Sie spitzte die Lippen. „Nun, bei einem Menschen hätte ich das sicher genäht, aber bei einem Daeva? Was haltet Ihr davon, wenn ich Odella-Puder benutze?“, fragte sie dann leise. Danvan verzog das Gesicht. Odella brannte höllisch, auch wenn es bewirkte, dass sich die Wunden mehr als schnell schlossen. Er nickte. „Gut. Dann bleibt mir wenigstens keine Narbe.“ „Ihr solltet dankbar sein, dass keine Sehne verletzt wurde, sonst könnte auch Euer Arm steif bleiben. So gesehen, habt Ihr wirklich Glück gehabt!“

Danvans Blick glitt hinüber zu dem Vorhang, der einen Teil des Raumes abtrennte. Er schluckte. „Ist das...“ Die alte Dame nickte. „Ja. Euer Bruder liegt dahinter. Sprecht leise, er schläft.“ „Darf... darf ich ihn sehen?“ „Wenn wir hier fertig sind.“ Kurz fragte sich der Assassine, weshalb sie ihn überhaupt in dieses Zimmer gebracht hatte, wenn doch Albin hier schlief. Doch als sie das helle Puder in seine Wunde streute, hatte er vorerst genug damit zu tun, nicht vor Schmerz aufzuschreien. Keuchend ballte er die Hand zur Faust, so fest, dass seine eigenen Krallen tief in sein Fleisch schnitten. Danvan spürte, wie sich sein Rückenfell sträubte. „Na, na, verletzt Euch nicht selbst dabei, tapfer zu sein!“ „Ich will... ihn nicht... aufwecken!“, knirschte Danvan hervor und wischte sich mit der unverletzten Hand eine Träne aus dem Augenwinkel. Die Heilerin nickte und legte mit flinken Fingern einen sauberen, straffen Verband um seinen Arm. „Lasst ihn zwei Tage dran, wenn Ihr könnt. Danach sollte eigentlich alles in Ordnung sein.“

Der Assassine nickte und schloss die Hand langsam, ehe er sie wieder öffnete. Der Verband machte die Bewegung ohne Weiteres mit – gut. So würde er notfalls auch kämpfen können, wenn es sein musste. Er sah zum Vorhang hinüber. Sein Inneres schmerzte, so dringend wollte er Albin sehen.

„Schon gut. Ich muss Euch nur bitten, ihn nicht zu stören. Er wird überleben, aber nur, wenn er seine Ruhe bekommt.“, meinte die alte Frau, erhob sich und trat zu der Wand aus Stoff. Langsam zog sie das Gewebe zurück und Danvan schluckte.

Albin lag auf dem Rücken, blass wie zuvor. Er wirkte selbst im Schlaf erschöpft, fand der Ältere. Nun fielen ihm erst die tiefdunklen Ringe unter den Augen seines Bruders auf. Man hatte Albin nie als zerbrechlich bezeichnen können, doch nun kam es Danvan so vor, als könne der Jüngere schon bei einer flüchtigen Berührung wie Glas zerspringen, so bleich und abgespannt sah er aus. Ja, verletzlich, zerbrechlich. „Albin...“

„Er wird überleben. Bethbargan kümmert sich um ihn. Aber Euch muss klar sein, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis er wieder in der Lage sein wird, so voller Kraft herumspringen zu können, wie Ihr es tut. Trotz allem, er ist ein Mensch, kein Daeva.“, flüsterte die Heilerin und Danvan nickte. „Ich weiß. Ich bin bereit, ihm und seiner Familie beizustehen, bis er sich erholt hat. Schließlich sind wir Brüder. Er ist das Einzige, was ich noch habe.“ Er sah traurig in Albins bleiches Gesicht. Nur am Rande nahm er wahr, wie ihn die alte Dame allein ließ.

Sie würden die Zeit, die sie in Baltasar bleiben mussten, nutzen, um Kraft zu regenerieren. Er würde die Familie nach Basfelt bringen, ein kleines Dorf in Altgard. Dort würden sie zurechtkommen. Ihr Leben würde einfacher sein als in Brusthonin, wo man der Erde alles, aber auch wirklich alles abringen musste und einem nichts geschenkt wurde. Mehr konnte Danvan nicht tun. Albin und Mestella hatten es in der Hand, sich eine neue Zukunft aufzubauen. Er selbst würde nicht mehr als ein flüchtiger Begleiter sein, vielleicht eine helfende Hand, wenn dies nötig war, doch sonst nichts. Er war ein Daeva im Dienste des asmodischen Volkes. Die Pflicht würde immer über allem anderen in seinem – zumindest auf natürlichem Wege – niemals mehr endenden Leben stehen. Danvan seufzte leise und zog sich einen Stuhl heran. Während er an Albins Bett wachte, wurde ihm klar, der Neuanfang würde nicht einfach werden. Doch sie würden ihr Bestes geben. Das zumindest war er seinem jüngeren Bruder schuldig. Alles weitere würde sich ergeben, wenn es soweit war.

Neue Heimat und vorbestimmtes Schicksal

X.x sorry für die lange Wartezeit, dieses Kapitel hat mich echt fertig gemacht. Ich wusste, wo ich hinwollte, aber nicht, wie ich hinkommen sollte...

wie immer, wenn irgendwo ein Fehler auftaucht, bitte melden, damit ich ihn ausmerzen kann *muhahaha*. Feedback lese ich immer wieder gerne, hilft es mir doch, noch besser zu werden! :D

Viel Spaß beim Lesen!
 

Danvan zog die Seile fest, während Albin ihm gegenüber den Nagel ins Holz schlug. Die beiden Brüder arbeiteten schweigend im klaren Tag. Der Wind trug eine leise Stimme zu ihnen auf das Dach des kleinen Hauses, an dem sie gerade arbeiteten. Albin lächelte, während Danvan bemerkte: „Sie singt wirklich wunderschön.“ Der Jüngere nickte. „Seravas Stimme war schon immer schön, aber seit wir hier sind, ist sie noch besser geworden.“ Er hob den Kopf und sah in den rötlichen Himmel. „Es ist, wie als wäre sie von einer Fessel befreit worden. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich wäre. Aber ihre Stimme klingt zauberhafter als alles, was ich zuvor gehört habe.“ Die Augen schließend, lauschte er auf die Stimme seiner Tochter. Danvan lächelte. „Fall nicht vom Dach vor Bewunderung. Im Gegensatz zu mir hast du nämlich keine Flügel, die deinen Sturz auffangen könnten.“ Doch auch er lauschte auf das stimmungsvolle Lied, das das Mädchen sang. Es geschah nicht allzu oft, dass er solche Gesangskunst zu hören bekam. Er musste wirklich zugeben, seit sie von Brusthonin hierher nach Altgard, in das kleine Dorf Basfelt gekommen waren, hatte sich viel getan. Albin hatte sich erholt, war langsam in der sauberen, reinen Luft wieder genesen, seine Kinder hatten sich ganz neu entfaltet. Aus dem scheuen Felin war ein neugieriger, aufgeweckter Junge geworden, die zurückhaltende Serava sang frei heraus und Lelia... nun, Albins Älteste hatte begonnen, den Jägern Basfelts zuzusehen und von ihnen zu lernen. Erst vor zwei Tagen war sie stolz mit einem selbst gebastelten Bogen nach Hause gekommen.

Nicht, dass ihr Vater das so gutgeheißen hätte, doch im Dorf hatten die Jäger einen sehr hohen Stand und wurden von jedermann respektiert. Zudem trugen sie viel zum Erhalt der Sicherheit der Siedlung bei. Indem sie die immer hungrigen Mosbären und Togs jagten, ihr Fell und das Fleisch herbeibrachten, versorgten sie die Menschen mit Nahrung, Materialien für Kleidung und beschützten sie obendrein.

Albin machte wieder weiter. Jetzt, nach zwei Wochen harter Arbeit war das Haus für ihn und seine Familie beinahe fertig. Es fehlte nur noch am Dach, aber da die letzten Nächte trocken gewesen waren, hatten sie schon einziehen können und sich lediglich aneinander gekuschelt, wenn sie des Nachts schlafen gegangen waren. Zu Beginn hatte Danvan ihm verboten, mehr zu tun, als nur dazusitzen und zuzuschauen, während er und einige seiner Freunde gebaut hatten.

Callahorn, Cidegast, Morvain, Vandros und Kreyion, alles Daeva, mit denen er schon viel erlebt hatte, hatten ihm helfend zur Seite gestanden mit ihrer Kraft und ihrem Wissen, sodass alles schnell vorangegangen war. Jetzt waren nur noch Kreyion und Morvain hier, die anderen waren nach Morheim zurückgekehrt, wo sie gegenwärtig stationiert waren. Gerade hörte er, wie von Kreyion ein leises Kichern kam, dann hörte er Morvain schimpfen. Albin beugte sich fast halsbrecherisch weit über das Dach hinaus und sah nach unten. Lachend drehte er sich dann wieder zu Danvan um. „Sie bespritzen sich gegenseitig mit Farbe. Sind alle Daeva so kindisch?“

Der Ältere schüttelte den Kopf. „Kreyion ist fast so jung, wie er aussieht – lass ihm den Spaß. Und was Morvain angeht... nun, ihm tut es sicher auch einmal ganz gut, mit Jüngeren zusammen zu sein, die nicht so verknöchert sind wie der Großteil der Priester, mit denen er sonst unterwegs ist.“

Albin runzelte die Stirn, sagte aber nichts, sondern konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, mit Danvan das Dach seines neuen Zuhauses zu decken, obwohl die anderen Männer über Flügel verfügten, mit denen sie eventuelle Stürze unverletzt überstehen konnten. Jetzt, wo sich der Jüngere wieder von seiner Verletzung erholt hatte, wollte er zeigen, was in ihm steckte.

Er hatte jeden Tag mit Cidegast, seines Zeichens Gladiator im Dienste Asmodaes, trainiert, ehe dieser in die Kaserne zurückgekehrt war. Zwar hatte sich Albin nie an Cidegasts riesiges Großschwert oder gar die Stabaxt herangetraut, doch sie hatten mit Schwert und Schild geübt. Danvan würde den Ausdruck von Konzentration, Freude und dem Spaß an der Herausforderung, der sich auf Albins Gesicht gezeigt hatte, nicht so schnell vergessen.

„Danvan? Hörst du mir überhaupt zu?“ Der Assassine fuhr zusammen. „Entschuldige. Was hast du gesagt?“ Der Jüngere schüttelte den Kopf. „Ich habe dich gefragt, wann du nach Morheim zurückkehren wirst.“ „Ich weiß es noch nicht genau.“, erwiderte Danvan ehrlich. „Ich möchte noch bleiben, bis ihr euch hier etabliert habt und ohne Hilfe zurecht kommt. So schnell wird das nicht der Fall sein, fürchte ich.“ „Warum nicht? Ich habe mich von meiner Verletzung erholt, und meine Kinder schließen bereits Freundschaften. Sogar Mestella hat schon ein paar Freundinnen hier.“

„Das schon. Aber ich möchte wirklich sicher sein, dass ihr keine Not leidet.“

Albin seufzte. „Danvan, du und die Anderen, ihr habt uns schon so viel geholfen. Das können wir niemals zurückzahlen. Es ist nicht notwendig, dass du mir die Hand hältst, während ich versuche, mein neues Leben aufzubauen.“

Danvan zog das letzte Seil fest und verknotete es, bestrich es mit der Tinktur, die es witterungsbeständiger machen sollte und richtete sich dann auf. „Das ist es nicht, Bruder. Es geht mir vielmehr darum, dass ich mir nicht in alle Ewigkeit vorwerfen möchte, euch nicht genug geholfen zu haben. Betrachte es einfach als die Unterstützung eines jüngeren Geschwisterkindes durch ein Älteres.“ Er sah zu Albin hinüber. „Bist du fertig?“

„Fast.“ Der Jüngere nahm noch weitere Nägel zur Hand und hämmerte sie geschickt in den Balken. „So. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schnell gehen würde.“ Danvan lächelte: „Die Anderen und ich sind ja auch Daeva. Mit Flügeln fällt einem so manches leichter.“ Er bedeutete Albin, auf seinen Rücken zu steigen und breitete die Schwingen aus. Zwar waren sie beide eigentlich zu schwer für ihn, um über weite Strecken zu fliegen, aber wie schon in Brusthonin reichte seine Kraft, um sie sicher zu Boden zu tragen.

Unten kamen ihnen zwei vollkommen farbbespritzte Daeva entgegen, die aber mehr als fröhlich schienen. Kreyion strich sich zwei farbtriefende ehemals rote Zöpfe aus dem Gesicht. Seine grünen Augen blitzten. „Wir sind fertig mit den Malerarbeiten, zumindest draußen. Wie sieht es bei euch aus?“ Albin nickte. „Wir sind ebenfalls fertig. Danke euch beiden für die Hilfe. Ohne euch wären wir wesentlich langsamer gewesen!“

Morvain schüttelte den Kopf und wischte sich mit einem Lappen die helle Farbe von der blauen Haut. „Das war eine Selbstverständlichkeit. Wenn man nicht einmal Freunden hilft, wem dann?“ „Schon. Aber ihr seid in erster Linie die Freunde meines Bruders...“, meinte Albin kleinlaut und der Kantor schüttelte erneut den Kopf. „Siehst du es so? Ich dachte, wir hätten Freundschaft geschlossen in der Zeit, in der wir hier waren.“ „Nein, das meine ich nicht. Ich bin euch wirklich dankbar, dass ihr hier wart...“ Kreyion lachte: „Sei jetzt besser still, bevor du dich um Kopf und Kragen redest. Belassen wir es dabei: Es war eine Selbstverständlichkeit für uns, dir und Danvan zu helfen. Wir haben es gern getan, und geschadet hat es uns sicher auch nicht.“

„Das wohl nicht. Möchtet ihr mit uns essen?“, fragte Mestella, die hinter Morvain aus der Haustür trat. Die beiden Männer nickten dankbar und folgten Albins Ehefrau ins Innere. Bevor Danvan es ihnen gleichtun konnte, hüpfte Serava heran. „Onkel Danvan? Seid ihr jetzt fertig geworden?“ Er lächelte und nickte. „Ja, das sind wir. Jetzt ist euer Haus endgültig bezugsfertig. Freust du dich?“ Das Mädchen strahlte. „Klar! Auch, wenn ich unser altes Haus in Brusthonin vermisse, glaube ich, dass es hier sehr schön ist. Bleibst du bei uns?“ Er zögerte. Dann schüttelte er langsam den Kopf. „Nicht für immer, Kleines. Ich muss dorthin gehen, wohin man mich schickt – letzten Endes bin ich Soldat. Aber ich kann euch jetzt viel leichter besuchen kommen. Ist das nicht auch gut?“

„Ja, schon... aber lass dir nicht wieder so viel Zeit, ja?“, bat sie dann und er lachte. „Ich versuche es. Na los, lass uns hinein gehen, damit deine Mutter nicht wütend wird. Es wäre sicher schade, wenn das gute Essen kalt wird!“ Serava lachte ebenfalls und betrat vor ihm das Haus.

Felin und Morvain saßen bereits am Tisch, während Kreyion Mestella half, das Essen aufzutragen. Der junge Jäger warf Danvan einen schalkhaften Blick zu und stellte die Schüssel mit Zeller auf dem Tisch ab. „Viel fehlt nicht mehr. Dann habt ihr wieder eure Ruhe vor uns, nicht wahr, Morvain?“ Der Ältere seufzte leise. „Das ist wahr. Ich glaube, dass ihr bald wieder gut leben könnt, Albin. Basfelt ist ein guter Ort, voller hilfsbereiter Menschen und guter Lebensqualität...“ Sein Blick ging in die Ferne, fast wehmütig. Danvan erinnerte sich, Morvain stammte aus Altgard, dem Land, das er als neue Heimat für die Familie seines Bruders erwählt hatte. Dieses Land, hier, dieses sprichwörtliche Paradies im Vergleich zur Fäulnis Brusthonins. Er war dauerhaft in Beluslan stationiert, dem Land im Eis. Im Besfer-Flüchtlingslager half er denen, die flohen vor den Bedrohungen der Natur, die sich gegen ihre Bewohner wandte. Hier zu sein musste für ihn so etwas wie Urlaub darstellen von einer Welt, in der er täglich Leid von Flüchtlingen und Verfolgten mitbekam.

Der Kantor sah auf, als sich Kreyion neben ihn fallen ließ. „Rück mal ein Stück, damit ich auch noch zu euch auf die Bank passe! So schmächtig und braucht so viel Platz!“, beklagte sich der Jäger mit einem Lächeln auf den Lippen. Felin lachte und Kreyion warf ihm ein breites Grinsen zu. Morvain schüttelte den Kopf und rutschte ein Stück zur Seite. „Nun gut. Mestella, das riecht wirklich ausgezeichnet! Was bekommen wir heute zu essen?“, fragte er dann. Die junge Frau strahlte. „Ich habe mich an einem Rezept versucht, in dem Airon-Brustfleisch nach Altgard-Art gekocht wird. Es ist das erste Mal, dass ich mich an einem so großen Vogel versucht habe.“

Albin lachte und setzte sich auf den Stuhl am Kopfende. Er warf einen neugierigen Blick in den großen Topf, den seine Frau auf dem Tisch absetzte. „Stimmt, der ist ein bisschen größer als die Methus, die wir gewohnt sind!“ Mestella schüttelte den Kopf. „Du musst ihn nicht ganz essen, es reicht auch, wenn wir für morgen noch etwas haben.“, neckte sie ihn und Albin lächelte gutmütig. „Ich bin eben groß und kräftig und brauche viel zu essen!“ Danvan seufzte leise und nahm sich aus der Zeller-Schüssel. In Momenten wie diesen, wo er die Familie so einträchtig beieinander sah, vermisste er Milana und seine Tochter mehr als alles andere. Er konzentrierte sich darauf, das Fleisch sauber vom Knochen zu schälen und nicht weiter über Vergangenes nachzugrübeln.

Er aß schweigend, warf nur einmal Felin ein verschwörerisches Lächeln zu, als Milana ihrem Sohn das Versprechen abzunehmen versuchte, nicht das Dorf zu verlassen. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass Kinder dazu neigten, Verbote zu ignorieren, und sei es auch nur, um ihre eigenen Grenzen auszuloten. Da war es allemal besser, wenn er mit Felin gemeinsam auf Erkundung ging.
 

Nach dem Essen vereinbarten die Männer, sich erst morgen wieder zu treffen, nachdem sie schließlich nur noch den Innenausbau vor sich hatten. Das Hauptaugenmerk würde hierbei auf Kreyions Tischlerfähigkeiten liegen, der Jäger war – neben so vielen anderen Vorzügen – ein mehr als passabler Handwerker. Morvain würde hingegen nach Beluslan zurückkehren, weshalb sich Danvan von ihm verabschiedete. Der Kantor wirkte wehmütig, seine alte Heimat zurücklassen zu müssen, aber das war eben ihr Schicksal. Ein Daeva Asmodaes hatte dorthin zu gehen, wohin man ihn schickte, nicht dorthin, wohin sein Herz ihn trieb. Zumindest hatte er einige Zeit in Basfelt verbringen dürfen, dachte sich Danvan, dem seine eigene Rückkehr nach Brusthonin noch immer in den Knochen steckte. Nicht immer war ein Wiedersehen der Heimat so angenehm wie in Morvains Fall.

„Danvan? Ich würde gerne mit dir unter vier Augen sprechen.“, meinte Albin plötzlich leise. Sie saßen zurückgelehnt vor der Haustür und sahen den Dorfkindern und Felin beim Fangen spielen zu. Danvan warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu und nickte. „Sicher. Was gibt es?“

„Es geht um das, was du bist.“, begann Albin leise und nachdenklich. „Ich meine, du bist jetzt ein Daeva. Hast du es je... bereut?“ „Bereut, unsterblich geworden zu sein?“, gab Danvan zurück. „Nun ja, ein bisschen vielleicht schon. Am Anfang auf jeden Fall, als der Schmerz noch frisch war. Jetzt... man gewöhnt sich daran, denke ich. Es hat sicher auch gute Seiten, nicht alt zu werden.“ Er sah in die Ferne. „Es ist ein gutes Gefühl, Leben zu retten, die sonst verloren gehen würden. Aber ich hasse es, töten zu müssen. Ich weiß, es ist mein Beruf, ich bin Attentäter, kein Leibwächter, aber das macht es nicht unbedingt leichter. Trotzdem, die Zeit hier, wenn ich dir helfen kann, fühlt sich an wie Urlaub, trotz der harten Arbeit. Es ist einfach friedlich, und ich weiß, dass es euch später das Leben leichter machen wird.“ Albin nickte. „Ich weiß nicht, was ich an deiner Stelle getan hätte. Ich meine, ich kann es mir kaum vorstellen, plötzlich... unsterblich zu sein. Und die Vorstellung, Mestella und die Kinder alt werden zu sehen, macht mir Angst.“ Er sah Danvan an mit einem Blick, der klar machte, wie sehr Albin noch immer auf Danvans Rat angewiesen war, ganz gleich, wie erfahren er selbst war. „Wenn ich sterbe... wirst du dich dann um Mestella und die Kinder kümmern? Sie haben nur noch mich.“ „Albin! Was soll das? Du bist jung und gesund! Mach dir keine Gedanken über solche Sachen!“, wehrte Danvan erschrocken ab. Albin jedoch schüttelte nur den Kopf. „Als ich so krank war, ist mir klar geworden, wie dünn der Lebensfaden eines Menschen wirklich ist. Es kann so schnell gehen – eine winzige Verletzung, die sich entzündet, ein falscher Tritt... ich möchte nur wissen, dass es meiner Familie gut geht, falls ich einen Unfall haben sollte.“

Danvan seufzte tief. „In Ordnung. Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Als ich meine Familie verloren habe, fühlte ich mich, als würde die Welt in Scherben fallen. Ich wünsche dir und deiner Familie nur, dass ihr so etwas nie erleben müsst.“ Er legte ihm die Hand auf die Schulter und drückte sanft zu. „Mach dir keine Sorgen. Ich werde ein Auge auf euch haben. Euch alle. Ich habe immerhin alle Zeit der Welt, oder?“ Es fiel ihm nicht schwer, seinen jüngeren Bruder anzulächeln, und es wurde noch einmal leichter, als er Albins Augen hoffnungsvoll aufleuchten sah.

„Hast du eigentlich schon geplant, wie du das Haus einrichten möchtest?“, fragte er dann. Albin lachte. „Ich nicht, Mestella schon. Ernsthaft, ich glaube es ist besser, wenn sie das erledigt. Sie war schon immer besser, was häusliche Ordnung anbelangt. Mir bleibt der Stall, wo ich mein Unwesen treiben kann.“ Danvan nickte. „Gut, dann soll sich Kreyion einfach mit ihr zusammen setzen und alles ausarbeiten. Wir können immer noch als Möbelpacker mitarbeiten, wenn es soweit ist.“

Albin lachte. „Möbelpacker – ich glaube, ich habe selten etwas so gehasst, wie schwere Dinge von einem Ort zum anderen zu tragen! Nun, aber wenn ich die Sachen im Haus haben möchte, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, oder?“ „Wohl nicht.“, gab Danvan zurück. Dann runzelte er die Stirn.

„Siehst du den Mann da vorne?“ Er deutete auf einen jungen Mann in der Kluft der Jäger, der es ziemlich eilig zu haben schien. Albin nickte. „Wohl einer der Jäger. Ich frage mich, was das wird.“

Die Tatsache, dass er schnurstracks zur Herberge rannte, irritierte Danvan. „Soll ich ihm nachlaufen? Scheint, als wäre es wichtig.“ Albin seufzte. „Wenn etwas ist, kannst du immer noch gehen. Er ist immerhin nicht direkt zu uns gekommen, oder?“ Danvan nickte. „Auch wieder wahr. Ich sollte mich nicht zu sehr daran gewöhnen, dass Daeva immer und überall gebraucht werden. Wenn man sich zu sehr in die Belange der Menschen einmischt, verdirbt man es sich nur mit ihnen.“ Er lehnte sich zurück.

„Die Wärme ist wirklich angenehm. Aber ich glaube, wir sollten wirklich am Stall weiterarbeiten. Ich möchte, dass ihr so schnell wie möglich wieder in der Lage seid, euren Lebensunterhalt zu verdienen.“ Albin lächelte. „Danke, Danvan. Du weißt, ich stehe tief in deiner Schuld für all die Hilfe, die du mir zukommen lässt. Lass uns anfangen.“

Die beiden Männer erhoben sich und gingen um das Haus herum, wo bereits die Grundmauern für den einfachen Stall standen. In Brusthonin hatten sie lediglich einen kleinen Unterstand gehabt, aber dort hatten sie Kures besessen, die wesentlich widerstandsfähiger waren als die kleineren Porgus, die in Basfelt gezüchtet wurden. Danvan sammelte seine Mörtelkelle auf. „Also los.“
 

Sie hatten etwa zwei Stunden gebaut, als plötzlich Mestella vor ihnen stand. Albin sah auf, während Danvan den letzten Stein einpasste. „Was gibt es?“

Die junge Frau trat zur Seite und gab den Blick auf einen der Wächter des Dorfes frei. Der Mann schwitzte und wirkte blass um die Nase. „Danvan, du bist ein Daeva, richtig?“ Als Danvan mit gerunzelter Stirn nickte, fuhr er fort: „Ich brauche deine Hilfe. Vorhin sind die Jäger mit sämtlichen anderen Daeva in Richtung des Mau-Versteckes losgezogen, um den verfluchten Katzenmenschen mal wieder klar zu machen, wie sie sich uns Menschen gegenüber zu verhalten haben. Erst gestern sind einige Vorräte aus den Vorratsspeichern von ihnen geklaut worden, und heute haben wir sie im Süden herumstromern gesehen.

Das Problem ist allerdings, dass uns jetzt keine Kämpfer zur Verfügung stehen – und dass wir einige Mosbären gesehen haben, die sich verdächtig nah an den Barrikaden herumtreiben.“

Danvan schluckte. „Mosbären? In Ordnung, ich komme. Albin, kannst du so lange alleine weitermachen?“ Sein Bruder nickte, hielt dann aber inne. „Wäre es nicht besser, wenn ich euch helfe? Je mehr Leute wir sind, desto eher können wir die Tiere einschüchtern, oder?“ Danvan schüttelte den Kopf. „Ehrlich gesagt, bin ich mir dessen nicht sicher. Mosbären sind keine gewöhnlichen Bären, die man mit schierer Menge vertreiben kann. Es wäre mir lieber, wenn du hier bleiben würdest, du hast dich erst von deiner Krankheit erholt...“ Doch ein Blick in Albins entschlossenes Gesicht zeigte ihm, dass er auf verlorenem Posten stand – wenn sich sein Bruder einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte er verflucht stur sein. Er seufzte. „Also gut. Komm mit. Aber sei vorsichtig.“

Er holte seine Waffen aus dem Haus und folgte dem Wächter und Albin dann nach Norden zum Ausgang des Dorfes. Immer wieder sah er vom Hügel aus, den es abwärts ging, braunes Fell aufblitzen. Er reichte Albin eines seiner Schwerter. „Nimm. Und bleib um Himmels Willen bei mir. Mich können sie nicht so einfach töten, aber dich, wenn sie dich allein erwischen.“ „Du glaubst, sie werden angreifen?“, fragte der Jüngere verunsichert und Danvan zögerte. Er hatte schon Erfahrungen mit Mosbären gesammelt. Die Tiere konnten aggressiv reagieren, wenn sie nur hungrig genug waren. „Ich weiß es nicht.“, meinte er schließlich. „Es ist besser, auf Nummer Sicher zu gehen.“

Sie erreichten die Barrikade kurze Zeit später, wo Danvan den Wächtern freundlich zunickte. Elvan, den Ältesten, kannte er von einem früheren Besuch in Basfelt, der ältere Mann war einer der erfahrenen Wächter, während die anderen drei, einschließlich desjenigen, der ihn geholt hatte, noch eher jung und unsicher wirkten.

„Sie drücken sich schon den ganzen Tag hier herum. Was mir allerdings Sorgen macht ist, dass es sich fast ausschließlich um Männchen und große Weibchen handelt. Das ist kein gutes Zeichen, bedeutet es doch, dass sie scheinbar wirklich Hunger haben.“, erklärte Elvan. „Außerdem habe ich einige Mumus gesehen.“ Er zögerte und Danvan fragte: „Du nimmst an, dass sie angreifen werden?“

Elvan nickte. „Ja. Wenn sie es nicht von sich aus tun, werden die Mumus sie dazu bringen. Die kleinen Biester sind verdammt schlau, wenn es darum geht, Größere gegeneinander aufzustacheln.“ Danvan schluckte. „Habt ihr Ausrüstung hier? Mein Bruder ist größtenteils unbewaffnet.“ Der Wächter lachte. „Selbstverständlich. Kommt mit.“ Er führte sie zu einer großen Kiste, die gut versteckt halb unter einer der Barrikaden lag und öffnete den schweren Deckel. Eine ordentliche Auswahl an Waffen, Schilden und sogar vereinzelten Rüstungsteilen kam zum Vorschein. Er zögerte, maß Albin mit einem aufmerksamen Blick, dann grub er ein Schwert und einen Schild aus der Truhe und reichte sie ihm. „Hier. Das müsste dir passen. Gib ihm das Schwert zurück, das ist zu leicht für dich.“ Mit einem Stirnrunzeln gehorchte Albin und Danvan nahm die Waffe zurück. Tatsächlich bevorzugte der Attentäter etwas leichtere Schwerter als der Durchschnitt, aber der Durchschnitt hatte auch keine Wände zu erklettern oder in Häuser einzusteigen. Dann legte der Wächter Albin noch Beinschienen und einen Schulterschutz an. „Tut mir leid, aber wir haben keine umfassendere Rüstung. Armschienen wären ohnehin zu viel des Guten, da du ja schon einen Schild trägst. Du bist nicht besonders geübt mit den Waffen, stimmts?“ Albin nickte zähneknirschend und Elvan lachte. „Dann wäre dir das Zeug ohnehin zu schwer.“

Albin schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht. Ich wundere mich nur, wie sehr schon diese paar Teile meine Bewegungsfreiheit einschränken.“ Diesmal brach Elvan in schallendes Gelächter aus. „Jetzt schon? Solltest mal eine volle Plattenrüstung tragen, dann reden wir weiter.“ Albin war offensichtlich peinlich berührt, denn ihm stieg die Röte ins Gesicht. Er knirschte: „Danke, aber das ist nichts, worauf ich übermäßigen Wert lege. Ich bin Bauer, kein Krieger.“ Elvan wurde ernst. „Schon gut, Junge. Ich weiß, es ist eigentlich eine dumme Idee, einen wie dich zum Dienst an der Barrikade heranzuziehen, aber die ganzen Jäger sind den Mau hinterher, anstatt zumindest noch ein wenig Reserve hier zu lassen. Wir müssen nehmen, was wir bekommen können, stimmts?“ Er klopfte Albin auf die Schulter und platzierte ihn in rechts von sich und links von Danvan, sodass sich dieser gleich viel entspannter fühlte. Wenn sein unerfahrener Bruder in der Mitte zweier Kämpfer stand, sollte es eigentlich keine Probleme geben. Hoffte er zumindest. Ab jetzt konnten sie nur noch warten, was die Mosbären wohl tun würden.
 

Danvan seufzte. „Wenn sie nur endlich kommen würden.“ Seit fast zweieinhalb Stunden saßen sie bereits an der Barrikade und warteten. Berent, einer der jüngeren Wächter, nickte ähnlich entnervt. „Mistviecher. Die Mumus, meine ich. Wie gerne hätte ich jetzt einen der Jäger hier, der sie einfach abknallen würde!“ Danvan schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, mit Bögen war ich noch nie gut.“

Elvan gab zurück: „Ruhig. Da tut sich etwas. Seht hin!“

Einen Moment lang war Danvan geneigt, ihn einfach nur auszulachen, doch dann sah er es auch. Die Mosbären bewegten sich tatsächlich auf sie zu. Langsam, zögerlich zuerst, doch unter dem schrillen Pfeifen der Mumus – wohl so etwas wie Sprache – wurden sie immer schneller. Danvan schluckte. „Schwerter!“ Die anderen Wächter gehorchten und zogen mit ihm die Waffen. Albin an Danvans Seite wirkte gefasster als Stunden zuvor, auch wenn der Ältere sehen konnte, wie fest die Hand seines Bruders um das Heft geklammert lag.

Dann waren die Kreaturen heran. Bereits der erste Hieb einer der Kreaturen holte Danvan fast von den Füßen, nur mit Mühe konnte er sich auf den Beinen halten. Am anderen Ende der Barrikade hörte er ein unterdrücktes Keuchen, als sich Ivar gegen den Ansturm eines weiteren Bären stemmte. Albin blockte einen dritten Bären mit seinem Schild, tatkräftig unterstützt von Elvan, der der Kreatur emotionslos das Schwert in die Seite rammte. Mit einem Brüllen fuhr das Tier herum und schlug nach dem Wächter, öffnete dadurch aber seine Deckung, was Albin die Gelegenheit zum Gegenschlag gab. Danvan blockte den Hieb seines eigenen Mosbären mit beiden Schwertern, drehte sich dann und brachte der Kreatur mit einer Drehung seines Handgelenks einen tiefen Schnitt in der Pfote bei. Doch hatte er erwartet, der Bär würde zurückweichen, so hatte er sich geirrt. Das Tier schien den Schmerz nicht einmal zu spüren, sondern holte aus und drosch Danvan mit voller Wucht gegen die Schulter, sandte ihn diesmal vollends zu Boden.

Der Daeva spürte fast sofort, wie sein Arm begann, taub zu werden, doch er sprang wieder auf, als das Tier ihm hinterher tappste. Er gab der Kreatur nicht einmal mehr die Zeit, erneut anzugreifen, sondern ließ das Schwert fallen und riss mit einer fließenden Bewegung den vergifteten Dolch aus der Stiefelscheide und rammte ihn in eines der haarigen Beine vor sich. Diesmal brüllte der Bär, doch Danvan war klar, dass es jetzt nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Tier das Zeitliche segnen würde. Er sprang auf die Füße, gerade noch rechtzeitig, um den Mosbären davon abzuhalten, ihn einfach niederzutrampeln. Mit einem weiteren schnellen Schlag seines Schwertes klaffte ein zweiter Schnitt im dicken braunen Fell der Kreatur. Der Bär zögerte, was Danvan die Möglichkeit gab, mit dem vergifteten Dolch eine simple magische Rune in sein Fell zu schneiden, die er gleich darauf explodieren ließ. Der Mosbär taumelte, sichtlich verwirrt. Jetzt endlich schien auch das Gift zu wirken, denn das nächste Knurren aus der Kehle des Tieres klang eindeutig schmerzerfüllt. Danvan war überrascht, als er in den dunklen braunen Augen plötzlich die Kampfeslust erlöschen sah. Mit einem tiefen Grollen drehte sich der Bär dann langsam um und trottete davon, nur um am Fuß des Hügels endgültig zusammenzubrechen.

Danvan runzelte die Stirn, doch als er Ivars Schmerzensschrei hörte, fuhr er heftig zusammen. „Danvan! Kümmere dich um die Jungs drüben! Wir kommen hier schon klar!“, rief Elvan und stach nach einem Mosbären direkt vor sich. Der Meuchler nickte und sprang hinüber zum anderen Ende der Barrikade, um Ivar und Vorus zu helfen.

Die beiden Männer wurden von zwei Bären und einen Mumu hart bedrängt, wobei Vorus bereits verletzt war. Blut rann ihm dunkel das rechte Bein herab, ließ Danvan erschauern. Doch er warf sich ohne zu zögern in die Schlacht, stieß gar noch einen dröhnenden Kampfschrei aus. Der Mumu, wohl überrascht ob der Verstärkung, wich zurück. Es war das letzte, was er tat. Danvan warf seinen Dolch nach der dicklichen Kreatur und traf sie direkt unterhalb der spitzen Nase. Mit einem Gurgeln ging der Mumu zu Boden, während Danvan bereits seinen zweiten Dolch aus dem anderen Stiefel riss.

Die beiden Mosbären gestalteten sich als schwierigere Gegner, wohl nicht zuletzt, weil Ivar und Vorus ihm eigentlich mehr im Weg standen, als dass sie ihm wirklich helfen konnten. Beide Wächter schienen so erschrocken ob der Wucht der Mosbären, dass sie wie gelähmt dastanden und nur mit Mühe ihre Defensive aufrechterhalten konnten. Danvan blockte einen Hieb des rechten Tieres und brüllte Ivar eine Warnung zu, die jedoch zu spät kam. Der Wächter ging in einer Wolke aus Blut zu Boden, als sein Mosbär ihm eine krachende Ohrfeige versetzte. „Ivar!“, keuchte Vorus und duckte sich hinter seinen Schild, wurde dann aber um zwei Schritte zurückgeworfen, als der zweite Bär ihn attackierte, Danvan schlicht ignorierend. Der Attentäter hatte mit der ersten Kreatur ohnehin genug zu tun, als dass er sich auch noch um Vorus' Mosbären hätte kümmern können. Er hörte Elvan irgendetwas schreien, das in Albins Fluch unterging. Ivar mühte sich zitternd auf Hände und Knie zurück, während Danvan sich weiterhin mit dem wildgewordenen Tier vor sich beschäftigen musste. Wo sich Berent befand, wusste Danvan nicht, und im Moment war es ihm auch herzlich egal. Es gelang ihm, den Mosbären mit einem nur mehr halbwegs gezielten Hieb ins Auge zu töten. Einen Moment lang blieb er keuchend stehen – und sah einen Mosbären in die kleine Senke laufen, die der Bach, der Basfelt durchschnitt, gegraben hatte. Mit einem Fluch setzte er über die Barrikade und folgte dem Tier, ehe es den Hang erklettern und die mehr oder weniger hilflosen Dorfbewohner attackieren konnte. Die Kinder spielten noch draußen!

Danvan warf sich mit einem Kampfschrei auf den Bären, rammte den Dolch wie auch das Schwert in den Rücken der Kreatur, die sich brüllend aufrichtete. Der Ruck, der durch den Körper ging, war so hart, dass Danvan das Schwert fallen ließ, während sich seine Rechte nach wie vor um den Griff des Dolches klammerte. Er wurde einfach mitgerissen! Aus dem Augenwinkel sah er, wie das Schwert aus dem Fell des Bären rutschte und hörte, wie es klirrend im Bachbett aufschlug, doch in eben diesem Moment schlug die Kreatur nach ihm, brachte Danvan einen blutigen Kratzer am Bein bei. Keuchend gelang es Danvan, den Dolch aus der Wunde zu ziehen und dabei auch noch auf den Füßen zu bleiben. Der Mosbär brüllte erneut und rammte den Kopf in den Bauch des Daevas. Mit einem Würgen ging Danvan diesmal doch zu Boden und landete hart auf den vom Wasser rundgeschliffenen Steinen, ein Bein im Bach, das andere am Ufer. Fauchend richtete er sich wieder auf, entfaltete seine nachtschwarzen Schwingen. „Komm schon, Mistvieh!“, zischte er und hob den Dolch. Er wusste, seine Augen glühten rot vor Wut. Der Mosbär zögerte. Dann knurrte das Tier und warf sich tatsächlich vorwärts! Danvans Mundwinkel verzogen sich, als er mit einer eleganten Drehung auswich und dem Tier die Klinge ins Auge trieb. Der Mosbär stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum. Keuchend blieb Danvan einen Moment lang stehen, dann sammelte er sein Schwert auf, das in den Bach gefallen war und schüttelte sich.

Doch jegliche Entspannung wich, als er Elvans spitzen Schmerzensschrei hörte. Er rannte zurück zur Barrikade, nur um zu sehen, wie einer der Bären Ivar den Arm brach. Berent lag neben Elvan am Boden in einer Blutlache und rührte sich nicht. Von Albin war nichts zu sehen und einen Moment lang fürchtete Danvan schon das Schlimmste, doch Vorus' Schrei unterbrach jeglichen Gedanken an seinen Bruder. Der junge Wächter hatte sich zweier Mumus zu erwehren, die ihn mit ihren Speeren traktierten. Zwar hatte Vorus noch seinen Schild, doch sein Schwert war ihm offensichtlich abhanden gekommen, sodass er sich jetzt mit einem Knüppel – wohl eher ein Ast, der von einem anderen Mumu verwendet worden war – zur Wehr setzen musste. Danvan brüllte und warf sich auf die kleinen, runden Kreaturen. Einer von beiden brach er mit seinem Ansturm die Nagezähne, der anderen hackte er mit dem Schwert den Rattenschwanz ab. Beide Mumus kreischten auf, und beide attackierten ihn in der Folge fast gleichzeitig. Dem Speer von rechts konnte er noch ausweichen, doch der von links riss eine Schramme in seine Lederrüstung, von der Blut davonstob. Danvan fluchte. Warum erwischten die Biester nur immer wieder das dünne Leder und nicht die gehärteten Stellen, von denen ihre Waffen abprallen würden?

Er knurrte, holte mit der Rechten aus und schlug gleichzeitig mit der Linken zu. Zu seiner Überraschung zerteilte er die Kreatur in der Mitte, als er das Schwert vertikal abwärts in einen Gewalthieb zwang. Der andere Mumu fiel nur Sekunden später, als Danvan schlicht den Dolch nach vorne stieß und die rattenartige Kreatur damit offensichtlich lebensgefährlich verletzte.

Danvan hob den Kopf und sah sich um. Er sah, wie Elvan mit dem letzten Mosbären rang, seinen linken Arm schonend und etwas wackelig auf den Beinen. Nicht zögernd sprang er vorwärts und rammte der Kreatur den Dolch in den Nacken. Mit einem Grunzen ging das Tier zu Boden und erhob sich nicht wieder.

Der Daeva richtete sich keuchend auf und Elvan ächzte: „Noch etwas?“ Danvan schüttelte den Kopf. „Nein. Das waren alle.“ Fünf Mosbären und sechs Mumus lagen erschlagen vor der Barrikade.

„DANVAN!“

Der Schrei kam so plötzlich, dass Danvan heftig zusammenfuhr. Vorus rannte bereits los, in Richtung des Endes der Barrikade. Der Attentäter sah einen sechsten Mosbären ausholen und spürte, wie ihm sämtliches Blut aus dem Gesicht wich. „ALBIN!“ Er stürzte vorwärts, als er das Stöhnen hörte, als der Bär zuschlug. Vorus trieb mit bloßer Wut den Bären zurück, während Elvan an ihm vorbeisprintete und der Kreatur im vollen Lauf das Schwert bis zum Heft in den Körper trieb. Danvan war es gleichgültig. Er hatte nur Augen für seinen Bruder, der zwischen der Barrikade und dem Steilhang des Hügels lag. „Nein!“

Er sprang über Ivars zusammengesunkenen Körper hinweg, hatte keinen Blick für den ebenfalls verletzten Wächter übrig. All seine Aufmerksamkeit galt Albin. Der jüngere Mann lag schwach zitternd auf dem Rücken, seine Kleidung zerfetzt und blutig, das Haar schweißnass und ebenfalls blutverschmiert.

Danvan fiel bei ihm auf die Knie. „Albin, was ist? Wo bist du verletzt?“, fragte er, doch da sah er es schon. Der Mosbär hatte Albin am Bauch erwischt und wie es Danvan schien, war der Angriff mit äußerst viel Kraft erfolgt. Blut pulsierte mit jedem Atemzug aus der tiefen Wunde, die viel zu schwerwiegend war, als dass Danvan auch nur noch irgendetwas hätte tun können. Nicht einmal ein Heiler war hier! Sein Bruder hustete blutigen Speichel hervor. „Danvan...“

„Ich bin hier, Albin.“ Er wusste, dass der Jüngere im Sterben lag. Im stiegen Tränen in die Augen, als er ihn sanft in die Arme nahm. „Danvan...“ Er nickte. „Ja, Kleiner, ich bin bei dir!“Er hielt seinen Bruder fest, als Albin würgte, erneut hustete. Blut sprühte von den blassen Lippen, zeigten Danvan, dass es tatsächlich zu Ende ging. Er schluchzte leise. Wenn er irgendetwas tun konnte, so war es, bei Albin zu bleiben, bis es vorbei war. Er hielt die eiskalte Hand seines Bruders, beobachtete, wie die Farbe aus Albins ohnehin blassem Gesicht wich.

Er fuhr zusammen, als sich der Jüngere plötzlich krümmte, den Rücken durchbog, nach Luft röchelte und sich in Danvans Hand krallte. „Ich bin da für dich! Schon gut, Kleiner, hab keine Angst!“, flüsterte er, als er das Entsetzen in den Augen seines Bruders sah.

Albin schrie, wobei Danvan deutlich Schmerz und Angst in der Stimme seines Bruders hörte. Albins Klauen kratzten über den Boden, als er sich in seinem qualvollen Sterben wand. Es war schrecklich anzusehen. Nach allem, was er getan hatte, um Albin das Leben zu retten und seiner Familie ein neues Heim zu geben, schien es, als würde ihm das Schicksal ins Gesicht spucken. Jetzt, wo sich endlich alles zum Guten hätte wenden sollen, starb der, um den sich alles drehte – die Kinder waren noch zu klein, um ohne einen Vater auskommen zu können! Danvan weinte, hielt Albins zitternde Hand, während sich der Jüngere vor Schmerzen wand.

Plötzlich jedoch erstarrte Albin, starrte gen Himmel, ehe sich mit einem Ruck blauschwarze Schwingen entfalteten, Danvan halb umwarfen dabei. Der Ältere blieb sprachlos sitzen. Seine Gedanken waren wie eingefroren, ehe sie dann schlagartig zu rasen begannen. Albin war wie er! Ein Daeva, geflügelt und, ja unsterblich!

Der Jüngere sah verwirrt auf, während die tödliche Wunde in seinem Bauch ohne weiteres Zutun heilte. „Danvan...? Was... was geschieht mit mir?“ Danvan schüttelte den Kopf, zu überwältigt, um irgendetwas zu sagen. Schließlich brachte er hervor: „Du bist wie ich!“

Als er die Angst in Albins Augen sah, berührte er seinen Bruder sacht an der Wange. „Hab keine Angst. Ich lasse dich nicht allein.“ „Aber... was wird aus Mestella und meinen Kindern?“ Danvan erschrak, als er die Tränen in Albins Augen sah. „Es heißt, das Leben eines Daeva ist nicht mehr sein eigenes allein!“, meinte der Jüngere leise und setzte sich langsam auf. Danvan nickte. „Das stimmt. Aber das heißt nicht, dass du ihnen nicht mehr helfen darfst, oder dass du sie nicht mehr sehen darfst. Sicher, du musst jetzt Asmodae verteidigen, aber du musst dafür nicht alle Bande durchtrennen! Ich habe es doch nur getan, weil zu Hause nur Schmerz und Trauer auf mich warteten, aber du kannst anders handeln!“

Albin schluckte schwer, fuhr nachdenklich mit der Hand durch die schwarzen Federn seiner Flügel. „Ich muss sie nicht für immer verlassen?“ Er klang so jung, als er das sagte, dass sich Danvan unwillkürlich an ihre Jugend erinnerte. Er hatte Albin immer beschützt, als der Ältere war dies seine natürliche Pflicht gewesen. Er hatte es gern getan – und er würde es auch weiterhin tun, sollte das nötig werden.

„Nein, musst du nicht. Viele Daeva aus nicht-daevischen Familien tun es, um ihre Verwandten nicht altern sehen zu müssen. Aber das heißt nicht, dass es Pflicht ist.“

Der Jüngere zögerte, noch immer unsicher auf die schwarzen Schwingen starrend, die er um sich gelegt hatte. Dann meinte er: „Ich werde also Mestella und meine Kinder altern und sterben sehen, während ich von der Zeit unberührt bleiben werde?“ Trauer lag in seiner Stimme und es tat Danvan Leid, dass er nicken musste. Albin nahm es ruhig auf, wirkte aber doch noch verletzt und sehr, sehr traurig.

„Ich denke, ich kann ihnen aber zumindest doch noch helfen. Wäre ich stattdessen hier gestorben, wären sie jetzt ganz allein. Mestella ist eine starke Frau. Sie wird sich schon durchschlagen können, auch wenn ich nur selten da sein kann, wie ich fürchte. Ich lasse sie nicht fallen!“, meinte er dann. Danvan spürte, wie sein jüngerer Bruder seine Kraft zurückzubekommen schien. Er wusste, Albins Stärke war sein unerschütterlicher Glaube an den Erfolg, der bis an Sturheit grenzen konnte. Er war dankbar, dass sein Bruder so war, denn so war er in der Lage, sich ans Leben zu klammern, wo viele andere bereits aufgegeben hätten.

Albin richtete sich auf. „Ich muss es ihnen sagen, bevor ich gehe. Denn dass ich gehen muss, steht wohl außer Frage, schon allein, weil ich mich in Pandaemonium vorstellen muss?“ Er sah Danvan an, der leise nickte. „Bleibst du bei mir, falls sie Fragen haben, die ich nicht beantworten kann?“ Danvan neigte den Kopf. „Natürlich.“ Im Geiste kehrte das Lächeln zu ihm zurück. Albin und seine Familie würden auch diese Schwierigkeit meistern. Dessen war er sich jetzt sicher.



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Tina_1990
2012-11-12T21:48:13+00:00 12.11.2012 22:48
Moah <3
Super Kapitel *.* Ein HappyEnd x3
Ich bin so erschrocken als Albin doch nochmal verletzt wurde und fast gestorben wäre, aber dann hast du ihn noch gerettet *.*
Hat mir sehr gefallen :)
Kriegt man da vllt irgendwann noch mehr zu lesen?:D

Von:  Tina_1990
2011-12-31T11:35:53+00:00 31.12.2011 12:35
Meine erste Fanfic die ich hier nun gelesen habe, und das auch noch zu Aion*.*

Dein Schreibstil gefällt mir :)
Sehr gefühlvoll und ergreifend. Bei mir hats schon bei den ersten Geschehnissen gekribbelt als es um Frau und Tochter ging T.T

Da ich das Spiel selbt spiele und auch einmal einen Asmodier gespielt habe kann ich es mir nur umso deutlicher und besser vorstellen :) Das macht deine Geschichte auch so spannend ^.^

Ich hoffe du schreibst bald weiter und würde mich gerne über eine Nachricht freuen sobald ein neues Kapitel da ist =)

Von:  Rooro
2011-03-02T08:21:37+00:00 02.03.2011 09:21
So, bin ich auch endlich mal zum Lesen gekommen, sorry, dass es solange gedauert hat xD“

Was ich mich gerade frage, warum bringt er seinen Bruder nicht sofort nach Baltasar, sondern wartet und sieht regelrecht zu, wie er stirbt? Man sollte doch meinen, jede Minute wäre kostbar in solch einem Augenblick.
Und ich hab nicht ganz verstanden, wie Danvan seinen Bruder getragen hat. Er hatte ihn doch auf dem Rücken, ging das überhaupt, wenn dort Flügel und seine Schwertschneiden sind?

Das Ende kam etwas überraschend! Dachte, dass sie es entweder ins Dorf schaffen würden oder dass Albin noch vorher stirbt. Doch dass Danvan jetzt eine Entscheidung treffen musste….. wetten, er fliegt jetzt mit ihm weiter und hofft, dass Frau und Kinder zu Fuß sicher ankommen werden? Ich zumindest hätte wahrscheinlich/vielleicht/ eventuell so entschieden.

Auszusetzen gabs an diesem Kapitel eigentlich überhaupt nichts, einwandfrei geschrieben, keine Klagen ^^
Von:  Rooro
2010-11-02T10:10:14+00:00 02.11.2010 11:10
Mich wunderts, dass Danvan über die giftigen Felder gelaufen ist. Wieso ist er nicht einfach drüber geflogen? Bzw, wenn er unsterblich ist und nur im Kampf getötet werden kann, würde ihm dann die giftigen Dämpfe recht schaden?
haha, der Schreckmais ^^ Wie ich mir den vorstell? Hmm, also erst mal hat das Ding drei unterschiedlich lange Wurzeln, auf denen es läuft. Die Blätter hängen wie Armrümpfe aus seinem dünnen Stängel und dann eben die drei Kolben. Und die Maiskolben selbst haben irgendein Monstergesicht mit scharfen Zähnen, der Stängel übrigens auch. Da ist das Gesicht aber eher angedeutet, so dick ist der Stängel ja nicht. So ungefähr hab ich mir den jetzt vorgestellt xD“
Sehr gut war die Stelle, wo du erklärt hast, warum er noch Dolche mit sich führt. Hat mir sehr gefallen.
Bin nur etwas überrascht, wie viel Gefühle und Ängste Danvan noch hat. Sollte er nicht mit der Zeit gefühlslos werden? Oder hab ich da was Falsches in Erinnerung?
Dann noch mal was zu seinen Flügeln, als er vor diesen Wildschweinen davon gelaufen ist. Da hab ich mich auch gefragt, warum er nicht einfach in die Höhe geschossen ist.

Geschrieben wars wieder mal super, keine Klagen, keine Fehler gefunden ^^
Ich fands nur ein wenig lang für ein Kapitel, man hätte auch zwei draus machen können, find ich.
Sorry, dass ich so lang für den Kommi gebraucht hab.
Von:  Rooro
2010-09-27T15:34:08+00:00 27.09.2010 17:34
Kann es sein, dass sich dein Schreibstil etwas verändert hat? Er kommt mir irgendwie..... nennen wir es mal erwachsener vor. Gefällt mir sehr!
Und du bist blutig geworden o.o Die zahlreichen Verletzungen lassen wenig Spielraum für die Fanatsie übrig, was die Angreifer der Frau angetan haben! Sie tat mir richtig leid.
Einen Kritikpunkt hätt ich allerdings, zuerst dachte ich, die Personen seien Menschen, doch wenn sie Klauen, Fänge und blaues Fell haben, dann eher doch nicht. Ein wenig mehr Beschreibung, wie sie genau aussehen wäre gut gewesen, wenn man diese Wesen nicht kennt.

Jedenfalls ziemlich gut geschrieben, in der Mitte wars so schön flüssig, ich bin direkt am Bildschirm gepappt *lach* Halt mich auf dem Laufenden ^^


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